RE:Lesbische Liebe
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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homosexuelle Beziehung zwischen Frauen | |||
Band XII,2 (1925) S. 2100–2102 | |||
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Lesbische Liebe. Über diese Sache sind viele verkehrte Vorstellungen verbreitet, die eine ernsthafte Forschung auch auf die Gefahr hin, Schmutz aufzuwühlen, bekämpfen muß. So redet z. B. Blüher Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft II (Jena 1920) 124 wieder von ‚Lesbierinnen‘.
Zunächst ist festzustellen, daß λεσβίζειν oder λεσβιάζειν bei den Alten nicht homosexuelle Akte von Frauen bezeichnet, sondern μολῦναι τὸ στόμα d. h. fellare. Ail. Dionys. 87, 1 Schw. λεσβίσαι· τὸ αἰσχρῶς μολῦναι τὸ στόμα· Λέσβιοι γὰρ διεβάλλοντο. Hesych. s. λεσβιάζειν· πρὸς ἄνδρα στοματεύειν· Λεσβιάδας γὰρ τὰς λαικαστρίας (Pherekr. frg. 149) ἔλεγον (vgl. s. λεσβίσαι). Vgl. dazu die Komikerstellen, die z. B. M. Göbel Ethnica (Breslau 1915) 86 anführt (Aristoph. Vesp. 1345 zur Flötenspielerin: ὁρᾷς ἐγώ σ’ ὡς δεξίως ὑφειλόμην μέλλουσαν ἤδη λεσβιᾶν τοὺς ξυμπότας) usw.). Deutlich ist Galen XII 249 K. καὶ μεῖζόν γε ὄνειδός ἐστιν ἀνθρώπῳ σωφρονοῦντι κοπροφάγον ἀκούειν ἢ αἰσχρουργὸν ἢ κίναιδον, ἀλλὰ καὶ τῶν αἰχρουργῶν μᾶλλον βδελυττόμεθα τοὺς φοινικίζοντας τῶν λεσβιαζόντων, wo φοινικίζειν = cunnum lingere ist. Lukian Pseudol. 28 τί πάσχεις, ἐπειδὰν κἀκεῖνα λέγωσιν οἱ πολλοί, λεσβιάζειν σε καὶ φοινικίζειν; ist an einen Mann gerichtet. Es sei hier bemerkt, daß man diese Art der Unzucht, bei der os et lingua beteiligt waren, unter dem Namen ἀρρητοποιεῖν und αἰσχρουργεῖν zusammenfaßte, wofür außer den Lexika die Astrologen Belege bieten (z. B. Rhetor. Catal. cod. astrol. VIII 4, 194) – Einzelheiten besonders bei Catull und Martial: daraus ergibt sich, daß man die gewöhnliche Knabenliebe (s. d.) nicht als ein αἰσχρόν oder ἄρρητον empfand. Daher auch bei [2101] Ptol. tetr. IV 4 fol. 48v 9 die ἀσελγεῖς (= αἰσχροποιοί) als eine Steigerung der πρὸς τὸ διαθεῖναι καὶ διατεθῆναι πάντα τρόπον πρόχειροι, d. h. der Paederasten und Kinaeden.
Die Beschuldigungen gegen Sappho treten erst spät auf (Aly u. Bd. I A S. 236l. 2377); der erste Zeuge ist Ovid‚ der sie epist. 15, 18 sagen läßt Atthis … atque aliae centum, quas hic (oder non) sine crimine amavi. Daß das von antiken Erklärern in erotischem Sinne gedeutete mascula Sappho Horat. ep. I 19, 28 anders aufzufassen ist, bezweifelt jetzt niemand mehr. Die ältere Zeit hat von diesem Vorwurf nichts gewußt; daß in dem Verhältnis zu ihren Schülerinnen eine latente Sinnlichkeit mitspielte‚ ist trotzdem möglich. Es kann wohl sein, daß die Gerüchte über Sappho im Verein mit dem Ausdruck λεσβίζειν den Lukian veranlaßten, die Tribade seines 5. Hetärengespräches zu einer Lesbierin zu machen; sonst wird die Sache nicht mit Lesbos in Verbindung gebracht. Vielleicht darf man aus dem Epigramm des Asklepiades Anth. Pal. V 206, das zwei Samierinnen der l. L. beschuldigt, schließen, daß die dortigen Frauen deshalb verrufen waren, zumal wenn man Plut. qu. Gr. 54 daneben hält, wonach Dexikreon durch Zauber die Samierinnen ὑπὸ τρυφῆς καὶ ὕβρεως ἀκόλαστα ποιούσας … ἀπήλλαξεν (v. Wilamowitz Sappho 72). Paignia obszönen Inhaltes einer angeblichen Lesbierin Salpe: Diehl s. u. Bd. I A S. 2007.
Bekannt ist die l. L. natürlich, spielt aber neben der Knabenliebe (s. d.) eine ebenso untergeordnete Rolle wie in moderner Zeit. Ob die Verse des Parmenides frg. 18 D. etwas mit der l. L. zu tun haben, ist mir sehr zweifelhaft; Parmenides scheint nur an Männer zu denken (vgl. A 54 und Diels Poet. philos. 72). Daß die Vasen trotz ihrer Vorliebe für obszöne Darstellungen die l. L. nie schildern, bemerkt G. Körte bei v. Wilamowitz 72. Plat. symp. 191 E, der sich im Anschluß an Parmenides mit der Theorie der Homosexualität befaßt, wie später Phaedr. IV 15, kennt für homosexuell veranlagte Frauen die Bezeichnung ἑταιρίστρια, die Lukian. dial. mer. 5, 2 wohl ihm verdankt; sonst ist τριβάς dafür üblich, z. B. Ptolem. tetrab. III 18f. 44r 33 (ed. 1535). Maneth. IV 358 πόρνας τριβάδας τ’ ἀνδρόστροφα ἔργα τελούσας. Phaedr. IV 15. Martial. VII 67 paedicat pueros tribas Philaenis. VII 70 ipsarum tribadum tribas Philaenis. Tert. de pall. 4 g E. de res. carn. 16 übersetzt das Wort mit frictrix; auch das Schimpfwort subigitatrix Plaut. Pers. 227 zieht man hierher. Lukian. amor. 28 spricht von τριβακὴ (-αδικὴ?) ἀσέλγεια, indem er sie ausdrücklich als selten bezeichnet. τρίβειν mag hier in demselben Sinne wie bei Aristoph. Vesp. 1344 gemeint sein, d. h. sich auf masturbatio mutua beziehen, und in diesem Sinne ist vielleicht auch Herond. 6. 82 aufzufassen. Genauere Schilderungen finden sich begreiflicherweise nicht, und auch Lukian. dial. mer. 5 bleibt absichtlich oder aus Unkenntnis unklar; wenn die Tribas dort sagt ἔχω γάρ τι ἀντὶ τοῦ ἀνδρείου, so könnte damit die σκυτίνη ἐπικουρία (Aristoph. Lys. 110. Herond. 6, vgl. o. Bd. III S. 150) gemeint sein. Sicher dachte daran der Sophist Hybreas, von dem Sen. contr. I 2, 23 berichtet de illo, qui [2102] tribadas deprehendit et occidit (seine Gattin in der Umarmung einer anderen Frau fand), describere coepit mariti adfectum, in quo non deberet exigi inhonesta disquisitio: ἐγὼ δ’ ἐσκόπησα πρότερον τὸν ἄνδρα, εἰ ἐγγεγένηταί τις ἢ προσέρραπται (Text unsicher; gemeint ist, daß er die männliche Tribade untersucht, utrum penem natura habeat an adsuerit). Die meisten übertreiben, z. T. um der Pointe willen, wobei Unkenntnis des wirklichen Vorganges mitspielt. So Mart. I 90, 6 at tu, pro facinus, Bassa fututor eras. inter se geminos audes committere cunnos mentiturque virum prodigiosa Venus und VII 67, wo es von Philaenis erst heißt tentigine saevior mariti undenas dolat in die puellas, dann aber richtiger non fellat – putat hoc parum virile – sed plane medias vorat puellas. Den Fall, daß ein durch l. L. verbundenes Paar sich offen als legitimes Ehepaar gebärdet, erwähnt Ptol. tetr. III 18f. 44v 2 (Ähnliches bei Moll 330ff.).
Erwähnt wird die Sache auch im Traumbuch Artemidors I 80 (γυνὴ γυναῖκα ἐὰν περαίνῃ und ἐὰν ὑπὸ γυναικὸς περαίνηται) und bei den Astrologen; außer schon angeführten Stellen s. Ptol. 49r πρὸς τὸ διατιθέναι καὶ γυναῖκας sc. καταφερεῖς. Maneth. I 31. III 330. V 216. Catal. cod. astrol. V 2, 145. VIII 4. 159, 1. Firmic. III 6, 15. 20. 30. VII 25, 1. Doch darf man nicht übersehen, daß hier das System beinahe zu solchen Voraussagungen zwingt, und daher keine Schlüsse auf die Häufigkeit der Sache ziehen. Sonst vgl. noch etwa Plat. leg. I 636 c. Paul. ad Rom. 1, 26. Hor. epod. 5, 41.
Welcker Kl. Schriften II 80. v. Wilamowitz Sappho 63. Ellis-Symonds Das konträre Geschlechtsgefühl 184. A. Moll Die konträre Sexualempfindung2 Berlin 1893, 322. Ploss-Bartels Das Weib10 (Leipzig 1913) I 596.