Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Presbyter u. Archimandrit in Konstantinopel
Band VI,1 (1907) S. 15271529
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5) Presbyter und Archimandrit in Konstantinopel um 449. Nach seiner Aussage in einem Brief an Leo I. von Rom (Mansi Coll. conc. V 1015) hatte er 448 schon 70 Jahre des Mönchslebens hinter sich, wäre also 378 geboren und von den christlichen Eltern sogleich für das Kloster [1528] bestimmt worden; die Zahl mag abgerundet sein. 431 gehörte er zu den intimen Feinden des Nestorius. Theologische Bildung besaß er nicht, war überhaupt ein beschränkter Mensch, aber den alexandrinischen Machthabern schon als Abt eines von mehreren hundert Mönchen bewohnten Klosters in der Hauptstadt und als bei fast allen Mönchen und Mönchsfreunden hochverehrte Gestalt ein sehr willkommener Bundesgenosse, vollends nachdem der Gönner des E., der Eunuch Chrysaphios nach 440 allmählich am kaiserlichen Hof alle anderen Einflüsse auf den schwachen Theodosius verdrängt hatte. Bei den Antiochenern stand E. längst durch unüberlegte Äußerungen im Verdacht, die apollinaristische Ketzerei zu begünstigen; die öffentliche Anklage gegen ihn erhob aber ein ehemaliger Mitstreiter gegen Nestorius, Eusebius von Dorylaion, der unerträgliche Theologumena von E. gehört haben wollte und den um des Friedens willen widerstrebenden Patriarchen Flavian nötigte, auf einer endemischen Synode im November 448 die Untersuchung gegen ihn einzuleiten. Mehreren Vorladungen leistete hier E. keine Folge; als er endlich erschien, behauptete er die μία φύσις des Gottessohnes und bestritt, daß dessen Leib dem unsrigen gleichwesentlich gewesen sei: die Synode mußte ihn absetzen. E. appellierte u. a. an Dioskur von Alexandrien und Leo von Rom; Leo aber sprach sich entschieden gegen E. aus; Chrysaphios hoffte, da von Antiochien ja nur kräftige Unterstützung Flavians und seiner Synode zu erwarten stand, seinem Günstling vermittels einer rasch zu veranstaltenden oekumenischen Synode durchzuhelfen. Durch seinen berühmten Brief an Flavian vom Juni 449, den τόμος Λέοντος, der in der Formulierung der Lehre von den zwei Naturen keinen Zweifel oder Umdeutung offen ließ, hatte Rom und damit das Abendland sich als Gegner des E. absolut festgelegt; die Aktion der von Anfang an durch Dioskur beherrschten Synode zu Ephesus – August 449, wegen ihres gewalttätigen Verfahrens als Räubersynode bekannt – war nur darauf gerichtet, in eiligen Beschlüssen einer verhältnismäßig geringfügigen Zahl von Teilnehmern das im Jahr zuvor über E. gefällte Urteil aufzuheben, dagegen seine Ankläger und Richter zu verdammen und abzusetzen. Der Kaiser bestätigte die dem Willen seines Eunuchen entsprechenden Beschlüsse, und für den noch im August 449 gestorbenen Flavian wurde ein alexandrinisch gesinnter Theologe Anatolios auf den Bischofssitz von Konstantinopel erhoben. Die Proteste Roms, die Bitten der Antiochener um eine neue unparteiische Synode fruchteten nichts, da starb plötzlich Juli 450 Theodosius II. und seine Schwester Pulcheria, die mit Chrysaphios Interessen nichts gemein hatte, übernahm die Regierung, bald an ihrer Seite Marcianus, ein kirchlich unvoreingenommener Mann. Eine neue oekumenische Synode wurde auf Herbst 451 nach Chalkedon berufen, etwa 600 Bischöfe besuchten sie; der Tomus Leonis war von Anfang an für die Majorität die Richtschnur. Die zu Ephesus Exkommunizierten wurden feierlich rehabilitiert. Dioskur abgesetzt, in dem Glaubensbekenntnis, das die Synode anerkannte, die Lehre von den zwei Naturen als die orthodoxe für immer festgelegt. Mit E. beschäftigte sich [1529] die Synode gar nicht besonders, da es genügte, wenn die Synode von 448 gegen die Räubersynode wieder zu Ehren gebracht worden war; der Kaiser verbannte ihn, und als er fortfuhr, unter den ihm zugänglichen Mönchskreisen gegen die chalkedonensische Orthodoxie zu agitieren, verlangte Leo I. 454 seine Verschickung in eine entferntere Gegend. Ob mit Erfolg, wissen wir nicht; bald darauf ist E. gestorben. Sein Name figuriert seitdem in allen Ketzerkatalogen; es ist fast komisch, daß die Eutychianer nun die furchtbarsten Feinde der kirchlichen Einheit im ganzen Orient waren: die theologisch gefährlichste Haeresie, von der die Kirchengeschichte weiß, heißt nach einem Mönche, der von der Theologie gar nichts verstanden hat. S. Mansi Coll. conc. V–VII, namentlich VII 629ff. der libellus confessionis Eutychis und sein Glaubensbekenntnis selber, der ephesinischen Synode eingereicht; sonst aus alter Zeit am besten Liberatus Breviarium (Migne Lat. 68, 969ff.).