O. L. B. Wolff’s Verdienste

Textdaten
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Autor: Rudolph Doehn
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Titel: O. L. B. Wolff’s Verdienste
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 111–112
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[111] O. L. B. Wolff’s Verdienste um unsere schöne' Literatur beginnen endlich auch für seine hinterlassenen Lieben nachträgliche Früchte zu tragen. Trotzdem die „Gartenlaube“ seinen Aufruf, keine Bitte für dieselben erlassen, sondern nur des seltenen Mannes Wirken und Leiden der Gegenwart vor Augen gestellt hat, so sandte dennoch „ein alter Freund Wolff’s" [112] Taylor erzählt, daß Fritz Reuter sich durch seine literarischen Arbeiten ein recht comfortables Leben zu bereiten im Stande ist, und knüpft hieran eine Reihe interessanter, wenn auch nicht immer zutreffender Bemerkungen über die deutsche Journalistik überhaupt, von denen wir nur folgende hervorheben wollen: „Reuter’s Erfolge als Schriftsteller lassen sich mit dem, was englische, französische und nordamerikanische Autoren erreicht haben, kaum vergleichen. In Deutschland wird eben das Schriftstellerthum – trotz der großen intellectuellen Bildung und trotz des wissenschaftlichen Strebens im deutschen Volke – sehr kläglich honorirt. Ich vermuthe, daß der Grund dieser bedauernswerthen Erscheinung vorzüglich darin liegt, daß so wenige Menschen aus dem Mittelstände daran denken, sich eine eigene leidliche Bibliothek anzuschaffen. Die Leihbibliotheken liefern dem Volke den billigsten Lesestoff, und nur von wenigen Werken, welche eine ganz besondere Popularität, errangen, ist eine starke Anzahl verkauft worden. In diesen Leihbibliotheken gibt es nicht blos Bücher, sondern auch periodische Zeitschriften. Letztere müssen hierdurch an Circulation verlieren und sind, wenn sie überhaupt Privatsubscriptionen haben wollen gezwungen, zu einem höchst niedrigen Preise zu erscheinen. Wenige von den vielen periodischen Zeitschriften Deutschlands erreichen eine Ausgabe von zehntausend Exemplaren; daher sind die Honorare für die Mitarbeiter selbstverständlich sehr gering. Keil’s ‚Gartenlaube‘ macht hiervon eine Ausnahme; ihre Auflage beträgt mehr als einhundert und fünfzigtausend Exemplare und sie bezahlt, wie man mir gesagt, fünfzig Thaler für den Bogen, der ungefähr so viel Lesestoff bietet, wie vier oder fünf Spalten der ‚New-York Tribune‘ liefern. Diese Bezahlung gilt für ungewöhnlich hoch, und man nennt sie thatsächlich noch immer Honorar, als wenn die Entschädigung der Schriftsteller für ihre Arbeiten nicht etwas sei, wozu, sie in jeder Beziehung, berechtigt wären.“

Wir dürfen hier übrigens die Bemerkung nicht zurückhalten, daß Herr Bayard Taylor hinsichtlich der „Gartenlaube“ irrt. Alle, welche mit der „Gartenlaube“ längere Zeiten Verbindung standen, wissen, daß sowohl ihre Auflage als das Honorar, welches sie zahlt, höher sind, als wie Taylor angiebt. Ihre Auflage beträgt jetzt mehr als 250 000 Exemplare, und fünfzig Thaler pro Bogen ist der niedrigste Honorarsatz, den sie kennt und der höchstens einmal bei Bearbeitungen aus fremden Sprachen angewandt wird. Sie zahlt vielen ihrer Mitarbeiter den Bogen mit hundert und mehr Thalern.

Das Verhältnis zwischen den Schriftstellern und Buchhändlern ist, wie Taylor meint, in Deutschland nicht so gut geregelt, wie in England und Nordamerika. Selbst Dichter, wie z. B. F. Freiligrath, können von dem Ertrage ihrer werthvollen und sehr populären Werke nicht leben. Eine große Anzahl deutscher Autoren sucht, sobald ihre Schriften irgendwie reussirt haben, eine Anstellung bei einer größern öffentlichen Bibliothek, bei einem Theater oder einem Museum zu erhalten, um sich eine sichere Einnahme zu verschaffen. Taylor nennt hier zum Belege seiner Behauptung: Bodenstedt, Geibel, Dingelstedt, Halm u. A. Der Preis eines Buches hängt von dem Grade der Berühmtheit des Autors ab. Jüngere Kräfte müssen mit dem zufrieden sein, was man ihnen bietet, wenn man ihnen überhaupt etwas bietet. Die Einnahmen, welche Schiller’s Werke geliefert, stehen nach Taylor’s Ansicht in gar keinem Verhältnisse zu dem, was Washington Irving oder Dickens aus ihren Werken zogen. Dazu kommt, daß ein amerikanischer Schriftsteller viel mehr aus seinen Vorlesungen einnimmt, als wie dies bei deutschen Autoren durchschnittlich der Fall ist. „Während Emerson,“ sagt Taylor, „nach Iowa und Minnesota zu Vorlesungen eingeladen wird, würde es sehr zweifelhaft gewesen sein, ob Hegel oder Fichte anderswo Zuhörer gefunden hätten, als in Hauptstädten und Universitäten.“ (Emerson ist auch weder ein Fichte noch ein Hegel; diese würden in Amerika vielleicht nirgends Zuhörer gefunden haben. Auch scheint Taylor von den Vorlesungen Karl Vogt’s Nichts zu wissen, welche diesem während des Winters allein sechs- bis achttausend Thaler Reingewinn bringen. D. Red.)

Schließlich gesteht Taylor zu, daß in den Vereinigten Staaten noch keine wirkliche Geschichte der nordamerikanischen Literatur erschienen sei. Er beklagt, daß er hierin Herrn K. F. Neumann Recht geben müsse, und spricht dabei die Ansicht aus, es würde ein verdienstliches Werk sein, wenn Jemand eine Geschichte der nordamerikanischen und europäisch-englischen Literatur herausgäbe, worin die Unterschiede des Mutter- und des Tochterlandes hervorgehoben seien. Auch leugnet er nicht, daß Amerika, wenn es der Zahl nach auch mehr Leser besitze, hinsichtlich der Fähigkeit und tiefern Bildung derselben weit hinter Deutschland zurückstehen müsse. Mit großer Freude begrüßt er die Thatsache, daß man gegenwärtig häufig das amerikanische Leben als ein Element des Contrastes und der Illustration in die deutsche Literatur einzuführen beginne. Er erwähnt hier als ein nachahmungswürdiges Beispiel Herman[WS 1] Grimm’s „Unüberwindliche Mächte“ (Unconquerable Powers), denen er einen guten englischen Uebersetzer wünscht. In dem Haupthelden dieser Dichtung, Mr. Wilson, will er den geistreichen Emerson wiedererkennen, dessen erster Uebersetzer H. Grimm ist.

Rudolph Döhn.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hermann