Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ort der Tanganoi am Sarabos
Band VIII,1 (1912) S. 288289
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2) Nach Ptolemaios VII 2, 13 eine der vier Ortschaften der Tanganoi, im Osten des oberen Ganges am Sarabos gelegen. Dieser entspricht der sagenberühmten Sarayū des Veda, die heute von den Indern Gagra genannt wird und der bedeutendste nördliche Zufluß des Ganges ist. Wie der Hauptstrom, wie die Yamūna und die meisten nördlichen Nebenflüsse entsteht die Sarayū aus Quellflüssen, die in wesentlich nordsüdlich gerichteten Quertälern die Himālayaketten durchbrechen, und durchfließt nach der Vereinigung jener in langem Laufe die Tiefebene in südöstlicher und östlicher Richtung. Diese charakteristische gleichförmige Anordnung und Gestaltung der Hauptwasseradern Hindostans ist der griechischen Erdkunde immer verborgen geblieben. Auf der Ptolemaioskarte laufen sie gar in entgegengesetzter ostwestlicher Richtung der Gangā zu. Noch auffälliger erscheint auf der Karte die außerordentliche Verkürzung der Lauflänge der Sarayū und nicht weniger der Yamūna; annähernd nord-südlich gerichtet, vereinigen sich beide mit dem Ganges schon kurz nach seinem Austritt aus dem Gebirge in die Tiefebene, sind also als sehr bescheidene Nebenflüsse aufgefaßt (s. die Art. Iomanes und Sarabos). Dadurch geschieht es, daß die Sarayū, deren Mündung in Wahrheit nur wenige 100 Stadien von Patāliputra entfernt ist, auf der Karte über 4000 Stadien westlich von dieser Stadt den Ganges erreicht, eine Entfernung, die der Länge der Gagra auf ihrer östlichen Bahn innerhalb der Ebene gleichkommt; Mittel- und Unterlauf des Flusses scheinen geradezu weggeschnitten. Diese kartographische Merkwürdigkeit ist gewiß nicht kurzweg als grober Fehler zu [289] verurteilen, sondern erklärt sich offenbar daraus, daß die Marinos zu Gebote stehenden Angaben irgendwelcher Reisender eben nur den Oberlauf der Sarayū bis zu ihrem Austritt in die Ebene betrafen; die Gewährsmänner müssen einer oberhalb des Knies auf den Fluß stoßenden Handels- oder Kultusstraße von der oberen Ganga ins Gebirge hinein gefolgt sein. Da weitere Aufklärung fehlte, erscheint es ganz verständig, wenn Marinos den Fluß in derselben Richtung und auf der kürzesten Linie zum Ganges kommen ließ.

Der Gewinn solcher Betrachtung für die Aufhellung der allgemeinen Lage und der Topographie des Tanganenlandes leuchtet ein. Es entspricht dem westlichsten Nepal und reichte augenscheinlich nicht über den Dschungelgürtel des Tarai, der die südlichen Vorketten des mittleren Himālaya begleitet, in die Gangestiefebene hinaus (s. weiteres u. Tanganoi). Die vier Städte, die Ptolemaios namhaft macht, lagen im Innern des Gebirges an den Hängen der wilden, unzugänglichen Hochtäler. Diese werden von zwei Quellflüssen der Gagra durchströmt, die selbständig bis in die Ebene durchbrechen. Der längere ist der Kurnalli; er durchschneidet selbst den zentralen Hauptkamm des Himālaya und greift mit seinen letzten Ursprüngen und dem Längstal seines Oberlaufs auf das Tibetische Hochplateau hinauf. Es scheint aber, daß eher der andere, der die neuere Westgrenze Nepals bildet, als die Sarayū gegolten hat, wie er auch heute dem Fluß der Tiefebene den Namen gibt. Denn wären jene Reisende zum Kurnalli vorgedrungen, so hätte ihnen die starke Abbiegung des Flußlaufes außerhalb des Gebirges schwerlich verborgen bleiben können. Zu voller Sicherheit der Entscheidung verhilft uns aber das Studium der Ortsnamen, da wenigstens eine der vier Tanganenstädte noch in den Hochtälern der Gagra bestimmt sich nachweisen läßt. Die Reihe der vier Städte am Sarabos beginnt mit Sapolos, das, gegen 700 Stadien von der Quelle des Flusses entfernt, zutiefst im Gebirge gesucht werden muß. Und wirklich finden wir noch heute über dem wilden Quellbach, den die Gletscher des Milam auf dem Hauptkamm des Himālaya speisen, mit völlig unverändertem Namen die Ortschaft Sobalu. Von hier bis zur vierten Stadt, Rappha, rechnet die Ptolemaioskarte 1100 Stadien; die Zahl führt uns nach Darinde am Austritt der Gagra in den Dschungel des Tarai, wo sich offenbar die Straße nach Westen oder Südwesten von dem Fluß ab zum Ganges hinüberwandte. Wir sehen, die Ausdehnung des Sarabos zwischen der ersten und vierten Stadt entspricht vorzüglich der Länge der Gagraoberlaufes. Die zweite Stadt, Storna, dürfte das heutige Askot sein, über der Einmündung des Gorigangā in die Gagra gelegen. Und schließlich H. suchen wir in Pitoragarḥ auf der Höhe des Gebirges zwischen der Gorigangā und Ramgangā. Onomatologisch vergleicht sich die Stadt H. der keltischen Skordisker an der Donau (Strab. C. 318), also war die Tanganenstadt eine arische Gründung?