Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Leibeigene Bauern in Lakonien
Band VIII,1 (1912) S. 203206
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Heloten, die leibeigenen, an die Scholle gebundenen Bauern in Lakonien: εἵλωτες, εἱλῶται (Her. VI 58. 75); ἑλεάται (Theopompos FHG I 280 = Athen. VI 102). Der Singularis εἵλως Her. VII 229; femin. εἱλωτίς Plut. Ages. 3. Steph. Byz. s. Ἕλος. Als Bezeichnung des H.-Standes findet sich: τὸ εἱλωτικόν Paus. IV 23; τὸ εἱλωτικὸν πλῆθος Plut. Sol. 22; τὸ τῶν εἱλώτων ἔθνος Theopompos FHG I 280 = Athen. VI 102 (vgl. τὸ πενεστικόν ἔθνος in Thessalien Plat. leg. VI 19). Die Einrichtung heißt εἱλωτεία: Plat. leg. VI 19. Ephoros FHG I 237 = Strab. VIII 365. Etym. M. s. εἵλωτες (vgl. πενεστεία in Thessalien Aristot. pol. II 9, 1269 a). Εἱλωτεύειν im Sinne der Unterwürfigkeit eines Stammes unter einen anderen lesen wir bei Strab. XII 542. Harp. s. v. Etym. M. s. v. Isocr. IV 131; ep. 3, 5. Den Namen leitet die Mehrzahl der alten Schriftsteller ab von der Stadt Helos: Hellanikos FHG I 54 = Harp. s. εἱλωτεύειν. Ephoros bei Strab. VIII 365. Theopompos FHG I 280 = Athen. VI 102. Paus. III 20. Steph. Byz. s. Ἕλος. Bekk. an. 246. Im Etym. M. s. Ἕλος und εἵλωτες findet sich neben der Ableitung von Helos noch die von ἕλος, Sumpfland, und von ἔλω = λαμβάνω. Die Ableitung von ἕλω = αἱϱέω wird jetzt von den meisten angenommen; Boisaq Dict. Etym. leitet den Namen ab von Ϝαλίσκομαι, es waren demnach Kriegsgefangene, wie die Ausdrücke αἰχμάλωτοι im Etym M., χειρωθέντες bei Harup., καταδεδουλωμένοι bei Theopompos schließen lassen. Zuletzt hat über den Namen εἵλωτες Solmsen Unters. z. gr. Laut- und Verslehre 251 gehandelt. Entstanden [204] ist der Stand der Leibeigenen durch die Unterwerfung der ansässigen Bevölkerung Lakoniens durch die Dorier. Daß es sich hier um einen Volksstamm handelt, zeigt der Ausdruck ἔθνος vgl. Steph. Byz. s. Πενέσται· ἔθνος Θεσσαλικόν. Nach Theopompos FHG I 300 = Athen. VI 88 waren die Unterworfenen Achaier; diese Ansicht ist die allgemein gültige, für sie entscheidet sich zuletzt Solmsen Rhein. Mus. LXII 335 gegen Niese, der Götting. Nachr. 1906, 137 die Abstammung der H. von vordorischen Achaiern leugnete. Für die Entstehung der H. aus der unterjochten Urbevölkerung spricht auch die Vergleichung der H. mit ähnlichen Hörigen: Aristot. pol. II 9, 1269 a vergleicht sie mit der πενεστεία der Thessaler. Platon leg. VI 19 mit den Mariandynern der Herakleoten und den Penesten der Thessaler, Steph. Byz. s. Χίος mit den Gymnesii in Argos, den Korynephoroi in Sikyon und den Mnoiten auf Kreta; Etym. M. s. πενέσται sind diese den H. der Lakedaimonier und der Klarotai der Kreter gleichgesetzt; Strab. XII 542 gebraucht bezüglich der Mariandyner den Ausdruck εἱλωτεύειν und setzt sie gleich den Mnoiten auf Kreta und den Penesten in Thessalien. Es handelt sich um die Schaffung eines Standes von Hörigen, der den Eroberern, den neuen Grundherrn, die Möglichkeit bot, sich ausschließlich dem Waffenhandwerk zu widmen; vgl. die Äußerung des Kleomenes bei Aelian. var. hist. XIII 19, Homeros sei der Dichter der Lakedaimonier, da er sagt, ὡς χρὴ πολεμεῖν, Hesiodos aber der Dichter der H., da er lehrt, ὡς χρὴ γεωργεῖν. Über die Notwendigkeit eines hörigen Bauernstandes vgl. Beloch Gr. G. I 282. K. F. Neumann Sybels Hist. Ztschr. XCVI (1906) 25f. und den Art. Hörigkeit. Zu den unterworfenen Achaiern kamen in der Folgezeit die unterworfenen Messenier, also Dorier, und H. Lécrivain hat richtig bemerkt, daß sich zwei Gruppen von H. unterscheiden lassen: Theopompos FHG I 280 = Athen. VI 102 nennt als Teile des τῶν εἱλώτων ἔθνος· οἱ μὲν ἐκ Μεσσήνης ὄντες, οἱ δὲ ἑλεάται κατοικοῦντες πρότερον τὸ καλούμενον Ἕλος. Bei Paus. III 11 finden wir τὸ Μεσσηνικόν und οἱ ἀρχαῖοι εἵλωτες angegeben; vgl. IV 24, und Thuk. I 101 sagt: πλεῖστοι τῶν εἱλώτων ἐγένοντο οἱ τῶν παλαιῶν Μεσσηνίων δουλωθέντων ἀπόγονοι. Über die rechtliche Stellung der H. erfahren wir, daß sie als Sklaven, δοῦλοι, betrachtet und vielfach bezeichnet wurden: Aelian. var. hist. III 20 sagt Lysander: τοῦτο τοῖς εἵλωσι δότε· ἐλευθέρου γὰρ οὐκ ἔστι βρῶμα.. Hesych. s. εἴλωτες· οἱ Λακεδαιμόνιοι δοῦλοι, οἱ παρὰ Λάκωσι δουλεύοντες; vgl. Bekk. an. 246. Etym. M. s. πενέσται. Plut. Lyc. 2. Plin. n. h. VII 200. Nepos Paus. 3. Doch werden sie von den Privatsklaven unterschieden: Plat. Alkib. I 18 spricht von ἀνδράποδα τά τε ἄλλα καὶ τὰ εἱλωτικά, Plut. comp. Lyc. et Num. 2 von δοῦλοι καὶ εἵλωτες, Harp. s. εἱλωτεύειν gebraucht den Ausdruck οἱ μὴ γόνῳ δοῦλοι. Sie werden als Staatssklaven bezeichnet von Strab. VIII 365: τρόπον γάρ τινα δημοσίους δούλους εἶχον οἱ Λακεδαιμόνιοι τούτους (nämlich die H.), sie seien δοῦλοι ἐπὶ τακτοῖς τισιν ebd.; Paus. III 20 gebraucht die Bezeichnung δοῦλοι τοῦ κοινοῦ. Nach Poll- III 83 standen sie μεταξὺ ἐλευτέρων καὶ δούλων. Das Verfügungsrecht des einzelnen Spartaners, [205] dessen κλῆρος die H. zugewiesen waren, war beschränkt: er durfte sie nicht freilassen, nicht außer Land verkaufen Strab. VIII 365, durfte nicht mehr als die festgesetzte Abgabe verlangen Plut. inst. Lac. 41. Die Hauptverpflichtung der H. war, das Land der Spartiaten zu bebauen und jährlich eine ἀποφορά, die gesetzlich auf 82 Medimnen Getreide und ein entsprechendes Maß von Öl und Wein bestimmt war, abzuliefern: Myron von Priene FHG IV 161 = Athen. XIV 74. Plut. Lyc. 8. 24; inst. Lac. 41. Strab. VIII 365. Liv. XXXIV 27. Nepos Paus. 3. Daß die H. bei der Bearbeitung einen Gewinn erzielten (κερδαίνοντες Plut. inst. Lac. 41), ersehen wir aus dem Berichte Plut. Cleom. 23: nicht weniger als 6000 H. besaßen im J. 241 v. Chr. ein Vermögen von 5 Minen (400 Mark). Außer ihrem Herren konnte jeder Spartiate ihre Dienste in Anspruch nehmen, besonders im Staatsinteresse: Xen. reip. Lac. 7, 3. Dem Staate gegenüber waren die H. verpflichtet, beim Tode des Königs oder eines Beamten Trauer anzulegen: Her. VI 58. Aelian. var. hist. VI 1. Im Kriegsfalle mußten sie zunächst als θεράποντες ihrer Herrn mitziehen: Her. VII 229. IX 10. Sie wurden auch als ψιλοί verwendet: Her. IX 28, vgl. 85. Im J. 424 v. Chr. finden wir 700 H. als Hopliten unter Brasidas Thuk. IV 80; später werden 600 Hopliten, aus H. und Neodamoden zusammengesetzt, erwähnt Thuk. VII 19. Als Bemannung der Schiffe, ναῦται, nennt sie Xen. hell. VII 1 (369 v. Chr.). Aus dem Verhältnisse zwischen den Grundherrn, die Argwohn gegen ihre Hörigen hegten, und den H., die ihre Herren haßten, ergab sich die grausame Behandlung und die vielen Aufstände der H. Um die Herrschaft der kleinen Minderzahl über die numerisch weit überlegenen H., über deren Zahl sich nichts Sicheres sagen läßt, aufrecht zu erhalten, scheuten die Spartaner vor keinem Mittel zurück. Myron v. Priene FHG IV 161 = Athen. XIV 74 gebraucht den Ausdruck: ὑβριστικῶς πάνυ ἐρχῶντο Λακεδαιμόνιοι τοῖς εἵλωσι: die H. mußten eine besondere Kleidung tragen, wurden jährlich gegeißelt, ὅπως μήποτε δουλεύειν ἀπομάθωσι, und zu entehrenden Dienstleistungen gezwungen, vgl. Plut. Demetr. 1. Nach Plut. Lyc. 28 kündigten die Ephoren jährlich den H. den Krieg an, damit diese ohne Blutschuld getötet werden könnten. Nach Thuk. IV 80 wurden 2000 H. vernichtet, erklärend fügt er hinzu: ἀεὶ γὰρ τὰ πολλὰ Λακεδαιμονίοις πρὸς τοὺς εἵλωτας τῆς φυλακῆς πέρι μάλιστα καθειστήκει. Plut. comp. Lyc. et Num. 1 bezeichnet die Helotie als ὠμότατον ἔργον καὶ παρανομώτατον. Als vorzugsweise gegen die H. gerichtete Institution wird die Krypteia erwähnt: Plut. Lyc. 28. Herakleides Pont. FHG II 210 = Athen. VI 210; vgl. Girard Krypteia in Daremberg-Saglio III 871–873, der es wahrscheinlich macht, daß diese Einrichtung nicht gegen die H. allein gerichtet war, sondern daß die κρυπτοί, die während zwei Jahre in der Stadt nicht zu sehen waren, die Feldpolizei übten und dabei auch die H. überwachten. Der von Gilbert und Schoemann-Lipsius angenommene besondere Kommandant der Kryptoi gegen die H. war Anführer der Kryptoi in der Schlacht bei Sellasia (221 v. Chr.): Plut. Cleom, 28. Die drückende Lage der H. erzeugte einen [206] heftigen Haß derselben gegen ihre Bedrücker: Xen. hell. III 3 ὅπου γὰρ ἐν τούτοις τις λόγος γένοιτο περὶ Σπαρτιατῶν, οὐδένα δύνασθαι κρύπτειν τὸ μὴ οὐχ ἡδέως ἂν καὶ ὠμῶν ἐσθίειν αὐτῶν und veranlaßte Aufstände und Flucht der H., wenn sich eine günstige Gelegenheit bot: Paus. I 29. III 11. IV 24. Thuk. I 101 (466 v. Chr.). Plut. Kim. 16. Xen. hell. I 2 (410 v. Chr.). VII 2 (369 v. Chr.). Trotz aller der Schwierigkeiten, die den Spartiaten durch die H. erwuchsen, bestand die Helotie nach Strab. VIII 365 bis in die römische Zeit. Freilassung von H. konnte nur durch den Staat erfolgen: die Freigelassenen führten nach Myron FHG IV 461 = Athen. VI 102 verschiedene Namen. Vor allem sind zu nennen die νεοδαμώδεις: Poll. III 83 τοὺς μέντοι εἰς ἐλευθερίαν τῶν εἱλώτων ἀφιεμένους οἱ Λακεδαιμόνιοι νεοδαμώδεις καλοῦςι. Die Freilassung erfolgte häufig als Belohnung für geleistete Kriegsdienste: Thuk. V 34. Xen. hell. VI 5 (370 v. Chr.). Kleomenes gab allen H. die Freiheit, die 5 attische Minen erlegten: Plut. Cleom. 23. Nach Thuk. V 34 erhielten die Freigelassenen die Erlaubnis οἰκεῖν, ὅπου ἂν βούλωνται; aber sie wurden bald darauf nach Lepreon gebracht. Die Neodamoden hatten zwar bürgerliche, aber keine politischen Rechte, standen also den Perioiken gleich. Sehr häufig wird ihre Verwendung im Kriege erwähnt: Thuk. VII 19. VII 58. Xen. hell. III 1. V 2. VI 1. Eine zweite Klasse freigelassener H. bildeten die μόθακες: Athen. VI 102: οἱ μόθακες καλούμενοι παρὰ Λακεδαιμονίοις ἐλεύθεροι μέν εἰσιν, οὐ μὴν Λακεδαιμόνιοι, und Phylarchos FHG I 347 erklärt sie als σύντροφοι τῶν Λακεδαιμονίων; vgl. Harp. s. v. Es waren meist uneheliche Söhne spartanischer Herren mit helotischen Frauen. Da sie Anteil hatten an der gesetzmäßigen ἀγωνή, konnten sie auch das Bürgerrecht erlangen: Stob. 408, was nach Dio Chrys. XXXVI 38 den H. versagt war. Es werden noch erwähnt ἐπεύνακται Athen. V I 102; s. o. Szanto Bd. V S. 2733f., und δεσπσοσιοναῦται, s. Bd. V S. 254. Die von Myron an a. O. genannten ἀφέται, ἀδέσποτοι und ἐρυκτῆρες als Bezeichnungen von Freigelassenen waren von Haus aus keine H., sondern Privatsklaven. Übrigens s. den Art. Hörigkeit. Literatur: Westermann Pauly R. E.¹ 1115f. Hermann-Thumser I 121 § 19 mit Literaturangabe. Daremherg-Saglio Diction. III (1899): Helotae v. Lécrivain (67-71) und Lacedaemoniorum respublica von Fustel de Coulanges (886f.). Gilbert I² 32–38. Busolt Handb. IV² 1, 1, 14 und 97. Schoemann-Lipsius I⁴ 137. 200–207.