Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt in der Landschaft Uti, Armenien
Band I,1 (1893) S. 1025 (IA)–1027 (IA)
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Ainiana (Ainia), befestigte Stadt in der armenischen Landschaft Uti (Οὐιτία), Strab. XI 508. Dort wird, im Anschluss an eine in der Hauptsache auf Eratosthenes zurückgehende Aufzählung der Völker im Westen und Süden des kaspischen Meeres, eine Angabe über griechische Stämme, die unter ihnen angesiedelt seien, eingefügt. Diese Notiz, welche den grammatischen Zusammenhang der Stelle unterbricht (s. Groskurd und C. Müller zu der Stelle), und welche zweifellos ein an falscher Stelle eingesetztes – sie müsste etwa hinter τῶν τόπων stehen – späteres, ergänzendes Excerpt des Strabon ist, ist den Mithridatika des Theophanes von Mytilene entnommen, der Pompeius in den mithridatischen Krieg begleitete (s. W. Fabricius Theophanes von Mytilene und Quintus Dellius als Quellen der Geographie des Strabon 79). In dem Werke des Theophanes war die Argonautensage, im Anschlüsse an ältere Combinationen der Alexanderhistoriker Kyreilos und Medeios, mit der Ethnologie von Armenien in Verbindung gebracht (Fabricius a. a. O. 37f. 123ff.) und der Versuch gemacht worden, auf Grund von Namensähnlichkeiten dort und in den angrenzenden Ländern griechische Stämme nachzuweisen. So wird an der angeführten Stelle des Strabon (Fabricius Theophanes frg. 12 S. 126) zuerst ein Stamm des Volkes der Anariaken, die Parsioi (s. d.) mit den Parrhasiern identificiert; und daran schliesst sich die Erwähnung der Ainianen. Diese sollen in Uitia, dem Lande der Uitier, eine befestigte Stadt erbaut haben, die A. (Ainia) heisse (Αἰνιᾶνας δ’ ἐν τῇ Οὐιτίᾳ τειχίσαι πόλιν, ἣν Αἰνιάνα [wofür Kramer Αἰνίαν conj.] καλεῖσθαι), und in der man hellenische Waffen, kupferne Gefässe und Gräber zeige. Auch an einer anderen Stelle, wo Strabon die ‚Archäologie‘ Armeniens behandelt, findet sich XI 531 (Fabricius Theophanes frg. 11 S. 122f.) die Angabe, dass Ainianen in der armenischen Landschaft Uitia gewohnt hätten (λέγονται δὲ καὶ τῶν Αἰνιάνων τινές, οἱ μὲν τὴν Οὐιτίαν οἰκῆσαι). Es liegt auf der Hand, dass die Ähnlichkeit der durch Οὐιτία und Αἰνιάνα (Αἰνία) wiedergegebenen fremden Namen mit den griechischen Οἰταία und Αἰνιᾶνες und die zufällig auf beiden Seiten in gleicher Weise vorhandene geographische Zusammengehörigkeit Theophanes nicht nur in der Wiedergabe der fremden Namen beeinflusst haben wird, sondern dass sie ihn auch zu einer ethnologischen Identification verleitete, die zu seiner Anschauung von der Niederlassung griechischer Stämme in Armenien im Verlaufe des Argonautenzuges so vortrefflich passte. Die Ermittlung des dem Uitia (s. d.) des Theophanes zu Grunde liegenden einheimischen Namens bietet keine Schwierigkeit. [1026] Es ist der der armenischen Provinz Uti oder Ôti (bei den Arabern Ûdh), die bei anderen alten Schriftstellern unter dem Namen Otene (Ὠτηνή) erwähnt wird (Plin. n. h. VI 42. XII 49. Ptol. V 13, 9, wo die Hss. Τωτηνή oder Μωτηνή haben; Asinius Quadratus bei Steph. Byz. s. v.), und welche längs des Südufers des Kur, an der Grenze von Albanien liegt; so bereits Kramer und C. Müller zu Strab. XI 531, von denen der letztere jedoch mit Unrecht auch die Οὖδαι des Ptolemaios (V 9, 23), die heutigen Uden, heranzieht; Kiepert M.-Ber. Akad. Berl. 1869, 233. K. J. Neumann Herm. XIX 172. In der Wiedergabe des armenischen Namens durch Theophanes bei Strabon ist das ι der ersten Silbe sicherlich nur durch das Bestreben entstanden, denselben dem griechischen Namen Οἰταία möglichst ähnlich zu machen (s. auch C. Müller zu Strab. XI 531). Was den anderen einheimischen Namen anbetrifft, der den Griechen an die Αἰνιᾶνες erinnerte, so lässt sich innerhalb der Grenzen der späteren armenischen Provinz Uti ein solcher nicht nachweisen. Aber in dem Verzeichnis der Gaue (gavar) der im Osten unmittelbar an Uti grenzenden Provinz Phaitakaran, welche sich in der dem Moses von Khorene zugeschriebenen Geographie aus dem 7. Jhdt. n. Chr. befindet (ed. Patkanow, Text 19, russ. Übers. 51; Werke des Moses v. Khorene ed. Veneta 610) wird auch ein Gau Hani (eine Hs. und die älteren Drucke Hanhani) erwähnt, dessen Name recht wohl der gesuchte sein konnte, denn, wurde Uti durch Οὐιτία wiedergegeben, so musste Hani zu Αἱνία oder, mit nicht befremdender Vertauschung des Spiritus asper mit dem lenis, zu Αἰνία werden, was mit der von Kramer vorgeschlagenen Änderung der handschriftlichen Lesart geradezu identisch ist. Will man durchaus diese letztere selbst festhalten, so kann man sie auf eine nach îrânischer Weise gebildete Form Haniân zurückführen, was bei der grossen Abhängigkeit der geographischen Nomenclatur der Armenier von der der Îrânier nicht zu kühn ist, oder das Αἰνιάνα der Hss. durch den Hinweis auf die armenische Variante Hanhani zu verteidigen suchen. Über die Lage des Gaues Hani sind wir nicht näher unterrichtet; trifft aber die obige Combination das Richtige, so kann er nur im westlichen Teile von Phaitakaran, in der Nähe von Uti, gelegen haben. Einen Irrtum des Theophanes anzunehmen, als habe er Hani-Ainia fälschlich zu Uti-Uitia gerechnet, dazu liegt keine Nötigung vor, da der Umfang von Uti ein wechselnder gewesen ist. In der älteren Zeit hatte es einen weit grösseren Umfang als später; das zeigt auf das Bestimmteste eine bei Plinius VI 42 erhaltene Angabe (Atrapatene ab Armeniae Otene regione discreta Araxe), wonach es sich südlich bis zum Araxes erstreckt haben muss. Theophanes hat also in den armenischen Landschaften Uti und Hani, die er während des Zuges des Pompeius in die Länder südlich vom Kaukasus kennen lernte, ein armenisches Oitaia und Ainia mit dazu gehörigen Ainianen zu entdecken geglaubt und daraus den für ihn fast unvermeidlichen Schluss eines Zusammenhanges zwischen den Bewohnern der griechischen und armenischen Landschaften gezogen. Ganz abweichend [1027] von der hier dargelegten Auflassung ist die von C. Müller zu Strab. XI 508 gegebene Erklärung, wonach ΑἰΝΙάνα mit der von Ptolemaios (VI 2, 2) am Südufer des kaspischen Meeres verzeichneten Stadt ἈΜάνα zu identificieren, die Worte Αἰνιᾶνας δ’ ὲν τῇ Οὐιτίᾳ bei Strabon als Interpolation zu streichen und dann vielleicht zu lesen sei τειχίσαι πόλιν [Αἰνίαν], ἣν νῦν ἈΜιάνα καλεῖσθαι. Dies muss aber als eine völlig verunglückte Combination bezeichnet werden.