Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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dornige Pflanze mit mehr als 20 Arten
Band V,1 (1903) S. 1200 (IA)–1202
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Distel, ἄκανθα, ἀκάνθιον, σκόλυμος, κίρσιον, κνῆκος, πτέρνιξ, σίλυβον, σόγχος u. a., Carduus, spina. Deutung: Es ist kaum denkbar, dass man je zu einer sicheren Identifizierung der mehr als 20 Arten, die z. B. Murr (Pflanzenwelt in der alt. Myth. 272f.) und Leunis (Synops. II 717ff.) aufzählen, mit denen der Alten kommen wird. Der grosse Abschnitt des Theophrast (h. pl. VI 4f.) beweist, dass die Alten die physiologische Bedeutung des Dorns nicht kannten, zwischen Dorn als Blatt oder Dorn als Stengel [1201] keinen scharfen Unterschied machten, endlich alle Pflanzen mit Stacheln oder Dornen zusammenwarfen und nur nach äusserlichen Gesichtspunkten wieder unterschieden. Das Wort ἄκανθα bedeutet:

1. Stachel, z B. ἐχίνου des Igels;
2. Dorn, z. B. βάτου des Brombeerstrauches, ῥόδου der Rose;
3. Gräte τῶν ἰχυθύων (so auch ἀκάνθιον, z. B. bei Aristoteles);
4. D.;
5. einen stachligen Baum, z. B. bei Herod. II 96; vgl. Blümner Technol. I 263. II 249.

Davon sind abgeleitet:

a) Adjectiva, wie ἀκάνθικός, ἀνάκανθος, ἀκανθώδης, ἀκανθοφόρος, φυλλάκανθος, ἀκανθόφυλλος, περικαρπιάκανθος, πτορθάκανθος;
b) Verba, wie παρακανθίζειν, ἀκανθοῦσθαι;
c) Substantiva wie ἀκάνθιον (Distelchen), ἀκανθεών (Dorngebüsch), ἀκανθίας (Haifisch), ἀκανθίς (= carduelis Distelfink), ἄκανθος (Bärenklau).

Von allen diesen Worten gehört hierher ἄκανθα (4 u. 5) und ἀκάνθιον (c). Was die besonderen Ausdrücke betrifft, so identifiziert Lenz σκόλυμος mit ,Gold-D.‘ (Bot. 483), Leunis κνῆκος mit ,Färber-D.‘ (Synops. II 717. 728), Lenz wieder ἀκάνθιον mit ,Esels-D.‘ (Bot. 480) und σόγχος mit ,Gänse-D.‘ (Bot. 486), Leunis wieder σίλυβον und πτέρνιξ mit ,Mariendistel‘ (Synops. II 722. 721), κίρσιον endlich wagt auch Leunis nicht zu identificieren (Synops. II 717). Lateinisch carduus heisst bald ,D.‘, bald ,Artischocke (= cinara); danach carduetum ,Artischockenpflanzung‘ (Pallad. IV 9, 4); noch heut nennt der Italiener die Artischoke cardo. Endlich ist spina so vieldeutig wie ἄκανθα. Bei dieser Unsicherheit bleibt nichts übrig, als die Wörter einzeln aufzuzählen.

A. Ἄκανθα. Manche Arten haben Harzthränen (gleich dem σχῖνος = Mastixbaum, Theophr. caus. pl. VI 11, 15), was sichtlich die Mastix-D. bedeuten soll (Lenz Bot. 478). Wohlriechend ist τὸ κόμμι τὸ τῆς ἀκάνθης τῆς ἐν Αἰγύπτῳ (Theophr. caus. pl VI 11, 15, vgl. h. pl. IV 2, 8. 2, 1. IX 1, 2), was sichtlich den Mastixbaum (s. d.) bezeichnet (ἄκνθα, τὸ δὲ δάκρυον κόμμι ἐστίν, Herod. II 96; vgl. σχῖνος IV 177). Geradeso ist in der Stelle σχῖνος καὶ ἄκανθα ἡ ἰξίνη καλουμένη, ἐξ ὧν ἡ μαστίχη (IX 1, 2) der Mastixbaum und die Mastix-D. bezeichnet. Bäume sind auch die ἄκανθα διψάς im trockenen, heissen Arabien (Theophr. IV 7, 1), die ἰνδικὴ) (IX 1. 2. IV 4, 12), die asiatischen Arten (IV 4, 12f.), vielleicht auch die ἀτρακτυλίς (IX 1, 1). Danach ist zweifelhaft, ob nicht auch sonst vielfach ἄκανθα = ,Stachlicher Baum‘ bedeutet (z. B. λέγουσι ἄκανθάν τινα εἶναι ἣ πήγνυσιτὸ ὕδωρ ἐμβαλλομένη IX 18, 1). Sicher bezeichnet es die D. bei Aristoteles: ὄνος καὶ ἀκανθίδες πολέμιοι· αἱ μὲν γὰρ ἀπὸ τῶν ἀκανθῶν βιοτεύουσιν, ὁ δ’ ἁπαλὰς οὔσας κατεσθίει τὰς ἀκάνθας (hist. an. IX 1; vgl. ebd. αἰγίθῳ καὶ ὄνῳ πόλεμος διὰ τὸ παριόντα τὸν ὄνον κνήθεσθαιεἰς τὰς ἀκάνθας τὰ ἕλκη); zu den ἀκανθοφάγα gehört z. B. die ἀκανθίς, weil sie ἐπὶ τῶν ἀκανθῶν νέμεται (IX 3). Zu diesen Stellen sagt Bonitz ,vielleicht cnicus ferox L.‘ In der Odyssee übersetzt es schon Voss mit D.: Βορέης φορήσιν ἀκάνθας ἂμ πεδίον, V 328.
B. Ἀκάνθιον. Ist dem Weissdorn ähnlich, aber minoribus multo foliis, aculeatis per extremitates et araneosa lanugine obductis (Plin. XXIV 108); vgl. Diosc. m. m. III 16. Lenz (Bot. 480), in Griechenland (Onopordon Acanthium L., jetzt ἀγκάθια genannt) und Norditalien häufig.
C. Σκόλυμος. ἧμος [1202] δὲ σκόλυμός τ’ ἀνθεῖ ... θέρεος καματώδεος ὥρῃ, Hesiod. op. 582ff. Gehört zu den φυλλάκανθα, Theophr. h. pl. VI 4, 3. Die Wurzel ist roh und gekocht zu geniessen, am besten zur Zeit der Blüte, während der Sommerwende; getrocknet giebt sie einen Saft von sich, Theophr. VI 4, 7; vgl. Diosc. m. m. III 14. Plin. n. h. XX 262. XXI 94ff. XXII 86f. Die jungen Triebe isst man am Mittelmeer noch heute, Lenz a. a. O. Fraas Synopsis 201f. Auch als aphrodisisches Mittel wurde sie verwendet, Murr Pflanzen in d. Myth. 181.
D. Κίρσιον. Heilkräftige D.-Art, besonders gegen Krampfadern (= κιρσός) angewendet, Plin. n. h. XXVII 61. Fraas identificiert sie mit Carduus tenuiflorus L. (Synops. 203).
E. Κνῆκος (auch κνῖκος ist überliefert). Gehört zu den φυλλάκανθα, Theophr. VI 1, 3. Es giebt zwei Arten, eine wilde und eine zahme, VI 4, 5. Sie hat nur einen Stengel und keine Nebentriebe, VI 4, 4, vgl. I 13, 3; c. pl. V 18, 4; κνηκώδης h. pl. I 11, 3. VI 6, 6; c. pl. V 18, 4. Plin. n. h. XXI 90. 94. 184. Nach Leunis ,Färber-D.‘ (Synops. II 717. 728); ebenso Lenz (Bot. 479), Carthamus tinctorius L. = Safflor. Fraas bringt das Wort dreimal: 1. Carduus benedictus (Synops. 203); 2. Carthamus tinctorius (206); 3. Serratula attica (210).
F. Πτέρνιξ. Von Theophr. h. pl. VI 4, 11 unter den Disteln beschrieben, von Lenz (Bot. 480) als Art Artischocke angesehen, von Fraas (Synops. 206) als Silybum Marianum L. = Marien-D. gedeutet, auch von Leunis (Synops. II 721. 722) mit σίλυβον (= Marien-D.) identifiziert.
G. Σίλυβον, Diosc. IV 156. Fraas glaubt es mit χάλκειος (propter duritiem) bei Theophr. VI 4, 3 und der in den mageren Ebenen häufigen Carlina corymbosa L. identificieren zu dürfen (Synops. 206); vgl. Plin. n. h. XXII 85. XXVI 40.
H. Σόγχος (auch σόγκος ist überliefert). Gilt allgemein für ,Gänse-D.‘, Sonchus oleraceus L., z. B. bei Lenz Bot. 486. Fraas Synops. 198. Beschrieben bei Theophr. h. pl. VI 4, 3. 4, 8. VII 8, 3. IV 6, 10. Diosc. m. m. II 158. Plin. n. h. XXII 88ff.
I. Carduus, vgl. Artischoke. Dass es auch eine D.-Art bezeichnet, darüber vgl. Dipsakos Nr. 2. H. Spina. Von seinen vielen Bedeutungen und Anwendungen (vgl. Dornstrauch) kommt hier nur in Betracht fullonia spina, so benannt, da die Walker sie zum Aufkratzen der Haare des gewalkten Tuches benutzten = γναφικὴ ἀκάνθη), Plin. XVI 244. XXIV 111. XXVII 92; vgl. Diosc. IV 160. Phot. lex. p. 172, 20. Blümner Techn. I 167.

Von den anderen Ausdrücken für D.-Arten, die Theophrast noch nennt, ist nur ἄκανος wichtig, das aber keine D.-Art, sondern eine Art des Vorkommens der Dornen, wie z. B. an der Frucht (Ananas), zu bezeichnen scheint, Theophr. h. pl. IV 6, 3. Andere deuten es auf ,Krebs-D.‘ Onopordon Acanthium L., z. B. Fraas (Synops. 205). In der Mythologie (Murr 273) deutet der Name Akanthos wie Akanthis und Akanthyllis auf Unfruchtbarkeit des Landes, Ant. Lib. 7. Herakles jätet die D. in Elis aus, Paus. VI 23, 1. In Makedonien soll danach die Stadt Akanthos, im jonischen Meer die Insel Zakynthos heissen. Reichlich wuchs Sie an manchen Stellen Ägyptens, Athen. XV 680 A. B.