RE:Jericho
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Stadt in Südpalästina | |||
Band IX,1 (1914) S. 922–928 | |||
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Jericho, im Alten Testament יְרֵחוֹ oder יְרִיחוֹ (bei den LXX Ιερειχω [Ειερ.] [-ριχ.], Flav. Jos. Ιεριχους, bei anderen griechischen Schriftstellern Ιερικοῦς [Ιερεικ.], Plin. Hiericus), die bekannte Stadt 1½ Stunden diesseits vom Jordan, 1 Stunde vom Toten Meere und etwa 6 Stunden zu Pferd von Jerusalem entfernt, liegt bereits ca. 250 m unter dem Meeresspiegel. An dem Schnittpunkt der uralten, das Jordantal von Norden nach Süden durchziehenden und einer von Moab nach Westen laufenden Straße befindlich, in einem überaus fruchtbaren, freilich von tropischer und entnervender Sonne bestrahlten Ebene, [923] in der Nachbarschaft der noch heute fließenden Quellen ʿAin Sultân (d. i. der sog. Elisaquelle 2. Kön. 2, 19ff.) und ʿAin Dûk, wozu sich während der wasserreichen Jahreszeit die aus dem Wâdi el-Kelt und Wâdi en-Nuwêʿime kommenden Abflüsse gesellen, war J., die ‚üppige Schwester Sodoms und Gomorrhas‘, in merkantiler wie in strategischer Hinsicht einer der wichtigsten Orte Südpalästinas. Kunde davon gibt schon das Alte Testament. Die Eroberung der durch stärkste Mauern geschützten Kananiterfeste durch die Israeliten wird Jos. 6 als ein grandioses Wunder beschrieben. Jos. c. 2 setzt einen regen Verkehr in der Stadt voraus. Das Haus ‚der Hure Rahab‘ wird nach dem Vorbilde des altbabylonischen Codex Hammurapi (vgl. dort die § 108–110 über die Schankwirtin, Greßmann, Ungnad und Ranke Altoriental. Texte u. Bilder 1909 I 152f.) als eine von einer Frau betriebene Herberge und als Unterschlupf für Spione zu betrachten sein. Die gute Lage der Stadt preist 2. Kön. 2, 19. Ihren Palmenreichtum verkündet der Beiname עִיר הַתְּמָרִים, d. h. die Palmenstadt Deut. 34, 3. Richt. 3, 13ff. 2. Chron. 28, 15. Auch die Schriftsteller der griechisch-römischen Zeit rühmen verschiedentlich die Bedeutung J.s für Handel und Heerwesen. Strabon XVI 763 nennt die Kastelle Thrax und Taurus, Josephus die anderen: Dagon (ant. Iud. XIII 15; bell. Iud. I 2, 3) = Dok 1. Mak. 16, 15 und Kypros (bell. Iud. I 21. II 18; ant. Iud. XVI 5). Strabon und Josephus preisen die Palmenwälder und Balsamgärten von J., und Josephus nennt deshalb die Gegend von J. ein θεῖον χωρίον, ἐν ᾧ δαψιλῆ τὰ σπανιώτατα καὶ κάλλιστα γεννᾶται bell. Iud. IV 8, 3. Vgl. zu diesen und anderen, auch älteren Zeugnissen z. B. des Theophrastos, über den Dattel- und Balsamreichtum J.s Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I3. 4 1901, 380 37. Über das Pfropfen der Palmen durch die ‚Männer von J.‘ vgl. Mischna, Pesachim IV 8 (Beer Pesachim 1912, 138f.). Außer Palmen und Balsam, dessen Ausfuhr in römischer Zeit ein Oberzöllner bewachte, Luc. 19, 2, gediehen bei J. Maulbeerfeigenbäume, Luc. 19, 4, an welche noch einige Sykomoren an der Römerstraße erinnern, Cyperblume (el-Chenna, Lawsonia inermis Hohes Lied 1, 14), Myrobalanum Plin. n. h. XII 46. Mit den Palmen und Balsamstauden sind auch die übrigen Kulturgewächse, Getreide, Hanf, auch das Zuckerrohr, das, im Mittelalter eingeführt, der Stadt zu einer kurzen neuen Blüte verhalf, aus der Gegend von J., einst τὸ τῆς Ἰουδαίας πιότατον Joseph. bell. Iud. I 6, 6 geschwunden, obgleich das Klima südarabische und indische Gewächse noch heute zur Reife bringen könnte‘ (Bädeker-Benzinger Palästina u. Syrien⁷ 1910, 119). Auch die Jerichorose ist nicht mehr hier zu finden. Über andere Fundorte derselben in der Gegenwart vgl. Bädeker 120. Vielleicht erinnert an den ehemaligen Balsamreichtum der Stadt der Name יְרֵיחוֹ, den man mit רֵיחַ ‚Duft‘ zusammenbringen könnte (vgl. Gesenius Thesaurus linguae hebraicae III 1853, 1273). Allerdings gehen die Nachrichten über die Balsamgärten von J. über das 3. Jhdt. v. Chr. nicht zurück (vgl. Benzinger Balsam, Prot. Realenc. [924] II³ 374). Ist der Name יריחו semitisch und nicht etwa erst semitisiert, so kann er natürlich ebenso gut wie mit רֵיחַ ‚Duft‘ mit יָרֵחַ ‚Mond‘, wie jetzt häufig geschieht, zusammengestellt werden und würde dann ein Hinweis auf den in Altpalästina auch sonst verbreiteten Astral-, speziell Mondkult sein, obwohl wir über die Religion der Bewohner des alten J., auch trotz der modernen Ausgrabungen in J., so gut wie noch nichts wissen. Die nähere Lage der Stadt hat sich mindestens 3–4mal etwas verschoben. Der lokale Wandel hält mit der Geschichte der Stadt gleichen Schritt.
I. Das vorherodianische Jericho. Nach Joseph. bell. Iud. IV 8, 3 lag das alte J. in der Nähe des sog. Elisabrunnens. Wie schon früher vermutet und durch die neueren Ausgrabungen (von Sellin seit 1907, erst allein, unterstützt von dem österreichischen Kultusministerium und einigen wohlhabenden Privatmännern, und dann namentlich von 1909/10 auf erweiterter Grundlage im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft zusammen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern) bestätigt wurde, war das alte J. am Fuße des Dschebel Qarantal (einer arabischen Umformung des seit 1112 erwähnten Quarantana Bädeker 120) bei den Quellen, westlich von dem heutigen Erîchâ ( oder ) und nördlich von dem J. der römischen Zeit gelegen (vgl. zu den Ausgrabungen Sellin und Watzinger Jericho. Die Ergebnisse der Ausgrabungen, Leipzig 1913. Durch diese Publikation sind die früheren Grabungen und Fundberichte ergänzt und berichtigt. Kittel Gesch. des Volkes Israel I² 1912, 125ff. und besonders Thiersch Archäologischer Jahresbericht in der Ztschr. des Deutschen Palästina-Vereins 1913, 40–49). Die Grundlage der ältesten Stadt, eines von Norden nach Süden reichenden Ovals, bildete ein kleiner 10 m hoher Hügel, an dessen Ostrande die Elisaquelle, mit der die Wasser von J. Jos. 16, 1 identisch sein werden, entspringt. Die älteste Gründung mag ins 2. oder 3. Jahrtausend v. Chr. reichen. Darunter finden sich Reste einer noch älteren, prähistorischen Schicht. Ist der Name יריחו uralt und ursprünglich semitisch, und nicht etwa erst semitisiert, dann ist die Stadt von Semiten angelegt; nach dem Alten Testament waren die vorisraelitischen Inhaber J.s Kananiter. Das Charakteristische der kananitischen Stadtanlage J.s ist ein zwei- bezw. dreifacher Mauerring, der sich um die Stadt legt. Eine mit vierkantig vorspringenden Türmen versehene, etwa 10 m hohe Lehmziegelmauer, am besten in der Nordstrecke erhalten und eiförmig laufend umschließt das innerste Stadtgebiet. In einem Abstand von etwa 3,5 m geht parallel der eben genannten Innenmauer, wie es scheint, ihrem ganzen Lauf entsprechend, eine andere Lehmziegelmauer mit einem vorgelegten Steinbankett, vielleicht ist sie gedacht als ein niedriges Vorwerk für die Verteidiger. Endlich legt sich ein dritter äußerer Mauergürtel in einem Abstand von 30 m von der innersten Mauer um die Stadt, mit einer Längsachse von 306 m und einer Entfernung von 161 m in der größten Breite. Der größere Teil dieser äußersten Mauer, die dem Anschein nach keine Türme trug und nur [925] ein Tor besaß, ist, wenigstens in ihrem untersten Teil, unversehrt erhalten. Nach dem Lauf der Mauer zu schließen, die gerade im Osten, wie auch die Innenmauern, am meisten zerstört ist, weil hier das Haupttor gelegen und bei den Eroberungen der Stadt der heißeste Kampf entbrannt gewesen sein muß, war die Elisaquelle in das Stadtinnere miteinbezogen. Die äußere, vollständig abgerundete Stadtmauer, unverkennbar die Merkmale der zyklopenartigen Mauern tragend, weist eine vollendetere Technik als die beiden Innenmauern auf und ist vielleicht eine Nachahmung nordsyrischer Festungsmauern. Meinte man zuerst in der äußersten Mauer den ältesten Stadtgürtel erkennen zu können, so hat man schließlich, besonders wegen der Anlage gewisser Steintreppen, die radial die Abhänge des Hügels hinaufsteigen, das Umgekehrte angenommen: die von den beiden Innenmauern umgebene Stadt repräsentiert die von den Israeliten unter Josua Jos. 6 eroberte altkananitische Feste, die wegen ihrer märchenhaft hohen Mauern schier uneinnehmbar schien, und die kunstvolle majestätische Außenmauer, die mit einer Erweiterung des ganzen Stadtbildes zusammenhängt, ist das Werk Chiels, des Wiedererbauers J.s in der Zeit des Königs Ahab von Israel ca. 860, 1. Kön. 16, 34. Das teilweise ausgegrabene J. ist ein bestes Paradigma für die Bauart einer altkananitischen Stadt und ergänzt unser Wissen über früh- und spätisraelitische Städtebauten. Den Mangel an Inschriften und sakralen Gegenständen ersetzen reiche keramische Funde: in dem vorisraelitischen J., das bis an die Außenmauer reicht: z. B. große, halslose Pithoi mit aufgelegten Tonbändern und Fingereindrücken; Becher und Kannen mit bunter Malerei, im allgemeinen keine mykenische Importware und keine lokalpalästinischen Nachahmungen; in dem israelitischen J., das besonders innerhalb der doppelten Innenmauer aufgedeckt worden ist – meint man doch auch hier in einem stattlicheren Bau, dem syrischen Chilani in seiner Anlage ähnelnd, den Palast Chiels entdeckt zu haben –, ist das Inventar israelitischer Häuser, wohl infolge einer gewaltsamen Abwanderung der Bewohner etwa bei einer Eroberung der Stadt durch die Assyrer Ende des 8. Jhdts., mit aller wünschenswerten Vollständigkeit erhalten geblieben: ‚steinerne Getreidemühlen, Lampen, Eisengeräte, Spinnwirtel, Webergewichte, Griffe aus Hirschhorn u. s. w.‘. Die keramischen Funde stehen den Formen nach mit der Keramik auf Zypern in engstem Zusammenhang. Ein ungelöstes Rätsel nach Herkunft und Bedeutung sind die zahlreichen als Frucht- oder Räucherschalen angesprochenen, feingearbeiteten Tongeräte mit weißer Engobe dicht überzogen. Jedenfalls ist durch die Ausgrabungen von J. auch bestätigt, daß zwischen dem kananitischen und dem altisraelitischen J. ein mehrere Jahrhunderte währendes Vacuum einer Verödung der Stadt, wie es nach den Nachrichten Jos. 6, 26f. und 1. Kön. 16, 34 angenommen werden müßte, nicht vorhanden ist. Nach Jos. 6, 24ff. verglichen mit 1. Kön. 16, 34 wäre nämlich die von Josua gründlichst zerstörte Stadt erst von Chiel, also nach einem Zeitraum von 300–350 Jahren wieder aufgebaut worden. Aber dieser Annahme widersprechen [926] nicht bloß die Ausgrabungen, sondern auch die sonstigen Nachrichten des Alten Testaments. Denn Richt. 3, 12ff. ist für die Zeit der Richter und 2. Sam. 10, 5 für die Zeit Davids ein Bewohntsein J.s von Israeliten vorausgesetzt. Damit werden nun aber die Erzählungen Jos. 6 und 1. Kön. 16, 34 nicht der Fabel zugewiesen. Eine Festung wie J. kann nicht ohne Schwertstreich aus dem Besitz der Kananiter in den der Israeliten übergegangen sein. Jos. 18, 12ff. ist J. den Benjaminiten zugeteilt. Richt. 3, 12ff. gehört tatsächlich J. dem Stamm Benjamin, d. i., dem genealogischen Schema nach, dem jüngeren Bruder Josephs. Stammführer Josephs ist aber Josua, der Eroberer J.s! Der 1. Kön. 16, 34 erwähnte Bau der Stadt durch Chiel von Betel kann nur eine starke Befestigung, oder ein weiterer Ausbau, bezw. beides zugleich, aber keinesfalls ein erstmaliger Wiederaufbau seit den Tagen Josuas gewesen sein. Nach 1. Kön. 16, 34 opferte Chiel bei dem Beginn des Baues seinen erstgeborenen Sohn und beim Schloß seinen jüngsten Sohn. Dieses in dem alttestamentlichen Texte nur versteckt angedeutete doppelte Bauopfer wird uns jetzt um so verständlicher, wenn wirklich das stattliche Gebäude innerhalb der doppelten Innenmauer und die äußere Riesenmauer ein Werk Chiels sind. Der Jos. 6, 26 dem Josua in den Mund gelegte Fluch über den Wiederaufbauer J.s ist eine nachträgliche Begründung des Bauopfers Chiels, das nicht eine Hinopferung der eigenen Kinder, sondern ein verhängter Unglücksfall sein soll. Wie Jerusalem von Salomo wurde J. von Chiel zu einer palästinensischen Großstadt erhoben, für deren starke Mauerbauten das von Omri als Hauptstadt gegründete Samaria mit vorbildlich gewesen sein mag. Zur Zeit des Elia und Elisa war J. Sitz einer Prophetenschule, 2. Kön. 2, 4ff. Als die Babylonier 586 Jerusalem belagerten, wurde der König Zedekia von ihnen bei einem Fluchtversuch in J. gefangen, 2. Kön. 25, 5. Nach den Ausgrabungen zu urteilen, muß J., das zum Nordreich gehörte, bei der Einverleibung desselben in das assyrische Reich arg mitgenommen und seiner Bewohner beraubt worden sein. Die Wiederbesiedelung scheint erst seit dem persischen Zeitalter erfolgt und anfangs dürftig gewesen zu sein. Dafür sprechen einmal die Ausgrabungen, wonach die neue, etwa dem 5.–2. Jhdt. angehörende Ansiedlung mit ihren bescheidenen Häusern nördlich außen vor der Innenmauer nur von geringem Umfang war, und sodann wird die Zahl der Männer von J., die sich an dem von Nehemia betriebenen Mauerbau in Jerusalem Neh. 3, 2 beteiligten und sich schließlich in die jüdische Gemeinde Neh. 7, 36 = Es. 2, 34 aufnehmen ließen, auf nicht mehr als 345 Köpfe angegeben. Aus jener Zeit des wiedererwachenden nationaljüdischen religiösen Bewußtseins stammen die interessanten Krughenkel in J., welche in aramäischer Schrift den jüdischen Gottesnamen Jah bezw. Jahu aufweisen. In der Technik der Töpferwaren zeigen sich jetzt attische und hellenistisch-rhodische Einflüsse. In der Makkabäerzeit gehörte J. zu den Städten, welche Bacchides, der Feldherr des syrischen Königs Demetrios’ I., befestigte, um die syrische Oberhoheit gegen Jonathan (161–143) [927] zu sichern, 1. Makk. 9, 50ff. Joseph. ant. Iud. XIII 1, 3. In der von ihm selbst angelegten Festung Dok bei J. 1. Makk. 16, 15 ermordete Ptolemaios, der Strateg von J., um sich der Herrschaft zu bemächtigen, im Februar 135 seinen Schwiegervater, den Makkabäer Simon samt seinen zwei Söhnen, 1. Makk. 16, 11f. Joseph. ant. Iud. XIII 7, 4. Der Name dieses Kastells ist erhalten in dem Namen der großen Quelle ʿAin Dûk am nördlichen Fuß des Dschebel Qarantal; im Mittelalter hatten die Tempelherren dort ein Kastell Dok, das bis ins 13. Jhdt. bestanden hat. Bei J. fand nach Joseph. ant. Iud. XIV 1, 2; bell. Iud. I 6, 1 die Schlacht zwischen den beiden feindlichen Brüdern, Hyrkan und Aristobul, den Söhnen der Alexandra, statt, 67 v. Chr. Als Pompeius 63 v. Chr. von Damaskus aus nach Jerusalem zog, schlug er bei J. ein Lager auf, Joseph. ant. Iud. XIV 4, 1; bell. Iud. I 6, 6. Die von Pompeius zerstörten Kastelle Thrax und Tauros vermutet man in den Ruinen von Bet Dschabr (Bädeker Pal.⁷ 118). Nachdem der als Proconsul nach Syrien geschickte Gabinius den Alexander, den Sohn des Aristobul, in einem Treffen bei Jerusalem besiegt hatte, teilte er im J. 57 das Land, um dem alten Hyrkan jede politische Bedeutung zu nehmen, in fünf Bezirke σύνοδοι, συνέδρια (Steuer- oder Gerichtsbezirke), worunter einer J. war, Joseph. ant. Iud. XIV 5, 4; bell. Iud. I 8, 5ff. Die Einrichtung hielt sich freilich nicht lange; durch Anordnungen Caesars wurde sie wieder beseitigt (Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I3. 4 1901, 339ff.). Im J. 35, bald nach dem Laubhüttenfest, ließ Herodes den jugendlichen Aristobul III., den Bruder Mariamnes, den damaligen Hohenpriester und Günstling des Volkes, in den Teichen von J. beim Baden ertränken, Joseph. ant. Iud. XV 3, 3; bell. Iud. I 22, 2. Unter den Geschenken an Stadt und Land, die Antonius im J. 34 der Kleopatra machte, befand sich u. a. das an Einkünften reiche J., ant. Iud. XV 4, 1; bell. Iud. I 18, 5.
II. Das herodianische Jericho. Herodes pachtete von Kleopatra außer dem ihr überwiesenen Teile Arabiens auch die Einkünfte des Gebietes von J. ab, ant. Iud. XV 4, 2. Schließlich erhielt Herodes nach dem Tode der Kleopatra, neben den anderen ihm der Kleopatra wegen entzogenen Städten und Distrikten und neuen Schenkungen, im Herbst 30 J. von Augustus zurück. Damit begann für J. eine neue Periode der Blüte. Der an Baulust und Prachtliebe mit Salomo wetteifernde Herodes machte J. zu einer griechisch-römischen Weltstadt, die ihm zugleich als amüsante Winterresidenz diente, und wo er auch 4 v. Chr. gestorben ist. Oberhalb J.s baute Herodes seiner Mutter zu Ehren eine Festung Kypros, ant. Iud. XVI 5, 2, deren Reste man in dem Tell ʿalâʾiq (Blutegelhügel) vermutet. Wie in Jerusalem legte Herodes auch in J., um wie mit seinen anderen zahlreichen griechischartigen Bauten, so auch mit diesen nach damaliger Sitte den römischen Kaiser zu ehren, ein Theater, Amphitheater und Hippodrom an, ant. Iud. XVII 6, 3. 5. 8, 2; bell. Iud. I 33, 6, 8. Für das herodianische J. genügte die Lage des alten J. auf schmalem Platz nicht mehr. Säle, Höfe, Teiche und Garten verlangten ein freies [928] offenes Gelände. Die von Herodes erweiterte und verschönerte Stadt lag südlich von dem vorherodianischen J. und erstreckte sich bis südlich des Wâdi Kelt. Hier wurden durch die neuen Ausgrabungen Spuren ehemaliger Gärten, Aquädukte, Teiche u. dgl. aufgedeckt; auch Reste eines Theaters oder Hippodroms meint man feststellen zu können. Die von Herodes ausgeschmückte Stadt wurde von seinem Sohn Archelaos noch weiter ausgebaut. So stellte er den Palast glänzend wieder her, auch leitete er einen Teil des Wassers, das den Ort Neara bewässerte, durch eine Wasserleitung auf das Gefilde von J., das er ganz mit Palmbäumen bepflanzt hatte, ant. Iud. XVII 13, 1. In J. pflegten die Pilger aus Peräa (Ostjordanland) und Galiläa auf der Wallfahrt zu den großen Festen in Jerusalem Halt zu machen. Das J. des Herodes hat auch Jesus besucht, Matth. 20, 30ff. Luc. 18, 35ff.; von hier trat er seine letzte Reise nach Jerusalem an, Luc. 19. Beim Ausbruch des römischen Krieges, seit 66 n. Chr., lag in der Burg von J. eine römische Besatzung, bell. Iud. II 18, 6. IV 8, 1. Nach Euseb (Onom.) wäre J. wegen der Treulosigkeit seiner Bewohner von Titus zerstört worden.
III. Das nachherodianische Jericho. Seit 325 wird ein Bischofsitz J. erwähnt. Hier erbaute Iustinian (J. 527–565) eine Kirche der Gottesgebärerin und eine Pilgerherberge. Nach den Ausgrabungen zu schließen hat das byzantinische J. sich ziemlich über das ganze Stadtgebiet hin verbreitet.
IV. Neu-Jericho Seit der Zerstörung der Stadt durch Perser oder Araber erstand ein Neu-J. auf der Stelle, wo das heutige Erîchâ liegt. Es reicht bis in die Zeit der Kreuzfahrer zurück. Diese erbauten hier außer einem Schloß eine Kirche zur heiligen Dreieinigkeit. Ein turmähnliches Gebäude, wohl aus der Zeit des fränkischen Königreiches und als Kastell gegen die Beduinen gedacht, gilt seit dem 15. Jhdt. als Haus des Zachaeus, Luc. 19. Die Einkünfte des von den Kreuzfahrern gebauten J. flossen der Kirche des heiligen Grabes in Jerusalem zu. Die Zuckerrohrplantagen, durch die J. im Mittelalter einen Aufschwung nahm, sind vor der Kreuzfahrerzeit noch angelegt.
Das heutige J. ist ein von etwa 300 bettelhaften und diebischen Halbbeduinen in elenden Hütten besiedelter Flecken. Erst seit dem Ende des 19. Jhdts. beginnt der Ort dank den zahlreichen hierherkommenden Fremden sich wieder etwas emporzuarbeiten. Vielleicht gelingt es abendländischen Mühen, wenn auch nicht den Luxus des herodianischen J. wiederherzustellen, so doch den sehr fruchtbaren Boden der heutigen Kultur dienstbar zu machen.