Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bezeichnung für Seehandelsplatz
Band V,2 (1905) S. 25322534
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Emporion (ἐμπόριον, in den Hss. auch ἐμπορεῖον, lat. emporium, schon bei Plaut. Amphitr. 1012) ist an sich jeder Ort des Großhandels, der in den Händen der ἔμποροι liegt; da der griechische Großhandel aber so gut wie ausschließlich Seehandel war, wird ganz vorwiegend jeder Seehandelsplatz genannt; so der Peiraieus (Isokr. t IV 42), Delos, Aigina, Korinth, Ephesos u.s.f. Und wenn die attischen Redner von ἐμπόρια sprechen (z. B. Lys. XXII 14. Demosth. II 16. IV 32. VII 12. XIX 153. XXXIII 110). verstehen sie lediglich Seehandelsplätze. Ganz vereinzelt steht in der Literatur eine Wendung, wie die bei Dion. Hal. VII 20 ἐκ τῶν παραθαλαττίων καὶ μεσογείων ἐμπορίων. Späteste Entartung zeigt eine aus dem J. 202 n. Chr. stammende Inschrift (Bull. hell. XXII 480), in der die fora, d. h. die unselbständigen kleineren Ortschaften auf der Straße von Hadrianopel nach Philippopel als ἐμπόρια bezeichnet werden.

Doch hat ἐ. außer der angeführten allgemeinen Bedeutung noch die besondere eines staatlich privilegierten und abgeschlossenen Stapelplatzes, d. h. eines Hafenmarktes, in dem allein die Einfuhr ausländischer Waren gestattet und der ganze Großhandel zur See konzentriert ist. so z. B. in Alexandria (Strab. XVII 794) oder Chalkis (Ps.-Dikaiarch. descr. Gr. I 29). Das klassische Beispiel bietet auch hiefür das E. von Gesamt-Attika (τὸ Ἀθηναίων ἐμπόριον, Demosth. XXXV 50), der Peiraieus, wo zugleich allein die Normen und Einrichtungen solcher Plätze mit einigem Detail erkennbar sind.

Zunächst ist festzuhalten, daß das E. des Peiraieus ein Freihafen war (Boeckh Staatsh. d. Ath. Ι² 85). Das hat zwar neuerdings Francotte [2533] L’industrie dans la Grèce ancienne II 131 bezweifelt, unter Hinweis auf die Meldung des Etym. M. 660, 29 s. πεντηκοστολογούμενον (s. auch die andern Stellen bei Boeckh a. a. O. 425c), daß von allen aus der Fremde im Peiraieus einkommenden Waren ein Fünfzigstel des Wertes als Zoll zu zahlen war. Dieser Zoll wurde aber nur von den Waren, die wirklich ins attische Land eingeführt wurden (τῶν εἰσαγομένων), gezahlt. Und eben zum Zweck der Zollkontrolle war der gesamte Distrikt des E.s mit Grenzmarken (σημεῖα Demosth. XXXV 28) umstellt, und so durch eine feste Mautgrenze von der ganzen Umgebung geschieden; zwei dieser Stellen mit der Aufschrift aus Hippodamischer Zeit ἐμπορίου καὶ ὁδοῦ ὅρος (IG I 519; Suppl. nr. 519 a) sind wieder aufgefunden. Aus dem Standort der ersteren und den Mauerresten südlich derselben (s. Milchhöfer Text zu d. Kart. v. Attika I 47. Judeich Jahrb. f. Philol. 1900, 738) ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß das für den Freihandel reservierte Quartier rings um den inneren Teil des großen Peiraieushafens, etwa in der Breite von 200-300 Schritten sich erstreckte (s. die Skizze bei Judeich a. a. O. 728). Wer dies Quartier verließ, hatte sich den Zollscherereien und Visitationen zu unterziehen, die die attischen Komiker (nach ihnen Plaut. Trinumm. 793. Terenz Phorm. 149) spöttisch schildern, und alles steuerpflichtige zu verzollen (Plaut. Trinumm. 1107).

Dies ganze Gebiet stand unter der unmittelbaren Aufsicht der ἐπιμεληταὶ τοῦ ἐμπορίου, die auch die Ausführung der bestehenden Zoll- und Handelsgesetze zu überwachen und alle Vergehungen gegen dieselben vor ihr Gericht zu ziehen hatten (Demosth. LVIII 8; vgl. Boeckh a. a. O. 75. Lipsius Att. Prozeß I 99, 170). Z. B. war aufs strengste geboten, von allem Getreide, das im Peiraieushafen landete, mindestens zwei Drittel in Athen selbst einzuführen; ein attischer Bürger oder Metoike durfte Geld (im Bodmereivertrag) nur auf Schiffe ausleihen, die nach dem Peiraieus Rückfracht nahmen (Demosth. XXXV 50); der Mennig von Keos durfte überhaupt nur hieher verfrachtet werden (IG II 546). Der im E. sich abspielende Handelsverkehr mit all den verschiedenen Fremden, denen hier selbst der Gebrauch ihres eigenen Gewichtes zugestanden war (interessante Aufschlüsse über die hier ausgeübte Kontrolle IG II 476: vgl. Nissen Götting. Gel. Anz. 1894, 836), machte alle Augenblicke amtliches Einschreiten nötig. Auch die eigentlichen Hafenordnungen verlangten fortwährende Achtsamkeit. Wie es scheint, war den verschiedenen Gattungen von Schiffen, die sich hier zusammenfanden, je ein besonderer Ankerplatz zugewiesen und zu diesem Zweck das Innere des Hafenbeckens durch kleine vorspringende Dämme in gewisse Abteilungen geschieden (daß diese Dämme διαζεύγματα hießen, nimmt schwerlich mit Recht Cichorius in der Leipziger Ausg. von Theophrast Charakt. S. 188 an). Auf solche Scheidung der Ankerplätze beziehen sich auch zwei aus Perikleischer Zeit stammende Steine mit der Aufschrift πορθμείων ὅρμου (IG I 520. 521), wenn auch die genauere Auffassung von der Beschaffenheit der genannten Fahrzeuge noch strittig ist (s. Curtius Philol. XXIX 692. Graser [2534] Philol. XXXI 55, 33. Wachsmuth St. Athen II 99; mit dem Gebrauch des Wortes πορθμείον stimmt nicht die Behauptung von Judeich a. a. O. 729, es seien hier einfach ‚Handelsschiffe‘ zu verstehen). Zur Vertäuung der Schiffe dienende Ankersteine (s. v. Wilamowitz Eurip. Herakl.² 229 zu v. 1094) sind in größerer Zahl im Hafen gefunden (s. Kopecky D. att. Trieren 1890, 121).

Rings um den Hafen lief ein Quai, κρηπίς (Philochoros bei Phot. s. κρηπίς); für das Löschen der Ladungen war ein besonderer Platz, ἐξαίρεσις (Poll. IX 34), bestimmt. Ein Stück vom Quai zurück lagen rings um den Hafen herum nach dem Zeugnis des alten Topographen Menekles (s. Wachsmuth Ber. d. Sächs. Ges. d. W. 1887, 373; St. Athen II 100. 103) fünf Säulenhallen. Die nördlichste von ihnen war die Getreidehalle (ἀλφιτόπωλις), d. h. das öffentliche Getreidemagazin, wohl identisch mit der μακρὰ στοά. (Demosth. XXXIV 37. Thuk. VIII 90, 5). Eine andere diente zur Ausstellung ihrer Musterlager für die fremden Rheder und Kaufherren und hieß deshalb Deigma (s. o. Bd. IV S. 2383); hier wurden die Kaufkontrakte abgeschlossen und war überhaupt der Mittelpunkt des Geschäftslebens im großen Stil.

Daneben entwickelte sich aber auch ein reger Kleinverkehr auf dem Kaufmarkt des E., der hinter den Hallen, insbesondere der ,langen‘, sich erstreckte; wohl zu unterscheiden von dem städtischen Markt des Peiraieus, der sog. Hippodameia. Die kurze Glosse in Bekkers An. Gr. I 208, 26 = 456, 3. 284, 3, die einen Unterschied zwischen ξενικόν und ἀστικὸν ἐμπόριον statuiert, läßt sich mit Sicherheit nicht deuten.

Endlich müssen im E. auch die Herbergen, Schenken usw. für die Matrosen gelegen haben (Xenoph. π. πορ. 12).

Literatur: Ulrichs Reis. u. Forsch. in Griech. II 184ff. Wachsmuth St. Athen. II 96ff.