Minnesold
Minnesold.
(Frühling 1773.)
Wem der Minne Dienst gelinget,
O wie hoch wird der belohnt!
Keinen bessern Lohn erringet,
Wer dem grössten Kaiser frohnt.
Frohnt er selbst um Minnesold.
Was sind Gold und Edelsteine?
Was des Moguls Perlenpracht?
Minnesold ist doch alleine,
Perlen, Edelstein und Gold
Nähm’ ich nicht für Minnesold.
Minnesold lässt Amt und Ehren,
Goldnen Sporn und Ritterschlag,
Was der Kaiser geben mag.
Ehre lacht nicht halb so hold,
Als der Minne Freudensold.
Nirgends labet wohl hienieden
Süsseres ist nur beschieden
Seligen im Paradies.
Süss ist, was die Biene zollt,
Süsser dennoch Minnesold.
Aller Freuden Mark und Saft;
Minnesold hat aller Leiden,
Aller Leiden Heilungskraft.
Was der Balsamstaud’ entrollt
Minnesold lehrt frei verachten
Aller Fährlichkeiten Not,
Flammen, Wasserfluten, Schlachten,
Lehrt verschmähen jeden Tod.
Stürb’ ich doch für Minnesold!