Textdaten
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Autor: Ferdinand Sonnenburg
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Titel: Schiller als Humorist
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 170–172
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Schiller als Humorist.


Von Ferdinand Sonnenburg.


Als zur Eröffnung der erneuerten Bühne in Weimar am 18. October 1798 zum ersten Male Wallenstein’s Lager zur Aufführung gebracht wurde, waren selbst Schiller’s nächste Angehörigen überrascht von der sprudelnden Lebensfülle der wahrhaft homerischen Gestalten, welche ihnen der Dichter vor die Augen führte, und als die ganze Trilogie bei Cotta im Drucke erschien, erhoben viele Stimmen die Behauptung: „Das Lager muß Goethe’s Werk sein; eine solche Dichtung liegt nicht in dem idealen Ideenkreise Schiller’s.“ Goethe erklärte öffentlich, daß nur zwei kleine Verse von seiner Hand herrührten, aber selbst diese Versicherung fand nicht überall Glauben.

Im Kreise der Schiller’schen Dichtungen, wie diese in den gewöhnlichen Ausgaben vorliegen, erscheint allerdings Wallenstein’s Lager in seiner Art sehr vereinzelt, und vergebens suchen wir unter den übrigen dramatischen Werken nach verwandten Gestalten. Es scheint, als ob diese eine köstliche Blüthe auch das einzige Geschenk sei, welches der große Dichter seinem Volke auf dem Gebiete des Humors gespendet habe. Wer Unsterbliches auf dem Felde des Ernsten, des Idealen, des Heroischen leistete, dem muß, so scheint es, der Lärm des bunten Gassenlebens widerstreben.

Und doch trifft dieser Satz bei Schiller keineswegs zu; nur müssen wir, wenn wir den Quell seines Humors aufdecken wollen, in frühere Zeiten zurückgehen, in denen sein Geist noch frei war von den Spuren bitterer Sorgen und schweren körperlichen Leidens, deren Einwirkung selbst ein solcher Heros nicht von sich abwehren konnte. Wir finden diese Zeiten, wenn wir die Jugendjahre Schiller’s in Stuttgart einer näheren Betrachtung unterziehen.

Der Herzog Karl Eugen war Schiller’s Landesherr und der Lage der Dinge nach zugleich sein fast unmittelbarer Aufseher. Das Bild dieses Fürsten bietet arge Flecken, doch es ist nicht so lichtlos, wie es oft dargestellt wurde; in mancher Hinsicht rechtfertigte der Herzog die hohen Erwartungen, welche Friedrich der Große von ihm hegte. Die Karlsschule war eine geniale Schöpfung. Viele große Geister sind aus ihr hervorgegangen, und ihre Schüler wurden keineswegs despotisch geknechtet. An seinen Lehrer Abel, der den Entflohenen sogar in Mannheim besuchte, dachte Schiller stets mit warmer Liebe zurück. In den Räumen der Karlsschule fand Jugendmuth und Frohsinn sogar Muthwille, immer nach Gelegenheit, sich auszubreiten. Shakespeare, Götz von Berlichingen, Klinger’s Dramen, Julius von Tarent konnten heimlich gelesen und ein Dichterbund gegründet werden, der auch das Feld des Humors und der Satire mit Erfolg anbaute und sich zum Gegenstande des gutmüthigen Spottes sogar den militärisch strengen Oberaufseher Nieß auszuwählen wagen durfte. Mit seinem Freunde Haug hielt Schiller einmal einen dichterischen Wettkampf im Preise der Grobheit.

Wenn die Privatunterhaltungen seiner Zöglinge nicht gegen die Regeln der Schule verstießen, so störte Herzog Karl sie nicht; selbst einen dreisten Spaß konnte er wohl ertragen. Ludwig von Wolzogen erzählt in seinen Memoiren:

„Auf der Akademie befand sich ein junger Graf von Nassau, [171] der viel tolle Streiche machte und dem deshalb die Strafanweisungen, Billets genannt, von allen Seiten regneten. Einst mußte er dem Herzoge wieder eine ganze Ladung davon überreichen, als derselbe mit Franziska (seiner Gemahlin) aus dem Garten kam. Herzog Karl las die Sündenregister und fragte dann den unbändigen Zögling: ‚Sag’ Er mir, was würde Er nun thun, wenn Er an meiner Stelle wäre?‘

Der Graf von Nassau, schnell gefaßt, gab der Gräfin Franziska einen herzhaften Kuß und nahm ihren Arm, indem er sagte: ‚Komm’, Fränzel, und laß den dummen Jungen stehen!‘

Zwischen Zorn und Lachen schwankend, machte der Herzog gute Miene zum bösen Spiele, und die Sache hatte dabei ihr Bewenden.“

In der Behandlung seiner Schüler machte Herzog Karl durchaus keinen Rangunterschied; der fleißige Sohn seines Stallknechtes Dannecker galt ihm mehr als ein träger Junge vom Adel. In dieser gesunden Luft gedieh auch Schiller’s Humor, und seine Mitschüler erzählen, daß er auch seine Vorgesetzten mit seinen raschen, witzigen oder sarkastischen Einfällen nicht verschonte.

Die Schulzeit nahm ein Ende. Schiller trat als Regimentsmedicus in das Grenadierregiment Augé ein; mehrere Cameraden blieben gleichfalls in Stuttgart, und nichts hemmte nun den freien, fröhlichen Verkehr. Schiller bewohnte ein Zimmer in der jetzigen Eberhards-Straße. Sein Stubengenosse war der Lieutenant Kapff, ein geistvoller junger Mann, den sein Leichtsinn öfter zu stürmischem Lebensgenusse trieb. Beide führten eine geniale Studentenwirthschaft. Bibliothekar Petersen und Lieutenant Scharffenstein vervollständigten den kleinen Kreis, in dem sprudelnder Humor und ein oft tolles Gelächter zu Hause waren.

Gemüthliche Kneipereien durften nicht fehlen. Im Winter wurde des Abends eine Manille gespielt; im Sommer ging es zum „Ochsen“ auf der Hauptstätterstraße, wo man eine gute Kegelbahn fand. Als Schiller eines Tages vergeblich auf die Genossen wartete, ließ er folgenden Zettel zurück: „Seid mir schöne Kerls. Bin da gewesen, und kein Petersen, kein Reichenbach. Tausendsakerlot! Wo bleibt die Manille heut’? Hol’ Euch Alle der Teufel! Bin zu Haus’, wenn Ihr mich haben wollt. Adies. Schiller.“ Wenn in der Casse Ebbe war, so versammelten die Freunde sich in des Dichters Zimmer und verzehrten als Abendmahlzeit Knackwurst und selbstbereiteten Kartoffelsalat. Konnten sie sich auch einige Maß Wein erlauben, so gehörte ihrer genialen Laune und ihrer brausenden Jugendlust die ganze Welt.

Die Dreibätzer für den Rebensaft lieferte in der Regel Schiller’s Feder. Er war Redacteur eines kleinen Blattes, von dem die Stuttgarter Bibliothek noch ein vollständiges Exemplar bewahrt; er arbeitete an seinen „Räubern“, und schrieb eine flammende, später unterdrückte Vorrede dazu, in welcher wir den Ton von „Wallenstein’s Lager“ an mancher Stelle wiederfinden. Nur eine kleine Probe möge hier eingeschaltet werden. Der Autor schwingt seine Geißel über denjenigen Theil des theaterbesuchenden Publicums, dem die Erkenntniß der Kunst ewig versagt ist. In der anschaulichsten Weise führt er uns die einzelnen Gestalten vor Augen. „‚Mort de ma vie‘! sagt der Eisenfresser, ‚das heiße ich einen Sprung!‘ – ‚Fy, fy!‘ flüstert die Mamsell, ‚die Coiffure der kleinen Sängerin war viel zu altmodisch.‘ – ‚Sacre Dieu!‘ sagt der Friseur, ‚welche göttliche Symphonie! Da führen die Deutsche Hunde dagegen.‘ – ‚Sternhagelbataillon, den Kerl hättest Du sehen sollen das rosenfarbene Mädchen hinter die spanische Wand schmeißen,‘ sagt der Kutscher zum Laquaien, der sich vor Frieren und Langeweile in die Komödie eingeschlichen hatte. – ‚Sie fiel recht artig,‘ sagt die gnädige Tante, ‚recht gustös, sur mon honneur (und spreitet ihren damastenen Schlamp weit aus) – was kostet Sie diese Eventaille, mein Kind?‘ – ‚Und auch mit viel Expression viel submission – Fahr’ zu, Kutscher!‘ – Nun gehe man hin und frage! Sie haben die Emilia Galotti gespielt.“ –

Das ist derb, doch voll des bezeichnendsten Lebens. Die Krone aber von allen kecken Geistesproducten jener Tage ist eine Gedichtsammlung, welche die Freunde herausgaben. Schiller hatte den Löwenantheil daran. Er nannte sie „Sibirische Anthologie“; ihr voller Titel lautet: „Anthologie auf das Jahr 1782. Gedruckt in der Buchdruckerei zu Tobolsko.“

In diesem Buche treffen wir zuerst auf eine gar seltsame Widmung. Schiller eignet die Sammlung „seinem Prinzipal, dem Tod“ zu – eine spöttische Anspielung auf den eigenen ärztlichen Beruf – indem er sich folgendermaßen ausläßt: „Großmächtigster Czar alles Fleisches, allezeit Verminderer des Reichs, unermüdlicher Nimmersatt der ganzen Natur! Mit unterthänigstem Hautschauern unterfange ich mich, Deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen, und dieses Büchlein vor Deinem dürren Kalkaneus niederzulegen. Meine Vorgänger haben immer die Weise gehabt, ihre Sächlein und Päcklein, Dir gleichsam recht vorsätzlich zum Aerger, hart an Deiner Nase vorbei, in’s Archiv der Ewigkeit transportiren zu lassen, und nicht gedacht, daß sie Dir eben dadurch um so mehr das Maul darnach wässern machten, denn auch an Dir wird das Sprüchwort nicht zum Lügner: Gestohlen Brod schmeckt gut. Nein, dediciren will ich’s Dir lieber, so bin ich doch gewiß, daß Du’s – weit weglegen werdest. Doch Spaß bei Seite! – Ich denke, wir zween kennen uns genauer, denn nur vom Hörensagen. Einverleibt dem äskulapischen Orden, dem Erstgeborenen aus der Büchse der Pandora, der so alt ist wie der Sündenfall, bin ich gestanden an Deinem Altare, habe, wie der Sohn Hamilkar’s den sieben Hügeln, geschworen unsterbliche Fehde Deiner Erbfeindin Natur, sie zu belagern mit Medicamenten Heereskraft, aus dem Felde zu schlagen die Trotzige, die Deine Sporteln schmälert und Deine Finanzen schwächt, und auf dem Wahlplatze des Archäus hoch zu bäumen Deine mitternächtliche Kreuzstandarte.“

In diesem Tone, fort und fort gesteigert, geht die Widmung fort; dann folgt ein Vorwort, eine wichtige Satire auf so manche unberufene Poeten. Es schließt mit den Worten: „So geh denn hin, sibirische Anthologie – geh – du wirst manchen Süßling beseligen, wirst von ihm auf den Nachttisch seiner Herzinnigen gelegt werden, und zum Dank ihre alabasterne Lilienschneehand seinem zärtlichen Kuß verrathen. Geh, du wirst in den Assembleen und Stadtvisiten manchen gähnenden Schlund der Langeweile ausfüllen und vielleicht eine Circassienne ablösen, die sich im Platzregen der Lästerung müde gestanden hat. Geh, du wirst die Küche mancher Kritiker berathen; sie werden dein Licht fliehen und sich gleich den Käuzlein in deinen Schatten zurückziehen. Hu, hu, hu! – Schon höre ich das ohrzersetzende Geheul im unwirthbaren Forste, und hülle mich angstvoll in meinen Zobel.“

Die Mehrzahl derjenigen Gedichte, welche Schiller zu der Anthologie beisteuerte – und er schrieb sie fast alle – sind humoristisch oder satirisch. Gleich das erste züchtigt die unberufenen Vielschreiber: Seit Jahren herrscht in der Unterwelt schwerer Wassermangel; der Styx netzt kaum noch die Füße; im Lethe werden Krebse gefangen, und Charon’s Kahn steckt unbeweglich im Schlamme. Um die Ursache dieser Noth zu ergründen, sendet Minos Spione aus, und es gelingt ihnen einen Schwarm deutscher Zeitungsschreiber zu fangen, welche ganz lustig dabei sind, mit ihren Tintenfässern alle Höllenflüsse auszuschöpfen. Der zornige Minos hetzt den Kerberos auf die Verwegenen, der beißt ihnen die Daumen ab, sodaß sie nicht mehr schreiben können.

Ganz köstlich ist ein Zechlied, dessen Ueberschrift „Bacchus im Triller“ heißt. Den Triller oder das Trillhäuschen benutzte man früher in Irrenanstalten. Tobsüchtige wurden darauf gesetzt; durch andauerndes rasches Umdrehen suchte man sie zu betäuben. In unserem Liede wird der Weingott auf den Drehstuhl gesetzt, und zur Vergeltung dafür, daß er so manchen seiner Jünger zum Taumeln gebracht, tüchtig getrillt; der lustige Gesang der Zechenden rings im Kreise hält ihm seine Sünden vor. Es ist ein ergötzliches Register, das sie aufzählen, schadenfroh und schonungslos, während der Vetter – so nennen die Zecher den Weingott – in seiner wirbelnden Pein schwebt. „Jetzt kommst Du übel weg,“ rufen sie, „manchen Kopf fülltest Du mit Dampf, manches kluge Hirn hast Du berülpt und manchen Magen umgestülpt. Unsere Hüte setztest Du uns schief auf, ließest Bäume, Hecken, Häuser und Gassen um uns tanzen, daß wir gar zu Narren wurden. Unsern Witz hattest Du an Deinem Seile; in den Ohren erregtest Du uns ein Sausen, daß Gottes blauer Himmel uns vor den Augen schwand, daß wir die gelbe Sonne für das Heidelberger Faß ansahen und die Thürme der Schlösser für runde Schoppengläser. Jetzt sollst Du’s aber lernen, Du [172] lockerer Specht; in Deinem Käfige sollst Du sitzen, bis Du blind und taub und dumm geworden.“

Und sie halten ihr Wort, die lustigen Brüder. Sie trillen den Weingott, bis seine Ränke und Schwänke an’s Ende gekommen und seine Kniffe gänzlich ausgepumpt sind. Dann lassen sie den Gedemüthigten laufen und rufen ihm nach, er möge den händelsüchtigen Amor warnen, daß nicht auch an ihm ein Exempel statuirt werde.

Dem übel behandelten Weingotte folgt ein Bauersjüngling, der in finsterer Nacht am Fenster seiner Holden steht. Seine Sehnsucht ergießt sich in hochpoetische Ausdrücke. „Mensch!“ ruft er seine Geliebte an, „Mensch, ich bitte Dich, guck heraus! Seit zwei Stunden schon gehe ich mit den Hunden hier, es regnet und stürmt, als solle der jüngste Tag anbrechen; platschnaß – bedenke doch! – sind mein Rock und ach! mein nagelneuer Mantel. Die Laterne hat der Wind mir ausgelöscht – am Himmel giebt es nur Nacht und Graus. Dir zu Liebe bin ich durch Hecken und Gräben gekrochen, habe mir – daß Gott erbarme! – mein Wams zerrissen und mir fast Arm und Bein gebrochen, und steh’ ich noch länger hier, so macht Deine Liebe mir wohl gar Winterbeulen. Beten und Singen vergeht mir. Ei zum Henker, Mensch! guck doch heraus!“

So fleht der beharrliche Dulder in den rührendsten Tonarten, aber – Undank ist der Welt Lohn. Ueber den Liebeheißen ergießt sich plötzlich von oben herab ein Sturzbad, welches einen jähen Umschlag in allen Gefühlen des männlichen jungen Herzens hervorbringt. Die ihm eben noch so lieblich schien, wird nun sofort eine garstige Hexe, ein Teufelskind, und das Ende vom ganzen Liede geben die Worte des nächtlichen Eckenstehers: „Ich geh’ nach Haus.“ –

Kleinere Gedichte, witzige und derbe, deren die Anthologie verschiedene enthält, eignen sich nicht so gut zum Mittheilen. Vortrefflich sind einige Epigramme, besonders die auf Lavater gemünzte

Grabschrift eines gewissen Physiognomen.

Weß Geistes Kind im Kopf gesessen,
Konnt’ er auf jeder Nase lesen.
Und doch – daß er es nicht gewesen,
Den Gott zu diesem Werk erlesen,
Konnt’ er nicht auf der seinen lesen.

Der humoristischen und satirischen Stücke aus Schiller’s Feder giebt es in der Anthologie noch eine nicht geringe Zahl. Von den letzteren zeichnet sich auf’s Köstlichste „Die Rache der Musen“ aus, ein längeres Gedicht, das den bekannten Gegner Schiller’s, den Almanachverfertiger Stäudlin in Stuttgart, mit scharfer Waffe traf.

Wir haben aus dem Büchlein nur die Stücke ausgewählt, die unserem Thema entsprechen. Sie sind die echten Vorläufer von „Wallenstein’s Lager“, und wer sie kennt, wird nicht im Geringsten mehr zweifeln können, daß Schiller’s Begabung für humoristische Poesie sehr bedeutend war.

Wenige Jahre später trat noch ein einzelnes, sehr spaßhaftes Product der bezeichneten Gattung hervor. Als die schmachvolle Behandlung von Seiten des Freiherrn von Dalberg dem Dichter den Aufenthalt in Mannheim unmöglich machte, gewährte bekanntlich eine edle Frau, die Mutter von Schiller’s späterem Schwager Wilhelm von Wolzogen, ihm eine Zuflucht auf ihrem einsamen Gute Bauerbach. Von dort begab Schiller sich oft nach Meiningen zum Bibliothekar Reinwald, der sich später mit des Dichters ältester Schwester vermählte (S. Nr. 20, 1875). Durch Reinwald’s Vermittelung ließ er in den Meininger wöchentlichen Nachrichten ein Gedicht erscheinen, dessen Veranlassung folgende war.

In Meiningen regierte damals der Herzog Georg, ein vortrefflicher junger Fürst; er wurde so schwer krank, daß seine Wiedergenesung kaum möglich schien. Wäre er gestorben, so wäre sein Land an Coburg gefallen, und dieses Haus wartete mit solcher Begier auf das Ableben seines Verwandten, daß der Herzog, oder eigentlich die Herzogin von Coburg, die Milizen aufbot, um sofort in das Meiningensche einmarschiren und Besitz ergreifen zu können. Aber Herzog Georg genas, und dem Coburger und seiner „Liebsten“ wurde nichts zu Theil, als Aerger und Verdruß und das Spottgedicht Schiller’s. Es ist zu lang, um auch nur im Auszuge hier mitgetheilt werden zu können.

Im Verfolge seiner großartigen Laufbahn ist Schiller, wie kein anderer deutscher Dichter, der Stolz des Vaterlandes geworden. Doch selbst im Angesichte seiner unsterblichen Werke läßt sich der schmerzliche Gedanke nicht unterdrücken, daß er noch Größeres hätte leisten können, wenn seine Jugendjahre weniger bitter, sein Leben ein längeres gewesen.