Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt im Peloponnes in der Argolis
Band VI,1 (1907) S. 4650
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Epidauros (ἡ Ἐπίδαυρος). 1) Stadt im Peloponnes, in der Argolis (im weiteren Sinne), und zwar an der dem Saronischen Golf zugewandten Ostküste der grossen, auch Akte genannten gebirgigen Halbinsel, die den östlichen Teil dieser Landschaft bildet. Das Gebiet der Stadt umfasst einen ausgedehnten Teil dieser Halbinsel, 545 qkm ({SperrSchrift|Beloch}} Bevölkerung 115), und zwar die Ostküste vom Vorgebirge Speiraion im Norden bis zu dem jetzt Ortholithi genannten ansehnlichen Gebirge im Osten, von hier aus landeinwärts etwa bis zur Wasserscheide, ausserdem aber noch das ganze Gebiet des (jetzigen) Bedenibaches, der zum Argolischen Golf hinabzieht, also einen Streifen quer durch die Halbinsel hindurch, und von der jenseitigen Küste noch 30 Stadien, nämlich die kleine Ebene von Iri. Im Norden grenzte es an korinthisches, im Westen an argivisches, im Süden und Osten an hermionisches und troizenisches Gebiet.

Die Landschaft ist fast durchaus von kahlem Kalkgebirge der Kreide- und Juraformation erfüllt (Arachnaion 1199 m., Tithion, Kynortion, Koryphaion u. a.), und daher steinig, dürr, unfruchtbar und wenig bevölkert, meist Weideland. Nur [47]

hier und da, wo unter der Kalkdecke Schiefer und Serpentin hervortreten, finden sich etwas erdreichere Mulden und Talebenen; auch die Küste ist wild und felsig, aber von zahlreichen kleinen [48] Buchten und Schlupfhäfen gegliedert, in deren Hintergrund einige sehr kleine, aber geschützte und quellenreiche, daher besonders zum Garten-, jetzt Zitronenbau benützte Ebenen liegen. [47]

So wurden die Epidaurier durch die Natur des Landes selbst auf die Küste und das Meer hingewiesen. Die Hauptstadt entstand an einer dieser kleinen Buchten, und zwar in einer für den Verkehr besonders ausgezeichneten Lage. Die gebirgige Halbinsel wird nämlich in der Richtung [48] von Argos nach Osten von einem Talzuge durchsetzt, der einen bequemen Weg mit nur 276 m Paßhöhe von der argivischen Ebene zur Küste des Saronischen Golfes darbietet, von wo man bei günstigem Wind in sechs Stunden nach Athen übersetzen kann. Wo diese, im Altertum [49] sehr verkehrsreiche, noch heute durch zahlreiche Reste von Grabmälern, Befestigungen und anderen Bauten bezeichnete Strasse (Curtius Pelop. II 416) die Küste erreicht, lag E. Seine Bedeutung beruht auf der Beherrschung dieser im Altertum sehr beliebten Verbindung zwischen Athen und dem Peloponnes, sowie auf seinem trefflichen Doppelhafen, wo man bei jedem Winde Schutz fand. Der Bach, dem die letzte Strecke dieser Strasse vom Flecken Lessa (jetzt Ligurio) her folgt, mündet im Hintergrund einer bogenförmigen Bucht in einer kleinen, an Fruchtbäumen und Wein reichen Ebene (ἀμπελόεντ’ 'Επίδαυρον Il. II 561), die sonst rings von wilden Bergwänden umschlossen ist. Vor dieser Ebene erhebt sich aus der Bucht ein zweigipfeliger Felshügel aus Kreidekalkstein und Serpentin, durch einen flachen, angeschwemmten Isthmos mit dem Festland verbunden und so als Halbinsel die Bucht in einen kleineren, trefflich geschützten Hafen auf der Nordseite und eine offenere Rhede im Süden teilend (daher δίστομος, Hesych.). In die nördlichere Bucht springt noch ein niedrigeres Felskap vor, auf dem das jetzige Dorf Palaea-Epidavros liegt. Die alte Stadt besetzte als Akropolis die jetzt Nisi genannte zweigipfelige Halbinsel; auf dem westlichen Gipfel derselben lag vermutlich das Heiligtum der Athena Kissaia. Befestigungen meist polygonaler Bauart, verschiedene andere Mauerzüge, auch mittelalterliche, und einige Gräber sind noch zu sehen. Von hier breitete sich die Unterstadt über die Ebene bis zu dem Kap des jetzigen Dorfes aus, wo der Heratempel stand. Die Heiligtümer des Asklepios und seiner Gemahlin Epione, des Dionysos, der Artemis und der Aphrodite, die Paus. II 29, 1 aufzählt, sind spurlos verschwunden. Curtius Pelop. II 425–428. Bursian Geogr. v. Griechenl. II 72f. Lolling in Baedekers Griechenland² 219. Philippson Pelop. 39. B. Keil Athen. Mitt. XX 1895.

Außer dem erwähnten Lessa und dem Platze Hyrnethion (am Wege zwischen E. und dem Hieron, Paus. II 28, 3) lag im Gebiete von E. der heilige Bezirk des Asklepios, noch jetzt das ,Hieron’ genannt, 9 km südwestlich von der Stadt, etwa 2 km links seitwärts von der direkten Straße E.-Argos. Rings von ziemlich sanft geformtem Kalkgebirge umgeben (im Norden Tithion, im Süden Kynortion der Alten) liegt weltabgeschlossen ein flachhügeliger Talkessel, dessen Boden von unter dem Kalk hervortretenden Serpentin, Hornstein und Schiefer gebildet wird. Mehrere Quellen bewässern den jetzt ganz einsam daliegenden, von Kiefernwald und immergrünem Gebüsch überzogenen, anmutigen Grund, der nach drei verschiedenen Seiten Abfluss besitzt. Irgend eine heiße Quelle ist nicht und war wohl auch nie vorhanden. Die Gewässer des Tales sind, nach der Analyse von Dambergis (Πρακτικά 1899, 105) leicht alkalisch und gegen Krankheiten der Blase und des Magens nützlich. Eine andere örtliche Veranlassung für die Entstehung des Asklepieion gerade an dieser Stelle läßt sich nicht nachweisen. Liv. XLV 28. Paus. II 26ff. LX 7, 5. Strab. VIII 374. Plut. Sulla 12; Pompei. 24. Philippson Pelop. 51. Curtius Pelop.II 418ff. Lolling in Baedekers Griechenl.² 249f.

Die Lage des dem Heilgott Asklepios geweihten Hierons, 3/4 Stunden von dem Dorfe Λιγουριό, war durch die in prachtvoller, romantischer Einöde gelegenen Ruinen längst bestimmt (v. Wilamowitz Isyllos von Epidauros V), bis die griechische archaeologische Gesellschaft unter der tatkräftigen Leitung von Pan. Kavvadias seine Aufdeckung begann. Von älteren Besuchern des Hierons seien genannt Desmonceaux 1669, Chandler 1764, Dodwell 1805, Blouet 1829, Leake 1830, E. Curtius 1837—1840, worüber vgl. Kavvadias Τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ ἐν Ἐπιδαύρῳ, Athen 1900, 24ff. Die in den J. 1881—1898 von Kavvadias und Stais ausgeführten Grabungen gehören zu den ergebnisreichsten Scavi der letzten Jahrzehnte. Ihre Ergebnisse sind publiziert in den Πρακτικά 1881ff. Δελτίον ἀρχαιολ. Athen 1891. 1892. Ἀθηναῖον IX. X. Ἐφημερὶς ἀρχαιολογικήj 1883—1886. 1894. 95 und in dem großen noch unvollendeten Werk von Kavvadias Fouilles d’Epidaure Vol. I 1893. das die Ergebnisse der J. 1881—1887 behandelt. Eine populäre Darstellung hat Kavvadias in dem oben zitierten Buch Τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ u.s.w. gegeben. Vgl. dazu auch die gut orientierende Arbeit von S. Herrlich Epidaurus, eine antike Heilstätte. Progr. Humboldtsgymnasium, Berlin 1898. Ein Prachtwerk auch von dieser Kultstätte lieferten die Franzosen in dem Buch von A. Defrasse und H. Lechat Épidaure, restauration et description des principaux monuments du sanctuaire d’Asklepios, Paris 1895. Zu den zahlreichen Inschriften von E. vgl. namentlich v. Wilamowitz Isyllos von Epidauros, Phil. Unters. IX 1886. J. Baunack Studien aus dem Gebiete der griechischen und arischen Sprachen von J. und Th. Baunack, Leipzig 1886 I 1 und Aus Epidauros, Progr. Leipz. 1891, und die vollständige Sammlung bei M. Fraenkel IG IV 913—1549 (cum praemonendis). Die interessanten Heilberichte haben z. T. übersetzt und erläutert H. Diels Nord und Süd XLIV 1888, 3lff. und W. Janell Aus griechischen Inschriften, Progr. Neustrelitz 1903, 33ff. Vgl. auch Chr. Blinkenberg Asklepios og hans fraender i Hieron ved Epidauros, Kobenhavn 1893 und Thraemer oben Bd. II S. 1665. Erst nach Abschluß der Publikation von Kavvadias kann ein Plan und eine zusammenfassende Darstellung des Hierons gegeben werden, wofür auf die Supplemente verwiesen wird.

[Kern. ]