Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gesteinsart, Hämatit oder Blutstein, Roteisenstein
Band VII,2 (1912) S. 22152217
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Haimatites. Hämatit oder Blutstein (auch roter Glaskopf) heißt heute eine sowohl in Lagern wie in Gängen mit anderen Roteisensteinarten vorkommende Abart des Roteisensteins von langfaseriger, krummschaliger Struktur, glänzender Oberfläche und einer Farbe, die zwischen dunkelstahlgrau und blutrot liegt (vgl. Max Bauer Edelsteinkunde 603f. King The precious stones 476). Der größte Teil dieses Minerals wird heute in den Hochöfen verschmolzen, bessere Stücke teils zum Polieren von Metall benützt, teils zu Ringsteinen, Schmuckstücken u. dgl. verarbeitet. [2216] Es darf als sicher gelten, daß das Mineral, das die Alten αἱματίτης (oder αἱματίτις, Theophr. de lapid. 37) nannten, mit unserem H. identisch ist, da die Beschreibung dazu stimmt und der Stein unter den Edelsteinen aufgeführt wird, Theophr. a. a. O.: πυκνὴ δὲ καὶ αἱματίτις · αὕτη δ' αὐχμώδης καὶ κατὰ ταὔνομα ὡς αἵματος ξηροῦ πεπηγότος. Plin. XXXVII 169: haematitis in Aethiopia quidem principalis est, sed et in Arabia et in Africa invenitur, sanguineo colore, non omittendis promissis ad coarguendas Magorum insidias. In der Tat ist der H. in der alten Glyptik sehr häufig, besonders in der alten orientalischen der babylonischen Siegelcylinder (vgl. Krausse Pyrgoteles 124); in Griechenland begegnen wir ihm bereits in mykenischer Periode unter den sog. Inselsteinen (Milchhöfer Die Anfänge der Kunst in Griechenl. 42), und in der archaischen Epoche, obschon bei weitem nicht so häufig wie im Orient. Die klassische Periode aber verschmähte ihn durchaus, ebenso die griechisch-römische Glyptik. Dafür spielt er in der späteren Kaiserzeit in Ägypten und Syrien infolge der abergläubischen Richtung, aus der die Abraxasgemmen hervorgingen, wieder eine große Rolle, da er in der chaldäischen Magie als besonders zauberkräftig galt, s. Furtwängler Die antiken Gemmen II 396. Das erwähnt auch Plin. a. a. O.: Zachalias Babylonius in iis libris, quos scripsit ad regem Mithridatem, gemmis humana fata attribuens hanc, non contentus oculorum et iocineris medicina decorasse, a rege etiam aliquid petituris dedit, eandem litibus iudiciisque interposuit, in proeliis etiam exangui salutorem pronuntiavit. Man glaubte also, daß der Stein seinem Träger bei Bittgesuchen, Prozessen, Gerichtssachen nütze und zugleich blutstillend oder blutbildend wirke. Daher rühmt ihn auch das ps.-orphische Gedicht der Lithika v. 662ff. und Damigeron de lapid. 9 (beide herausgeg. von Abel, Berlin 1881); vgl. Isid. orig. XVI 8, 5: de qua promittunt Magi quiddam ad coarguendas barbarorum insidias.

Seine hauptsächlichste Verwendung fand aber der H. bei den Alten in der Heilkunde, indem er äußerlich und innerlich angewandt wurde, gegen Krankheiten der Augen, besonders bei Blutungen usw., s. Diosc. V 143. Plin. XXXVI 144ff. 158. Cels. V 7. Galen. X 330. 388. XII 195. 732. 775. XIII 316. Veget. mulom. I 20, 2. VI 12, 3. Zu diesem Zwecke wurde er in ähnlicher Weise behandelt wie der sog. phrygische Stein (Diosc. IV 140. Plin. XXXVI 173), d. h. er wurde mit Weinzusatz gebrannt, unter Benutzung des Blasebalgs, doch nicht wie jener mit Wein gelöscht, Diosc. IV 143: καίεται δ' ἐμφερῶς τῷ φρυγίῳ λίθῳ, τοῦ οἴνου περιρραινομενου (Spengel περιῃρημένου). Plin. XXXVI 144: uritur ut Phrygius, sed non restinguitur vino. Man unterschied mehrere Arten, teils nach der Herkunft, teils nach der Beschaffenheit; Diosc. a. a. O. gibt Ägypten als Bezugsort an (vgl. Clem. Alex. protr. IX 48 p. 43); Plin. XXXVI 146f. zählt nach Sotacus auf: äthiopischen als besten, den afrikanischen, speziell androdamas genannten (Isid. or. XVI 4, 17), den arabischen (diese drei auch XXXVII 169. Isid. XVI 8, 5), den sog. hepatites, der gebrannt miltites hieß, und den schistes, der von manchen für [2217] eine andere Gattung betrachtet wurde (vgl. Diosc. IV 144; es ist wahrscheinlich Toneisenstein, s. Blümner Technologie IV 209). Die heutige Medizin macht vom H. keinen Gebrauch mehr.

Vgl. Blümner Technologie III 68. 277ff. IV 268ff. Nies Zur Mineralogie des Plinius (Mainz 1884) 22.