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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Werfen wir, um diesem reichen Leben näher zu treten, vor Allem den Blick in seine Wohnung! Trifft es zwar auch bei Kobell zu, daß der Rock den Menschen zeigt, so ist doch heutzutage die Wohnung ein noch viel zuverlässigerer Prüfstein, als die Kleidung. Wie schlicht ist doch dieses mit Geschenken und Zeichen der Liebe und dankbarer Verehrung von überall her reich versehene Wohn- und Studirzimmer (denn es ist beides in Einem)! Die Photographien ohne Zahl aus lieben Händen, Bild an Bild, ernste und heitere, besonders die in Laune und Witz unübertrefflichen Farbenscherze des unserem Kobell engbefreundeten Geistesverwandten Grafen Franz Pocci – alles ist einfach aufgenagelt an Thüren und Wänden. Nur ein paar kleine Oellandschaften haben sich zu einem Goldrahmen aufgeschwungen und einige Lithographien wurden unter Glas gebracht. Stolz tritt nur die Jagdlust auf. Da hängt in einer Ecke eine stattliche Zahl trefflicher Jagdgewehre und nicht weit davon das einzige große Oelgemälde, einen gewaltigen Nimrod vorstellend, den Großvater Kobell’s; eine ganze Wandseite ist überdeckt mit „Gamskrickeln“ und anderem Gehörne selbsterlegten Wildes. An der anderen Wand ferner stehen auf zwei Bretterlagen Becher und Humpen ehrwürdigster Gestalt bedächtig neben einander. Den besten Platz im großen Zimmer mit dem hellsten Lichte aber nimmt der massive Schreibtisch ein, auf ihm ein paar Regale voll Bücher. Ihm gegenüber ein gewaltiger verschließbarer Kasten für Mineralien, Bücher und Schriften. Ueberall Ordnung, aber prunkloseste Einfachheit. Zuhöchst über dem Kasten schaut auf uns ein schöner Jagdhundkopf hernieder, das Zeugniß derjenigen Erfindung Kobell’s, deren unschätzbarer Werth als Vervielfältigungsmittel für die zeichnende und malende Kunst nur dadurch zurücktrat, daß sie von der neuen Erfindung der Photographie überholt worden ist. Wir meinen die Galvanographie. Für Bequemlichkeit ist im Zimmer auffallend schlecht gesorgt. Rohrstühle mit kerzengrader hoher Rücklehne sind die einzigen gebotenen Ruhesitze. (Ein Divan bleibt unbenützt.) Nur ein Luxus fällt in die Augen – auf die Fensterbretter gestellte Scherben mit Blumen und Blaupflanzen. Und nun erst das anstoßende Schlafzimmer! Das einfachste Bett von der Welt, mit einem Musselindeckel zugedeckt, ein paar weitere kolossale Kästen – das ist so ziemlich Alles, was das schlichte Zimmer birgt. Die Wände sind hier ohne jeden Schmuck gelassen. Kurz, wir können uns nie des Eindruckes erwehren, als befänden wir uns in der Wohnung eines sehr „soliden“ Studenten.

Freilich etwas anders sieht es in den anstoßenden, von der liebenswürdigen, zart- und feingebildeten und – wie der Gatte – noch geistesfrischen Gemahlin Karoline bewohnten Räumen aus. Eine wärmere Behaglichkeit waltet in ihnen, aber auch hier fehlt all der raffinirte Luxus der Neuzeit, welchen die junge Generation für eine unerläßliche Nothwendigkeit anzusehen liebt.

Franz von Kobell.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Frau wie Mann, Jedes in seiner Weise, zeigen schon auf den ersten Blick dem Fremden wie dem Freunde ein Wesen gerade so einfach und schlicht – wie die vorhin geschilderte Häuslichkeit. Kobell hat bekanntlich jüngsthin sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum gefeiert. Es hatte für mich sein Tiefrührendes, Beide die Ueberraschung schildern und die tiefempfundene Dankbarkeit äußern zu hören über die in jenen Tagen gehäuften und beinahe bis zur „Strapaze“ gesteigerten Beweise von Anerkennung und Theilnahme, und wie sie vor Allem es rühmten, daß selbst König Ludwig ihn, „den einfachen Professor“, zu einer Hoftafel geladen hätte, an der außer ihm lauter hohe Würdenträger gesessen seien.

Die Gratulanten waren zahlreich. Da war vor Allem die Alma mater Erlangen mit einem großen lateinischen Festdocumente gekommen. Die Universität München wetteiferte mit der Schwester und ließ unter Anderem eine Festabhandlung durch Oberbergrath Gümpel eigens als Festschrift drucken. Gleiches geschah Seitens der Akademie der Wissenschaften, welche ebenfalls eine Jubelschrift durch Prof. Dr. August Vogel verfassen ließ. Andere gelehrte Gesellschaften drückten in gleicher oder ähnlicher Weise dem Jubilar ihre Theilnahme aus. Daß auch Dichter mit ihren Glückwünschen anrücken würden, war nicht anders zu erwarten. Scheffel sang aus Schwaben herüber, und Bodenstedt grüßte aus sächsischen Landen.

Betrachten wir nun das Schaffen Kobell’s selbst, so können wir nur einige aus der großen Masse der wissenschaftlichen Arbeiten berücksichtigen und auch sie nur – nennen. Die weiteste Verbreitung haben wohl die „Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst chemischer Versuche“ gefunden, da sie seit ihrem ersten Erscheinungsjahre (1833) schon die neunte Auflage erlebt haben und in’s Französische, Englische, Italienische und Russische, sodann die populären „Skizzen aus dem Steinreiche“, welche in’s Englische und Dänische übersetzt worden sind. Von der „Leicht faßlichen Mineralogie“ (1847) ist bereits die vierte Auflage (1871) erschienen. Zu den einflußreichsten Schriften Kobell’s gehörten ohne Zweifel auch die, welche sich „Mineralnamen und mineralogische Nomenclatur“ (1853) betitelt, sowie die krystallographischen und krystalloptischen Abhandlungen, und besonders die über das von Kobell erfundene Stauroskop (1855). Bahnbrechend endlich war auch die „Geschichte der Mineralogie“ (1864), von welcher jene Göttinger Adresse sagt, daß ihr Autor sich schon durch dieses Werk allein ein unvergängliches Verdienst erworben haben würde. Schließen wollen wir diese Bemerkungen mit der Erinnerung daran, daß Kobell zu Ehren ein Mineral Kobellit benannt worden ist.

Unter den poetischen Arbeiten Kobell’s und zwar denen der ernsten Gattung nimmt das Lehrgedicht „Die Urzeit der Erde“ (1856) die erste Stelle ein. In demselben werden mit einer nur der Phantasie des Dichters möglichen Lebendigkeit und Anschaulichkeit die einzelnen Perioden der Erdbildung an der Hand der Ergebnisse der Geologie geschildert. Mit einem wunderbaren Geschicke

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_247.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)