Aigeidai (Αἰγεῖδαι), ein spartanisches Geschlecht, das insbesondere in der älteren Zeit grosse Macht besass (φυλὴ μεγάλη ἐν Σπάρτῃ Herod. IV 149). Einer der Ahnherrn, Theras, führte als Bruder der Argeia, der Witwe des Aristodemos (Schol. Pind. Isthm. VII 18; nach Argeia wurde von manchen das Geschlecht Argeidai genannt), die vormundschaftliche Regierung für deren Söhne Eurysthenes und Prokles (Herod. IV 147). Einer seiner Nachkommen, Euryleon, commandierte im ersten messenischen Kriege neben den beiden Königen (Paus. IV 7, 8). Auf diese Nachrichten haben Curtius (Gr. G. I 169) und Gilbert (Studien zur altspartan. Gesch. 64; Gr. Staatsaltertümer I 7) die Hypothese gebaut, dass die Aigeiden ursprünglich den Agiaden und Eurypontiden gleichberechtigt gewesen seien. Die Kämpfe, durch welche sie ihre einstige Macht verloren hatten, mögen einen Teil des Geschlechts bestimmt haben, die Auswanderung der Bürger nach Thera zu leiten (Herod. IV 147–149). Nach Thera brachten die Aigeiden den Kult des Apollon Karneios (Pind. Pyth. V 78f., dazu Boeckh notae crit. 479f., vgl. explicat. 289) und behielten eine Zeit lang die königliche Gewalt. Vornehme Theraeer, die wahrscheinlich von königlichem Blute waren, darunter mehrere mit spartanischen Königsnamen (Prokles, Prokleidas, Leontidas) hat Boeckh (Kl. Schr. VI 42) nach älteren und späteren Inschriften zusammengestellt. Von Thera aus ging ein Zweig der Aigeiden nach Kyrene (Pind. Pyth. V 72f., denn ἐμοὶ πατέρες ist im Sinne des kyrenaeischen Chores, nicht, wie Tycho Mommsen Ztschr. f. d. Altertumswissensch. III 1f. wollte, im Sinne des Dichters zu verstehen; vgl. O. Müller Orchomenos 324. G. Hermann Ber. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. I 1848, 221f.). Ein anderer Zweig kam entweder ebenfalls von Thera aus und über Gela (Schol. Pind. Ol. II 82) oder über Athen und Rhodos (Schol. Pind. Ol. II 16) nach Akragas. Von diesem stammte das Geschlecht der Emmeniden ab (Schol. Pind. Ol. II 82).
[950] Zweifelhaft ist der Zusammenhang der spartanischen Aigeiden mit den thebanischen. Die Ansicht, dass Pindaros ein Aigeide gewesen sei, beruht auf einer falschen Interpretation von Pyth. V 72f. (s. o.); dass aber in Theben überhaupt ein Geschlecht der Aigeiden existiert habe, hat Gilbert mit Unrecht bezweifelt, da sonst die verschiedenen Sagen über die Herkunft der spartanischen Aigeiden aus Theben oder der thebanischen aus Sparta nicht zu erklären wären. Die einheimische, von Herodot a. a. O. wiedergegebene Tradition der Spartaner leitet das Geschlecht von Theras ab, den sie als einen Nachkommen des Kadmos betrachtet; von dessen Söhnen sollte einer, Oiolykos, in Sparta zurückgeblieben und nach dessen Sohn Aigeus die ganze Nachkommenschaft des Theras, die Ausgewanderten eingeschlossen, benannt sein. Eine Bildsäule des Theras wurde Pausanias in Sparta gezeigt (III 15, 4). Andere leiteten den Namen von Aigeus, einem der Sparten des Kadmos ab (Schol. Pind. Pyth. V 101). Aus Pindar und den Pindarscholien kennen wir über die Einwanderung der Aigeiden in Sparta drei Versionen: a) Die Aigeiden waren ursprünglich Phlegraier und halfen den Herakleiden bei der Eroberung der Peloponnes; nach dem Siege wurde ein Teil des Geschlechtes in Theben angesiedelt (Schol. Pind. Isthm. VII 18). b) Auf Ephoros zurückgeführt (Fr. 11): Die Herakleiden erbitten und erlangen von den thebanischen Aigeiden Unterstützung, nachdem sie sich, durch ein Orakel veranlasst, vergebens an die Nachkommen des Aigeus in Athen gewandt haben. Einer der Kampfgenossen der Herakleiden heisst Aigeus (Schol. Pind. Pyth. V 92. 101; Isthm. VII 18). c) Auf Aristoteles im Staate der Lakedaimonier (frg. 532) zurückgeführt: Im Kriege gegen Amyklai wollen die Spartaner Aigeiden aus Athen zu Hülfe holen. Bei einem Aufenthalte in Theben machen sie ein Fest der dortigen Aigeiden mit und richten nun ihre Bitte an diese (Pind. Isthm. VII 12f. m. Schol.). Zu den Aigeiden, welche dem Rufe der Spartaner folgen, gehört Timomachos (vgl. Schol. Pind. Pyth. V 101), der die Spartaner im Kriegswesen unterrichtete und dafür grosse Ehren erhielt. Von der boiotischen Herkunft der Aigeiden halten Curtius (Gr. G. I 167) und Wachsmuth (Jahrb. f. Philol. 97, 109[WS 1]) so viel fest, dass sie annehmen, ein Teil der boiotischen Urbevölkerung sei vor oder mit den Doriern nach Lakonien gezogen und habe anfangs einen wesentlichen Factor des spartanischen Staatswesens gebildet Gelzer Rh. Mus. XXVIII (1873) 13 identificiert die Aigeiden mit dem Königshause der Prokleiden.