Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wilsdruf

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Wilsdruf
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 171–173
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Wilsdruf,


auch Willsdruff und Wilsdruff genannt, liegt 3 Stunden westlich von Dresden, 2¾ Stunden südsüdöstlich von Meissen, 1¾ Stunde von Tharand, in einer fruchtbaren, hügeligen und nur sanft ansteigenden Gegend und in einem breiten, flachen Thalgrunde, in welchem die wilde Sau in nordöstlicher Richtung herbeikommt, am obern Ende der Stadt ein aus Osten kommendes Bächlein empfängt und dieselbe in nordwestlichen Laufe durchfliesst, sich aber ¼ Stunde weiterhin wieder nordöstlich wendet. Nach dem Ausspruche der berühmtesten Geognosten reicht das Steinkohlengebirge des Plauenschen Grundes bis 2000 Schritte südöstlich von Wilsdruf.

Durch die Stadt Wilsdruf fuhren die Strassen von Dresden über Nossen nach Leipzig, Altenburg und von Meissen nach Tharand. Ob der sehr frühzeitig entstandene Ort schon Stadt war, ist nicht mit Sicherheit zu behaupten, doch spricht dafür der Umstand, dass schon 1313 das darnach bekannte Wilandsthor in Dresden (später das Wilsdruffer oder vulgo Wilsche Thor) erwähnt wird: denn die Thore benannte man nicht leicht nach Dörfern. Ein Stadtrath von Wilsdruf kommt allerdings erst im Jahre 1460 vor, obgleich der Ort schon 1357 das stäthin Wylandisdorf geschrieben wurde, sowie 1406 das stätichen Wilerstorff. Bekanntlich hat Wilsdruf auch ein Rittergut, dem unsere Beschreibung gewidmet ist.

Das ältliche Schloss mit 2 Flügeln und einem besondern Hofe liegt vor dem Meissner Thore unweit eines Baches. An dem Schlosse befindet sich ein schöner, nicht zu grosser Garten. Zu diesem altschriftsässigen Rittergute gehörten bis hierher die Dörfer Porsdorf, Saalhaussen, Lotzen, das Lotzenvorwerk, ein Theil von Grunbach, von Breunsdorf, Niederhermsdorf, Birkenheyn, Herzogswalde und Röhrsdorf. Verbunden damit ist das neuschriftsässige Rittergut Limbach, welches ebenfalls in diesem Hefte mit aufgenommen ist. Nach dem pirnaischen Mönche soll das Schloss von Wilsdruf Regensburg heissen; aber diese Annahme beruht wohl nur auf einer Verwechselung mit Reinsberg.

Der Erbauer des Schlosses nannte sich nach dem Orte; denn als erster bekannter Besitzer von Wilsdruf wird im Jahre 1260 ein Wigand von Wilandesdorff, ein Meissner Domherr, genannt. Im Jahre 1279 besass es Heinrich von Willandesdorff.

Im Jahre 1323 kam das Gut schon ein Mal an die Herren von Schönberg; denn damals kauften die Gebrüder Syffried, Johann und Dietrich von Schonenberg (Schönberg), Vasallen des meissnischen Burggrafen Herrmann, demselben mehrere Zinsen ab, und 1337 gaben die beiden Letzteren statt der Bete dem Markgrafen 2 Scheffel Korn, 2 Scheffel Hafer und 15 Gr. Bald nachher ist Wilsdruf aus den Schönbergischen Händen gekommen; denn 1357 verkaufte es der ältere Herr Thiemo von Colditz an Nicol Monhaupt und unter den Zeugen finden sich seine (also wohl durch den Besitz von Wilsdruf erworbenen) Vasallen, Gebh. von Korbitz, Ulmann von Wittberg und Gauernitz. Monhaupts Wittwe, Agathe, wurde 1406 mit Wilsdruf beliehen.

Erst im Jahre 1442 kam Wilsdruf wieder an die Herrn von Schönberg. Im Jahre 1449 erhielten es nebst Limbach u. a. Gütern, die Gebrüder Caspar, nachmals Bischof zu Meissen, Oheim des Kunz von Kaufungen, und der beste Fürsprecher des Letzteren beim Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen. Dietrich, ebenfalls später Bischof von Meissen und Nicol, churfürstlicher Rath und Hofmeister. Diesem Letzteren folgte im Besitz sein 2ter Sohn, Ritter Hans auf Reinsberg, Limbach und Wilsdruf, welcher 1486 das Bamberger Turnier besuchte.

Diesem beerbte der churfürstl. Rath und Reichstagsgesandter Hans und später dessen Bruder, der Ritter und Kirchenvisitator Caspar. Dessen Söhne und Erben waren: der Oberberghauptmann Lorenz, welcher 1588 aus diesem Leben schied, und der Oberconsistorialpräsident Caspar, welcher schon 1586 starb; der dritte Sohn bekam Reinsberg. Caspars Söhne waren der Schneeberger Oberberghauptmann Caspar Rudolph, welcher bis 1628 lebte, und der Steuereinnehmer Hans Heinrich.

Von des Letzteren Söhnen erhielt Hans Christoph Wilsdruf und [172] von dessen Söhnen kam es an den sehr gelehrten Hans Dietrich (aus einer andern Seitenlinie), welcher 1726 als Geh. Rath, Oberrechnungskammerpräsident, Director des Münzcabinets u. s. w. starb. Diesem folgte sein Sohn Gottlob Ferdinand, und dann der Enkel, der franz. Generallieutenant von Schönberg, welcher im Jahre 1754 in Paris verstorben ist. Nun erbte es der franz. Oberst Joh. Mich. Ludwig, der es bis 1791 besass, von welchem es an den schon bei Rothschönberg erwähnten königl. franz. Oberistlieutenant Xaverius Maria Cäsar von Schönberg kam.

Der gegenwärtige Besitzer aber ist Herr Arthur von Schönberg, ein für Kunst und Wissenschaft begeisterter Mann und ein Freund und Helfer der leidenden Menschheit.

Wilsdruf, die Stadt, ist schön gebaut und besitzt 4 Vorstädte, im Süden das Freyberger, im Osten das Dresdner Thor und im Norden findet man noch Spuren vom Meissner, sowie im Westen von einem andern Thore.

Die Einwohner nähren sich vom Feldbau, von Handwerken, von Brauerei, von der starken Passage und den 3 Jahrmärkten, welche zum Gründonnerstage, zum Donnerstag vor Pfingsten und zum Donnerstag nach dem 2ten Adventsonntage abgehalten werden. Bei allen 3 Märkten wird auch Viehmarkt und ein Rossmarkt gehalten und sie sind nicht ohne Bedeutung. Das Viehgeleite ist landesherrlich; das Pflastergeleite aber herrschaftlich. Im Jahre 1805 war letzteres für 160 Thlr. verpachtet.

An der Tharander Strasse, unweit Grumbach, befindet sich eine zum Orte gehörige Ziegelei und in der Nähe des Ortes ein Dachschieferbruch und 3 Mühlen, von denen die Hofmühle der Herrschaft gehört.

Am rechten Ufer der wilden Sau, wo nur eine Häuserreihe sich befindet, giebt es einen ansehnlichen Gasthof und eine Steinkohlenniederlage.

In der westlichen Vorstadt steht das grosse Postgebäude, welches zugleich das letzte Haus des Städtchens bildet. Im Innere der Stadt finden wir 3 Gasthöfe und am Markte das Rathhaus, welches mit einem Thürmchen versehen ist. Mit dem Rathhause ist auch das Brauhaus verbunden.

Der ganze Ort hat das Ansehen von Wohlstand, obschon derselbe in frühern Zeiten durch Kriegsdrangsale und Brände viel gelitten hat.

Im Jahre 1450 verbrannten ihn Herz. Wilhelms Truppen nebst Georg Podiebrad gänzlich, nachdem sie vorher Kirchen und Häuser ausgeplündert hatten.

Der grosse Brand vom Jahre 1744 verzehrte[WS 1] 150 Häuser, woraus damals der ganze Ort bestand. Ausserdem waren die Brände von 1447, 1584, 1634, 1640 und 1686 nicht unbedeutend; insbesondere traf der von 1447 die ganze Stadt, der von 1584 aber 71 Häuser und 36 Scheunen; der von 1634 55, der von 1636 aber mehr als 100 Häuser.

Beklagenswert war auch der Schade im Jahre 1813, in welchem am 8. Mai das für die Alliirten zum Nachtheil ausfallende Gefecht erfolgte.

Da wir eben schon, des durch die Stadt fliessenden Wassers, der wilden Sau gedacht haben, so wollen wir hier bei der Beschreibung des Ortes noch Einiges hinzufügen.

Die wilde Sau ist ein grosser und oft gefährlich raschanschwellender Bach, welcher 300 Fuss über dem Meere mündet; er entspringt in zwei Hauptquellen, von welchen die eine in Porsdorf, am östlichen Abhange des Landberges, bei einer Seehöhe von 1150 Fuss, die andere westlich von Grumbach zu suchen ist.

Bei Wilsdruf nimmt dieser Bach den Kaufbach auf und mündet, durch das Zuströmen mehrerer anderer Bäche bedeutend angewachsen, zwischen Wildberg und Gauernitz nach einem Laufe von 3½ Stunden und 380 Ellen unter seinen Quellen in die Elbe.

Die Gerichtsherrschaft besitzt übrigens das Collaturrecht über die dasige Kirche und Schule und einer Freistelle auf der Meissner Landschule.

Die Stadt hat 2 Kirchen, in welche die Bewohner Grumbachs gepfarrt sind. Die eine Kirche, die Stadt oder Niclaskirche befindet sich nördlich am Markte auf einem freien Platze und ist schön gebaut, aber nicht hochgethürmt.

In früherer Zeit ist diese Kirche viel ansehnlicher gewesen. Es war dabei ein Archibresbyter des Meissner Bisthums angestellt, dessen Sedes folgende Parochien begriff: Grumbach, Geiersdorf, Hertigiswalda, Ohorn, Niederschönau, Dittmannsdorf, Reinsberg, Kromenhennersdorf, Bieberstein, Hirschfeld, Neukirch, Blankenstein, Tanneberg, Limbach, Schönberg, Miltitz, Burkertswalde, Taubenheim, Sorau, Rüdigersdorf, Nauenstadt und Brocktitz. Bei dieser Stärke der sedes Wilsdruf ist es zu verwundern gewesen, dass sie nach der Reformation nicht zu einer besonderen Superintendur erhoben, sondern unter die Ephorien Freiberg, Dresden und Meissen zerschlagen wurde.

Geiersdorf scheint eins von denjenigen Dörfern zu sein, welche westlich von Wilsdruf in der Struth, einer seichten, flachen, waldigen Gegend, lagen und von denen sich noch mancherlei Spuren (selbst im Namen Struth) vorfinden.

Im Jahre 1508 gab es 10 Altäre in Wilsdruf und diese zinsten an den Bischof 21 Mark Silbers.

Ein Theil von Wilsdruf und von Grumbach hatte vor 600 Jahren dem Boritzer Pleban den Decem zu schütten, mit welchem dieser aber 1260 die Andreasvicarie zu Meissen dotirte.

Im Jahre 1744 ging bei dem grossen Brande der obere Theil des [173] Thurmes verloren und die untern Mauern desselben bekamen weite Risse. Im Jahre 1805 wurde diese Kirche restaurirt, mit zwei grösseren Fenstern versehen, wodurch sie ein freundlicheres Ansehen erlangte.

Unter den Pastoren an dieser Kirche ist vorzüglich zu erwähnen P. Moller (ums Jahr 1600 hier fungirend), dessen Sohn, der bekannte, aber nicht eben empfehlenswerthe, Freiberger Annalist Moller ihm hier geboren wurde. Unter den Diaconen ist noch der sehr berühmte George Serpilius hervorzuheben, welcher vor 1690 bis 1695 hier ministrirte und nachher als Superintendent nach Regensburg berufen wurde.

Die andere, die Begräbniss- oder St. Jacobskirche liegt vor dem Dresdner Thore auf einem Berge, wo jetzt der Begräbnissort der Kirchfahrt ist und zwar am rechten Ufer der wilden Sau, und wird nur selten benutzt.

Diese soll in früheren Zeiten eine Klosterkirche gewesen sein.

In ihr werden jetzt nur bei Beerdigungen Predigten, Abdankungen und bei ungünstiger Witterung Grabreden gehalten.

Ausser den geistlichen Gebäuden des Pastors und Diaconus existirt noch eine Knabenschule von 2 Klassen und eine Mädchenschule von eben so viel Klassen. Die Zahlen der Knaben ist 180, der Mädchen 200. Die Kinder des eingepfarrten Grumbachs sind in die Wilsdrufer Schule eingeschult.

Wilsdruf hat im Ganzen 252 bewohnte Gebäude mit 2494 Einwohnern. Seit Aufhebung der Patrimonialgerichte ist Wilsdruf der Sitz eines Gerichtsamtes, welches unter dem Bezirksgerichte Dresden steht.

Das Gerichtsamt besteht aus der Stadt und 29 Landgemeinden und sonach aus einem grösseren Gerichtssprengel, als vor der Einführung der neuen Gerichtsorganisation.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verzehrtc