RE:Grannus
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Kelt. Gott | |||
Band VII,2 (1912) S. 1823–1827 | |||
Grannus in der Wikipedia | |||
GND: 1154711390 | |||
Grannus in Wikidata | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register VII,2 | Alle Register | ||
|
Grannus, keltischer Gott, der, dem Apollon verglichen, in der Kaiserzeit große Verehrung genoß. Wie für Belenus (s. d.), so haben wir auch für G. wenigstens ein Schriftstellerzeugnis. Dio LXXVII 15, 6 (zum J. 215) berichtet, daß Kaiser Caracalla, um Heilung von einer Gemütskrankheit zu erlangen, sich mit beharrlichem Gebet und Opfern außer an Asklepios und Sarapis auch an Apollon Grannus wandte, ohne daß sie ihm aber Hilfe brachten (οὔτε γὰρ ὁ Ἀπόλλων [1824] ὁ Γράννος οὔθ' ὁ Ἀσκληπιὸς οὔθ' ὁ Σάραπις καίπερ πολλὰ ἱκετεύσαντι αὐτῷ, πολλὰ δὲ καὶ προσκαρτερήσαντι ὠφέλησεν· ἔπεμψε γὰρ αὐτοῖς καὶ ἀποδημῶν καὶ εὐχὰς καὶ θυσίας καὶ ἀναθήματα, καὶ πολλοὶ καθ' ἑκάστην οἱ τοιοῦτό τι φέροντες διέθεον· ἦλθε δὲ καὶ αὐτὸς ὡς καὶ τῇ παρουσίᾳ τι ἰσχύσων, καὶ ἔπραξε πάνθ' ὅσα οἱ θρησκεύοντές τι ποιοῦσιν, ἔτυχε δ' οὐδενὸς τῶν ἐς ὑγίειαν τεινόντων). Im übrigen sind wir auf inschriftliche Denkmäler angewiesen, die sich in ziemlicher Anzahl erhalten haben; einige sind mit Reliefdarstellungen geschmückt. Nach Ausweis derselben war sein Kult besonders an der oberen Donau (Raetien) zu Hause. Auf einem im Donaubett bei Faimingen (bayr. Schwaben) gefundenen Epistyl wird der Gott im Verein mit der sancta Hygia angerufen (CIL III 5873, vgl. III Suppl. p. 1854. Dessau 4651). Vielleicht gehörte dasselbe zu dem G.-Heiligtum, das sich bei Lauingen an der Donau (nahe der württembergischen Grenze) befunden zu haben scheint. Aus der Gegend stammen die Inschriften CIL III 5874 (Zeit Heliogabals?, fragmentarisch erhalten, der Dedicant Dionysius ist legatus Augusti). 5871 Apollini Granno signum cum base. 5876 Apollini Granno M. Ulpius Secundus | leg(ionis) III Ital(icae) cum signo argenteo v. s. l. l. m.[WS 1] 5881 (,ara magna bonis litteris‘, einst im Kirchturm des Dorfes Unterfinningen) Apollini Granno Sabinius Provincialis ex voto l. l. m. Auch der im Kirchturm von Hausen (zwischen Dillingen und Lauingen) eingemauerte Stein CIL III 11903 gehört, wie es scheint, hierher; denn die von H. de Villefosse Rev. épigr. IV 1901 p. 154 vorgeschlagene Ergänzung [in h. d.] d. [deo sancto Apollini Granno et de]ae sanctae Si[ronae ....] item valvas [....] hat viel für sich, da die keltische Sirona auch auf anderen Inschriften als Kultgenossin des G. erscheint. So auf dem wegen der bildlichen Darstellungen besonders wichtigen Altar, der aus dem Kloster von Baumburg (Gebiet von Bedaium) nach Irsing kam, wo er als Weihwasserbecken diente (jetzt in München) CIL III 5888 (vgl. Suppl. p. 1839) Apollini Granno [et Si]ronae (der weitere Text größtenteils unleserlich). Auf der linken Seitenfläche (Abbildung bei Ch. Robert Revue celt. IV 138, besser bei Klinkenberg Ztschr. d. Aachener Geschichtsvereins XIV 1892, Tafel zu p. 2) ist die Göttin dargestellt, in Tunica und Pallium, Trauben und Ährenbüschel in den Händen; auf der rechten Apollo G., ‚dessen einziges Kleidungsstück ein den Rücken, die linke Schulter und den rechten Unterarm bedeckender Mantel ist‘; in der Linken trägt er eine große Lyra, die verstümmelte Rechte scheint das Plectrum gehalten zu haben. Ob das Sandsteinrelief, welches 1836 bei einer Mineralquelle in Niedernau (unweit Rottenburg) mit Münzen, Scherben usw. gefunden wurde, wirklich den G. darstellt, wie Haug und Sixt (Die röm. Inschriften Württembergs 124 nr. 162) annehmen, bleibt unsicher (‚der Gott ist reich gelockt und steht mit gekreuzten Beinen dem Beschauer zugekehrt. In der gesenkten Rechten hält er das Gewand, welches über den Rücken gezogen ist und über den linken Arm herabfällt. Dieser stützt sich auf eine Lyra, welche auf einem Postament steht‘. Vgl. die ähnliche Darstellung auf dem [1825] Trierer Viergötterpostament bei Hettner Die röm. Steindenkmäler in Trier nr. 37, Abbild. p. 27). Mit den Nymphen zusammengenannt ist der Gott auf dem Altar von Ennetach CIL III 5861 = 11891 Apollini Granno et Nymphis C. Vidius Iulius pro se et suis v. s. l. l. m. (Abbildung bei Haug und Sixt p. 7 nr. 10). Aus dem Lauinger Heiligtum soll ferner stammen, was keineswegs sicher ist, die in Brenz (Württemberg) eingemauerte Inschrift CIL III 5870 in h. d. d. Apoll(ini) Granno Baienius Victor et Baienius Victor et Baienius Victorinus fili eins ex vissu signum cum base (Haug und Sixt p. 23 nr. 29 mit Abbild.). Weitere Inschriften wurden gefunden bei Neuenstadt a. d. Linde (Neckarkreis) CIL XIII 6462 = Brambach CIRh. 1614 (= Haug und Sixt nr. 387, die Inschrift ist überarbeitet, Lesart an einigen Stellen zweifelhaft); in Horburg (Elsaß) Brambach 1915 (= CIL XIII 5315. Dessau 4649) Apollini Granno Mogouno aram Q. Licini(us) Trio d(e) s(uo) d(edicat) (vgl. Mogounus); in Branges bei Antun Rev. archéol. n. s. XXX 264 = CIL XIII 2600 (Dessau 4648) Deo Apollini Granno Amarcolitan. Veranus Verci f. Tilandei v. s. l. m.; in Trier Hettner a. O. p. 36 nr. 47 = CIL XIII 3635 (Dessau 4647 in h. d. d. [d]eo Apollin[i G]ra[nn]o Phoeb(o) L. I[n]genuviu[s] Primanu[s] ex voto p(osuit) (auf der Oberfläche ein Einsatzloch zur Befestigung einer Figur); in Bitburg (1824 gefunden an einer schwachen, nie versiegenden Quelle, nebst vielen römischen Münzen und kleinen Hufeisen) Hettner nr. 48 (= Brambach 815. CIL XIII 4129) in h. d. d. Apollin[i Granno] et Siro[nae] (mit stark zerstörter Reliefdarstellung der beiden Gottheiten; auch die Rückseite der Votivplatte war skulpiert); ferner die vielbesprochene metrische Inschrift aus Bonn aram dicavit [s]ospiti Cuncordiae, Granno, Camenis, Martis et Pacis Lari, qui[n e]t deorum stirpe genito Caesari (Brambach 484. Hettner Katal. d. Bonn. Mus. nr. 67. Bücheler Carm. epigr. 20. Dessau 1195. CIL XIII 8007), geweiht von dem Legaten beider Germanien Fulvius Maximus (Prosopogr. II 95 nr. 375) bei Gelegenheit der Mündigkeitserklärung seiner Kinder, welche Zwillinge waren (parens adultae prolis geminae liberum); ein Fragment aus Erp (Reg.-Bez. Köln) Brambach 566 = CIL XIII 7975; eine Bronzebasis, bei Arnheim im Rheinbette gefunden, CIL XIII 8712 (vgl. Bonn. Jahrb. LVII 199. W. Froehner Collection Julien Gréau: les bronzes antiques (1885) 14 nr. 48) Apollini Grann(o) Cl(audia) Paterna ex imperio. Aus Britannien ist bis jetzt ein G.-Denkmal bekannt, CIL VII 1082 = Dessau 4646 (Musselburgh bei Edinburgh; verschollen) Apollini Granno Q. Lusius Sabinianus proc(urator) Aug(usti) v. s. l. m.; ebenfalls verschollen die stadtrömische Inschrift CIL 36 = Dessau 4652 Apollini Granno et sanctae Sironae sacrum. Endlich tauchte im J. 1818 in einem Grabhügel bei Fycklinge in der schwedischen Landschaft Westmanland ein prächtiger Bronzeeimer auf, der aus einem Heiligtum des Gottes (vielleicht in Raetien) geraubt worden und auf unbekannten Wegen bis nach Schweden gelangt ist; die Inschrift, die wegen des darin erwähnten praefectus templi bemerkenswert ist, [1826] lautet: Apollini Granno domum Ammillius Constans praef. templi ipsius v. s. l. l. m. (so nach H. Willers Die römischen Bronzeeimer von Hemmoor 1901, 119; ungenau Orelli 1997 und Undset Bull. d. Inst. 1883, 237; vgl. Ihm Bonn. Jahrb. CVIII–CIX 42). Nicht sicher ist die Lesart der Inschrift von O-Szöny (Brigetio, Pannon. sup.) CIL III 10972, die probeweise folgendermaßen ergänzt wird [templum Apollinis] Gran[ni cum co]lumn[is et portici]bus sui[s a …] Felice [… et cul]tore loci [restitutum]. Gefälscht sind CIL III p. 10* nr. 74* (Dacien) und CIL XIII 630* = Robert Epigr. de la Moselle I p. 12 (Apollo, Sirona und Nymphae loci). Dagegen gehören selbstverständlich zu den G.-Denkmälern auch diejenigen, die den Apollo (ohne den Beinamen) im Verein mit der Sirona nennen. So die Inschrift von Großbottwar (Württemberg) CIL XIII 6458 = Brambach 1597 = Haug und Sixt nr. 336 in h. d. d. Apollini et Sironae aedem cum signis C. Longinius Speratus vet(eranus) leg(ionis) XXII pr(imigeniae) p(iae) f(idelis) et Iunia Deva coniunx et Longini Pacatus Martinula Hilaritas Speratianus fili in suo posuerunt v. s. l. l. m. Muciano et Fabiano cos. (J. 201). Ferner CIL XIII 6272 = Brambach 919 (Nierstein, an einer Quelle gefunden) deo Apollini et Sironae Iulia Frontina v. s. l. l. m., ein Stein aus Graux (dép. Vosges) CIL XIII 4661 Apollini et Sironae Biturix Iuli f(ilius), und der Altar von Luxeuil (dép. Haute-Saône) CIL XIII 5424 (Dessau 4653) Apollini et Sironae idem Taurus, welcher Reliefschmuck aufweist: auf der Vorderseite ein Fruchtgehänge mit Tänien, auf der Rückseite eine unbekleidete männliche Gestalt (anscheinend Apollon mit dem Plectrum in der Rechten), auf den Seitenflächen zwei weitere männliche, nur um die Hüften bekleidete Figuren, die eine mit, die andere ohne Bart, deren Deutung unsicher ist (vgl. die Abbild. bei Ch. Robert Rev. celt. IV 139–141).
Datiert ist nur die Inschrift von Großbottwar (J. 201). Vielleicht ist keine älter als das 2. Jhdt. Frühestens dem Ende des 2. Jhdts. gehören die Steine mit der Formel in honorem domus divinae an, ferner die Bonner ara Fulviana (weil iuridici in Italien erst seit Marc Aurel vorkommen) und CIL III 5876 (legio III Italica unter Marc Aurel gebildet, Dio LV 24, 4); in die Zeit Heliogabals gehört vielleicht CIL III 5874; CIL XIII 2600 wird von O. Hirschfeld als lapis parvus litteris saeculi II bezeichnet; die Buchstabenform der Trierer Inschrift soll ins 1. oder 2. Jhdt. weisen (wegen der Formel in h. d. d. eher 2. Jhdt.). Bemerkenswert ist, daß der Gott immer Apollo Grannus genannt wird; nur auf der metrischen Inschrift von Bonn fehlt der Zusatz Apollo (das Zitat Grannus bei Holder Altkelt. Sprachsch. I 2039 beruht auf Irrtum).
Der Name wird gewöhnlich auf zwei Arten gedeutet (s. Holder a. O. s. v.). Die einen leiten ihn ab von gälisch greann, neuir. granni (= Haar, Bart), andere (z. B. Bacmeister Kelt. Briefe 29) von ir. grian (= Sonne). Nach Glück (Rênos 23) bedeutet das gallische grannos (durch Assimilation für gransos? vgl. skr. ghrans, ghransas, solis ardor, salis lumen, claritas) ‚warm, heiß‘. Das Epitheton Poebus, das er [1827] auf der Trierer Inschrift führt, scheint für die Auffassung als Sonnengott zu sprechen (dagegen Gaidoz Rev. archéol. 3. sér. VI 1885, 171ff.). Den Römern aber galt seit Caesars Zeit (b. G. VI 17 Apollinem morbos depellere) der keltische Gott, den sie als Apollon bezeichneten, als Heil- und Gesundheitsgott; und das bestätigen die Inschriften, welche ihn mit Hygia und den Nymphae zusammen nennen, sowie das oben angeführte Zeugnis Dions.
Über die angebliche Beziehung des G. zu dem Badeort Aachen (der Name Aquae Granni ist ohne Gewähr) s. Aquae Nr. 44 (dort weitere Literatur; vgl. ferner Kisa Die römischen Antiken in Aachen, Westd. Ztschr. XXV 1ff.). Vgl. auch Roschers Lex. s. v., sowie die Art. Gravionarium und Sirona.