Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Der Zehnte als Abgabe
Band IV,2 (1901) S. 24232424
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Δεκάτη, der Zehnte als Abgabe verschiedener Art. 1. Das Ursprüngliche ist die Abgabe des zehnten Teils vom Ernteertrag in Naturerzeugnissen für die Nutzung eines Grundstücks an den Eigentümer, mochte derselbe ein Privatmann, ein Heiligtum oder der Staat selbst sein, vgl. den von Polyaen. II 34 erwähnten Getreidezehnten in Thessalien, sowie den Ausdruck κλῆροι ἀδεκάτευτοι CIG 3137; ἀδεκάτευτος bezeichnet hier wohl völlig freies Eigentum im Gegensatz zu dem unter irgend einem Lehnverhältnis stehenden (vgl. auch Phot. s. ἀδεκατεύτους). Tyrannen, die sich als Grundherren des gesamten Landes betrachteten, erhoben ihn von allen Grundstücken, wie Peisistratos (Arist. Ἀθ. πολ. 16, 13. 22), während seine Söhne ihn nach Thuk. VI 54 auf den Zwanzigsten herabsetzten. Einen entsprechenden Geldzehnten bezogen später insbesondere die Tempel, zum Teil von Gütern, die durch eine Art Scheinkauf in den Besitz des Gottes übergegangen waren; vgl. darüber Caillemer bei Daremberg-Saglio s. δεκάτη und besonders Kohts De reditib. templ. gr., Diss. Gött. 1869. Beim Heranziehen des Xerxes wurde von den verbündeten Griechen feierlich gelobt, alle hellenischen Staaten, die sich freiwillig den Barbaren ergeben würden, dem delphischen Gotte zu ,zehnten‘ (δεκατεύειν, Herod. VII 132. Lyk. 81 ὅρκ. Diod. Sic. XI 3), d. h. die Ländereien sollten Eigentum des delphischen Tempels werden und den Zehnten des Ertrags dahin abführen. In derselben Weise ist auch Xen. hell. VI 5, 35, sowie Strab. VI 257. XII 572 u. a. zu verstehen. Über die abweichende ältere Ansicht vgl. u. a. Baehr zu Herod. VII 132. Im allgemeinen s. auch Art. Decuma.

• 2. Uralt scheint auch die Weihung des Zehnten von der Kriegsbeute oder anderem Zuwachs des Besitzes, sei es von seiten des Staats oder des einzelnen, an die Götter, die man wohl damit als die eigentlichen Eigentümer anerkennen wollte. Von der δ. ἀπὸ τῶν πολεμίων gelten die Ausdrücke δ. εὔχεσθαι (geloben), ἒξελεῖν (aussondern), ἀναθεῖναι (weihen). Die Weihung geschah zumeist in der Weise, dass aus dem zehnten Teile des Erlöses ein Prachtgefäss, eine Bildsäule oder dgl. beschafft wurde; daher gebraucht Paus. I 28, 2 den Ausdruck δεκάται für die Kunstwerke selbst. Vgl. die goldene Schale des Zeustempels von Olympia (Paus. V 10, 4: τὰν δεκάταν νίκας εἵνεκα τῷ πολέμω), und ähnlich vom Handelsgewinn das eherne Weihgeschenk, das die Samier ihrer Hera darbrachten, Herod. IV 152. Besonders lehrreich ist die Darstellung Xenophons anab. V 3, 4ff. Bei der Teilung der Beute wird der Zehnte für Apollon und Artemis ausgesondert und zur Verwahrung unter die Strategen des rückkehrenden Griechenheeres verteilt. Von dem auf ihn fallenden Teile lässt Xenophon für Apollon ein Weihgeschenk mit seinem und des Proxenos [2424] Namen im Schatzhaus der Athener zu Delphi aufstellen; für Artemis errichtet er ein Heiligtum in Skillus mit einem Grundstück, von dessen Ertrag der Zehnte (im Sinne von 1.) zu einem festlichen Opfer verwendet wird. Wohl nach dem Muster der von Xenophon a. a. O. mitgeteilten Steleninschrift die wörtlich übereinstimmende von Ithaka, CIG II 1926. In Athen war die Weihung des Zehnten an Athene üblich, CIA I 349ff., bes. 403: εὐξάμενος δεκάτην Παλλαδι τριτογενεῖ. II 1422 u. a. Der Staat weihte den Zehnten der Athene, den Fünfzigsten den übrigen Göttern, Dem. XXIV 120. 128. In ähnlicher Weise, wie von der Kriegsbeute, weihte der Staat auch von den ihm zufallenden Geldstrafen und eingezogenen Gütern den zehnten Teil den Göttern; vgl. Ἐπιδέκατον.

• 3. Gleichfalls im Sinne eines gewissen Hoheitsrechts wird der Zehnte auch als Eingangs- oder Durchfahrtszoll erhoben. Eine alte Abgabe dieser Art in Babylon erwähnt [Aristot.] Oec. II 35 (νόμου ὄντος ἐν Βαβυλωνίᾳ παλαιοῦ δεξάτην εἶναι τῶν εἰσαγομένων). Bei weitem die bekannteste aber war der Sundzoll bei Byzanz, mit dem Athen die pontische Schiffahrt belastet hatte. Nach M. Duncker S.-Ber. Akad. Berl. 1885, 548 hat Perikles auf seiner Fahrt nach dem Pontos ihn eingerichtet; Ol. 86, 2 wird von der Verpachtung einer δ. gesprochen CIA I 32 A 7, und Ol. 88, 3 werden Ἑλλησποντοφύλακες erwähnt CIA I 40, die wohl damit in Zusammenhang stehen. Vielleicht nach einer Unterbrechung während des peloponnesischen Krieges errichtete Alkibiades dann im J. 411 die befestigte Zollstätte (δεκατευτήριον) Chrysopolis am Bosporos, Xen. hell. I 1, 22. Polyb. IV 44, 4. Mit dem Unglück von Aigospotamoi ging natürlich auch dieser Zoll verloren; 390 verpachtete ihn Thrasybul von neuem, als Byzanz durch Archebios 3 und Herakleides in die Hände der Athener gekommen war, Xen. hell. IV 8, 27. Dem. XX 60. Doch schon drei Jahre später wird der Friede des Antalkidas auch ihm ein Ende bereitet haben. Die gewiss bedeutenden Erträge des Sundzolls flossen in die Casse der Hellenotamien, Beloch Rh. Mus. XXXIX 1884, 34. Über seine spätere Erhebung durch die Byzantier und die dadurch herbeigeführten Verwicklungen vgl. Polyb. III 2, 5. IV 46ff. Der Name der Zollpächter, mögen dies nun einzelne oder (Schömann-Lipsius Gr. Alt. I 489) Gesellschaften gewesen sein, war δεκατῶναι (Poll. VI 128. IX 29), während δεκατευταί (Harp. Hesyeh.) und δεκατηλόγοι (Harp. Bekk. Anekd. I 239. Poll. I 169. II 124. VI 128. IX 29. Dem. XXIII 177) wohl die mit der Erhebung Betrauten bezeichnete. Ein Wort δεκατώνια = δεκατευτήρια erwähnt Poll. IX 29.

• 4. In gänzlich anderem Sinne bezeichnet δ. in der Redensart δεκάτην (sc. ἡμέραν) θύειν oder ἑστιᾶν den zehnten Lebenstag des neugeborenen Kindes, an dem bei Gelegenheit eines Festmahls für Verwandte und Freunde die Namensgebung stattfand, Aristoph. Vög. 922f. mit Schol. [Dem.] XXXIX 20. 22. 24. LX 28. 58. Bekk. Anekd. I 237.

[Koch. ]