Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Pflanze, Aronstabgewächse
Band II,1 (1895) S. 12121215
Aronstabgewächse in der Wikipedia
GND: 4143063-3
Aronstabgewächse in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register II,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,1|1212|1215|Ἄρον|[[REAutor]]|RE:Ἄρον}}        

Ἄρον [WS 1] (aros und aron) und δρακόντιον (δρακοντία bei Dioskorides, dracontium und dracunculus bei Plinius, draconteum bei Marc. Empir. 10, 58. 63, draconteon ebd. 15, 29, dracontea ebd. 9, 45. 10, 62. 20, 115. Isid. or. XVII 9, 35. Apul. herb. 15). Der letztere Name wird von Theophrast (h. pl. VII 12, 2) davon hergeleitet, dass der Stiel des δρακόντιον etwas bunt sei; von Plinius (XXIV 142) davon, dass die Wurzel des dracunculus wie ein Drache zusammengerollt sei; von Isidorus (a. O.), dass der Stiel der dracontea bunt und drachenförmig sei oder weil die Viper das Kraut fürchte; von Apuleius, dass die dracontea aus dem Blute des Drachen entstanden sei. Es sind unter diesen Namen verschiedene zu den Aroideen gehörige Kräuter zu verstehen:

1) Dracunculus vulgaris Schott (Arum dracunculus L.), ein sich im Mittelmeergebiet von Portugal bis Kleinasien findendes grosses Knollengewächs. Heute heisst es in Griechenland δρακοντιά, auch φειδόχορτον, und seine Samen werden gegen Hämorrhoiden empfohlen; in Italien heisst es erba serposa. Von ihm spricht wohl Theophrast (h. pl. VII 12, 2), wenn er sagt, dass man eine Art des ἄρον δρακόντιον nenne, dass der Stengel etwas gefleckt, die Wurzel nicht essbar und voll heilkräftigen Saftes sei. Dioskorides (II 195) nennt es δρακοντία μεγάλη, doch werde es auch ἄ., ἀρίσαρον, ἴαρον u. s. w. genannt; der Stiel sei bunt wie ein Drache mit purpurfarbenen Flecken, die sich umfassenden Blätter ampferähnlich, die Wurzel gross, gerundet und weiss; es werde gesammelt, wenn die Frucht sich färbe, der Saft ausgepresst und getrocknet, die Wurzel zur Zeit der Weizenernte ausgegraben, dann zerschnitten und getrocknet; der Geruch der Wurzeln und des Krautes sei so scharf, dass er den jungen Foetus töte und vor Schlangenbiss schütze.

2) Arum italicum Mill., im ganzen Mittelmeergebiet von den Canarischen Inseln bis Trapezunt heimisch, heute auf Kephalonia δρακόντι, in Italien gichero und gigalo genannt. Theophrast beschreibt die Wurzel seines ἄ. als dick, glatt, fleischig (h. pl. I 6, 8; vgl. I 6, 6. 7), süss und essbar (VII 12, 2. 13, 2); es komme nur aus der Wurzel hervor (VII 2, 1), habe weder Stengel noch Blüte (VII 13, 2); die Blätter seien breit, hohl und denen der Gurke ähnlich (ebd. 1), auch essbar, wenn in Essig gekocht (VII 12, 2); um die Wurzel zu stärkerem Wachstum zu bringen, reisse man, bevor sie ausschlage, zuvor die Blätter, welche sehr gross seien, ab und kehre die Wurzel in der Erde um, die dann nicht wieder ausschlage und alle Nahrung an sich ziehe (I 6, 10. VII 12, 2). Dieselbe Pflanze wird denn auch Aristoteles (h. an. VIII 112. IX 41; vgl. Plin. VIII 129. Plut. de soll. an. 20) gemeint haben, wenn er sagt, dass der Bär, wenn er nach dem Winterschlafe wieder ausgehe, ἄ. geniesse, um die Gedärme wieder zu öffnen und zu erweitern. Von Dioskorides (II 196) wird die Pflanze δρακοντιά μικρά genannt; sie habe epheuartige, grosse und weissgefleckte Blätter: der Stiel sei bunt wie eine Schlange mit Purpurflecken; die Wurzel sei gerundet, zwiebelförmig und der des ἄ. ähnlich; man wickle den Käse in die Blätter, um ihn vor [1213] Fäulnis zu schützen (so auch von dem a. Plin. XXIV 148 und vom δρακόντιον Galenos XI 865); die Wurzel werde roh oder gekocht als Gemüse verzehrt; der Geruch der Pflanze solle den jungen Foetus töten. Eben diese Pflanze meint wohl auch Strabon (XVII 826) mit seinem δρακόντιον Mauretaniens. Wenn jedoch Dioskorides (a. O.) sagt, dass die Bewohner der Balearen bei Schmausereien die gekochte und in Honig gelegte Wurzel statt Kuchens gebrauchten, ist damit wohl Dracunculus muscivorus Schott gemeint. Das A. italicum scheint in den pseudo-hippokratischen Schriften und von Rufus Ephesius schlechthin ἀ. genannt zu sein; hingegen kann, da Dioskorides von seiner δρακοντία μεγάλη sagt, dass sie auch ἄ. genannt werde, und Plinius (XXIV 142), dass manche a. und dracontion für dasselbe hielten, wo in den genannten Schriften von einem ἄ. μέγα die Rede ist (II 309. 316 K.), Dracunculus vulgaris gemeint sein. Was Plinius (XIX 96. XXIV 142–148) von dem a. sagt, stimmt teils mit Diosk. II 195, teils mit ebd. 196, ausgenommen, dass er besonders Ägypten als Heimat der Pflanze angiebt. Wenn in den ps.-hippokratischen Schriften (II 431. 559. III 28 K.) auch von einem δρακόντιον die Rede ist, so ist vielleicht nur an den Stengel, bezw. die Scheide mit Kolben, des ἄ. zu denken; denn Plinius (XXIV 142) und Erotianos (exp. voc. Hippocr. p. 132 Fr.) sagen, dass der Stengel des ἄ. auch δρακόντιον genannt werde. Den Stengel des δρακόντιον empfahl wenigstens Nikandros (ther. 882) gegen den Biss giftiger Tiere, zu welchem Zwecke Apuleius (herb. 15; vgl. Plin. XXIV 145. 148) die Wurzel der dracontea empfahl, beide wohl Dracunculus vulgaris im Auge habend. Das letztere ist auch der Fall bei dem δρακόντιον des Galenos und Oreibasios, da was sie von ihm sagen, sich wesentlich mit Dioskorides II 195 deckt. Auch heben sie hervor, dass die Wurzel des δρακόντιον zwar auch verzehrt werde, aber nur wenn sie durch zwei- bis dreimaliges Kochen alles Medicamentose verloren habe (Gal. VI 651. Orib. I 264), und dass die Frucht am wirksamsten sei (Gal. XI 865. Orib. II 628).

Nach diesen Gesichtspunkten zu urteilen sind dem Dracunculus vulgaris besonders folgende Heilkräfte von den Alten beigelegt. Die gedörrte Wurzel in Honig wurde angewandt gegen Husten (Theophr. h. pl. IX 20, 3. Diosk. II 195. Plin. XXIV 145; vgl. 144. 146), bei Lungenentzündung (Ps.-Hipp. II 309 K.), bei beschwerlichem Schleimauswurf (ebd. 316), bei Engbrüstigkeit und Eiterauswurf (Diosk. II 195; vgl. Ps.-Hipp. II 431. Plin. XXIV 145); in Wein zur Erregung des Geschlechtstriebes (Diosk. ebd.); zerrieben in Honig aufgelegt gegen bösartige Geschwüre (Diosk. ebd. Plin. XXIV 146. Gal. XI 864. Orib. V 610) und gegen Flechten (Diosk. ebd.; vgl. Plin. XXIV 145. Gal. Orib. ebd.); in Honig als Salbe gegen Fisteln (Diosk. ebd.) und zum Abortieren (ebd. Plin. XXIV 146), gegen Nasenpolypen und Krebs (ebd. Gal. XI 865); der Saft der Wurzel gegen trübe Augen (ebd.); der Saft der Samen in Öl gegen Ohrenschmerzen (Diosk. ebd. Plin. XXIV 145); die zusammenziehenden Blätter, auf frische Wunden gelegt (Diosk. Gal. Orib. ebd. u. VI 465); diese auch gegen Frostbeulen (Diosk. ebd.); mit Salz [1214] und Essig führen sie ab (Plin. XXIV 147), doch mehr die Wurzel, weil sie die Säfte verdünnt (Gal. Orib. ebd.). Vom Arum italicum wurde die getrocknete Wurzel gebraucht zur Reinigung der Wunden (Ps.-Hipp. III 318. 320), gegen Hämorrhoiden (ebd. III 338. Plin. XXIV 145), Lungenentzündung (Ps.-Hipp. II 256), Umschläge davon bei wässeriger Menstruation (ebd. II 846; vgl. Plin. XXIV 147); die gekochten Blätter in Wein und Öl gegen Brandwunden (Ps.-Hipp. III 325. Plin. ebd.); der Saft der Samen in Öl gegen Ohrenschmerzen, derselbe auf Wolle gegen Nasenpolypen und Krebs; die Samen in Essig und Wasser zum Abortieren (Diosk. II 196); die gekochte oder gebratene Wurzel in Honig zur Entfernung der Feuchtigkeit in der Brust (Diosk. ebd.; vgl. Plin XXIV 143).

3) Arum maculatum L., in Mittel- und Südeuropa vorkommend, heute ebenfalls δρακοντία(?), bei uns Aronsstab genannt. Von seinem ἄ. sagt Dioskorides (II 197), dass es von den Syrern λούφα, von den Kypriern auch κολοκάσσιον, von anderen δρακοντία genannt werde, dass seine Blätter kleiner und weniger gefleckt als die des δρακόντιον seien; die weisse und der des δρακόντιον sich nähernde Wurzel werde auch gekocht gegessen, da sie weniger scharf sei; die Blätter würden auch eingemacht oder getrocknet und gekocht gegessen; Wurzel, Same und Blätter hätten dieselbe Kraft wie das δρακόντιον; die Wurzel werde auch mit Rindermist als Salbe gegen Podagra gebraucht. Sein kyprisches ἄ. kann Arum Dioscoridis Sibth. sein.

Was Plinius (XXIV 142) vom dracunculus sagt, dass die Wurzel rötlich und wie ein Drache gerollt sei, lässt sich auf Polygonum bistorta L. deuten; freilich, was er von seiner Wirkung sagt, passt mehr auf eine der beiden ersten Arten, da nach ihm (XXIV 149) der dracunculus zur Erntezeit der Gerste reifen, die Menstruation fördern, sein Geruch die Schlangen verscheuchen, ein Getränk davon gegen den Biss derselben wirksam, der Saft gegen Ohrenschmerzen helfen soll. Die herba Proserpinalis des für seine keltischen Landsleute schreibenden Marcellus Empiricus (vgl. Corp. gloss. lat. III 559, 41), von der er sagt, dass sie griechisch draconteum heisse und deren Saft er als Brechmittel (15, 29) und gegen Nasenpolypen (10, 58, vgl. 63) empfahl, kann A. maculatum gewesen sein, da sie nach ihm (10, 58) gallisch gigarus hiess und der Aronsstab, wenn auch heute in Frankreich gouet genannt, in Italien u. a. den Namen giaro haben soll. Dass er unter der dracontea genannten Pflanze (10, 62), deren Wurzel einen angenehmen Geruch habe (20, 115), eine andere verstanden habe als unter jener, ist kaum anzunehmen. Mehr an A. maculatum als an A. italicum scheinen Galenos und Oreibasios unter ἄ. gedacht zu haben; sie sagen, die gekochte Wurzel werde gekaut wie die der Steckrüben (Gal. VI 649. Orib. I 84. 264); Blätter und Wurzel seien nicht so scharf als beim δρακόντιον (Gal. XI 864. VI 770. Orib. II 618. 628); zwar habe auch das ἄ. reinigende Kraft und seine Wurzel verteile auch ein wenig die dicken Säfte, so dass sie auch bei Aussonderungen der Brust wirksam sei, doch geeigneter sei das δρακόντιον (Gal. XI 839. Orib. I 85. II [1215] 618. V 604); in einigen Gegenden jedoch sei die Wurzel schärfer, so dass sie sich fast der des δρακόντιον nähere (Gal. VI 649. Orib. I 84. 264), besonders in Kleinasien (Gal. VI 650). Von dem ἄ. Kyrenes sagen sie (ebd.), dass es ganz anders sei, da es hier von so mildem Geschmack sei, dass es nützlicher als die Steckrübe sei, und meinen damit wohl Colocasia antiquorum Schott.

Endlich spricht Dioskorides (II 198) noch von einem ἀρίσαρον; es sei eine kleine Pflanze, deren Wurzel Olivenform habe und schärfer als das ἄ. sei, so dass es um sich fressende Geschwüre heile und, in die weibliche Scham eines lebenden Wesens gebracht, diese zerstöre; daraus bereitete Salben seien gegen Fisteln wirksam. Wesentlich dasselbe sagt Plinius (XXIV 151) von seiner aris (ἄρις bei Gal. XIX 85. Hesych.), doch bezeichnet er nur Ägypten als ihre Heimat. Beide meinen das im Mittelmeergebiet verbreitete Arum arisarum L., Arisarum vulgare Targ. Tozz.

[Olck. ]
  1. transkribiert: Aron.