Schreiben über die Ausstellung der Dresdner Architectur-Akademie in den Jahren 1768 und 1769

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Titel: Schreiben über die Ausstellung der Dresdner Architectur-Akademie in den Jahren 1768 und 1769.
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aus: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Achten Bandes Zweites Stück
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Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: Dyckische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
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Schreiben über die Ausstellung der Dresdner Architectur-Akademie in den Jahren 1768 und 1769.


Werthester Freund!

Sie haben mich widerlegt, Sie waren halb unwillig, als ich gegen Ihre schöne Beschreibung, von der Dresdner Kunstausstellung vorigen Jahres einige Zweifel aufwarf, welche zwar nicht in Ihre trefflichen Kenntnisse von den Künsten ein Mistrauen verriethen, wohl aber in Ihren Patriotismus, der zu feurig ist, als daß er dem kalten Urtheile des Kenners nicht manchmal vorgreifen sollte. Denn so groß auch das Vergnügen war, das ich vor dem Jahre, über die mir gütigst ertheilte Nachricht, von der Dresdner Kunstausstellung, besonders über die Beschreibung der Baurisse empfand, und so lebhaft als ich mir diese beschriebenen Risse und Zeichnungen, die unter Ihrer Feder vielleicht noch gewonnen haben, vorstellen konnte; so sehr wünschte ich doch selbst einmal das Glück zu haben, sie zu sehen. Erinnern Sie Sich wohl aller der Einwürfe, die ich Ihnen darüber gemacht habe?

Ich hielt damals das Mehreste der Beschreibung für allzu schmeichelhaft, um meiner Liebe zur schönen Baukunst Gnüge zu thun: und ich konnte mir in der That nicht einbilden, daß eine [327] neu errichtete Akademie binnen fünf Jahren, solche Schüler habe ziehen können, daß die Ausstellung eigener Erfindungen in der Baukunst mit der zu Rom und Paris könnte verglichen werden. Mit Freuden gestehe ich nun, daß ich geirret, und dadurch Ihre Aufrichtigkeit beleidiget habe. Doch diesen Fehler will ich wieder gut zu machen suchen. Hören Sie mich also gütig an, m. l. F., und wissen Sie hiermit, daß ich seit dem Gelegenheit gefunden habe, nach Dresden zu gehen, und die Ausstellung von diesem Jahre zu sehen. Ich werde Ihnen so gar eine Beschreibung davon machen, um Ihnen die Ihrige zu erwiedern und mich dadurch zu rechtfertigen. Nur bitte ich um Vergebung, wenn sie nicht mit eben der Beurtheilungskraft abgefaßt ist als die Ihrige. Zum Glücke habe ich Ihren Brief bey mir. Ich werde daher die heurigen Stücke der Baukunst mit den vorjährigen, die Sie gesehen haben, vergleichen. Auf solche Weise hoffe ich eben das Vergnügen in Ihnen zu erwecken, das ich empfand, ohne daß Sie, wie ich gethan, daran zweifeln. Auch hier werden Sie Ihren freymüthigen Freund finden, der Ihnen über verschiedenes seine Meynung eröffnen, nicht in allen der Ihrigen seyn, und vielleicht so ein kleines Gezänke anfangen wird, das die schöne Baukunst doch wohl eben so wohl verdienet, als so mancher kritische Briefwechsel über eine dunkle Stelle eines klaßischen Schriftstellers.

Ich fange beym Hofbaumeister und Professor Krubsacius an. Sie loben zwar den vor dem [328] Jahre ausgestellten Grund- und Standriß eines großen Gewächshauses von hundert und fünf und siebenzig Ellen, daß der Freyherr von Riesch auf seinem Gute zu Neschwitz in der Oberlausitz, nach der Angabe besagten Hofbaumeisters, aufgeführet hätte, und daß es aus einer Menge Säle und Gallerien zur Ueberwinterung ausländischer Fruchtbäume bestünde; die große Doppeltreppe, die zu dem obern Saale und Wohnzimmern führet, die Menge derselben, die zur bequemen Wohnung einer ganzen Familie und einer Menge Fremden vollkommen hinreichend ist; alles dieses hat Ihren Beyfall. Allein nun Ihr Tadel! Es misfällt Ihnen, daß der Gurtsimms, an der mittlern grossen Vorlage, um anderthalb Ellen höher springt, als der Hauptsimms an den beyden langen Seiten, da doch nach der strengsten Regel kein Simms unterbrochen seyn soll. Nun muß ich Ihnen sagen, daß ich dieses Gebäude unterweges selber gesehen habe; weil der Ruf davon, in der Oberlausitz meine Neugier reizte, und ich von Budißin aus, einen Weg über Neschwitz, das nur zwo Stunden davon liegt, nach Dresden nahm. Ich gestehe, daß mir nicht nur dieses neue Gewächs- und Wohnhaus, sondern auch die ganze Anlage der Gärten sammt dem alten Schlosse, und den darzu gehörigen Gastgebäuden ungemein gefallen hat. Der Stifter davon, wie Sie wissen, war ein Herzog von Würtenberg, der es zu Anfange dieses Jahrhunderts anlegen ließ, und der itzige Besitzer sucht es in allen Stücken zu verbessern. Ich übergehe [329] alles dieses, und spreche itzt blos vom Gewächshause, das ich zur Herbstzeit voll von den schönsten Bäumen antraf. Die erstaunende Länge, die durch Bogenstellungen und freystehende Säulen sechsmal unterbrochen, und in drey Säle und zwey Gallerien eingetheilet war, durch die man alle in drey Reihen durchsehen konnte, war mir wirklich ein neuer und desto angenehmerer Anblick. Auf jeden Schritt entdeckte man mehr die Säulen des mittlern Saals, der sich über alle das übrige empor hebt; dieser hat in der That ein antikes Ansehen, das durch die Bilderblinten, darein wechselsweise Oefen und Gefäße zu stehen kommen, vermehret wird. Er ist dreyßig Fuß hoch, und zu fast eben so hohen Bäumen angelegt. Denn, im Vorbeygehen gesagt, außer Cassel, Weymar, Nürnberg und Dresden habe ich nirgends Bäume von solcher Höhe in Deutschland angetroffen. Hier ist nun die Frage? ob die Säle der niedrigen Bäume, ohne Noth eben so hoch seyn sollen als dieser? und wie würde es aussehen, wenn die Decke in gleicher Höhe fortliefe? Ist es nicht ebenfalls eine eben so strenge Regel der Baukunst, daß alle Säle höher als die Nebenzimmer seyn müssen? also auch hier. Daraus nun ist der erhöhete Gurtsimms des mittlern großen Saales entstanden; der, weil er noch einen Tanzsaal, und vier große Zimmer über sich hat, mithin einen Pavillon vorstellet, der seinen besondern Hauptsimms hat, gar wohl zu entschuldigen ist. Man hat mir gesagt, daß der Baumeister eine Zocke in [330] der Höhe besagten Simmses, um das ganze Dach habe herumführen wollen, um dadurch das Dach um soviel zu verstecken, als welches ohnedem bey allen schönen Gebäuden seyn soll; allein sie sey aus Ersparniß weggeblieben. Ebenfalls sind die beyden Eckpavillons und Flügel, so wie sie im Risse waren, weggefallen. Dahingegen zwey niedrige schlechte Gebäude zur Küche und Gärtnerwohnung mit vier kleinen Höfen hinterwärts außerhalb des Gartens angehangen worden sind, die mehr der ökonomischen Denkungsart des Bauherrn, als der Baukunst Ehre machen.

Ich komme nunmehro zur dießjährigen Ausstellung des Professor Krubsacius. Dieser zeiget eine Loretto Kapelle, die Se. Durchl. der Fürst von Lobkowitz an der alten Pfarrkirche zu Sagan stiften will. Erinnern Sie Sich noch wohl der wahren Loretto Kapelle, wie ungeschickt und überhäuft die Zierrathen daran sind? jedoch dieses war der Geschmack damaliger Zeiten. In diesen Rissen aber finde ich mehr edle Baukunst als Verzierungen. Die Kapelle wird klein und nur vier und vierzig Fuß von außem lang, neun und zwanzig Fuß breit, und sechs und dreyßig Fuß hoch. Acht gekuppelte Wandpfeiler machen die Länge, und vier einfache, die breite Seite aus; daraus entspringen drey Hauptsäulenweiten, in derer Mittlern beyder Ansichten zwo Bilderblinten sind angebracht worden, wo in einer das Bild Davids, und in der andern Josephs, auf wohl geschweiften [331] Stühlen stehen. In den zwo andern Säulenweiten, sind ebenfalls ablang runde Blinten, zu ben Brustbildern, Moses, Jesaia, Matthäus und Lucas angeordnet, die vermöge des herumlaufenden Kämpfers, auf eine angenehme Art mit einander verbunden sind. Unter erstern befinden sich zwo kleine Thüren, auf der langen Seite, davon die eine gangbar ist. Diese sind in guter Verhältniß, und mit der gehörigen Verdachung gedeckt; anderseits aber, ziehen sich bloße Füllungen, mit allegorischen Gehenken herunter: und oberhalb der Blinten, sind ebenfalls dergleichen angebracht. Zur Säulenordnung hat der Baumeister Sturms deutsche Ordnung erwählet; und warum nicht? ich glaube wir haben Ursache, darauf gegen andere Völker so gut, wie die Römer stolz zu seyn. Ich finde aber, daß er in etwas die Verhältnisse der Säulenstühle und des Gebälkes glücklich verbessert hat. Freuen Sie Sich mit mir über den rühmlichen Eifer der deutschen Künstler, die nicht mehr Nachahmer der Ausländer, sondern ebenfalls wie jene Schöpfer seyn wollen. Ueber dieser Ordnung erhebt sich eine niedrige Attique ohne Pfeiler, oder, wie Sie wollen, ein Mäuerchen zur gänzlichen Verdeckung des Daches, das in Postamente mit gehörigem Simmswerke eingetheilet ist, daran nach unterstehenden Säulenweiten vertiefte Füllungen angebracht sind; in welchen verschiedene auf die heil. Empfängniß sich beziehende Schriftstellen in halb erhabener Arbeit stehen. Unter andern hat mir der Ausdruck vom 6ten bis mit dem [332] IIten Vers des 72sten Psalms gefallen, der in der That manchem sehr schwer zu malen seyn würde. Zur Krönung dieser Postamente, stehen Andachtsleuchter, von guter Zeichnung und Erfindung, und in beyden Mitteln, das Wapen und der verzogene Namen. Sr. Durchl. mit dem Fürstenmantel umgeben. Das Innwendige der Kapelle ist, wie Sie wissen, ganz glatt; der Haupteingang aber in selbige ist aus der alten Kirche hinter einem Altartische der Thurmkapelle. Dieser nun ist aufs herrlichste gleich einem Altare mit korinthischen Säulen verzieret. Zum Altarblatte ist der englische Gruß, in Lebensgröße, von Marmor erwählet, der ganz frey vom Bildhauer in einer Vertiefung, die mit einem Rahmen von Lilien und Palmen umgeben ist, stehen soll. Zwischen den Säulen stehen beyderseits Adam und Eva, und über dem Hauptsimmse ist die Glorie des heil. Geistes, die von ein paar Engeln, über den Säulen kniend, verehret wird. Alles ist im besten Geschmacke angegeben; und ich glaube die Kenner auf meiner Seite zu haben, wenn ich sage, daß diese kleine Kapelle dem Durchl. Stifter, sowohl als dem Baumeister, der sie erfunden hat, ja unserm Deutschlande Ehre machen wird.

Die vorjährige Ausstellung des Hrn. Hölzers, Unterlehrers der Baukunst, mit der Sie so sehr zufrieden waren, habe ich nicht können zu sehen bekommen, ich glaube Ihnen also völlig; und danke es dem Herrn Hölzer, daß er meinem Freunde, [333] diesesmal ein so angenehmes Vergnügen verschafft, als dieses ist, den Wachsthum der Kenntnisse, in einem jungen Künstler stufenweise wahrzunehmen. So viel lese ich aus Ihrem Briefe, daß Ihnen der Grund- und Aufriß zu einem Landhause nach römischer, mit aufgesetzter attischen Ordnung wohl gefallen habe. Sie loben vorzüglich die gute Eintheilung des Grundrisses nach heutiger Bequemlichkeit, so wie die Erhöhung desselben, und die große Freytreppe nach dem Garten zu, und sie gestehen, daß dieser Entwurf nicht nur in antikem Geschmacke in Ansehung der reinen Baukunst, der richtig eingetheilten guten Säulenweite, und Kragsteine in allen Verkropfungen, sondern auch in wahrem Französischen, in Ansehung der Wohn- und Prachtzimmer sey. Sie haben in beyden recht gehabt, denn ich vermuthe, daß dieser junge Künstler sich vor dem Jahre nicht habe verleugnen können, da ich dieses ebenfalls an dem heurigen Schlosse, das er erfunden hat, wahrgenommen habe. Erlauben Sie mir also, daß ich Ihnen in der Kürze das königliche Schloß beschreibe. Der Grundriß ist fünfhundert und zwanzig Fuß lang und vierhundert Fuß breit, mit einem großen Hofe in der Mitte; die Hofseite ist blos mit einer prächtigen Säulenstellung, nach alter griechischer Art geschlossen, damit man das Innere sehe, und beyderseits im Trocknen absteigen könne. Durch viele große und kleine Treppen gelanget man ins obere Stockwerk. Die Menge Säle, Gallerien, Prunk-Wohn- und Kleiderzimmer, nebst allen ihren geheimen [334] Ausgängen, kann ich Ihnen nicht beschreiben. So viel aber will ich sagen, daß sie alle sehr bequem, wohlverhaltend, und zusammenhangend angeordnet; oder wie Sie wollen, nach französischer Bequemlichkeit angeleget sind. Wie vielmal haben wir uns nicht über diese Bequemlichkeit unterredet; und haben wir wohl eine andere und bessere, nach unsern angenommenen Sitten und Gebräuchen, ausfündig machen können? Vormals ahmten wir den Italiänern, itzt den Franzosen nach. Kann also wohl eine bessere Bequemlichkeit seyn, als die sich nach dem Eigensinne der Mode richtet, und auch nach der Strenge der Regel zu vertheidigen ist? In diesem Geschmacke nun ist das ganze Schloß angelegt. Was aber das Aeußerliche betrifft, so muß jedermann den Franzosen die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß, da die schöne Baukunst, und der antike griechische und römische gute Geschmack heutiges Tages ganz und gar aufs neue in Italien untergegangen ist, derselbe noch in Frankreich herrschet. Aber auch darinne giebt ihnen Dresden nichts nach: denn es ist ja wohl uns Deutschen so gut als andern Völkern erlaubt, aus der reinen Quelle zu schöpfen, und die schöne Baukunst nach unsern Umständen einzurichten. So wie ich nun allezeit gedacht; so habe ich es auch hier gefunden; und es freuet mich, daß Künstler ebenfalls anfangen, diese freyen Gesinnungen zu hegen, ohne welche unsere Genies mit gleicher, oft mit mehr Geschicklichkeit, als die Ausländer, nur immer furchtsamere Nachahmer bleiben [335] werden. Ich gehe weiter, und beschreibe Ihnen blos in der Folge die Dresdner Ausstellung anderer jungen Leute, die bis hieher die Baukunst gehöret haben, und auch hier verspreche ich Ihrer Erwartung, welche allemal von einem jungen Künstler noch keine vollkommenen Meisterstücke fordert, zu entsprechen.

Herr John, der vor dem Jahre einen prächtigen Standriß zu einem fürstlichen Landhause, auf einer steinernen Erhöhung, mit regelmäßiger eingetheilter ionischen Ordnung, auf zwey Stockwerk gerichtet, gezeiget hatte, hat ein noch prächtigers fürstl. Landhaus von dreyhundert und zwanzig Fuß lang in Dorischer Ordnung mit gekuppelten Säulen, und Wandpfeilern, nach aller Genauigkeit der Dreyschlitze und Zwischentiefen ausgestellet, davon die außerwesentlichen Zierrathen, in gutem Geschmacke und am rechten Orte, unüberhäuft angebracht waren. Desgleichen hat Hr. Ritter, dessen Riß, wie Sie schreiben, vor dem Jahre, aus einem Landhause bestund, heuer die Ansicht eines prächtigen Schlosses von vierhundert und achtzig Fuß lang gegeben, das auf einem Unterbaue von anderthalb Geschoß hoch stehet, und aus zwey Geschoß nach dorischer Ordnung errichtet ist; hieran erblicke ich ebenfalls Sturms gegebene Regeln zu Kuppelung der Säulen und Pfeiler, die in der That bey den Franzosen noch für unmöglich gehalten wird. Der großen Länge halber, hat das Schloß fünf Vorsprünge, davon der mittlere und die an [336] beyden Ecken noch eine Attique mit Giebeln tragen. Das Dach ist nach gebrochener Art, und vor selbigem läuft ein Geländer mit Docken herum. Die Zierrathen sind bescheiden und glücklich vertheilt; überhaupt hat das ganze Gebäude der sehr breiten Schäfte halber ein italiänisches Ansehen. Nur Schade, daß alle untere Eingänge schmäler sind, als die großen Bogenfenster, die darüber stehen, noch anderer kleinen Fehler zu geschweigen, die alle dem jungen Künstler, den Ruhm eigener Erfindung nicht benehmen.

Ein noch prächtiger königl. Schloß sah man vom Hrn. Lose, der vor dem Jahre nur ein Landhaus ohne Säulenordnung zeigte: dieses ist tausend Fuß lang, mit vier großen Höfen in Nachahmung des neuen königl. Schlosses zu Caserta. Jch kann mit Wahrheit sagen, daß nichts im Grundrisse vergessen, was zur Pracht und Wohnung eines Königes gehöret, der Millionen verbauen kann. Gleich der Eintritt überrascht das Auge aufs prächtigste; und nichts kann königlicher seyn, als eine Einfahrt in eine Gallerie mit Säulen; Eine Rundung mit einer Kuppel im Mittel zum Umlenken mit sechs Pferden, und beyderseits doppelte Treppen von zwanzig Fuß breit. Hierauf folgen die Wachtsäle, Vor- und Wohnzimmer, Speise- Pracht- Bücher- und Tanzsäle, Bildergallerien, Cabinetter und andere nöthige Zimmer, mit allen bequemen Aus- und Eingängen und Treppen, alles so schön, daß ich vielleicht Ihre Geduld nicht ermüden, [337] wohl aber die Schranken eines Briefs überschreiten würde, wenn ich Ihnen eine Beschreibung des Details beyfügte. Was die Ansicht des Schlosses betrifft, so nimmt ebenfalls der Unterbau anderthalb Geschoß ein, mit bäurischem Werke gezieret. Auf diesem erhebt sich die Dorische Ordnung mit gekuppelten Säulen in den fünf Vorlagen und mit einzelnen Wandpfeilern in den Rücklagen. Der mittlere Vorsprung tritt mit einer Rundung, den Grundsätzen der Kunst gemäß weiter hervor als die übrigen, und eben dieser Runde halber konnte kein Giebel angebracht werden; der Erfinder hat sich deswegen eines Aufsatzes von Bildhauerey bedienet, der aber etwas zu niedrig aussah. Doch diesem hätte gar leicht durch ein erhabenes Postament geholfen werden können, da ohnedem eine Zocke über dem Hauptsimms herum lief. Die außerwesentlichen Zierrathen waren wie im vorhergehenden ebenfalls klug und sparsam angebracht.

So schwer es nun ist, ein ganzes königliches Schloß regelmäßig zu erfinden, eben so schwer werden Sie es mit mir finden, Kirchen sammt ihren Thürmen mit Säulenordnungen anzugeben. Aber auch hierinne haben sich zwey junge Leute hervorgethan. Der eine ist Herr Wilmsen, ein Holsteiner, der sich seit drey Jahren hier aufhält, um bey der Akademie die Baukunst zu erlernen; dieser, der vor dem Jahre ein Landhaus nach ionischer Ordnung und ein Portal nach der Entfernung gezeichnet, ausgestellet hatte, hat heuer eine Kirche von seiner Erfindung gezeichnet, daran [338] die römische Ordnung, wohl berechnet, herum lief; das Schiff erhob sich im Mittel durch eine Attique, und der Thurm, der bis an die Spitze zweihundert und zwanzig Fuß hoch war, bestund über den römischen noch aus dreymal übereinander gestellten korinthischen Säulen, über welchen zu oberst noch eine Laterne und Spille war. Ich habe mit Fleiß untersucht, ob nicht bey dieser Uebereinanderstellung, zumal gekuppelter Säulen, Fehler der Verjüngung oder Verkröpfung der Sparrenköpfe vorgefallen wären; allein ich habe alles nicht nur regelmäßig, sondern den ganzen Thurm, der von der Attique des Schiffs absteht, wohlverhaltend und pyramidalisch bis auf die obere Spitze gefunden, die zu schwach war, und etwas Widriges in ihrer Anschweifung hatte. Wenn ich aber bedenke, wie wenig schöne Thürme wir erbauet finden: wenn ich erwäge, daß so gar die Franzosen, nichts Schönes darinnen aufweisen können; so ist es immer viel von einem jungen Menschen, daß er diesen erfunden hat.

Was mich aber noch mehr vergnügt ist die Beeiferung der jungen Künstler. Der junge Kamsetzer, ein Mensch von 15 Jahren und voller Hoffnung, hatte eine Kirche mit zween Thürmen ausgestellet, die nicht weniger regelmäßig, als Herr Wilmsens war. Sie bestehet aus einem Unterbaue, vom bäuerischen Werke, über welches eine ionische Ordnung die Höhe der ganzen Kirche ausmacht. Die beyden Thürme stehen an der Seite übereck, und sind durch zweymal über einander [339] gestellte römische Säulen und Pfeiler erhaben, endlich durch ein geschweiftes Postament, sammt einer Haube und Spille, zugespitzt; so regelmäßig alles ist, so muß ich doch bekennen, daß diese beyde Thürme gar zu nahe beysammen stehen, und sich nicht pyramidalisch genung erheben. An dem ersten ist die schmale Spannung der Kirche schuld, das andere aber kommt blos auf einen guten Schwung der Säulenstühle an: und es ist immer ein Beweis, daß das allzuregelmäßige öfters das Steife hervorbringt. Dasjenige, was ich hier sage, haben Sie ebenfalls vor dem Jahre an dem runden Thurme des Herrn Habersangs, der ein Mitglied der Akademie und Lehrer der Baukunst in Leipzig ist, erkannt. Erlauben Sie mir, daß ich Sie an Ihre eigenen Worte erinnere. Sie sagen: „der Thurm ist gar zu regelmäßig gezeichnet, der Erfinder hat dadurch die Lehre der Uebereinanderstellung aller fünf Säulenordnungen, und noch darzu in einer Rundung zeigen wollen. Wer da weiß, daß Zirkelrechnung und etwas Trigonometrie zu Austheilung der Säulenweiten gehöret, der wird es immer für ein Meisterstück halten; allein im Ganzen betrachtet, siehet er wie eine hohe Walze aus, die eine halbe Kugel, oder Kuppel zur Decke hat, welche noch darzu auf den äußern Säulen ruht. Hieraus erkenne ich, daß die wenigsten Baumeister noch wissen, wie sie die schöne Gestalt, das Leichte, das Fließende und Einnehmende, mit den Regeln ihrer Kunst dergestalt verknüpfen sollen, daß [340] ihre Erfindungen, bey aller versteckten Kunst, keinen ängstlichen Zwang, keine sklavische Befolgung der Regeln verrathen; kurz, daß jeder der die Bankunst versteht, bey sich ausruft: so würdest du gebauet haben; so wie bey einem trefflichen Gedichte jeder Leser: so und nicht anders möchtest du geschrieben haben.“ Dieser Herr Habersang nun hat am letzten Friedrichstage einen viereckigten chinesischen Gartenpavillon ausgehangen, der ebenfalls ganz artig ist; allein, ich wollte wünschen, daß unsere Künstler sich um das wahre Chinesische bekümmern möchten, bevor sie dergleichen erfinden wollten. Hätte Herr Habersang nur des Chambers Werk von Gebräuchen, Trachten und Häusern der Chineser zu Rathe ziehen wollen, der als Baumeister, uns alle Grund- und Standrisse nach dem Maasstabe zeiget; so würde dieses Volk seinen Pavillon nicht für sächsisch halten können. Jedoch auch andere Künstler geben ihre Grillen für arabisch oder chinesisch aus, und wer es nicht besser weiß, der kann es ohne Gefahr glauben. Außerdem muß ich, so wie Sie, dem Herrn Habersang die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß er seine Untergebenen in Leipzig die Anfangsgründe der Geometrie, der Perspektiv- und Baukunst mit aller Gründlichkeit, die diese Wissenschaften erfordern, lehret: denn solches beweiset die vorjährige und die letzte Ausstellung. Mithin hat auch dieser Zweig der hiesigen Akademie einen vortrefflichen Lehrer in den Grundregeln, unter den Augen des berühmten Directors Hrn. Oesers.

[341] Ich will, liebster Freund! weil ich ohnedem, bey der Mannichfaltigkeit der Gegenstände, wider Willen schon zu weitläuftig geworden bin, nicht alles berühren, was ich gesehen habe, sondern Ihnen nur das vorzüglichste noch davon sagen. Hieher gehöret vor allen andern die Ansicht eines schönen Landhauses nach dem Garten zu, das auf einer gemauerten Erderhöhung mit drey großen Freytreppen, und aus zwey Geschoß von zweyhundert Fuß lang nach ionischer Ordnung gezeichnet ist. Die mittlere Vorlage ist besonders gut, denn sie hat gekuppelte Säulen, drey Bogenthüren, und darüber ablang runde Fenster zur Erleuchtung des Saales; darüber herrschet ein Giebel nach alt griechischer Art, und die breite ganz gerade Freytreppe, mit beyderseitigen Postamenten und darauf liegenden Schnitzbildern giebt diesem Mittel das Ansehen eines antiken Tempels. Dieses ist von der Erfindung und Hand des jungen Pansen. Der junge Scheffel gab auch ein Landhaus, hundert und sechzig Fuß lang im Grund- und Aufriße, das nur aus dem Keller und Erdgeschoße bestehet, und daran das Hauptmittel nur korinthische Säulen zeiget, da das übrige ganze Haus nach heutiger Art, mit eingeblinteten Fenstern oder sogenannten Lesseen verzieret ist. Noch ein dergleichen nach dorischer Ordnung war von dem jungen Speck zu sehen. Alle diese drey jungen Baukünstler, von welchen wir vor dem Jahre nur Bogen- und Säulenstellungen hatten, haben sich auf solche Art sehr zu ihrem Vortheile gezeigt.

[342] Ich übergehe viele Anfänger, die dießmal ebenfalls nichts besseres, jedoch von ihrer eigenen Erfindung ausgestellet haben. Denn dieses muß man überhaupt der Dresdner Akademie nachrühmen, daß, wie ich gehöret und gesehen habe, die Schüler gleich nach Erlernung der Grundregeln, gar nicht zur mühsamen Abzeichnung vieler Risse, sondern zur Nachahmung und eigener Erfindung von den kleinsten Theilen an bis zu den größten Gebäuden in kurzer Zeit angeführet werden. Dieses erkennen schon viele Ausländer, die sich hierher zum Unterrichte, (besonders da die Kunst ganz umsonst gelehret wird,) begeben haben: Und erlauben Sie mir immer eine Prophezeyung, die in wenig Jahren nicht mehr stolz klingen wird: Mit der Zeit wird diese neu angelegte Kunstakademie, der guten Lehrer, der vorzüglichsten Sammlung der Gemälde, der Kupferstiche und Zeichnungen, der antiken Bilder, der schönen Gebäude, der angenehmen Gegend, und der gesitteten Lebensart halber, eine der berühmtesten von Deutschland werden.

Ehe ich schließe muß ich Ihnen noch etwas von Ausstellung der perspektivischen Zeichnungen sagen.

Ein junger Maler Pechwell, hat sich durch eine große Zeichnung, die einen römischen Markt vorstellet, sehr hervorgethan. Der Vordergrund besteht aus einem halb eingefallenen ionischen Gebäude, der Mittelgrund aus einem alten korinthischen [343] Tempel, und der Hintergrund zeiget einen runden Tempel mit seiner Kuppel. Beyderseits stehet ein Wasserbrunnen, Grabmaal und Prachtkegel, jedes nach seinem besondern Punkte gerichtet, welches eben so wohl das Angenehme als Schwere der Perspective anzeiget, zumal wenn alle Gegenstände aus ihrem Grunde aufgezogen werden. Diese Erfindungen machen eine Menge Figuren und Gebüsche zur malerischen Zeichnung, wo nicht zur Verzierung einer Schaubühne.

Noch zwo andere Vorstellungen, von den beyden Schülern Langwagen und Haaken, verdienen angemerkt zu werden. Dieses waren Gartenstücke mit zwo Pavillons im Vordergrunde und einem Hauptgange mit Bäumen, Hecken, Springwassern und Bildern hier und dar verzieret. Alles war nach dem einzigen Augenpunkte gezogen, und in der Haltung ganz gut. Die Bäume und die Luft waren nur mislungen. Ueberhaupt muß ich Ihnen meine Meynung wegen der Zeichnung frey heraus sagen. Alles was der Zirkel, die Reißfeder und der Tuschpinsel hervorgebracht haben, ist sehr gut. Denn die Linien sind zart, scharf und schließen genau. Der Pinsel ist saftig, weich und dennoch kräftig, ja ich muß gestehen, daß ich an den italiänischen und französischen Rissen, weder das Scharfe und Zarte der Linien, noch das Sanfte und Glatte des Pinsels gesehen habe. Die Ursache ist, sie haben keine stählerne Reißfedern, und tuschen zu schwarz, ohne viel zu vertreiben. Dahingegen [344] ist die freye Handzeichnung der außerwesentlichen Zierrathen desto besser und correkter bey ihnen: dieses ist es, was vielen deutschen Baumeistern noch mangelt, und diese Handzeichnung ist es eben, die den Geschmack in der Baukunst bilden kann. Kann man es aber wohl von ihnen verlangen, da man bishero diese Kunst blos in der Kenntniß des Bauzeuges, deßen Bearbeitung und wohlfeilen Behandlung, auch geschwinder Errichtung der Gebäude gesuchet hat? Aber auch hierinne ist, wie ich gehöret habe, durch die Fürsorge des Herrn Geheimen Legationsrath, und Generaldirectors der Künste und Kunstakademien, Herrn von Hagedorn, gute Veranstaltung getroffen worden. Dieser Patriot ist es allein, unter dessen Antriebe eine neu errichtete Akademie binnen fünf Jahren so steigen konnte. Die Classe der Baukunst hat einen besondern Unterlehrer der Zeichnung Herrn Friedrich erhalten, der die Schüler zum saubern Zeichnen kleiner Figuren anhalten soll; da sie bey den übrigen Professoren ins Große und so gar nach dem Leben zeichnen und in Thon bilden lernen können. Ja, was noch mehr ist; so legen sich viele der ältesten Zuhörer auf die Radierkunst, damit sie alle ihre gute Erfindung an statt der Zeichnung ausstellen, doppelte Geschicklichkeit zeigen, und sich desto bekannter machen mögen. Hierinne ahmen sie den jungen Baukünstlern in Paris nach.

Ein edler Vorsatz, die Kunst recht allgemein zu machen! Auf solche Weise wird mein Brief [345] künftiges Jahr nicht so lang werden, wenn ich das Vergnügen haben sollte noch in Dresden zu seyn, sondern ich würde Ihnen, statt der unvollständigen Beschreibung, die Sache selber schicken können. Dem allen ungeachtet, glaube ich, daß unsere beyder Liebhaberey allemal das Urtheil darüber fordern wird. Ich verspreche es Ihnen nach meiner Einsicht, aber ich verlange es auch von Ihnen. Und damit ich Sie nicht so lange müßig lasse; so bitte ich mir in Antwort eine Beschreibung des Zustandes der Wiener Akademie aus, von der ich voraus das Vorurtheil, aus einer Menge Kupferstichen, gefaßt habe: daß zwar die Malerey und Bildhauerey sehr weit getrieben worden; allein daß die Kupferstecherey zurückgeblieben, und daß der gute Geschmack in der Baukunst und Verzierung daselbst, durch die angenommenen falschen Regeln des Borromini, und des Ungleichseitigen des Meßonier verdorben worden sey. Vielleicht aber irre ich mich auch hierinne, so wie ich mich von der Dresdner Kunst geirret habe. Ihr Urtheil soll es entscheiden. Schreiben Sie mir es ja bald, und behalten Sie Ihren Freund eben so lieb als Ihre Baukunst. Dresden, den 3ten April 1769.