Textdaten
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Titel: Neue Bauten in Egypten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 133-134
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Neue Bauten in Egypten.

Wir haben von einer Suez-Eisenbahn gehört und den Suez-Canal bereits in der Gartenlaube[1] gesehen. Der große, älteste Culturstrom der Menschheit, der Nil, hängt damit zusammen und wird uns in den nächsten Jahren öfter Gelegenheit geben, von ihm zu sprechen, wenn er die Geheimnisse seines Hauptursprungs, seit Jahrtausenden vergebens gesucht, der großen egyptischen Expedition, die jetzt auf Befehl des Vicekönigs „unter allen Umständen“ bis an seine Quellen vordringen soll, in der afrikanischen Schweiz oben, den geheimnißvollen Mondgebirgen, mit der ewig schneebedeckten Kilimangaro-Spitze am Aequator offenbart haben wird. Aber so weit ist die Expedition noch nicht, desto weniger wir. Er gibt uns aber auch in seinem tausendmeiligen, ganz Egypten befruchtenden Laufe ohnehin genug zu thun. Es würde schon viel Zeit und Schilderungstalent kosten, die Wunder und Herrlichkeiten seiner Delta-Mündungen darzustellen, besonders seitdem die ungeheuersten Wasserbaukünste sich zwischen den Zungen derselben erheben. Auf diese wollen wir denn hier auch blos aufmerksam machen.

Sie sind ein Werk, an welches das gebildete Europa nicht glaubte, von welchem die geschicktesten Wasserbaumeister und Ingenieurs Mehemet Ali, der auf diesen gigantischen Gedanken gekommen war, abriethen, da die Ausführung unmöglich sei. Aber der alte Vicekönig, dessen uralte Vorfahren Pyramiden und Obelisken fertig gekriegt, meinte, auch die Bewältigung und Regierung der ungeheuern Nilwassermassen, die segnend und verwüstend alle Jahre sein Land überschwemmen, müsse möglich sein. Er versuchte es mit einem französischen Ingenieur und 15,000 Arbeitern und ist jetzt im Wesentlichen fertig.

Es galt die Eindämmung des Nils für Unter-Egypten, um die Ueberfülle der Ueberschwemmung auch für die Zeiten der Dürre nutzbar zu machen und die Ueberfluthungen selbst für Ackerbauzwecke zu reguliren.

Der Plan war ausgearbeitet und im Frühlinge 1847 für Ausführung in Stein reif. So legte Mehemet Ali selbst am 9. April 1847 feierlich den Grundstein inmitten der höchsten muhamedanischen Geistlichkeit und weltlicher Beamten und Gesandten, umgeben von 15,000 schwarzen und braunglänzenden Arbeitern. Der Oberpriester sprach Allahs Segen über das Werk mitten in einem Meere rothen, rauchenden, warmen Blutes, das 50 Opfer-Buffalo Ochsen zu diesem Zwecke abgezapft worden war. Das Fleisch der Opferthiere und viele andere erprobte Mittel gegen Hunger und Durst verzehrten die 15,000 schwarzen Arbeiter unter der heißen Sonne Egyptens auf großer gelber Ebene, und die Gesandten, Minister und Großen des Staates bankettirten als Gäste Mehemet Ali’s in seiner großen Palasthalle zu Kairo.

Die Nil-Eindämmungs-Bauten.

Der Boden Egyptens gewährt unter heißer Sonne und aus dem befruchtenden Segen des alten Vater Nil jährlich zwei Ernten. Das Winterhalbjahr reift Korn, anderes Getreide und Flachs, Produkte, die ihre Kraft jedes Jahr aus den September-Ueberschwemmungen des Nil ziehen. Die Sommerernte: Indigo, Zucker, Baumwolle u. s. w. gedeiht nur durch künstliche Bewässerung. Aber die künstliche Bewässerung kostet Arbeit, Geld und Bildung. Der egyptische Bauer begnügte sich daher oft mit der Winterernte und ließ den besten Ertrag seines Bodens in der Erde stecken.

Dies gefiel dem alten Vicekönig nicht, zumal da seine Steuereinnehmer den faulen Bauern erst ausklopfen und ausschütteln mußten, „was des Königs ist.“ Sie nahmen ihre Baarschaft gern in den Mund, den sie so lange fest zuhielten, bis sie unter den Hieben der Obrigkeit laut aufschrieen. Andere wurden bei den Füßen mit dem Kopfe nach unten so lange geschüttelt, bis die so umgekehrten Steuerverweigerer ihre bessere Ansicht baar ausspieen.

Mehemet Ali beschloß, für Wasser in der Zeit der Dürre zu sorgen, um den Bauern Gelegenheit zu geben, Geld daraus zu fischen, die Ueberfülle des Septembers aufzufangen, und für die Sommerernte aufzusparen. Dazu brauchte er gigantisches Dammwerk, die Verwüstung des Wassers bei der Überschwemmung ab- und für die trockne Jahreszeit zurückzuhalten, ferner Canäle, um die aufgefangenen Gewässer über das Land hin zu leiten. Das [134] ziemlich vollendete, gigantische Werk sichert jetzt für ganz Unter-Egypten die doppelte Ernte. Es besteht außer den geschlossenen Dämmen aus zwei ungeheueren Schleußen-Brücken und Thoren im Kopfe des Delta (wo sich die Nilarme trennen), einer auf dem Rosetta-, der andere auf dem Damietta-Arme. Sie sind durch einen 4500 Fuß langen, gekrümmten Damm verbunden, der eine trennende Brüstung zwischen beiden Armen bildet. Die beiden Fluththore, etwa eine halbe französische Meile von einander, geben einen großartigen Anblick auf die von ihnen gefesselten Wassermassen, von welchen drei Hauptcanäle, jeder 330 Fuß weit, gespeist werden, die ihrerseits sich weit und breit immer feiner durch ganz Unter-Egypten verästeln und adernd verlieren. Der erste durchschneidet das Delta, der zweite die Provinz Alexandria und der dritte die östlichen Provinzen, die Egypten von Syrien trennen. Unsere Abbildung ist getreue Copie eines Anblickes dieser gigantischen Bauten, wie er sich im Sommer 1856 über dem Rosetta-Arme bot. Der Damm läuft hier in eine Fluthbrücke von 1500 Fuß Länge mit Bogen von 45 Fuß Spannung für Barken und andere kleinere Schiffe.

Einen erhabenen Eindruck machen die alten gigantischen Pyramiden, die so unsterblich und stumm seit vielen Jahrtausenden aus dem Sande emporstarren, aber was sind sie mit ihren vertrockneten Mumien gegen Titanen-Arbeiten, die nicht den Himmel stürmen, aber wohl die heiße, trockene Sandebene, um ihr jedes Jahr süßes Zuckerrohr, Meere von Baumwollenblüthen, kostbare Farbhölzer und blühenden Wohlstand für Millionen abzunöthigen.



  1. Siehe Gartenlaube, Jahrgang 1856. Nr. 8.