96) L. Antonius Saturninus, Statthalter von Germania superior, der sich unter Domitian (um 88 n. Chr.) zum Kaiser aufwarf (Plut. Aemil. 25. [2638] Mart. IV 11. Suet. Dom. 6–7. Dio LXVII 11. Vict. epit. 11, 9–10. Hist. Aug. Pescenn. Niger 9, 2; Alex. 1, 7; Firmus 1, 1). Der Vorname bei Suet. Dom. 6 und Hist. Aug. Alex. 1, 7; der Beiname bei Martial IV 11, 2 und Aelian. frg. 112, II 241 Hercher (= Suid. s. Ἀντώνιος Σατ. und βουλή). A. wurde von Vespasian in den Senat aufgenommnen (Ael. a. a. O.) und war nach Borghesis Vermutung (VII 272f. 395) Consul suffectus am 19. Juli 82 n. Chr. mit P. Valerius Patruinus, dessen Amtsgenosse in der Inschrift ausradiert ist (CIL IX 5420[WS 1]). Als Statthalter von Germania superior empörte er sich gegen Domitian, der ihn auch persönlich schwer beleidigt hatte (vgl. Vict. epit. 11, 9), im Winterlager zweier Legionen (Suet. Dom. 7), d. h. in Mainz, wo allein zwei Legionen (die XIV. und XXI.) standen (vgl. Mommsen R. G. V 137, 1). Unsicher ist es, ob sich auch die beiden anderen obergermanischen Legionen (die VIII. und XI.) an dem Aufstande beteiligten (vgl. Ritterling De legione Romanorum X Gemina, Lips. Diss. 1885, 77, 1). Domitian brach selbst mit seiner Garde von Rom auf (Plut. Aemil. 25), liess eiligst den späteren Kaiser Traian mit zwei Legionen aus Spanien heranrücken (Plin. paneg. 14, vgl. Mommsen Herm. III 1869, 118) und schickte vor allem den L. Appius Maximus Norbanus gegen den Empörer. Diesem gelang es schon vor der Ankunft Domitians und Traians, den A. entscheidend zu schlagen, da die deutschen Hülfsvölker, die A. erwartete, infolge plötzlichen Tauwetters den angeschwollenen Rhein nicht überschreiten konnten (Suet. Dom. 6, vgl. Dio LXVII 11. Vict. epit. 11, 9–10). Die Schlacht scheint nach Martial (IX 84, 5) an der raetisch-vindelicischen Grenze, also vielleicht in der Nähe von Vindonissa (bei Zürich) stattgefunden zu haben (vgl. Mommsen Herm. III 1869, 118. XIX 1884, 438; Mim. Gesch. V 137, 1. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 524). Domitian erhielt unterwegs (Plut. Aemil. 25) die Nachricht von der Beendigung des ‚germanischen Krieges‘ (so heisst er CIL VI 1347. VIII 1026)[WS 2], schickte den Kopf des Empörers nach Rom und liess ihn auf dem Forum ausstellen (Dio LXVII 11, 3). Die Zeit des Aufstandes ist umstritten; man schwankt zwischen dem Frühjahr 88 und 89. Nach den Arvalacten (CIL VI 2065 b 62[WS 3]) wurde am 22. September 87 geopfert ob detecta scelera nefariorum (vgl. Stat. silv. I 1. 80: civile nefas). Dies bezieht O. Hirschfeld auf die Verschwörung des A. und setzt darnach die Entscheidungsschlacht in den Anfang des J. 88. Aber die Erhebung und die Niederwerfung des A. hat nach Plutarch Aemil. 25 schwerlich einen Zeitraum von über fünf Monaten in Anspruch genommen. Denn ,dem zum Kriege ausrückenden Domitian begegnete schon unterwegs die Siegesbotschaft‘ und man kann nicht annehmen, dass Domitian mehrere Monate mit seinem Aufbruche gezögert habe. Wenn also das ‚Aufbrechen‘ des Rheins (Suet. Dom. 6) wirklich die Zeit der Schneeschmelze und des Frühjahrs für die Schlacht verlangt, so kann die Notiz in den Arvalacten sich schwerlich auf die Verschwörung des A. beziehen. Für das J. 88 fehlen die Arvalacten; vom J. 89 sind sie wenigstens zum Teil erhalten (CIL VI 2066[WS 4]); wir ersehen daraus, dass Domitian zwischen [2639] dem 12. und 29. Januar 89 von Rom auf einen Kriegszuge abwesend war. Möglicherweise ist damit der Zug gegen A. gemeint. Ein entscheidender Grund für den Anfang des J. 88 oder 89 ist bisher nicht vorgebracht; doch scheint es sich nur um diese beiden Jahre handeln zu können. Vgl. darüber Stobbe Philologus XXVI 1867, 53f. O. Eichhorst Jahrb. f. Philol. 1869, 354–360. O. Hirschfeld Gött. gel. Anz. 1869, 1508f. Bergk Rhein. Jahrb. LVIII 1876, 136ff. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 524. Die Quellenstellen sind zusammengestellt bei A. Riese Das rheinische Germanien in der antiken Litteratur 1892, 156–160.