Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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Michael Neuber, den die Seinigen allein gelassen hatten, verbrannte lebendig, weil er das in Flammen gerathene Haus nicht verlassen konnte. Die Durchmärsche der Oestreicher und Preussen während des siebenjährigen Krieges brachten Grossrückerswalde ungeheuren Schaden.
Die Reformation wurde in Grossrückerswalde bereits 1529 eingeführt, da die hiesige Pflege zu der Landesportion Heinrichs des Frommen gehörte. Nach Grossrückerswalde sind eingepfarrt: Boden, Fichtenbach, die neuen Häuser, das Haus am Wasser, Hirschleid, Judenstein, Scheidebach, Schindelbach und das Teichvorwerk. Früher, und noch 1547, gehörten auch Kühnheide und Reitzenhain zur hiesigen Parochie, wofür der Pfarrer sechs Gulden drei Groschen Besoldung bezog und jeden Monat an einem Donnerstage daselbst eine Predigt halten musste. Auch in Marienberg, das 1521 gegründet wurde, hielt der Pfarrer zu Grossrückerswalde gegen Besoldung eine Messe. Seit den ältesten Zeiten hatten die Franziskanermönche zu Annaberg die Verpflichtung, in der Kapelle des Dorfes Mauersberg den Gottesdienst zu verrichten. Nach der Reformation blieb die Kapelle unbenutzt, bis im Jahre 1617 den Pastor zu Grossrückerswalde die Weisung wurde, daselbst jährlich einmal zu predigen und alle kirchlichen Vorkommnisse, wie Taufen und Trauungen, zu verrichten, übrigens mussten die Mauersberger Einwohner die Kirche zu Grossrückerswalde besuchen. Nach mancherlei Streitigkeiten gelang es der Gemeinde zu Mauersberg aus dem kirchlichen Verbande mit Grossrückerswalde zu treten. Der Auspfarrungsrecess datirt vom 17. October 1721.
Zu der Pfarre, welche 1547 das erstemal, dann 1635 wiederum und endlich 1767 nochmals neu aufgebaut wurde, gehören zwei Güter, das Hauptgut bei der Wohnung und ein kleineres in der wüsten Schlette. Die Schule ist 1704 erbaut und 1835 zur Wohnung für zwei Lehrer und zum Unterricht eingerichtet worden. Die Kirche besitzt einen interessanten, alterthümlichen, silbernen Kelch vom Jahre 1524, und ihre Glocken wurden 1824 umgegossen. Die 1820 von Steinmüller aus Grünhain erbaute Orgel kostet 1800 Thaler.
Olbernhau, ein Marktflecken mit darin befindlichem starken Rittergute, gehört unbedingt zu den interessantesten Ortschaften des Erzgebirges. Der Flecken liegt in einem der reizendsten Thäler Sachsens, zu beiden Seiten der Flöhe, welche hier die, in dem Ansprunger Walde entspringende, Rohnstock in sich aufnimmt, und ist von Zöblitz zwei kleine Stunden, von Marienberg drei Stunden entfernt. Die Häuser erstrecken sich von Südosten nach Nordwesten in dreiviertelstündiger Reihe hin, und zwar in der Mitte und oberhalb an beiden Ufern, unterwärts aber nur an dem linken Ufer der Flöhe hin, da hier die Gebäude durch mehrere ziemlich breite Wiesen vom Flusse getrennt sind. In der Mitte des Ortes zieht sich nach Südwesten im Thale der Rohnstock eine Gasse hin, die fast eine Viertelstunde lang ist und der Rungenstock heisst. Einige Häuser bilden das südwärts gelegene Oertchen Leubnitzdörfchen oder Neuleubnitz. Der Flecken Olbernhau besteht aus dreihundert Häusern mit mehr als zweitausend Einwohnern. Jährlich finden hier sechs stark besuchte Märkte statt. Der Ort mag durch Wallfahrten nach einer Kapelle des heiligen Albertus oder durch den Bergbau entstanden sein. Olbernhau ist auf vielen Karten als ein Städtchen bezeichnet, jedoch mit Unrecht, denn obwohl sein Aeusseres einem solchen vollkommen gleicht und der Ort auch mannigfache städtische Gerechsame besitzt, hat, er doch nur den Rang eines Fleckens. In den ältesten Urkunden heisst derselbe Albertshau, ja in einem Diplom von 1309 sogar Albertshain, und der Name stimmt auch mit der Lage Olbernhaus gänzlich überein, da die Erbauung desselben offenbar auf einer vom Walde entblössten Rodung stattfand. Das Gebiet des Fleckens mit Einschluss des Rittergutsgebietes wird östlich von der Flöhe und Natzschung durch zwei kleine
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/158&oldid=- (Version vom 11.6.2017)