Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ein illyrisch-keltischer Stamm im Norden von Pannonia inferior
Band VI,1 (1907) S. 389391
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Eravisci oder Aramsei (der Anlaut wechselt bei Schriftstellern wie in Inschriften, vgl. oben Aravisci) sind ein illyrisch-keltischer Stamm im Norden von Pannonia inferior, bei welchem nach den Orts- und Personennamen (O. Kämmel Die Anfänge deutschen Lebens in Österreich 312ff.) die ältere illyrische Schicht (K. Zeuss Die Deutschen und die Nachbarstämme 257. K. Müllenhoff Deutsche Altertumskunde II 243. 327. IV 392f. A. Holder Altkelt. Sprachsch. s. v.; zu dem Ortsnamen Ulcisia castra vgl. G. Meyer Arch.-epigr. Mitt. XVII 139, 3) stark zurücktrat. Ihre Wohnsitze lassen sich in Übereinstimmung mit Ptolem. II 15, 2 (vgl. Tac. Germ. 28. Plin. n. h. III 148) durch Inschriften und Münzfunde genauer festlegen. Darnach wohnten sie vom Donauknie bei Duna Bogdány (CIL III 13 389) über Aquincum (CIL III 10 418 [vgl. Arch.-epigr. Mitt. XIV 63]. D. XLVI = LXXIV. E. Gohl Numizmatikai Közlöny 1902, 1ff.) und Bia (Mommsen Gesch. des Rom. Münzwesens 696. F. Kenner Wiener numismat. Ztschr. XXVII 68 und Monatsblatt der numismat. Gesellsch. in Wien 1896, 354) südwärts bis Also Szent–Ivány (CIL III 3325. D. XLII = LXVIII); westwärts wahrscheinlich bis zu der älteren oberpannonischen Grenze. Werkstätten, Geräte, Waffen, Gefäße und Schmuckgegenstände (C. Gooß Skizzen zur vorrömischen Culturgeschichte der mittlern Donaugegenden 480. 493f. 500. 505. 517) und die Prägung von Silbermünzen nach römischem Denarfuße zeigen, daß die E. schon in der vorrömischen Zeit eine höhere Kulturstufe erreicht hatten (Kämmel 43f.). Die Münzen, welche bis auf Augustus herabreichen (Gohl a. a. O.) und neben dem Stammnamen RAVI, RAVIS, RAVIT, RAVISCI, RAVSCI, IRAVISCI, IRAVSCI die Aufschrift DOMISA und DVTEVTI aufweisen, lassen vermuten, daß sie [390] unter einem Fürsten standen und unter Augustus, wie ganz Pannonien (A. v. Premerstein Österr. Jahreshefte I Beiblatt 167. 175. C. Brandis o. Bd. IV S. 2131), unter die römische Herrschaft kamen, wobei der Stamm wohl als Gaugemeinde (civitas, vgl. A. Schulten Rh. Mus. L 1895, 533) konstituiert wurde. Als Aquincum, einer ihrer wichtigeren Orte, durch Hadrian Municipium wurde (A. v. Domaszewski CIL III p. 1691 und Die Religion des römischen Heeres 100, 420. E. Nowotny Arch.-epigr. Mitt. XV 73), ist der Gau, peregrinen Rechtes verbleibend, der Stadt attribuiert worden, da Duna Bogdány (CIL III 10 591), Krottendorf (CIL III 3626 = 10 570), Kovácsi (CIL in 3620), Páty (CIL III 3382), Bicske (CIL III 3368), Tetény (CIL III 3402), Erd (CIL III 10 377), Vaál (CIL III 10 355). Veréb (CIL III 3362 = 10 347), Stuhlweißenburg (Mommsen CIL III p. 432. 1686), Adóny (CIL III 10 305) und Duna Pentele (CIL III 10 305) zum Territorium von Aquincum gehören (Ptolem. stellt auch hier vorhadrianische Zeit dar, vgl. v. Domaszewski CIL III p. 1349; Arch.-epigr. Mitt. XIII 144; Rh. Mus. XLVI 1891, 605). Trotz diesem städtischen Mittelpunkte, der gleichzeitigen Dislocierung einer Legion, wahrscheinlich wohl der leg. X gemina (R. Fröhlich Arch.-epigr. Mitt. XIV 75. v. Domaszewski Rh. Mus. XL VI 1891, 604), dann für Jahrhunderte der leg. II Adiutrix (F. Gündel De legione II Adiutrice 47) nach Aquincum (nördlich des Municips), ferner trotz der dichten Kastellkette längs der Donau und der damit verbundenen Durchsetzung mit fremden Elementen aus dem übrigen Pannonien, aus Raetien, dem Oriente (über Judenansiedelungen in diesem Gebiete vgl. W. Kubitschek Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 1897, 9f.) u. s. w. und den importierten Culten (vgl. z. B. F. Cumont Textes et monuments figurés relatifs aux Mystères de Mithra I 251) blieben die E. (insbesondere ihre Frauen) in ihren zahlreichen Ortschaften und selbst in Aquincum bis spät in die Kaiserzeit treu ihrer ererbten Eigenart in der Tracht (Hampel Az eraviscus nép és emlékei, Budapest Régiségei VI 31ff. V. Kuzsinszky Österr. Jahreshefte II 1899 Beiblatt 68), in der Namengebung (Kämmel 313ff.), in den Kulten und im Wirtschaftsbetriebe. Neben der Landwirtschaft (vgl. die Possessorenliste des Vicus Vindonianus CIL III 10 570) wurde im Gebiete der E. die Pferdezucht betrieben; Pferde, Maultiere und Wagen finden sich häufig auf Grabmälern (CIL III 3325. 15 151. Österr. Jahresh. II Beiblatt 65f. Fig. 28f. P. v. Bieńkowski Bormannheft der Wiener Studien XXIV 1, 1). Deswegen wurden die E. vorzugsweise für die Auxiliarcavallerie ausgehoben (CIL III D. XLII = LXVIII. XLVI = LXXIV); nach der Einführung der örtlichen Konscription dienten sie auch in der heimischen Legion (CIL III 10 608). Daneben wurden Handwerke betrieben (CIL III 13 389 .... magist. struct[o]rum Aravisco. Österr. Jahreshefte II Beiblatt 67 Fig. 29). Außer anderen einheimischen Gottheiten ehrte man auch fernerhin Sedatus, der mit Vulcanus geglichen wurde (v. Domaszewski Die Religion des röm. Heeres 55). Offenbar an der Stelle einer älteren enchorischen Kultstätte wurde bei Stuhlweißenburg [391] durch Traian der Kaiserkult und der Landtag von Pannonia inferior eingerichtet (E. Kornemann Beiträge zur alten Geschichte I 130. 133ff.).