Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Hohenstein

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Hohenstein
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 179–181
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Hohenstein,


auch Hohnstein, in Urkunden Hornstein, Honstein, Heuensteynn, mit seinem auf hohen Felsen thronenden Schloss, gehört bezüglich seiner Lage zu den reizendsten, kühnsten Bergschlössern des Meissner Landes.

Auf einer jäh vorspringenden Bergzunge erbaut, hatte die Natur schon theilweise für die Befestigung desselben Sorge getragen, und auf jener Seite, wo es mit dem Bergrücken zusammenhing, war durch tiefe Einschnitte und Graben, sowie überhaupt durch starke und feste Mauern und Schanzen der Zugang zu dem Schlosse gehemmt und erschwert. Auf drei Seiten ist es mit fürchterlichen Abgründen umgeben.

Durch eine steinerne Brücke hängt dasselbe mit der Stadt zusammen und wird in das alte, mittlere und neue Schloss eingetheilt.

Das Mittelschloss, mit einem zum Gefängniss eingerichteten Thurm, ist zum Theil abgetragen. Der noch brauchbare Theil desselben ist der Sitz der Justizbehörde und verschiedener Beamten, während der Vorstand des Gerichts im neuen Schlosse wohnt.

Das alte Schloss, welches durch eine eiserne Gitterthür mit dem neuen in Verbindung steht, liegt fast ganz in Ruinen. Es sind nur noch ein hoher Thurm, die alte Gewehr- und Rüstkammer, die Marterkammer und einige Gefängnisse übrig.

Es war dieses alte Schloss in der frühesten Zeit eine der festesten Burgen. Ja selbst noch im 30jährigen Kriege vermochten die Kaiserlichen so wenig als die Schweden nicht weiter als bis an die Thore vorzudringen.

Die ehemalige Schlosskapelle, zwischen dem alten und neuen Schlosse gelegen, ist jetzt in ein Archiv verwandelt, und noch befindet sich darinnen ein Altartisch, ein Beichtstuhl, eine Kanzel von durchbrochener Holzarbeit mit dem Schleinitzischen Wappen und der Jahrzahl 1513.

Auf dem alten Schlosse, dessen Erbauer nicht zu ermitteln ist, residirten ursprünglich die Herren von Cluhmann (Clomen, Lohmen). Doch ist dies blos Sage, historisch gewiss aber werden uns als die ältesten Besitzer dieses Bergschlosses die Herren Birken (Berken) von der Duba genannt. Die Ersteren wie die Letzteren waren böhmische Edelleute.

Die Letzteren, die Birken von der Duba, besassen vorher das Schloss Duba im Bunzlauer Kreise und kommen schon im 11. und 12. Jahrhundert vor. Ihre Familie zerfiel in mehrere Linien. Im Jahre 1330 wird uns zuerst als Besitzer der Pflege Hohenstein Heinrich von Berken genannt. Und damals bestand diese Besitzung aus zwei besonderen Herrschaften, nämlich der Herrschaft und Pflege Hohenstein und der Herrschaft und Pflege Wehlen, deren jede ihre besonderen Besitzer hatte. Jene war das spätere Amt Hohenstein und diese das niedere Amt Lohmen. Später wurde das Amt Hohnstein in die Pflege Hohenstein und die Pflege Wildenstein abgetheilt. Dieser Unterschied kommt vorzüglich vom Jahre 1482 vor.

Von Wildenstein hat man aber besondere Besitzer erfahren.

In der Gegend von Hinterhermsdorf ist blos noch ein Berg, den man den Wildenstein nennt.

Beide Pflegen Hohenstein und Wehlen standen früher unter böhmischer Hoheit; die Erstere gehörte zum Gau Budissin, die Letztere zum Gau Nisen.

Die Birken von der Duba waren als unruhige Nachbarn den meissnischen Bischöfen nicht angenehm, weshalb Bischof Johann IV., der in [180] Stolpen residirte, nicht eher ruhte, bis er es dahin gebracht hatte, dass Hohenstein unter meissnische Hoheit kam. Friedrich der Sanftmüthige nahm es im Jahre 1444 nach vieler Mühe ein und liess sich huldigen, und dies blos angeblich deshalb, damit die Fürsten zu Sachsen des Gebirges vom Böhmer Walde besser sich bemächtigen könnten; allein die Haupttriebfeder war wohl die, um auf diese Weise Kaiser Karl IV. das Gleichgewicht zu halten, weil dieser in Meissen viele Güter kaufte, und wie es schien in der Absicht, solche der böhmischen Landeshoheit zu unterwerfen.

Die darüber entstandenen Streitigkeiten wurden im Jahre 1459 im Egerschen Vertrage und 1482 gütlich, auch für Sachsen vortheilhaft beigelegt, doch so, dass Hohenstein, Wehlen, nebst mehreren Städten und Schlössern im meissner Lande, böhmische Afterlehen bleiben sollten. Vermöge des letzteren zu Torgau im Jahre 1452 abgeschlossenen Vergleiches setzte Kurfürst Friedrich einen Amtshauptmann nach Hohenstein, und die Birken von der Duba scheinen sich seit dieser Zeit nicht mehr in Hohenstein aufgehalten zu haben.

Erst im Jahre 1463 finden wir wieder einen Hinko Birken von der Duba in hiesiger Pflege, welcher mit Friedrich von Oelsnitz über die Burg Rathen in Fehde gerieth. Ihm gaben die Kurfürsten Ernst und Herzog Albrecht Hülfsvölker, er nahm die Burg Rathen ein und schleifte das feste Schloss im Jahre 1468.

Nach dem Tode des letzten Birken von der Duba (1470) kam Hohenstein am Ende des 15. Jahrhunderts an den Herzog Albrecht von Sachsen, der es seinem Ober-Marschall Heinrich von Schleinitz im Jahre 1486 schenkte und zwar deshalb, weil von Schleinitz dem Herzoge Georg, Albrechts Sohn, die polnische Prinzessin Barbara zur Braut geworben hatte.

Diesem Schleinitz gehörten zu gleicher Zeit die böhmischen Herrschaften Schluckenau, Tollenstein, Heinsbach und die Oberlausitzer Herrschaft Pulsnitz. Die sämmtlichen von Schleinitzischen Besitzungen, die bis an die Dobrilugker Klostergrenzen sich ausdehnten, nannte man damals gewöhnlich das Schleinitzer Land.

Heinrichs von Schleinitz Söhne überliessen im Jahre 1524 Hohenstein käuflich an Ernst von Schönburg dem Jüngern, welcher im Jahre zuvor auch die Herrschaft Wehlen erworben hatte.

Beide Familien, die von Schönburge und die von Schleinitze hatten aber bald einen solchen Hass gegenseitig auf sich geworfen, dass in Folge dieses Hasses die heftigsten Streitigkeiten entstanden, weshalb Ernst von Schönburgs unmündige Söhne im Jahre 1543 die Pflege Hohenstein mit Lohmen und Wehlen gegen das ihnen bequemer gelegene Penig, Wechselburg und Zinneberg an den Herzog Moritz von Sachsen vertauschten, und seit dieser Zeit sind die Pflegen Hohenstein mit Lohmen stets bei Sachsen geblieben.

Hohenstein selbst wurde nach dieser Abtretung der Sitz eines Amtes, welches in das Vorder- und Hinteramt und in das Niederamt Lohmen zerfiel, und als solches bis zur neuen Gerichtsorganisation vom Jahre 1856 bestand.

Hohenstein diente früher auch eine Zeit lang als Staatsgefängniss und das Sprichwort:

„Wer da kommt nach dem Hohenstein,
„Der kommt selten wieder heim“,

beweist, dass man diesen Ort nicht wenig fürchtete. So drohte der Bürgermeister Rauscher in Leipzig dem bekannten Doctor Peucer, als er, des Kryptokalvinismus verdächtig auf der Pleissenburg sass, man werde ihn, wenn er seinen Sinn nicht ändere, nach Hohenstein führen und ihn da in einem unterirdischen Gefängnisse und finsteren Loche durch Gestank, Unflath und giftiges Gewürm elendiglich umkommen lassen.

Auch mehre in der Kirchengeschichte merkwürdige Gelehrte wurden hier hinter Schloss und Riegel gehalten, wie z. B. Hieronymus Emser, Professor Meyer, Doctor Kratz; dann ein vergeblicher Silbermacher Wolf von Merbitz und andere. Unter diesen ist vorzüglich noch zu erwähnen Baron von Klettenberg, dessen Gefängniss heute noch der Klettenberg genannt wird.

Die ehemaligen sächsischen Regenten besuchten Hohenstein oft, um hier zu jagen und Lachse zu stechen. In den nahen Forsten gab es ausser dem gewöhnlichen Wild auch nicht selten wilde Katzen, Luchse, Wölfe, selbst Bären. Kurfürst August, Johann Georg I. und Friedrich August I. scheinen den Aufenthalt zu Hohenstein besonders geliebt zu haben, da sie hier eigenes Tafelgeschirr und Betten hielten.

Kurfürst Christian II. liess im Jahre 1609 einen eigenen Bärengarten anlegen. Er befand sich in dem, von fürchterlichen Felswänden gebildeten Abgrunde gleich hinter dem Schlosse. Die Bären pflanzten in demselben sich über 150 Jahre lang fort.

Nach der Stadt zu waren Fänge angebracht, wo man sie in Kästen lockte und dann nach Dresden oder Sedlitz zum Hetzen brachte.

Im Jahre 1756 wurden diese Bären sämmtlich erschossen, weil sie öfters über die Mauer kletterten und in den Wäldern überhaupt viel Schaden anrichteten.

In diesem Thiergarten beschloss auch der gezähmte Bär, gleichsam als Gefangener, sein Leben, welcher dem König Friedrich August I. einstmals gefährlich wurde.

Dieser Fürst hatte das Thier auf seinem Zimmer erzogen und gab sich mit demselben wie mit einem Hunde ab. Einst mochte von dem Könige diesem Thiere zu viel zugemuthet worden sein, dasselbe verstand Unrecht und würde den König erwürgt haben, wenn derselbe sich nicht durch einen Tisch vertheidigt und den Bären mit einem Hirschfänger schwer in den Kopf verwundet hätte. Hohenstein wurde nach diesem Vorfalle das Exil dieses Bären.

Von Hohenstein versuchte einst ein Gefangener zu entfliehen, indem derselbe aus seinem Bettstroh ein langes Seil geflochten hatte, um mittelst desselben über die senkrechten Felswände in den Abgrund zu steigen. Aber das Seil war noch zu kurz, weshalb der Fliehende einen Sprung versuchte, welcher misslang; denn er brach beide Beine. Das Seil wird heute noch auf Hohenstein aufbewahrt und ist 20 Ellen lang.

Die zum Schlosse gehörige Oeconomie bildet eines der grössten königlichen Staatsgüter.

Im Jahre 1765 wurde mit der Oeconomie eine ausgezeichnete Schäferei verbunden, indem von den 200 Stück spanischen Schafen 100 Stück hieher kamen, welche im Jahre 1768 und 1778 noch vermehrt wurden und denen sogar spanische Schafknechte und Hunde beigegeben waren. Im Jahre 1768 wurde auch mit dem Gute eine besondere Schäferschule verbunden, die aber später nach Rennersdorf verlegt ist. Der Hauptschäferei zu Rennersdorf ordnete man die kleinern unter; verband auch damit jene zu Hohenstein unter eine Behörde, welche in der wegen Veredlung[WS 1] der Schäferei im Königreich Sachsen verordnete Commission besteht, die 1819 Oberhofgerichtsrath Graf von Hohenthal auf Glauschnitz dirigirte.

Der Segen dieser Stammschäfereien ist in Sachsen zu bekannt, als dass man hier nöthig hätte, sich ausführlicher darüber zu verbreiten. Und nicht allein nach dieser Seite hin hat die Landwirthschaft seit Jahren viel [181] gewonnen, nein man hat auch bezüglich der Feldfrüchte durch sorgfältigere Benutzung des Bodens und vermehrte Menschenzahl seit Jahren grosse, enorme Fortschritte gemacht. Der Flachsbau wurde schon früher stark betrieben und ist in der neuern Zeit eine immer ergiebigere Nahrungsquelle für die hiesige Gegend geworden. Ueberhaupt hat das frühere Amt Hohenstein fast denselben Boden, dasselbe Klima, dieselben Gebirgsformationen, wie das Erzgebirge, und es ist reicher an Felsen und Felsketten, als letzteres.

Die ganze Gegend von der Grundmühle unter Liebethal an bis nach Hinter-Hermsdorf an der böhmischen Grenze, 5 Meilen in der Länge, und vom Falkenberge bei Neukirch bis in den Bielgrund hinter Rosenthal, 4 Meilen in der Breite, pflegt man bekanntlich die Sächsische Schweiz zu nennen.

Stunden lange Felsenketten von eben so reizenden, als schauerlichen Gestalten, einzeln stehende, mehrere hundert Ellen hohe Felsen und Berge, enge, schiefe, schauerliche Abgründe, durch welche ansehnlich starke Bäche über herabgestürzte Felsentrümmer schäumend sich wälzen; weite und üppige Thäler mit Mühlen und Dörfern; das Hauptthal von der prächtigen Elbe durchströmt; Schluchten und Höhen, wo fast das ganze Jahr der Schnee nicht schmilzt, Niederungen, wo Wein, Obst, Feld- und Gartenfrüchte gedeihen; an mehreren der höchsten Punkte stattliche Vesten und Schlösser mit alten Ruinen vermischt – wer ist da noch, welcher von den Beschauern dieser Gegend den Namen der sächsischen Schweiz streitig machen wollte?

Durch den Besuch dieser sächsischen Schweiz hat auch die Stadt Hohenstein gewonnen; denn viele der Besucher hiesiger Gegend kommen im Sommer nach Hohenstein, logiren sich ein und leben oft mehre Wochen hier, wie in Schandau.

Ausserdem nähren sich die hiesigen Einwohner von Garn- und Zwirnspinnerei, vom Leinweben, vom Bierbrauen, vom Hopfenbau und den beiden Jahrmärkten, welche es seit dem 15. Jahrhundert besitzt, wo Hohenstein Stadtgerechtigkeit erhielt.

Die hiesige Kirche und Schule stehen unter der Inspection Pirna und das Ober-Consistorium hat das Collaturrecht. Eingepfarrt sind Cunnersdorf, Gossdorf, Weitzdorf und Zeschnig.

Ausserdem befinden sich im Orte zwei gute Gasthöfe.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat das Jahr 1813 schwer darauf gelastet.

Während des Waffenstillstandes in diesem Jahre litt Hohenstein durch die Durchmärsche, indem die Festungen Stolpen und Lilienstein von den Franzosen stark besetzt waren, und Hohenstein in der Mitte liegend, wurde von jeder Art Militair durch unaufhörliche Requisitionen heimgesucht.

Was die Umgebungen Hohensteins betrifft, so liegt Hohenstein gegenüber der Wartenberg und im Hintergrunde des Thals der Pohlenz, der Felsen Hockstein. Von Hohenstein aus führt der sogenannte neue Weg, welcher eins der schauerlichsten Felsenthäler der sächsischen Schweiz ist, nach Königstein hinunter. Nirgends sind die Felsen fürchterlicher, nirgends sonderbarer formirt, nirgends den Einsturz drohender, nirgends zusammengedrängter, als hier.

Die Polenz rauscht mitten durch das Thal über Felsentrümmer. Der merkwürdigste Punkt dieser Partie ist die Kascade. Hier stürzt ein kleines Bergwasser gegen 20 Ellen hoch über einen Halbzirkel von Sandsteinwänden herab, verliert sich, durch hervorragende Felszacken erst in Wasserstaub verwandelt in einer Höhlung des Bodens und kommt erst 50 Ellen weiter unten unter Felsentrümmern wieder hervor. – Ein anderes, eben so schauerliches Felsenthal ist der tiefe oder Hohensteiner Grund, welcher nach Schandau führt und von einem Bache durchströmt wird, der, besonders nach Regengüssen, zahllose grössere und kleinere Wasserfälle bildet. Eine der schönsten Kaskaden giebt der zwischen Felsen sich herabstürzende Weizdorfer Bach.

Nicht weit davon beurkunden zwei in Stein gehauene Sensen mit der Jahreszahl 1699 ein Duell, welches zwei Bauernbursche auf Sensen hier ausmachten. Einer blieb auf der Stelle und wurde hier begraben.

Im Thale zwischen dem Hockstein und Hohenstein steht am Polenzbach eine Mühle, wo sonst jährlich von dem früheren Amts-Personale, noch früher von dem Landesfürsten selbst, ein sogenanntes Lachsstechen abgehalten wurde. Der Amtsfischpachter musste nämlich alle Jahre 50 Lachse in diesen Mühlgraben liefern, wo man sie, wenn sie abgestrichen hatten, entweder wieder fort liess oder mit grossen vierzackigen Gabeln herausstach.

Hohenstein hat jetzt 128 Gebäude mit 1144 Einwohnern und besitzt sein eigenes Gerichtsamt, welches aber kleiner ist als das frühere Amt Hohenstein. Letzteres bestand aus 5 Städten 1 Flecken 49 Dörfern 2 Kammergütern 81 Rittergütern mit 20,000 Unterthanen. Das Gerichtsamt umfasst jetzt blos eine Stadt mit 11 Landgemeinden und hat nur 5245 Gerichtsuntergebene. Das Gerichtsamt Hohenstein ist dem Bezirksgericht Pirna zugetheilt und steht also auch unter der Amtshauptmannschaft des letztern Ortes.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verediung