Eratanos (scil. insulae, Plin. n. h. VI 169), eine Inselgruppe im Roten Meere gegenüber der Trogodytice (Eranos, wie noch Sillig in seiner Ausgabe schrieb, ist eine wertlose Lesart unbedeutender Hss.; auch, die Form Eratonos, welche sich in Wörterbüchern findet, ist nur durch trübe Quellen bezeugt). Diese Inselgruppe wird von Plinius (Iuba) im Gegensatze zu den Matreu (var. Maru) genannten, als aquosae bezeichneten Inseln als sitientes, wasserarm, charakterisiert. Der unmittelbar vorangehende Ausdruck sinus insulis refertus läßt zunächst an den Dahlakarchipel denken, dessen Anführung auch zu der vorangehenden Erwähnung der Insel Cardamine (vgl. Καρδαμίνη bei Ptolem. VI 7, 44) paßt, welche in der gleichen Breite liegt. Vielleicht ist diese von Plinius erwähnte Inselgruppe mit der in der ungleich deutlicheren Beschreibung der ägyptisch-äthiopischen Trogodytice bei Strabon (nach Artemidor) XVI 770 genannten und auf dieselbe Position führenden Στράτωνος νῆσος zusammenzustellen. Sollte diese demnach, wenn ich nicht irre, von Plinius und Strabon bezeichnete Insel in Isratu des Dahlakarchipels zu suchen sein? Daß der von Plinius bezeichnete Archipel nicht unbedeutend und nicht zu dünn bevölkert war, ist aus den Worten; regum his praefecti fuere zu schließen. Dann kann natürlich mit der von Strabon genannten Insel – die beim Geographus Ravennas überlieferte Benennung Ypostrate hilft gar nicht weiter – nicht, wie gewöhnlich und zwar aus dem begreiflichen Grunde des Namensanklanges gemeint wird (s. C. Müller Geogr. gr. min. I LXVI und im Kommentar zum Periplus mar. Er. § 4), die von Plinius später (VI 173) erwähnte Insel Stratioton identisch sein (dies ist die kritisch beglaubigte Namensform, nicht die Vulgatalesung Stratonos, die Müller [an ersterer Stelle] und andere wohl nur wegen der Übereinstimmung mit dem vermeintlichen Äquivalent bei Strabon vorgezogen haben), wofern man nicht eine Verwirrung bei Plinius, eine Doppelbenennung einer Insel mit zwei ähnlich klingenden Namen annehmen will, eine Annahme, welche an sich nicht weniger plausibel wäre als die, daß der Dahlakarchipel, der bedeutendste im ganzen Roten Meer, bei Strabon gar nicht erwähnt sein soll. So ist jedenfalls vorher (VI 172) dae Azanium mare an unpassender Stelle, nämlich zu früh genannt und [352] erscheint daher im Zusammenhang der Plinianischen Beschreibung viel zu sehr nach Norden gerückt. Doch halte ich es zunächst für wenig glaublich, daß die Dahlakinseln bei Strabon bezw. Artemidor keinerlei Erwähnung hätten finden sollen, dafür aber eine Insel, die sich sonst überhaupt nicht lokalisieren ließe, falls sie mit der sonst unbekannten Insel Stratioton des Plinius eben nur zufolge der Namensähnlichkeit zu identifizieren wäre. Denn wenn C. Müller beide mit Larmouse 15° 23' gleichstellt (mit einem Fragezeichen), so ist dies nur eine durch gar nichts begründete Vermutung. Wenn jedoch einerseits Strabons Stratonosinsel ebenso wie die Insel E. in jenem Isratu erblickt werden darf, andrerseits in der Plinianischen Aufzählung keine Dublette anzunehmen ist, für welche übrigens auch nichts Positives spricht, dann kann Stratioton weder mit Stratonos zusammenfallen, noch überhaupt, wofür mehrere Anzeichen sprechen, eine der vor ihr genannten Inseln )insulae, quae Aliaeu vocantur, item Bacchias et Antibacchias) zur Dahlakgruppe gehören. Nun halten aber C. Müller (an den beiden genannten Stellen und im Index zur Pariser Strabonausgabe unter Elaea, sowie im Kommentar zu Dion. per. 910) und andere die Aliaeuinseln für den Dahlakarchipel (Dahlak et proximae insulae). Allein der ganze Tenor der Pliniusstelle, namentlich der auf die Bemerkung (über Adulis folgenden Worte (Supra Aethiopas Aroteras usw.) scheidet die Aliaeu von der Dahlakinsel und deren nächster Umgebung und weist sie weiter nach Süden. Denn unmittelbar nach der Erwähnung jenes sinus insulis refertus (170) geht Plinius Darstellung (171) auf die Nennung der wichtigsten benachbarten Punkte des Festlandes über, ganz ähnlich wie Strabon in seiner auf Artemidor zurückgehenden Beschreibung der äthiopischen Küste unmittelbar nach dem Hafen Elaia und der Στράτωνος νῆσος zwei Häfen der Küste nennt (XVI 770) und dann eine kurze Behandlung des Binnenlandes folgen läßt, um hierauf (771) zu Elaia zurückzukehren und die Beschreibung der Küste und der ihr vorgelagerten Inseln fortzusetzen. Sodann wird von Plinius (172), sicherlich zu früh, das Azanium mare erwähnt, hernach andere Lokalitäten, endlich (172 extr.) das oppidum Aduliton. Erst nachdem die Bedeutung dieses Hafenplatzes gewürdigt worden ist (173), werden die Aliaeuinseln genannt. Es ist nun im vorhinein unwahrscheinlich, daß Plinius nach dieser Digression nochmals auf die Dahlakinseln, namentlich auf die Hauptinsel (Dahlak el-Kebir) gleichsam erst nachträglich zu sprechen kommen sollte, wenn er die mit den Worten sinus insulis refertus usw. summarisch zusammengefaßte Gruppe drei Paragraphen zuvor verlassen hat. Wenn aber anderseits C. Müller jenen sinus in der Bucht von Suâkin bis Ras Magda (Mugda) und die E. in El-Schubuk finden wollte (Geogr. gr. min. I p. LXX, vgl. LXVI), so fehlt es auch diesen Ansätzen ebenso sehr an Wahrscheinlichkeit oder gar Beweiskraft wie der erwähnten Bestimmung der Aliaeuinseln. Nicht genügend begründet ist daher auch die in Atlanten der alten Welt gewählte Bezeichnung der heutigen Dahlakinseln mit Aliaeu und ebensowenig begründet die Vermutung, daß Bacchias und Antibacchias bei
[353] Plinius ( = Βάκχου καὶ Ἀντιβάκχου νῆσοι bei Ptolem. IV 7, 38 und bei Steph. Byz.) die Dahlakinseln seien. Die vorhandenen Anzeichen sprechen vielmehr dafür, daß die Aliaeu und die nach ihnen genannten Inseln südlicher und zwar in der Hauâkilbai zu suchen sind, ohne daß man noch weiter hinabgehen und auch noch an die Anfilabai oder die Abailatinseln denken müßte. So kommen beide Inselgruppen bei Plinius zu Recht, die weitaus bedeutendere auch bei Strabon, und in Plinius Darstellung gibt sich sonach eine gewisse Ordnung nach zusammenhängenden Gruppen zu erkennen. Dann wird aber auch der unter jener andern Voraussetzung bedenkliche Umstand wohl verständlich, daß bei Plinius die Aliaeuinseln unmittelbar nach Adulis zur Erwähnung kommen; die Hauâkilinseln liegen eben südöstlich von der Stätte des alten Adulis als die nächste größere Inselgruppe, durch den heutigen Massauakanal von den Dahlak getrennt. In diesen Zusammenhang fügt sich endlich, richtig verstanden, durchaus passend auch die Notiz des Periplus mar. Er. § 4, daß rechts (ἐκ δεξιῶν) vom Adulishafen im offenen Meere (κατὰ πέλαγος) mehrere kleine Inseln gelegen sind, Ἀλαλαίου λεγόμεναι [νῆσοι]. Und daß diese und die Aliaeuinseln des Plinius identisch sind, ist nicht zu bestreiten. Man hat dies auch schon längst vermutet; so auch C. Müller Geogr. gr. min. a. a. O., in seiner Periplusausgabe und im Index der Pariser Strabonausgabe (s. Elaea). Dagegen sind die übrigen Ausführungen C. Müllers in seinem Peripluskommentar, vor allem die Behauptung, daß die Ἀλαλαίου νῆσοι die Dahlakinseln seien (hierin schloß sich C. Müller auch Fabricius in seiner Periplusausgabe 119 an), ebensowenig überzeugend wie andere in seiner synoptischen Tabelle (Geogr. gr. min. a. a. O.) verzeichnete Identifikationen. Der von Fabricius zu der von uns dem wesentlichen Inhalte nach mitgeteilten Periplusstelle vorgeschlagene Änderungsversuch muß schon darum abgelehnt werden, weil man mit dem überlieferten Text vollständig sein Auslangen findet. Gerade diese Periplusstelle spricht auch nicht zu Gunsten der von C. Müller (in der genannten Tabelle, ferner in seinem Kommentar zu Dion. per. 910 und in der Strabonausgabe a. a. O.) und andern vertretenen Ansicht, daß die Aliaeuinseln und der von Strab. XVI 770 und Steph. Byz. erwähnte Hafen Ἐλαία (bei Steph. Byz. führen diesen Namen auch noch νῆσοι τρεῖς) dieselbe Lokalität seien, und zwar, in natürlicher Konsequenz der Grundvoraussetzung, die Hauptinsel (Dahlak el-Kebir), welche z. B in der Karte der Pariser Strabonausgabe mit Elaea bezeichnet ist, zumal da, von allen andern Gegengründen abgesehen, Strabon eine Insel, geschweige denn eine Inselgruppe dieses Namens gar nicht nennt, wie erst Steph. Byz., sondern nur einen Hafen, was auch C. Müller auffällig finden mußte, der jedoch dieses Bedenken einfach durch eine Änderung des Strabontextes aus dem Wege zu räumen suchte. Die Form Elaea, welche an der Pliniusstelle statt Aliaeu zum Vergleiche mit Strabons Ἐλαία herangezogen wurde, hat gar keine kritische Gewähr. Endlich halte ich das Wagnis, die ursprüngliche echte Namensform der bei Plinius und im Periplus bezeichneten Inseln, die ich in der Hauâkilbai gelegen
[354] glaube, ausfindig zu machen, für so wenig aussichtsvoll, daß ich mich nicht entschließen kann, mit Fabricius (in seiner Periplusausgabe a. a. O.) zu behaupten, daß die Form Ἀλαλαίου bei Plinius in Aliaeu ,verdorben’ sei.