Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Germanos Neffe Justinians
Band VII,1 (1910) S. 12581261
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5) Γερμανός, einer der Neffen Ιustinians (Procop. bell. Vand. II 16, 482; falsch Iord. Get. LX 313, der ihn seinen Bruder nennt), ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten während der Regierung seines kaiserlichen Onkels. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, doch wird es schwerlich vor 505 liegen, da Iustinian bald nach seiner Thronbesteigung den G. zum Magister militum per Thraciam ernannte. Dort schlug er die Anten aufs Haupt, die nach Überschreitung der Donau ins Reich eingefallen waren (Procop. bell. Goth. III 40). Als die Verschwörung des Stozas Afrika dem Kaiser fast schon entrissen zo haben schien, schickte dieser im J. 536 den G., der inzwischen [1259] den Patriciat erhalten hatte, dorthin, freilich ohne erhebliche Truppenmassen. Schon waren zwei Drittel der kaiserlichen Truppen dem Aufrührer zugefallen. Durch Nachsicht aber und vor allem durch das Versprechen der Nachzahlung des Soldes selbst für die Zeit, während der sie vom Kaiser abgefallen gewesen waren, dazu Abberufung einiger besonders mißliebigen Offiziere (Diehl L’Afrique Byzantine 83, 7), brachte es G. in kurzer Zeit dahin, daß ein großer Teil der Soldaten zu ihm übertrat und sich in Karthago einfand. Dazu knüpfte er mit den mächtigsten Maurenchefs nicht ohne Erfolg Verhandlungen an. Durch all das war G. bereits vor Beginn des Kampfes der Stärkere, und Stozas zog sich aus seiner Stellung nahe dem Meere bei Karthago nach Numidien zurück. Dorthin folgte ihm G., besonders mit Train vorzüglich versehen. Bei Cellas Vatari (Tissot Géographie d’Afrique II 416. Corippus Iohannis III 317. Procop. bell. Vand. II 17, 487 Καλλασβάταραι = Scalae Veteres) kam es zur Sehlacht. Nach außerordentlich schwerem Kampfe siegte G., der persönlich das Beste getan hatte und dem sein Pferd unter dem Leibe getötet worden war. Das feindliehe Lager wurde erobert, und der Aufstand war damit beendet, während G. bei irgend einem mauretanischen Häuptling eine Zufluchtsstätte fand. Nachdem G. dann noch einen weiteren Verschwörungsversuch durch Wachsamkeit und Energie an der rechten Stelle unterdrückt hatte, durfte er Afrika als beruhigt betrachten. Bald darauf wurde er abberufen und durch Solomo ersetzt (im J. 537/8. Procop. bell. Vand. II 16–19 Marcellin. Comes = Mommsen Chron. min. II 105–106).

Als 450 Chosroës von Persien das Reich wiederum angriff, wurde G. gegen ihn geschickt; aber es begleitete ihn zunächst nur sein persönliches Gefolge von 300 Mann, während ein größeres Heer bald nachfolgen sollte. G. begab sich nach dem bedrohten Antiochia, fand aber die Befestigungen der Stadt ungenügend und in der kurzen Zeit, die noch zur Verfügung stand, nicht mehr herstellbar. Da anderseits das versprochene kaiserliche Heer ausblieb, so überließ der Prinz, der es wohl in Übereinstimmung mit den Bürgern für das Beste hielt, die Schonung des Feindes zu erkaufen, der Stadt den größten Teil seines Gefolges und begab sich selbst nach Kilikien. Weiteres hören wir von seiner Tätigkeit in Asien nicht mehr; er ist unzweifelhaft abberufen worden, als Belisar Frühjahr 541 das Kommando wieder übernahm (Procop. bell. Pers. II 5–7. Marcellin. Comes = Mommsen Chron. min. II 106. Iord. Roman. 376).

Das nächste Jahrzehnt über sehen wir G. in Untätigkeit und in einem Verhältnis zu Iustinian, das von offener Ungnade nicht weit entfernt war. Besonders Theodora verfolgte den Prinzen mit dem bittersten Haß (Procop. Arcan. 5, 37), gewiß nur deshalb, weil er nach Persönlichkeit und Verwandtschaftsverhältnissen als der wahrscheinliche Thronerbe gelten mußte. Vollends war sie erzürnt, als G. seine achtzehnjährige Tochter Iustina im J. 546/7 dem mächtigen Föderatenführer Johannes Vitaliani Nepos verheiratete (Procop. a. a. O. und bell. Goth. HI 12, 326). Auch nach dem Tode der Kaiserin (Juni 548) [1260] trat zuerst keine Besserung in den Beziehungen G.s zum Kaiser ein. Im Gegenteil, als gerade damals ein Bruder des G. starb und sein Vermögen unter Hintansetzung der eigenen Witwe und Tochter der Familie des G. zum größten Teil hinterließ, glaubte Iustinian einschreiten zu müssen, was natürlich auf der anderen Seite die schwerste Mißstimmung zur Folge hatte (Procop bell. Goth. III 31, 408). Wie die Verhältnisse lagen, ersieht man daraus, daß die Verschwörer Artabanes und Arsaces in G. und seinen Söhnen glaubten Bundesgenossen finden zu können und offen mit dem Antrag an sie herantraten, nach Ermordung Iustinians und Belisars den G. zum Kaiser auszurufen. Aber der Prinz widerstand der Versuchung, und sein ganzes Verhalten bei dieser Gelegenheit war so vornehm loyal, daß sogar Iustinian sich von G.s völliger Unschuld überzeugen mußte; ja es scheint seitdem des Kaisers Stimmung gegen G. geradezu umgeschlagen zu sein (Procop. bell. Goth. III 31-32). Deutlich trat das zu Tage, als G. nach dem Tode seiner Gemahlin Passara in zweiter Ehe Mathesuenta, des Theoderichs Enkelin und des Witiges Witwe heiratete (Procop. bell. Goth. III 39, 477. Iord. Roman. 383; Get. 314). Diese durchaus politische Ehe konnte nur mit Einwilligung des Kaisers geschlossen werden und setzte den Entschluß bereits sichtbar voraus, den G. mit dem Kommando in Italien zu betrauen (falsch Diehl Justinien et la civilisation Byzantine 102). Zwar hat Iustinian gewiß keinen Augenblick daran gedacht, eine halbamalische Linie in Rom auf den erneuten Kaiserthron zu führen (Mommsen Einleitung zu Iord. X Anm.), wohl aber wollte er von dem günstigen Eindruck Vorteile ziehen, den diese Ehe im Volke der Goten hervorrufen mußte.

Wirklich wurde auch G. nach Belisars völligem Mißerfolg und einigem Schwanken des Kaisers dazu ausersehen, die Landoperationen gegen die Goten in Italien von Nordosten her zu leiten. Zwar kein großes Heer, aber wenigstens reiche Geldmittel waren ihm zur Verfügung gestellt, und, gestützt auf seine Haustruppen, die jetzt von allen Seiten Zulauf erhielten, sowie die seines Schwiegersohnes, durfte er schon hoffen, etwas auszurichten; dies umsomehr, als die Goten in der Tat schwankten, wie sie sich gegenüber dem Gemahl der letzten Amalerin verhalten sollten. Bei Sardica stand G., noch als die Slavenen die Donau überschritten und Naissus bedrohten. Aber so groß war die Scheu vor ihrem alten Sieger, daß sie auf die Nachricht, G. führe das Kommando, sich schleunigst zurückzogen. In zwei Tagen sollte nun der Aufbruch nach Italien erfolgen, da wurde der Prinz ganz unerwartet durch eine Krankheit dahingerafft (Sommer 550, Procop. bell. Goth. 39-40. Iord. Roman. 383). Er hinterließ aus erster Ehe neben der erwähnten Tochter zwei Söhne, Iustinus und Iustinian, während von der zweiten Gattin ein nachgeborener Sohn, wie der Vater Germanus mit Namen, abstammte. Seine Haustruppen aber, nicht der unbedeutendste Teil der Erbschaft, gingen auf seinen Schwiegersohn Johannes Vitaliani Nepos über (Procop. bell. Goth. IV 26, 598).

G. war eine Persönlichkeit, wie sie in seiner [1261] Zeit sehr selten ist. Ein vornehmer Mann und tüchtiger Offizier, war er ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle, an den selbst der hauptstädtische Klatsch nicht heranreichte; so ist er bei weitem die sympathischste und glänzendste Erscheinung am Hofe Iustinians.

Literatur: Gibbon Decline and fall of the Rom. emp. IV chap. 41–43. Hodkin Italy and her invaders IV chap. 22. Bury A history of the later Rom. emp. B. IV chap. 7–8.12. Diehl l1 Justinien et la civilisation Byzantine.