Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tempel mit 2 Reihen Säulen um die Cella
Band V,1 (1903) S. 11621163
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Dipteros. Mit D. scil, ναός bezeichnet Vitruv. III 2 einen Tempel, dessen Zellengebäade rings von zwei Reihen Säulen umgeben ist, und zwar so, dass an den Giebel- oder Frontseiten je zwei Reihen von 8, an den Längsseiten je zwei Reihen von 15 Säulen (nach Vitruv. III 4, 3) stehen, im ganzen also das Zellenhaus von (4 ✕ 8) + (4 ✕ 11) = 76 Säulen umgeben ist. Als Beispiele solcher Tempel führt Vitruv an: den Tempel des Quirinus in Rom und den Tempel der Diana zu Ephesos, so wie ihn Chersiphron projectiert habe (Woods drittletzter Tempel). Was den Quirinustempel anbetrifft, so wissen wir aus Cass. Dio XLIII 45 (LIV 19), dass er nach dem Neubau durch Augustus 76 Säulen hatte. Da nun Vitruvs Werk zwischen 27 und 23 v. Chr. geschrieben ist, der augusteische Neubau aber erst 16 v. Chr. vollendet und geweiht wurde, so spricht Vitruv noch von dem alten Tempel des Papirius Cursor, welcher im J. 293 v. Chr. beendet wurde. Demnach hatte auch dieser also bereits dipterale Form. Der Neubau des Augustus liess somit vermutlich Fundamente, Form und Raumdisposition des alten Tempels unverändert und ersetzte nur die äusseren Bauglieder, Bekleidung, Säulen u. s. w. von Tuff durch solche von Marmor. Der ephesische Tempel dagegen scheint in den späteren Umbauten durch Metagenes und Paionios eine Verlängerung seines Grundrisses um fünf Säulenjoche erfahren zu haben, wenn anders die Woodsche Aufnahme (Discoveries of Ephesus 1877) den Grundriss des letzten Tempels sicher festgestellt hat. Die dipterale Tempelanlage war durch die grosse Anzahl der zu einer solchen erforderlichen Säulen sehr kostspielig und gestattete dabei nur eine verhältnismässig geringe Raumentwicklung von 3 x 10 Jochweiten für das Zellenhaus, das ja kaum grösser war, als das eines nach gleichem Modulus gebauten Peripteros, der nur (2 ✕ 6) + (2 ✕ 10) = 32 Säulen erforderte. Ein normaler zehnsäuliger Hypaethraltempel war hierin weit günstiger. Der reine D. ist infolgedessen auch verhältnismässig selten und wohl kaum anderwärts als in den reichen Städten Kleinasiens gebaut. Unter den von Koldewey und Puchstein behandelten griechischen Tempeln von Sicilien und Unteritalien ist nicht ein einziger D. Die Rücksicht auf die hohen Kosten, welche eine grössere Anzahl von Säulen verursachten, hat zu der Erfindung von mancherlei Compensivformen hypaethraler, dipteraler und peripteraler [1163] Elemente Veranlassung gegeben, von denen die von Vitruv als besondere Gattung erwähnte und als Pseudo-Dipteros bezeichnete Form (s. Pseudodipteros) in älterer wie in jüngerer Zeit viel zur Anwendung gekommen ist. Als Beispiele aus älterer Zeit seien hier nur der Apollontempel (G) bei Selinus und der von Degering (Röm. Mitt. XIII 1898, 140f.) als Minervatempel erwiesene dorische Tempel vom Forum triangulare in Pompeii erwähnt.