Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Verfasser von Komödien und Mimiamben
Band VIII A,2 (1958) S. 15061507
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Vergilius Romanus, Verfasser von Komödien und Mimiamben. – In der Zeit Traians begann sich eine literarische Massenproduktion zu regen. ,Es gibt schwerlich einen Freund schriftstellerischer Tätigkeit, der nicht auch mein Freund wäre‘, sagt der jüngere Plinius von seinen Zeitgenossen zu Rom (epist. I 13, 5). In der Tat erfahren wir aus seinen Briefen zahlreiche Namen von Literaten jener Zeit, Martial und Iuvenal steuern weitere Nachrichten über das damalige Schriftstellerwesen bei. Vor allem gab es in jenen Tagen nicht wenige gebildete Männer, denen das Versemachen ein unterhaltsamer Zeitvertreib dünkte; die meisten dieser Dilettanten verfaßten Kurzgedichte, gewöhnlich in den Versmaßen der catullischen Lyrik, andere versuchten sich in Epen oder Dramen, manche schrieben eine Rede nieder oder behandelten einen Geschichtsausschnitt. Besondere Beachtung verdient dabei die Tatsache, daß sich einige dieser Möchtegerne in ihren Verserzeugnissen neben der lateinischen Sprache auch der griechischen bedienten, manche ausschließlich griechisch dichteten: sie berühren sich in dieser Hinsicht bereits mit vielen unter Hadrian schaffenden Autoren. Der gutmütige, leicht entflammte Plinius zollte mehreren von ihnen Lob; indes hat der Strom der Zeit nahezu alles hievon, ohne daß wir es zu bedauern brauchten, hinweggeschwemmt.

Zu diesen eifrigen Schöngeistern zählt auch unser V., der, wie Plinius (epist. VI 21) erzählt, nach dramatischem Lorbeer langte. Für diesen V., der offenbar auch kein Dichter mit schöpferischem Pulsschlag war, ist der bezeichnete Pliniusbrief unsere einzige Quelle. Der Epistolograph nahm an einer von diesem Parnaßbesteiger veranstalteten recitatio teil und berichtet über diese Vorlesung und das übrige Schaffen des V., wie folgt: ,Da (§ 2) habe ich vor kurzem Vergilius (Verginius ed. Aldina an. 1508) Romanus gehört. Er las vor einem kleinen Zuhörerkreis ein Lustspiel, das er nach dem Muster der alten Komödie gedichtet hatte (comoediam ad exemplar veteris comoediae scriptam): das Werk ist so vorzüglich gelungen, daß es selbst einmal Muster sein kann ... Ferner (§ 4) hat er Possen in iambischem Versmaß geschrieben (scripsit mimiambos), fein, witzig, anmutig sowie beredsam in ihrer Art ... Auch verfaßte er Lustspiele nach der Art Menanders und dessen Zeitgenossen (scripsit comoedias Menandrum aliosque aetatis eiusdem [1507] aemulatus): man könnte sie denen eines Plautus und Terenz an die Seite stellen. Jetzt (§ 5) hat er sich zum erstenmal in der alten Komödie versucht (se in vetere comoedia ... ostendit), aber durchaus nicht anfängerhaft: Kraft, Erhabenheit, Feinheit, beißender Witz (amaritudo), gefälliger Scherz, Anmut, nichts fehlt. Er ehrt die Tugend und brandmarkt das Laster. Bei Anspielungen bewahrt er Anstand, und wenn er Namen nennt, geschieht es an passender Stelle (fictis nominibus decenter, veris usus est apte). Nur bei mir hat ihn eine allzu herzliche Gesinnung zu einem Übermaß an Rücksicht verleitet; aber schließlich dürfen Dichter der Wahrheit ein Schnippchen schlagen.‘ Unter den aufgezählten Arbeiten fällt am meisten das Werk im Geiste der alten Komödie mit satirischem Einschlag (amaritudo) auf; eine solche Schöpfung stellt ein Unikum im lateinischen Schrifttum dar.

Nicht minder Rühmliches sagt uns Plinius über V.’ Wesensart (§ 3): est ... probitate morum, ingenii elegantia ... monstrabilis.

Es gab zu V.’ Zeit bereits Kritiker, die der Ansicht huldigten, die geistig schöpferische Kraft Roms sei ermattet und unfähig, noch etwas Bedeutendes hervorzubringen (Plin. epist. VI 21, 1). Plinius trat dieser Aufstellung entgegen; er hätte seine Meinung durch einen Hinweis auf Tacitus begründen können, der freilich eine die Regel bestätigende Ausnahme war. Aber die künstlerischen Ergüsse eines V. waren nicht imstande, Plinius’ Anschauung zu stützen. Dieser selbst mochte ja, etwa von der formellen Glätte und den (mehr oder minder erborgten) Gedanken des V. berauscht, die Arbeiten des Freundes als hochwertig betrachtet haben, in Wahrheit wird dessen Schaffen nichts wesentlich anderes gewesen sein als ein schwächlicher Widerhall griechischer Kunst. Vgl. Schanz-Hosius Gesch. d. röm. Lit. III (1935) 564f. M. Schuster in Kappelmacher-Schuster Die Lit. d. Römer, Potsdam 1934, 355.