Glykon. 1) Nach Lukian hätte der falsche Prophet Alexander (s. o. Bd. I S. 1444) aus Pella in Makedonien nach Abonotichos eine große gezähmte Schlange mitgebracht, die er als eine Erscheinung des Asklepios verehren ließ (c. 7. 12. 14. 43) und die er Γλύκων benannte (c. 18). Der Betrüger hatte ihr aus bemalter Leinwand ein Menschenhaupt verfertigt; durch Pferdehaare gezogen, öffnete sich der Mund und bewegte sich die Zunge (c. 12. 15), so daß der neue Asklepios selbst Orakel zu erteilen schien. Diese Prophezeiungen, αὐτόφωνα genannt, wurden besonders teuer bezahlt (c. 26). Der Ursprung, den Lukian dem G. zuschreibt, ist durchaus glaublich, denn die Schlange spielt in den thrakischen Kulten, z. B. in den Sabaziosmysterien, eine große Rolle, und der Rest der Erzählung ist mindestens zum Teil durch die Denkmäler bestätigt. Die menschenköpfige Schlange ist auf den Münzen von Abonotichos Ιonopolis von der Regierung des Antoninus Pius an bis zum Ende der Prägung unter Trebonianus Gallus vielfach dargestellt (Waddington-Babelon-Reinach Monnaies d’Asie Mineure I 130ff. pl. XVII). Auch in Nikomedien bezeugen die Münzen die Verehrung des neuen Gottes (Fivel Gazette archéol. V 1879, 184ff. Babelon Revue Numism. 1900, 26). Auf der Agora von Parium war sein Grab, wohl ein Kenotaph, zu sehen, und es wurden seiner Statue öffentlich Opfer dargebracht (Athenagoras c. 26). Weiter beweisen Inschriften die Verbreitung seines Dienstes in Dakien, dessen Beziehungen zu der nordasiatischen Küste zahlreich waren. Es sind in Apulum zwei Widmungen Glyconi gefunden worden (CIL III 1021.[1] 1022), und Mommsen hat eine dritte aus Scupi, Iovi, Iunoni, et draconi et draccenae et Alexandro (CIL III S. 8238[2], vgl. Jahresb. Inst. Wien VI 1903 Beibl. 38) auf den Pseudomantis und seine Schlange bezogen; indessen die Erwähnung einer ,Drachin‘ läßt an dieser Gleichsetzung zweifeln (Babelon a. a. O. 22). Auch auf Amuletten wird G. genannt; so sind auf einem geschnittenen Stein in Paris um eine löwenköpfige, mit Strahlen bekränzte Schlange (die gewöhnliche Darstellung
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des Chnoubis) drei Namen geschrieben XNOYMIC, ΓΛYKΩNA, IAω); auf der andern Seite steht eine magische Formel (Lenormant Gaz. archéol. IV 179. Babelon a. a. O. 28). Anf einem andern Stein ist vielleicht G. neben Asklepios dargestellt (Lenormant ebd. Babelon ebd.). Cumont Alex. d’Abonotichos (Abdr. aus Mém. Acad. Belgique XL) 1887. 13ff. 37ff. Drexler in Roschers Myth. Lex. s. v. Babelon Revue Numism. 1900, 1ff.