« §. 3. Schwere, Elektricität und Magnetismus §. 5. »
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§. 4.
Specieller Fall: Anziehung einer Kugelschale, deren Dichtigkeit nur vom Radius vector abhängt.


 Wir wollen zunächst die Gleichung von Laplace benutzen, um in einem speciellen Falle die Potentialfunction zu berechnen.

 Die anziehende Masse sei stetig vertheilt im Innern einer Kugelschale, d. h. des Raumes zwischen zwei concentrischen Kugelflächen. Den Anfangspunkt der Coordinaten legen wir in den Mittelpunkt der Kugeln. Die Dichtigkeit der anziehenden Masse sei dieselbe in allen Punkten einer zu der Begrenzung concentrischen Kugelfläche. Sie ändere sich nur mit dem Abstande vom Mittelpunkte. Dann ist auch die gesuchte Potentialfunction nur abhängig von dem Radius vector , und die partielle Diffe- |[12]rentialgleichung (2) des vorigen Paragraphen vereinfacht sich zu einer gewöhnlichen Differentialgleichung.

 Es ist


(1)


und


(2)


 Daraus findet man durch Differentiation



und



 Berechnet man in derselben Weise und , so ergibt sich durch Addition


(3)


 Die partiellen Derivirten von sind aus der Gleichung (1) herzuleiten. Man erhält





 Hiernach ergibt sich ohne weiteres




 Setzt man diese Werthe in die Gleichung (3) ein, so geht sie über in folgende |[13]



 Die Gleichung von Laplace lautet demnach hier


(4)


 Dividirt man auf beiden Seiten dieser Differentialgleichung durch , so lässt eine Integration sich ausführen. Sie ergibt



oder, was auf dasselbe hinauskommt:


(5)


Dabei ist mit die willkürliche Integrationsconstante bezeichnet. Die Gleichung (5) lässt sich unmittelbar weiter integriren. Man erhält


(6 )


wobei unter eine neue Integrationsconstante verstanden ist.

 Die Gleichung (6), welche zwei willkürliche Constanten und enthält, ist das vollständige Integral der Differentialgleichung (4). Es kommt nur noch darauf an, den Grössen und solche Werthe beizulegen, wie das vorliegende Problem sie erfordert. Dabei ist zu unterscheiden, ob die angezogene Masseneinheit in einem Punkte des inneren Hohlraumes sich befindet, oder in dem von anziehender Masse nicht erfüllten Raume ausserhalb.

 Die Begrenzungsflächen der anziehenden Masse seien ausgedrückt durch die Gleichungen


und resp. ,


und es sei .

 Erstens. Die angezogene Masseneinheit befinde sich in einem Punkte des inneren Hohlraumes, also in einem Punkte, für welchen ist. In diesem Falle berechnen wir zunächst direct die Anziehung, welche die Masseneinheit im Anfangspunkte der Coordinaten erfährt. Zu dem Zwecke denken wir uns die Kugelschale, welche die anziehende Masse enthält, in unendlich dünne Elementarschalen zerlegt. Eine solche, deren Begrenzungsflächen die Radien und haben, kann als ein Cylinder mit der kugel- |[14]förmigen Basis und der Höhe angesehen werden. Ihre Masse ist also



Dividirt man durch , so ergibt sich die Potentialfunction der Elementarschale auf den Anfangspunkt der Coordinaten. Um die Potentialfunction der gesammten anziehenden Masse zu erhalten, hat man in Beziehung auf zwischen den Grenzen und zu integriren. Diese ist demnach


(7)


Das Integral hat einen endlichen Werth, wenn die Dichtigkeit, wie wir voraussetzen, an keiner Stelle unendlich gross ist.

 Soll auf der anderen Seite aus dem vollständigen Integral (6) berechnet werden, so hat man dort zu setzen. Dadurch würde aber unendlich gross werden, wenn nicht in (6) die Constante gesetzt wird. Und da, wie bewiesen, nicht unendlich gross ist, so muss sein. Hierdurch geht die Gleichung (6) über in


(8)


Die Potentialfunction auf einen Punkt im inneren Hohlraume ist also constant, und da ihr Werth für den Anfangspunkt bereits berechnet ist, so hat man überhaupt für jeden Punkt im inneren Hohlraume


(9)


 Ist die Dichtigkeit constant, so ergibt sich speciell


(10)


 Die Derivirten von sind gleich Null. Die Kugelschale übt also auf einen Punkt im inneren Hohlraume gar keine Anziehung aus.

 Zweitens. Die angezogene Masseneinheit befinde sich in einem Punkte des äusseren Raumes, d. h. in einem Punkte, für welchen ist.

 In diesem Falle ist der Werth leicht zu bestimmen, den annimmt für . Wenn nemlich wie hier kein Theil der an- |[15]ziehenden Masse in unendlicher Entfernung liegt, so ergibt sich unmittelbar aus der Definition [§. 2, Gleichung (5)], dass ist für . Folglich ist jetzt . Um zu bestimmen, stellen wir folgende Betrachtung an.

 Der angezogene Punkt, welcher vom Anfangspunkte der Coordinaten um die Strecke entfernt ist, hat von den einzelnen Punkten der Kugelschale verschiedene Abstände. Der grösste Abstand ist , der kleinste . Man hat also die doppelte Ungleichung



Wir multipliciren an allen drei Stellen mit und integriren über die gesammte anziehende Masse. An der mittleren Stelle ist das Resultat . An den beiden äusseren Stellen kann man die Nenner und , die bei der Integration constant bleiben, vor das Integralzeichen nehmen. Beachtet man also, dass



d. h. gleich der gesammten anziehenden Masse ist, so ergibt sich



Nun ist aber , folglich



Diese Ungleichung gilt für jedes , das grösser als ist, also auch für . Sie geht aber für über in die Gleichung



Folglich ist die Potentialfunction der Kugelschale von der Masse in Beziehung auf einen Punkt im äusseren Raume


(11)


 In der Richtung des Radius vector wirkt die Kraft



|[16]und in jeder Richtung, die zum Radius vector rechtwinklig liegt , ist die Componente gleich Null.

 Demnach fällt die gesammte Kraft, welche die Kugelschale auf einen Punkt im äusseren Raume ausübt, in die Richtung des Radius vector, und da sie negativ ist, in die Richtung des abnehmenden Radius vector. Es ist also eine anziehende Kraft, und zwar dieselbe, die sich ergeben würde, wenn die gesammte anziehende Masse in dem Mittelpunkte der die Schale begrenzenden Kugelflächen concentrirt wäre.

 Die Gleichung (11) behält für einen Punkt im äusseren Raume ihre Gültigkeit auch für , d. h. wenn die anziehende Masse eine volle Kugel ist.