Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Olbernhau
Olbernhau, ein Marktflecken mit darin befindlichem starken Rittergute, gehört unbedingt zu den interessantesten Ortschaften des Erzgebirges. Der Flecken liegt in einem der reizendsten Thäler Sachsens, zu beiden Seiten der Flöhe, welche hier die, in dem Ansprunger Walde entspringende, Rohnstock in sich aufnimmt, und ist von Zöblitz zwei kleine Stunden, von Marienberg drei Stunden entfernt. Die Häuser erstrecken sich von Südosten nach Nordwesten in dreiviertelstündiger Reihe hin, und zwar in der Mitte und oberhalb an beiden Ufern, unterwärts aber nur an dem linken Ufer der Flöhe hin, da hier die Gebäude durch mehrere ziemlich breite Wiesen vom Flusse getrennt sind. In der Mitte des Ortes zieht sich nach Südwesten im Thale der Rohnstock eine Gasse hin, die fast eine Viertelstunde lang ist und der Rungenstock heisst. Einige Häuser bilden das südwärts gelegene Oertchen Leubnitzdörfchen oder Neuleubnitz. Der Flecken Olbernhau besteht aus dreihundert Häusern mit mehr als zweitausend Einwohnern. Jährlich finden hier sechs stark besuchte Märkte statt. Der Ort mag durch Wallfahrten nach einer Kapelle des heiligen Albertus oder durch den Bergbau entstanden sein. Olbernhau ist auf vielen Karten als ein Städtchen bezeichnet, jedoch mit Unrecht, denn obwohl sein Aeusseres einem solchen vollkommen gleicht und der Ort auch mannigfache städtische Gerechsame besitzt, hat, er doch nur den Rang eines Fleckens. In den ältesten Urkunden heisst derselbe Albertshau, ja in einem Diplom von 1309 sogar Albertshain, und der Name stimmt auch mit der Lage Olbernhaus gänzlich überein, da die Erbauung desselben offenbar auf einer vom Walde entblössten Rodung stattfand. Das Gebiet des Fleckens mit Einschluss des Rittergutsgebietes wird östlich von der Flöhe und Natzschung durch zwei kleine
[101] Bäche begrenzt, welche, im Pfaffrodaer Buchwalde entspringend, den Olbernhauer Berg umschliessen. Am linken Ufer der Flöhe sind die Fluren von dem Neuleubnitzer Bache und einem aus dem Walde hervortretenden Bächlein umschlossen. Olbernhaus Fluren sind von drei grossen Waldungen umgeben, nämlich westlich vom sogenannten Forste, nordöstlich vom Pfaffrodaer Buchwalde und südlich, so wie südwestlich von dem grossen Hauptwalde, mit dem der Forst zwar zusammenhängt, jedoch sichtbar einen besondern Wald bildet und gleich dem Hauptwalde aus herrlichen Buchen, Fichten, Tannen und Ahorn besteht. Er breitet sich zwischen Olbernhau, Blumenau und Grundau aus, welches letztgenannte Dorf ihn von dem grossen Sorgauer Walde trennt. Der Hauptwald, auch Buchwald genannt, ist eine der bedeutendsten Forstungen Sachsens, erstreckt sich von Nordost und Ost nach Südwest und West, eine Meile in die Länge und bis zu einer Stunde in die Breite, hängt südwestlich mit dem Kriegswalde und hinter Rothenthal mit dem Wildberge in Böhmen zusammen und stösst an die Fluren von Olbernhau, Grünthal, Rothenthal, Einsiedel, Rübenau‚ Bobershau, Ansprung und Grundau. In ihm finden sich hauptsächlich die schönsten Buchen und er bildet nebst dem Wildberge das Hauptdepot der Flöhenflösse. – Die Rohnstock, welche ohne Zweifel den Namen eines verschwundenen Dorfes führt, tritt am Ende des Dorfes Ansprung in den Hauptwald ein und bildet nach und nach hier einen Grund, der an die wilden Thäler der sächsischen Schweiz erinnert, obgleich ihm deren Felsgebilde fehlen. Hier liegt die einsame Rungstocksmühle, und nicht weit davon eine zweite Mühle. Die Länge des Baches beträgt zwei Stunden und sein Fall gegen fünfhundert Pariser Fuss.
Unbeschreiblich reizend ist das Olbernhauer Thal. In der Mitte dieses Ortes hat dasselbe kaum dreihundert Schritte Breite, öffnet sich jedoch nach oben und unten immer mehr, so dass es endlich eine Viertelstunde auseinander tritt. Der obere kleinere Theil bietet weniger Schönheiten dar als der untere, gewährt jedoch vom Olbernhauer Berge gleichfalls ein treffliches Panorama, worin das obere Olbernhau und Grünthal die bemerkenswerthesten Punkte bilden, und das durch Rothenthal, Brandau und Katharinenberg in Böhmen sowie durch den Heidelberg vortheilhaft geschlossen wird. Der Hauptwald und der Pfaffrodaer Wald geben eine angenehme Perspective. – Ungleich schöner ist jedoch die untere Thalhälfte, die von einem Kreise ansehnlicher mit Wald und Flur bedeckter Berge umgeben ist, während der Grund aus den herrlichsten Wiesen besteht, die von der Flöhe gleich einem Silberbande durchschnitten werden. Am Fusse des Bergkessels ziehen sich in fast ununterbrochener Reihe eine Anzahl stattlicher Dörfer hin. Betrachtet man dieses Thal von dem Olbernhauer Berge, so schliesst der Drachwald bei Wernsdorf das reizende Bild, welches in ansehnlicher Breite den Forst und den Pfaffrodaer Wald umfasst.
Was die Gewerbsthätigkeit Olbernhaus anbetrifft, so ist diese eine ausserordentliche. Es befinden sich hier eine Anzahl Fabriken, starke Klöppelei und Weberei, ja es kann mit Recht behauptet werden, dass kein Ort unseres Vaterlandes so viel Mannigfaltigkeit seiner Gewerbe aufzuweisen hat wie Olbernhau. Dagegen ist der Ackerbau nicht sehr beträchtlich, die Viehzucht hingegen von Belang. Nahe bei dem Orte befindet sich reiches Torflager und ein kalter Schwefelbrunnen bei der Saigerhütte zu Grünthal‚ auch treibt man Bergbau, der jedoch in früherer Zeit noch bedeutender gewesen sein mag. Vor dem Jahre 1639, wo die Schweden Olbernhau fast gänzlich ruinirten, war der Eisenbau von Wichtigkeit und beim jetzigen Zainhammer stand damals ein Hohofen nebst anderen Werken.
Das Rittergut Olbernhau wurde erst im Jahre 1657 zu einem solchen erhoben‚ bis dahin war es nur ein Erblehngericht. Die ältesten Nachrichten besagen dass Olbernhau ein Bestandtheil der Herrschaft Lauterstein gewesen sei, die 1289 von Böhmen an Sachsen abgetreten wurde, und ursprünglich dem Grafen von Leissnig, später aber den Herren von Berbisdorf gehörte. Bei der Theilung der Herrschaft fiel Olbernhau an Niederlauterstein und kam 1559 durch Kauf an den Churfürsten August, welcher den Ort zur Kammer schlug. Im Jahre 1656 gehörte das Gut dem churfürstlichen Kammerdiener Magnus Oehmigen, der 4½ Hufen Feld, einige Mühlen und Waldparzellen dazu kaufte, worauf es der Churfürst Johann Georg II. zum Rittergute erhob, eine halbe Stunde langes Fischwasser in der Flöhe nebst verschiedenen Zinsen dazu schenkte und zugleich die Erlaubniss gab, das Areal des wüsten Rittergutes Rothenthal unter die Gärtner und Häusler zu vertheilen. Auf Magnus Oehmigen folgte im Besitze des Rittergutes Olbernhau der Hofjägermeister und Flossinspector Karl Gottlieb von Leubnitz, dem es noch vor 1740 der Amtshauptmann von Berbisdorf abkaufte. Später kam das Gut an den Kabinetsminister Grafen Kleist vom Loss und von diesem an seinen Sohn den Geheimrath und Hausmarschall Johann Adolf Grafen Kleist vom Loss auf Olbernhau, Hirschstein und Rothenthal, alsdann an den jetzigen Besitzer, Herrn Oberhofjägermeister und königl. Preussischen Major Grafen Kleist vom Loss. Von 1699 bis 1752 war hier der Sitz des Amtes, welches früher in Lauterstein und dann in Marienberg gewesen war, jetzt aber in Zöblitz ist. Das Rittergut Olbernhau hat eine Freistelle auf der Landesschule zu Meissen zu vergeben.
Die Gebäude des Rittergutes befinden sich auf der Westseite des [102] hübschen gepflasterten Marktes; sie bestehen aus zwei langen, gutgebauten Flügeln, in deren einem man die herrschaftliche Wohnung einrichtete, nachdem 1767 das schöne, drei Stockwerk hohe Schloss niedergebrannt war. Aus den Steinen desselben baute der Oekonomieinspektor Heyde die Gebäude eines Folienhammers. Vormals gehörte zu dem Gute auch ein grosser Theil des Hauptwaldes, welcher jedoch später davon wegkam, indessen besitzt das Gut noch immer ein bedeutendes Holzlegat von dreihundert Schragen. Vorzüglich pflegt man auf dem Rittergute die Viehzucht, wozu die herrlichen Wiesen treffliches Futter gehen. Es gehören noch dazu das nahe Rothenthal und zwei Vorwerke, das Poppische und das Haingut, und auf allen drei Wirthschaften hält man in der Regel zweihundert Stücken Rindvieh.
Die Kirche zu Olbernhau war früher eine Kapelle des heiligen Albertus und ein berühmter Wallfahrtsort, der vermuthlich, wie schon erwähnt, Veranlassung zur Gründung des Ortes gab. An der Kirche sind ein Oberpfarrer und ein Diakonus angestellt. Das Diakonat wurde erst im Jahre 1726 errichtet und der erste Diakonus war Magister Joseph Müller von Berneck. An der hiesigen Schule lehren ein Rektor, ein Cantor und ein Hülfslehrer. Die Pfarre hat bedeutende Feldwirthschaft und einen grossen Obstgarten. Am Markte stehen auch die Apotheke und das Erblehngericht mit einem wohleingerichteten Gasthofe.
In Olbernhau befindet sich seit Jahrhunderten eine Cantoreigesellschaft, deren Mitglieder sich in Adjuvanten und Ehrenmitglieder eintheilen. Erstere haben die Verpflichtung Musikproben und Aufführungen in der Kirche unentgeldlich zu leisten, wofür sie weiter keine Revenüe beziehen, als die Einnahme für das Neujahrsblasen, seit länger als zweihundert Jahren das Tranksteuerbeneficium und zum Cantoreischmause, der aller zwei Jahre stattfindet, zwei Kübel Kohlen aus der landesherrlichen Saigerhütte Grünthal. Andere der Gesellschaft zustehende Beneficien sind ihr in neuerer Zeit entzogen worden. Im siebzehnten Jahrhundert und namentlich während der Regierungszeit Churfürst Johann Georgs I. hatte die Cantoreigesellschaft zu Olbernhau gute Zeit, indem die Landesherren damals häufig in den hiesigen Waldungen grosse Jagden abhielten, wobei auch eine Bande, das heisst ein Musikcorps zu erscheinen hatte. Zu diesem Zwecke erhielten die Adjuvanten ein stattliches Kleid, eine Art Uniform und als Waffe einen Hirschfänger, denn zu jener Zeit war es nichts Seltenes, dass man im Walde einem zottigen Bären oder geifernden Wildschweine begegnete. Die Cantorei verwahrt einen solchen Hirschfänger zum Andenken an jene Zeit. Für diese Dienstleistung schenkten die Churfürsten der Cantoreigesellschaft zu ihren Convivien einige Tonnen Bier und einen Hirsch.
Eingepfarrt in die Kirche zu Olbernhau sind: die Saigerhütte Grünthal, Rothenthal, Blumenau, Nieder- und Kleinneuschönberg. Rothenthal liegt von Olbernhau drei Stunden entfernt und gehörte 1675 August Rhoden, kam aber um jene Zeit an Olbernhau, nachdem das Rittergut zerschlagen worden war. Das Dorf liegt in dem schon erwähnten wildschönen Grunde und zählt in vierundfunfzig Häusern vierhundert Einwohner, hauptsächlich Waldarbeiter, Drechsler, Strumpfwirker und Klöppler, auch befindet sich hier eine Papiermühle und eine Fabrik musikalischer Instrumente.