Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Start, Startplatz
Band I,2 (1894) S. 2715 (IA)–2717 (IA)
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Ἄφεσις, der Ablauf, der Start, dann die Ablaufsmarke, der Ablaufstand, der Startplatz, sowohl im Stadion wie im Hippodrom, vgl. Soph. El. 686. Plut. Sulla 18. Dion. Hal. A. R. VI 94. Poll. III 147 (auch beim Ballspiele, Athen. I 15a). In weiterem Sinne heisst ἄ. auch das Mal, welches den Ablaufstand bezeichnet, so eine Statue der Athene bei Kaibel Epigr. Gr. 795, vgl. Anth. Pal. IX 319 (Philoxen. frg. 15 Bgk.). Die ἄ. wird als Ablaufplatz von der eigentlichen Rennbahn geschieden, wie bei Paus. VI 20, 10 (s. u.), so in der delischen Inschrift aus dem Jahr 279 v. Chr., Bull. hell. XIV 390. 427, wo der Hippodrom und die ἄ. als Weideplätze verdingt werden. Vorzugsweise versteht man unter ἄ. die Vorrichtung, welche einen gleichmässigen Ablauf herbeiführen und regeln soll, sei dies nun eine einfache γραμμή auf dem Fussboden (Poll. III 147. Schol. Aristoph. Eq. 1159) oder eine Steinschwelle (Moeris p. 193, 4), wie im olympischen Stadion (vgl. Ἀφετηρία), sei es ein vorgespanntes Seil (ὕσπληξ) oder eine vorgelegte horizontale Holzschranke (vgl. Jüthner im Eranos Vindobonensis, Wien 1893, 311f.; s. Βαλβίς). Auch die umfangreichere bauliche Anlage, welche im Hippodrom erforderlich ist, um für Pferde- und insbesondere für Wagenrennen einen gleichmässigen Start zu erzielen, wird als ἄ. oder ἄ. ἵππων bezeichnet, Paus. V 15, 5. VI 20, 5 u. ö. Wir sind auf griechischem Boden nur über eine derartige Anlage genauer unterrichtet, über den Bau des Kleoitas im Hippodrom von Olympia; die ausführliche Beschreibung, die Pausanias [2716] VI 20 davon gegeben hat, hat zu weit auseinandergehenden Wiederherstellungsversuchen geführt, von denen der jüngste durch Pollack (Hippodromica, Leipzig 1890, 54ff.) vorgeschlagene sich am meisten empfiehlt.

Nach Pausanias hatte die ἄ. des Kleoitas die Gestalt eines Schiffsbuges, dessen Spitze (ἔμβολον) der Rennbahn zugewandt war. Die Basis (Rückseite) dieses Baues war der Agnaptoshalle benachbart; auf den beiden vorderen je 400′ (ca. 120 m.) langen Seiten waren die Wagenstände (οἰκήματα) in der Weise eingebaut, dass jedesmal der weiter gegen die Mitte (das ἔμβολον) zu liegende Stand vor dem seitlich benachbarten nach innen vortrat, so dass also die mittelsten Stände am weitesten vorn, die beiderseits zu äusserst liegenden Kammern am weitesten hinten lagen. Offenbar war der Bau nur der einen rechten Hälfte der Rennbahn vorgelagert, während die andere Hälfte frei blieb; seine Achse stand etwas schräg zur Achse der Rennbahn, indem sie auf die hintere Zielsäule orientiert war (Pollack 57f.). Der Zweck der ganzen Anlage war, für alle Wagen (deren Plätze in den einzelnen Ständen durch das Los bestimmt wurde) möglichst gleiche Bedingungen für die Erreichung der inneren Zielsäule zu schaffen. Es wurden daher aus den mit Seilen versperrten Ständen, deren jederseits etwa 20 gewesen sein mögen (Pollack 106), die Wagen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander entlassen, in der Weise, dass zuerst die Seile vor den beiden seitlich zu äusserst befindlichen Kammern fielen, dann, sobald diese Wagen am zweiten Stand vorüberfuhren (bezw. nach einem Zeitraum, der dieser Fahrt entsprach), die Seile vor den an zweiter Reihe (nach innen zu) liegenden Kammern u. s. w., bis die in den mittelsten Ständen an dem Schiffschnabel stehenden Wagen als die letzten entlassen wurden. Den Mechanismus der ganzen Anlage, die auch noch mit einer Signalvorrichtung verbunden war, hat später ein gewisser Aristeides (Paus. VI 20, 14) verbessert. Über weitere Einzelheiten s. Pollack a. a. O., wo auch die älteren Erklärungsversuche S. 76ff. erörtert sind.

Pausanias sagt nichts über die Zeit des Kleoitas, wir erfahren nur noch, dass auf der athenischen Akropolis eine Statue dieses Künstlers stand (Paus. I 24, 3), auf deren Basis er sich rühmte, zuerst eine Hippaphesis in Olympia erbaut zu haben (Preger Epigr. Gr. 178). Ohne Grund hat man ihn, der sich Sohn eines Aristokles nennt, als Sohn des Bildhauers Aristokles (Loewy Inschr. gr. Bildh. 9. 10, Ende des 6. Jhdts. v. Chr.) betrachtet, und jenen Aristeides, der die Erfindung des Kleoitas verbessert hat, mit dem gleichnamigen Schüler des Polyklet (Plinius n. h. XXXIV 172) identificiert, vgl. zuletzt Wieseler Gött. Nachr. 1885, 326. Gurlitt Pausanias 320, s. Kleoitas. Das Raffinement der Anlage weist vielmehr in eine jüngere Epoche, etwa in die hellenistische Zeit, in der der hippische Sport in grossem Massstab betrieben wurde, und dazu stimmt auch der Charakter jener athenischen Inschrift, die gewiss von Kleoitas selbst herrühren wird. Ein Epigramm aus dem Anfang des 3. Jhdts. v. Chr., das den olympischen Wagensieg eines Attalos feiert (Fraenkel Inschr. v. Pergamon nr. 10), scheint noch auf eine ältere Einrichtung des Wagenstartes [2717] anzuspielen, so dass wir hieraus einen terminus post quem für die Erfindung des Kleoitas ableiten können (Pollack 73), wenn nicht etwa blos eine Nachlässigkeit des Ausdrucks seitens des pergamenischen Versificators uns irreführt. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Anlage des Kleoitas auch an andern Orten Nachahmung gefunden haben wird; doch ist darüber nichts überliefert. Die Ablaufstände im römischen Circus, die in der Regel nur für eine viel geringere Anzahl von Wettbewerbern bestimmt waren, sind meist von viel einfacherer Anlage. S. Hippodromos, Circus.

[Reisch. ]

Anmerkungen (Wikisource)

S. auch Aphesis.