Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bewohner d. westlichsten Teils v. S-Iberien
Band III,2 (1899) S. 18921893
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Celtici. Nach den Mitteilungen des Poseidonios (bei Strab. III 139), die auf eigener Anschauung und in Gades eingezogenen Erkundigungen beruhten, bewohnten den westlichsten Teil von Südiberien, das Gebiet zwischen Anas und Tagus, meist Kelten (Κελτοi, so die Hss. des Strabon, Casaubonus änderte in Κελτικοi, vgl. III 158) und einige durch die Römer, d. h. durch Decimus Brutus, von jenseits des Tagus hierher übersiedelte Lusitaner; er scheint diese südiberischen Kelten zuerst mit ihrem einheimischen Namen bezeichnet und von den Galatern diesseits der Pyrenaeen unterschieden zu haben (vgl. Celtiberi). Danach nennt wiederum Poseidonios die Stadt Conistorgis (s. d.) die bekannteste ἐν τοῖς Κελτικοῖς (Strab. III 141); hier begegnet die adjectivische Bezeichnung zum erstenmal; sie umfasst beide Bestandteile der Bevölkerung. Sie hätten teil an dem Reichtum und der Bildung der Turdetaner διὰ τὴν γειτνίασιν, ὡς εἴρηκε Πολύβιος (XXXIV 9, 4) ⟨καὶ⟩ διὰ τὴν συγγένειαν (καί fehlt in den Hss. und ist von den meisten Herausgebern hinzugefügt worden, von einigen statt dessen vor ὡς εἴρηκε; die Vermischung der Gegensätze wird dem Strabon zur Last fallen, die drei letzten Worte ganz zu tilgen geht nicht an); doch seien die Keltiker, als deren Stadt Pax Iulia (s. d., überliefert ist das unmögliche Παξαυγοῦστα, vielleicht durch Schuld des Strabon) allein genannt wird, weniger civilisiert, d. h. romanisiert, da sie meistens noch in Dörfern wohnten (Strab. III 151). Polybios folgt darin wohl nur älteren Angaben: Strabons Hauptgewährsmann ist unzweifelhaft Poseidonios. Endlich sagt derselbe Poseidonios von den Artabrern (s. d.) und dem Vorgebirge Nerion (s. d.), περιοικοῦσι δ’ αὐτὴν Κελτικοί (Meineke schob davor καὶ ein, ohne Not), συγγενεῖς τῶν ἐπὶ τῷ Ἄνᾳ, denn die – von Decimus Brutus in dem Feldzug gegen die Kallaeker aufgebotenen – Turduler und Keltiker aus dem Süden der Halbinsel hätten sich beim Übergang über den Limia geweigert, dem Führer, d. h. dem römischen Feldherrn, zu folgen – deshalb heisse der Fluss λήθης, der Vergessenheit (s. Limia) – und hätten sich zerstreut und in jenen Gegenden niedergelassen (Strab. III 153). So verstehe ich die Worte, nach Florus (I 33, 12 D. Brutus ... Celticos Lusitanosque ... formidatumque militibus flumen oblivionis ⟨invisit⟩ peragratoque victor oceani litore non prius signa convertit quam cadentem in maria solem obrutumque aquis ignem non sine quodam sacrilegii metu et horrore deprehendit: Livius folgte hier römischen Annalisten, die wohl auch von Poseidonios abhängig waren). Die Bezeichnung dieser lusitanischen Kelten als ,Keltiker‘ rührt vielleicht nicht von Poseidonios, sondern erst von Strabon her.

Dass ein Strom keltischer Einwanderung bei dem grossen Keltenzug um das J. 500 v. Chr. bis in den Süden und Südwesten der Halbinsel [1893] gelangt ist, unterliegt keinem Zweifel – Städtenamen mit keltischer Endung in jenen Gegenden, wie Caetobriga, Lacobriga, Merobriga, Nertobriga, Turobriga und ähnliche beweisen es, die noch Ptolemaios den lusitanischen Keltikern zuteilt (II 5, 5) –; aber die ersten Nachrichten darüber werden dem Poseidonios verdankt (s. Kynetes). Auf seine von Varro übernommene und teilweis erweiterte oder bekämpfte Gelehrsamkeit geht es zurück, wenn bei Plinius Baeturien (s. d.) bezeichnet wird als von Turduli und in dem zum Gerichtsbezirk von Hispalis gehörigen Teil von C. bewohnt, qui Lusitaniam attingunt; Celticos a Celtiberis ex Lusitania [vielleicht et ex Lusitania] advenisse manifestum est sacris lingua oppidorum vocabulis, quae cognominibus in Baetica distinguuntur (III 13); wofür dann eine Reihe von sehr ungleichen und teilweis nichts beweisenden Beispielen angeführt werden; dazu werden eine Anzahl echt iberischer Städte, wie Acinipo, Arunda u. a. nach Celtica gesetzt (III 14; danach Ptolem. II 4, 11). Die Herkunft dieser C. von den Celtiberi scheint von dem ,Grammatiker‘ Varro dem Poseidonios gegenüber behauptet und ihre Begründung gegeben worden zu sein. Dass die Kelten im Norden und Süden von Iberien eines Stammes waren, ist sicher, und es ist nicht unmöglich, dass Poseidonios in der Annahme einer keltischen Rückwanderung vom Süden nach dem Norden irrte. Seine unterwegs gemachten Beobachtungen können ihn dazu verführt haben.

Das Vorgebirge Nerion (s. d.) wird zuerst bei Mela Celticum genannt (III 9. 12 promunturium quod Celticum vocamus, nach Varro; ebenso Plin. III 111): dies ganze Gebiet bewohnten Keltiker bis zum Durius (Plin. IV 116. Mela III 10), die Artabrer etiamnum Celticae gentis (Mela III 13; bei Plinius die Arrotrebae IV 114) und zu den C. setzt er auch (III 47) die Bleiinseln oder Kassiteriden (s. d.). Plinius unterscheidet, wohl ebenfalls nach Varro, dort Celtici cognomine Nerii et Supertamarici, ferner Celtici cognomine Praetamarici (IV 111), d. h. oberhalb und am Tamar wohnende Kelten. In den Listen des Agrippa und Augustus werden C. als eine der sechzehn Gemeinden des Gerichtsbezirks von Lucus Augusti genannt (III 28) und unter den stipendiarii aufgeführt Mirobricenses qui Celtici cognominantur (IV 118). Aus diesen Zeugnissen geht ebenso wie aus dem Namen der Stadt Celticoflavia (s. d.), und der Bezeichnung einzelner Personen als C. auf Inschriften (CIL II 2902 = 5657, vgl. Celtigun CIL II 6298; Celtus als Personennamen ist in Hispanien nicht selten, CIL II 755. 1391. 5238*. 5250. VII 285, Κέλτιος Phlegon macrob. 1. CIL II 5310) nur hervor, dass der Name seit dem Ende der Republik für einen Teil der Bevölkerung der südlichen und westlichen Gegenden der Halbinsel üblich war, in denen neben den einheimischen Völkerschaften Kelten sich niedergelassen hatten, während für die übrigen Gebiete mit ähnlich gemischter Bevölkerung der Name Keltiberer gebraucht wurde (s. o. S. 1886ff.).