72) Comes provinciae. Unter comites provinciarum oder comites, qui per provincias constituti sunt (Cod. Theod. I 16, 6. 7) versteht man unter Constantin dem Grossen ausserordentliche Sendlinge des Hofes, denen die Aufsicht und Berichterstattung an den Kaiser über je eine Dioecese übertragen ist. S. oben S. 631 und Comes Orientis (Nr. 64).
b) In ostgothischer Zeit erscheinen in der einzelnen Provinz neben einander ein iudex Romanus und ein Comes Gothorum (Cassiod. var. V 14, 7. 8). Dem scheint es zu entsprechen, wenn bei Cassiod. var. VII 1 und 2 unmittelbar hinter einander eine formula comitivae provinciae und eine formula praesidatus stehen; diese wird sich eben auf den römischen Richter, jene auf den gothischen beziehen. Denn nach dem Inhalt seines Anstellungsformulars ist auch der Comes nicht ein Feldherr, der die Provinz gegen feindliche Angriffe zu verteidigen hätte, sondern ausschliesslich Criminalrichter, und auf dasselbe weisen auch die Formulare hin, die sich auf den Princeps seines Officium beziehen (Cassiod. var. VII 24. 25). Wenn dem Comes provinciae trotzdem militärische Gewalt beigelegt wird, so besitzt er sie doch nur, um Räuberbanden entgegenzutreten oder diejenigen zu zügeln, welche sich ihm mit gewaffneter Hand widersetzen. Es scheint danach, dass Theodorich der Grosse die Provincialverwaltung derart unter Römer und Gothen verteilt hat, dass jene in ihrem Praeses den höchsten Steuerbeamten (Cassiod. var. VII 2, 2) und den Civilrichter stellten, diese in dem Comes den Criminalrichter. Als Gehülfen des letzteren werden Domestici und Vicedomini genannt (Cassiod. var. V 14, 8. IX 13, 1).