Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Pfahl Grenzstein
Band III,2 (1899) S. 25632565
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Cippus (von Gell. XVI 7, 9 zu den verba obsoleta et maculantia gezählt, die Laberius ex sordidiore vulgi usu ponit Lucilius l. III frg. 25 L. Müller, Fest. p. 258 b, 32), ursprünglich Pfahl (vgl. Corp. gloss. lat. II 100, 53: cippus = κορμός), daher bezeichnet es a) bei Caes. bell. Gall. VII 73, 4 zum Verhau verwendete Baumstämme mit scharf zugespitzten Ästen; b) Grenzzeichen (= terminus, s. d.), hölzerner Grenzpfahl (Ovid. fast. II 641; termini roburei Hygin. Grom. p. 127, 3 Lachmann; cippi oleaginei in Sicilien Grom. p. 211, 16 L.) oder Grenzstein (ursprünglich wohl in Form der Spitzsäule). Die Inschriften der steinernen cippi bezeichnen die Bestimmung des cippus bezw. der area, zu der er gehört (cippi einer Tempelarea CIL VI 826; termini inter publicum et privatum VI 1262ff.; Strassencippen. s. Viae; Cippen zur Termination des Tiberlaufs, s. Tiberis; zur Termination von Aquaeducten, s. Wasserleitungen; Pomeriumscippen, s. Pomerium); zum Teil geben sie auch an, wann und von wem der C. errichtet ist oder die Entfernung bis zum nächsten C. (CIL I 821. VI 1262. Not. d. scavi 1890, 83ff. 187. 1891, 91. 164. Orelli-Henzen 6660). Die in fortlaufender Reihe aufgestellten Cippen (Wasserleitung, Flusslauf, Pomerium u. s. w.) sind meist mit fortlaufenden Nummern bezeichnet (s. auch Hygin. Grom. p. 127, 7 L. Sic. Flac. Grom. p. 139, 15). Über [2564] termini, auf denen sich nur einzelne Buchstaben oder Zeichen befinden, s. Rudorff Gromat. Institutionen 276.

Wie andere areae werden auch die von Grabmonumenten durch cippi bezeichnet, teils durch einzelne, teils durch mehrere, die an verschiedenen Seiten des Monuments, gewöhnlich an zwei, bisweilen auch an den vier Ecken (CIL II 1367. VI 13 070. 30 016. Röm. Mitt. VIII 146–148) aufgestellt oder auch an den vier Ecken einer Grabkammer eingemauert wurden (Bull. com. 1880, 57). Sieben cippi zur Termination eines Grabes CIL XIV 3857. Zehn cippi X 4656; vgl. XII 4299: hi cippi in pedatura monumenti positi sunt. Zur Unterscheidung von andern Grenzsteinen (cippi terminati) liess man bei den Grabcippen (cippi monumentales) den untern Teil unbearbeitet (Grom. p. 281; vgl. p. 139f.). Die Grabcippen – sie sind teils durch die Inschriften ausdrücklich als cippi bezeichnet, teils nach den weiter unten angeführten Indicien als solche zu erkennen – geben in der Regel den Namen des Bestatteten an, zum Teil auch den Namen desjenigen, der den C. setzen liess, sowie die Ausdehnung der Area in fronte und in agro, vgl. Hor. sat. I 8, 12 (Ausdehnung nach allen vier Richtungen auf dem als finis loci bezeichneten Stein CIL III 9315). Die Inschriften der Cippenpaare sind meist gleichlautend, bisweilen nennt indes auch der eine Stein die Längen-, der andre die Breitenausdehnung (CIL XII 4707, vgl. Not. d. scav. 1891, 241). Nur den Namen des Bestatteten (ohne Massangabe) enthalten die Cippenpaare XI 527. XII 2032 und 4960 und der C. XI 4749; andere, z. B. das Cippenpaar XII 1476, die Cippen XII 1477ff. und viele der CIL VI p. 2911ff. als termini sepulcrales zusammengestellten Steine, geben nur die Ausdehnung der area an, ohne den Namen des Bestatteten hinzuzufügen. Eine Angabe über das mit dem Besitze des Grabes verbundene Recht des itus ambitus u. s. w. (s. Gräber) enthalten die Cippen III 9315 und VI 29 989 (vgl. XIV 3341), eine testamentarische Bestimmung (Vermächtnis an ein Collegium in ossa tuenda) der C. XI 4749.

Dass die cippi nicht mit den eigentlichen Grabsteinen (s. Gräber), den arae sepulcrales, identisch sind, ergiebt sich 1) daraus, dass ara (Grabstein) und cippi (zur Termination des Grabes) bei ein und demselben Monumente nebeneinander vorkommen (CIL VI 11 535); 2) aus ihrer paarweisen Verwendung; 3) daraus, dass sie sich an den Aussenwänden von grösseren Monumenten finden (über die Aufstellung von Cippen vor Columbarienmonumenten vgl. CIL VI p. 1093. Röm. Mitt. a. a. O.); 4) aus den oben angeführten Fällen, in denen auf den Cippen nur die Ausdehnung der area angegeben ist, also notwendig noch ein besonderer Grabstein mit dem Namen des Bestatteten vorauszusetzen ist.

Trotzdem erscheint indes cippus auch in die Bedeutung ,Grabstein‘ übergegangen zu sein, wie einige Inschriften von einzeln, nicht paarweise aufgestellten, ausdrücklich als cippi bezeichneten Steinen zeigen, welche (ohne Angabe der Ausdehnung der area) die in den Grabschriften übliche Formel h(ic) s(itus) e(st), s(it) t(ibi) t(erra) l(evis) enthalten (CIL II 823. 1430. 3334. [2565] 5907). Vgl. auch Pers. I 37 und Schol. Aus dieser Erweiterung der Bedeutung von cippus erklärt es sich vielleicht, dass das Material des C. II 1430 – an dessen Echtheit Mommsen allerding auch wegen des in der Inschrift vorkommenden nati (für liberi) zweifelt – Marmor ist, während sonst, im Gegensatz zu den marmornen arae, Cippen aus Marmor nicht vorkommen. Ein zur Aufnahme eines Decrets dienender Stein wird als C. bezeichnet in der Pisanerinschrift XI 1420, l. 29.

Im späten Latein bedeutet cippus Fussfessel, s. Corp. gloss. lat. II 100, 53 (cippus = ποδοκάκη) und Du Cange Glossar. mediae et infimae Latinitatis s. v.

Über die Etymologie des Wortes cippus vgl. Pauli Zeitschrift f. vgl. Sprachforschung XVIII 10 und Fick ebd. XX 361. Ersterer setzt für cippus eine ältere Form sceipos, zusammenhängend mit ahd. skivero, Steinsplitter, Schiefer voraus, was indes nicht zu der Grundbedeutung ,Pfahl‘ passt. Fick bringt, von der Bedeutung ,Pfahl‘ ausgehend, cippus (cīpus, vgl. die Eigennamen Cīpus, Cīpius) mit lat. scipio (Stamm scip = σκίμπτω) zusammen und setzt es = griech. σκοῖπος (Hesych. σκοῖπος · ἡ ἐξοχὴ τῶν ξύλων, ἐφ’ ὧν εἰσιν οἱ κέραμοι).

Litteratur: Daremberg-Saglio Dict. I 1185. Ruggiero Dizionario II 238 (Zusammenstellung aller Inschriften, in denen das Wort cippus vorkommt).