Prachtwerke für den Weihnachtstisch
[839] Prachtwerke für den Weihnachtstisch. Aus der Reihe luxuriös ausgestatteter Prachtwerke, an welchen die vorweihnachtliche Zeit stets so reich ist, greifen wir heute im Folgenden nur einige wenige Publicationen heraus, auf die wir die Aufmerksamkeit unserer Leser besonders hinlenken möchten.
Rom, eine Schilderung der ewigen Stadt und der Campagna. Von Dr. Rudolf Kleinpaul.
„Wer Rom nicht sieht, der kann nicht glauben, wie schön es ist,“ sagt das Sprüchwort. So kann uns auch das Kleinpaul’sche Werk nur einen Schatten bieten von dem, was die „heilige Stadt“ in Wirklichkeit ist. Aber so groß ist die Schönheit Roms, daß dieser Schatten genügt, uns mit jenem eigenthümlichen Behagen des Genießens zu erfüllen, das wir im Anblicke eines zugleich großen und schönen Gegenstandes empfinden. Der ebenso klar und durchsichtig wie lebhaft und anschaulich geschriebene Text des dankenswerten Werkes führt uns in das Rom der Gegenwart, aber er läßt uns neben der stolzen Metropole des heutigen Italien auch die alte Siebenhügelstadt schauen, so weit sie noch in den Trümmern der antiken Herrlichkeit fortlebt; er läßt uns dieselbe auf der Wanderung durch Rom ahnen, so oft uns die Gegenwart eine Parallele um der Vergangenheit nahe legt. Jeder Platz, jeder Stein, jede Ruine, welche das Werk schildert, predigt uns große Erinnerungen. Namen genügen: Das Capitol, das Forum, die Via Sacra, die Katakomben – alle diese Stätten der einstmaligen Hauptstadt des Erdkreises, der „Niobe der Nationen“, wie ein großer Dichter sie nannte, treten uns neben den Prachtbauten der Gegenwart aus dem Kleinpaul’schen Werke lebhaft vor’s Auge, und nicht nur das Wort, auch das Bild vermittelt uns hier die Kenntniß Roms; denn nicht weniger als 368 Textillustrationen und Vollbilder werden das Werk schmücken, welches nach seiner Vollendung 36 Lieferungen, von denen heute 8 zur Ausgabe kamen, umfassen wird. Nach dem bis jetzt Vorliegenden können wir dem Werke das beste Prognostikon stellen; namentlich die vortrefflich ausgeführten Illustrationen, die theilweise wahre Kunstwerke der Xylographie genannt werden müssen, brauchen die strengste Kritik nicht zu fürchten.[1]
Ariost's „Rasender Roland“. Illustrirt von Gustav Doré.
Metrisch übersetzt von Hermann Kurz. eingeleitet und mit. Anmerkungen
versehen von Paul Heyse (Breslau, S. Schottlaender).
Dieses Prachtwerk - das Wort ist hier in seiner vollsten Bedeutung zu nehmen - liegt uns nunmehr mit seinen 81 großen Bildern und 525 in den Text gedruckten Holzschnitten vollständig vor. Ein Vergleich der meisterhaften, phantastischen Zeichnungen Doré’s mit den romantischen Versen des italienischen Dichters überzeugt uns sofort, daß sich hier Wort und Bild überraschend ergänzen und daß der kühne Stift des Zeichners, welcher durch seine Illustrationen zum Bibelwerk, zu Don Quixote, zu Dante und Milton längst seinen Ruf begründet hat, hier der üppigen Phantasie Ariost’s mit seltenem Glück in das Land des Fabelhaften und Wunderbaren zu folgen vermochte. Da fesseln unser Auge in wechselnder Folge orientalische Landschaften mit Zauberschlössern, die in magischer Beleuchtung glänzen, schattige Haine, aus deren Bäumen Hunderte von Amoretten ihr schalkhaft-lustiges Spiel treiben, Reiterschaaren der Christen und der Heiden, fabelhafte See-Ungeheuer und was die Phantasie des Malers uns sonst, die Dichtung erklärend, vor’s Auge zu stellen verstand. In alle diese Meisterwerke der Zeichnung und Holzschneiderei aber drängen sich außerdem, in den Text gestreut, kleine humoristische Bilder, die durch ihre groteske Figuration die lebhafteste Heiterkeit des Beschauers erregen. Ueber den Werth der Ariost’schen Dichtung brauchen wir kaum ein Wort zu verlieren. Hat doch Goethe von diesem italienischen Liebling der Musen so treffend gesagt:
„Wie die Natur die innig reiche Brust
Mit einem grünen, bunten Kleide deckt,
So hüllt er alles, was den Menschen nur
ehrwürdig, liebenswürdig machen kann,
In’s blühende Gewand der Fabel ein.“
Aber aus Ariost’s Weisen klingt oft gar übermüthig eine allzu üppig blühende Sinnlichkeit hervor, die heutzutage Anstoß erregen möchte, während sie in den üppigen Zeiten der Renaissance durchaus nicht aus den Grenzen erlaubter geselliger Scherzhaftigkeit heraustrat. Hier hat nun der berühmte Herausgeber, Paul Heyse, in dankenswerter und sehr geschickter Weise die etwa anstößigen Stellen entfernt und so sein Ziel erreicht, ein Werk zu schaffen, welches einer gesunden bürgerlichen Zucht und Sitte Rechnung trägt und dennoch die eigenartige Welt Ariost’scher Dichtung zur vollsten Geltung bringt. Die Uebersetzung selbst ist die Arbeit eines anerkannt geistvollen Dichters, des zu früh verstorbenen Hermann Kurz, welcher mehrere Jahre seiner reifsten und frischesten Kraft an die Lösung dieser Aufgabe gewendet hat.
Odin. Nordisch-germanische Göttersage von A. Kayser-Langerhannß.
Mit 12 Illustrationen in Lichtdruck und zahlreichen Vignettten von
E. Ph. Fleischer (München, Friedr. Bruckmann).
Wir wollen uns hier nicht aus die Erörterung der Frage einlassen, ob die Neubelebung der alten nordischen Göttersage im Bewußtsein der Gegenwart als ein literarisches oder pädagogisches Bedürfniß empfunden wird und ob somit die jüngsthin sich mehrende poetische Bearbeitung von Stoffen aus dem Gebiete der Edda und anderer nordischer Sagenquellen vom nationalen Standpunkte aus zustimmend oder ablehnend zu betrachten ist. Die Berechtigung solchen Zurückgreifens in die nordisch-germanische Göttersage aber für die poetische Production der Gegenwart zugegeben, scheint uns in erster Linie zweierlei geboten: die Vermenschlichung der in der nordischen Sagenwelt niedergelegten moralischen und ethischen Ideen und die Entkleidung der Gestalten jener Welt von dem Rauhen und Starren, das ihnen für unser empfinden störend anklebt. Die auf dem Gebiete der Lyrik und Novellistik rühmlich bekannte Agnes Kayser-Langerhannß hat es in ihrer großen epischen Dichtung „Odin“ verstanden, diesen beiden Anforderungen, die der moderne Geschmack an die Bearbeitung altnordischer Stoffe stellt, gerecht zu werden, ohne dadurch den eigentümlichen Charakter jener Stoffe zu verwischen.
Ihre Verse athmen eine hohe Formvollendung und führen uns, ähnlich wie in Tegner’s herrlicher „Frithjof-Saga“ auf wechselnden, Rhythmen und in den verschiedenartigsten Strophengebäuden in die wunderbar poetische Welt des nordischen Alterthums. Es ist viel stimmungsvolle Anschaulichkeit, viel märchenhafte Malerei und daneben manch ernster Gedanke von philosophischer Bedeutung in dieser werthvollen Dichtung niedergelegt. Die Fleischer’schen Illustrationen, welche ein feines künstlerisches Empfinden, viel Phantasie und einen ungewöhnlichen poetischen Duft bekunden, fügen sich den Versen als eine dankenswerte bildliche Ergänzung harmonisch an und erhöhen die schöne, kräftige Wirkung der stilvollen Dichtung auf’s Beste.
Palästina in Bild und Wort nebst der Halbinsel Sinai und
dem Lande Gosen von Georg Ebers und Hermann Guthe
(Stuttgart, E. Hellberger).
Die zahlreichen hier gebotenen prachtvollen Stahlstiche und meisterhaften Holzschnitte scheinen, soweit sich nach den ersten Lieferungen dieses Prachtwerkes urteilen läßt, zu dem Besten zu gehören, was in dieser Beziehung der internationale Buchhandel in letzter Zeit geleistet hat. Die Illustrationen sind durchweg aus der Hand englischer Meister hervorgegangen; denn „Palästina in Bild und Wort“ ist ein englisches Originalwerk, welches gleichzeitig in deutscher und französischer Ausgabe erscheint. Zu betonen ist jedoch, daß der Text des deutschen Prachtwerkes zwar nach dem englischen Original bearbeitet, aber in vielfacher Beziehung von Georg Ebers und Hermann Guthe ergänzt und mit Anmerkungen über die Resultate der deutschen Palästinaforschung versehen wurde.
Lieder der Heimath. Herausgegeben von Ludwig Bund (Iserlohn,
J. Baedeker).
Weniger umfangreich und in künstlerischer Ausstattung den letztgenannten Prachtwerken nicht gewachsen, aber der deutschen Familie durch gemüthswarmen Inhalt um so sympathischer sind die „Lieder der Heimat“ eine Sammlung der vorzüglichsten Dichtungen im Bilderschmucke deutscher [840] Kunst. Das Werk erscheint gegenwärtig in neuem Gewande, in siebenter Auflage, und wird sich nach wie vor der Gunst der deutschen Leserwelt zu erfreuen haben. Auf seinen reichverzierten Blättern begegnen wir auch vielen treuen Mitarbeitern unseres Blattes, manchem Dichter und Künstler der „Gartenlaube“. Da hallt, rauscht und singt es in den verschiedenartigsten Weisen aus dem deutschen Dichterwalde; da finden wir die sämmtlichen Tonarten heimischer Muse von Heine’s „Hör’ ich ein Liedchen klingen“ bis zu Hermann Lingg’s „Letztes Schlachtlied der Vandalen in Afrika“. Den Alten wird dieses Buch aufrichtige Freude bereiten, der reiferen Jugend aber ist es ein gutes Bildungsmittel für Geist und Herz.
Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland.
- Von Dr. R. Graf Stillfried Alcántara und Professor Dr. Bernhard Kugler. Illustrirt von den ersten deutschen Künstlern (München, Fr. Bruckmann).
Schließlich bemerken wir noch, daß das Prachtwerk „Die Hohenzollern“, auf welches wir bereits früher (Nr. 18) mit warmer Auszeichnung hingewiesen haben, nunmehr soweit zur Ausgabe gelangt ist, daß der äußerst geschmackvoll ausgestattete erste Band desselben als passendes Weihnachtsgeschenk fertig vorliegt. Wir geben dem in jeder Beziehung empfehlenswerthen Werke die besten Wünsche mit auf den Weg in die Heimstätten der deutschen Familie.
- ↑ Wir entnehmen (vergl. S. 833) dem trefflichen Werke mit Erlaubniß der Herren Verleger eine Illustration. Dieselbe stellt einen Theil der Ruinen der Thermen (Bäder) des Caracalla dar, und zwar das Caldarium, also die Stelle, wo der unterste Kessel sich befand. „Die gesammte Anlage der Thermen des Caracalla“ heißt es in dem Kleinpaul’schen Werke, „maß 330 M. im Quadrat; das eigentliche Thermengebäude, welches innerhalb dieses Quadrats stand. war ein Oblongum und 220 M. lang, 114 M. breit. In der Mitte desselben lag im Kellergeschoß der große Ofen, der zunächst zur Luftheizung gebraucht ward. Ueber dem Ofen waren in ingeniöser, holzsparender Weise drei Kessel (ahena) über einander angebracht; aus dem obersten (frigidarium) floß kaltes Wasser in den mittleren (tepidarium) und von hier, abgeschlagen, in den untersten (caldarium), um heiß zu werden. Aus jedem Kessel gingen Röhren, die mit silbernen Hähnen versehen waren, in die Bäder: der oberste erhielt sein Wasser aus einem Reservoir, das durch einen besonders dazu angelegten Aquäduct gespeist ward. Die Einrichtung der Bäder selbst war ganz die der irisch-römischen, wie man sie in jeder größeren Stadt, und speciell im Oriente, findet.“