Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Werkzeuge“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 537
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Werkzeuge. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 537. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Werkzeuge (Version vom 06.12.2023)

[537] Werkzeuge, von Menschenhand in Thätigkeit gesetzte Vorrichtungen (Handwerkzeuge) zur Bearbeitung von verschiedenen Materialien, zum Gebrauch im Bergbau, in der Landwirtschaft, im Hauswesen etc. Die prähistorischen Funde zeigen W. einfachster Art aus Holz, Knochen, Fischgräten, Stein, Thon, Kupfer, Bronze, Eisen (vgl. Steinzeit und Metallzeit), meist aber in Formen, welche auch den später benutzten Werkzeugen zu Grunde liegen. Man teilt die W. ein nach den Gewerben, übersichtlicher nach der Art ihrer Wirkung in deformierende (Hammer und Amboß, Gesenke, Prägwerkzeuge, Walzen, Drahtzieheisen etc.), schneidende, stechende, schabende, schleifende (Meißel, Messer, Axt, Hobel, Säge, Schere, Fräse, Bohrer, Feile, Raspel, Nadel, Ahle, Ziehklinge, Reibahle, Schleifstein etc.) und in passive (zum Anfassen und Festhalten: Zangen, Schraubstock, Hobelbank, Presse; zum Messen und Zeichnen: Maßstab, Zirkel, Lehre, Winkelmaß, Setzwage, Körner, Linienreißer etc.). Die W. wurden früher allgemein zum eignen Gebrauch in den Werkstätten hergestellt; in neuerer Zeit entstanden Werkzeugfabriken in England (Sheffield) und Deutschland (Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen). Vgl. Röntgen, Der Werkzeugfabrikant (Weim. 1876); Noiré, Das Werkzeug und seine Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte der Menschheit (Mainz 1880).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 983984
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[983] Werkzeuge. Preßluftwerkzeuge sind W., welche direkt von Preßluft in Thätigkeit gesetzt werden. Sie beruhen auf dem Prinzip, das arbeitende Werkzeug in außerordentlich schnelle Hin- und Herbewegung zu setzen, also durch kurze, aber sehr rasch aufeinander folgende Schläge zur Wirkung zu bringen. Die jetzt übliche Konstruktion (Patent Coy) geht aus der Fig. 1 in halber natürlicher Größe hervor.

Fig. 1. Preßluftwerkzeug, Längs- und Querschnitt.

Dasselbe besteht der Hauptsache nach aus drei konzentrisch übereinander geschobenen Cylindern A, B, C, wovon der innere (A) einen Arbeitskolben bildet, der durch die Preßluft die Hin- und Herbewegung erhält und mittels eines Luftkissens auf den Werkzeughalter E und somit auf das in E eingesteckte Werkzeug D überträgt, ohne E zu berühren. Durch die vermittelst eines Schlauches bei F eingeführte Preßluft erfolgt die Bewegung des Kolbens A nebst dessen Steuerung folgendermaßen. Der Kolben ist in der Mitte normal zur Achse mit einer runden Bohrung L zur Aufnahme eines Rundschiebers versehen, der die Zuführung und Abführung der Luft regelt und zwar in der Weise, daß die letztere abwechselnd auf beide Seiten des Kolbens A gelangt. Zu dem Zwecke besitzt der Cylinder B Abflachungen, welche mit Bohrungen im Cylinder A in und außer Verbindung gebracht werden können. Die schwarz gezeichneten Abflachungen führen die Luft zu, die mit Kreuzschraffierung versehenen führen die Luft ab. Zur Verbindung dienen die mit 1, 2, 3, 4, 5 bezeichneten Kanäle. Bei der in der Figur gewählten Stellung des Steuerkolbens L gelangt die durch b zutretende Preßluft aus dem Kanal 3 durch den Kanal 4 über den Kolben A, während die unter demselben befindliche durch 2, 1, d entweicht. Die Verschiebung des Steuerkolbens hat die aus a austretende Preßluft bewirkt. Sowie jetzt A so weit vorrückt, daß a bedeckt wird, tritt L vor c und b und verschiebt sich, so daß 3 mit 2 und 4 durch 5 mit c in Verbindung tritt, wodurch die Kolbenbewegung umgekehrt wird, während die obere Preßluft durch die abwechselnd mit d und c verbundene Öffnung X ins Freie gelangt. Der [984] beschriebene Vorgang vollzieht sich so schnell, daß der Schlagkolben A mindestens 6000–10,000 Schläge in der Minute ausführt, also auch den Werkzeughalter E und damit das Werkzeug D ebenso oft zur Wirkung bringt. Bei dieser erstaunlich großen Anzahl von Schlägen ist die Leistung dieses pneumatischen Werkzeugs eine sehr bedeutende. Seine Hauptverwendung findet dasselbe zur Bearbeitung der Steine bei Steinmetzen und Bildhauern, wobei sich gezeigt hat, daß ein Arbeiter mit Benutzung dieses sehr bequem mit den Händen zu haltenden und zu regierenden Werkzeugs seine Leistung auf das Sechsfache steigern kann. Zugleich ist er im stande, durch Auflegen des Daumens auf die Luftaustrittsöffnung X das Werkzeug sofort zum Stillstand zu bringen oder durch teilweisen Verschluß dieser Öffnung die Schläge zu regulieren. Besonders wichtig scheint das Preßluftwerkzeug zur Bearbeitung bereits versetzter Steine, um Reliefs an Bauwerken (Giebelfeldern, Kapitälen etc.), Grabdenkmälern u. dgl. hervorzubringen. Ferner ist dasselbe überhaupt vorzüglich geeignet, alle Arbeiten zu leisten, die sonst allgemein mit Hammerschlägen ausgeführt werden (Punzen, Ziselieren, Nieten, Treiben der Metallarbeiter; Stemmen, Stechen der Holzarbeiter; Schrämmen in Steinkohlenflözen; Stampfen und Pulvern in Apotheken etc.). Mittels einer einfachen Vorrichtung festgestellt, ersetzt dasselbe einen einfachen, aber äußerst wirksamen kleinen mechanischen Hammer, der in den Werkstätten der Kleinmechaniker, Uhrmacher, Gold- und Silberschmiede etc. von großem Nutzen zu werden verspricht.

Expansionsdorn. Um hohle Körper bequem auf der Drehbank einspannen zu können, bedient man sich der sogen. Expansionsdorne, welche, in den Hohlkörper geschoben, denselben nicht nur genügend festhalten, sondern auch zentrieren sollen. Einen sehr einfachen Dorn dieser Art zeigt Fig. 2. Auf der zwischen

Fig. 2. Expansionsdorn.

den Drehbankspitzen auf gewöhnliche Weise in Umdrehung zu versetzenden Spindel AA befindet sich ein Rohr B mit sechs beweglichen, genau gleichen Armen aa, welche sich auf die halbkugeligen Scheiben C und D legen, wovon D ein Muttergewinde für die auf AA vorhandene Schraube besitzt. Wird nun die Spindel AA mittels eines Schraubenschlüssels in der Richtung gedreht, daß D sich C nähert, so stellen sich die Arme aa durch den Andruck der beiden Scheiben immer mehr aufrecht und klemmen damit das Arbeitsstück zentrisch derart fest, daß seine Bearbeitung auf der Drehbank erfolgen kann.

Universalfräsapparat. Um auf der Drehbank eine Reihe von Fräsarbeiten ausführen zu können und somit für diese eine besondere Fräsmaschine entbehrlich zu machen, hat Martignoli in Bockenheim einen in Fig. 3 dargestellten Fräsapparat konstruiert, der schnell und leicht mit einer Drehbank verbunden und sehr bequem gebraucht werden kann. Derselbe besteht aus einer Aufspannvorrichtung B, welche mittels des Klobens h wie ein Werkzeug in den Support F eingespannt wird und zum Festhalten des Arbeitsstückes A mit Einrichtungen versehen ist, die aus einer dreieckigen Spitze i und einer Druckschraube s bestehen, welche, mit dem Stücke d längs B verschiebbar, der Länge des Arbeitsstückes entsprechend eingestellt werden kann. Durch die Verschiebung des Supports F auf den Drehbankwangen WW sowie des Schlittens T durch die Schraube h läßt sich das Arbeitsstück A in die richtige Lage zu dem Werkzeug w (Fräse, Bohrer etc.) bringen, welches in der durch die Schnurrolle t bewegten Drehbankspindel S feststeckt. Durch die Verschiebung desselben Stückes T mittels der Schraube g erhält sodann das Arbeitsstück A eine Längsbewegung, dazu geeignet, Längsnuten einzufräsen, wie bei Schraubenbohrern, gekerbten Reibahlen u. dgl. verlangt wird, oder ebene Flächen (an gewöhnlichen Reibahlen und sonstigen Prismen, Cylindern etc.). Erteilt man außerdem dem Arbeitsstück während der Längsverschiebung noch eine Drehung, so entstehen ansteigende Nuten oder Furchen (amerikanische Spiralbohrer, Spiralnuten an Reibahlen u. dgl.). Zur Hervorbringung dieser Drehung ist die Spitze i mit einer Achse verbunden, welche das Kegelrad 3 trägt, das nach Belieben von dem Kegelrad 1 oder 2 umgetrieben werden kann. Zu dem Zwecke befinden sich die Räder 1 und 2 auf einer Achse yy1, jedes für sich durch eine Schraube damit fest zu verbinden, während die Achse bei y1 ein Triebrad besitzt, welches in eine Zahnstange z eingreift, die

Fig. 3. Fräsapparat von Martignoli.

auf den Drehbankwangen befestigt ist. Wird demnach mittels der Schraube g der Einspannapparat B verschoben, so walzt sich das Rad bei y1 auf der Zahnstange, dreht auf die Weise die Spindel y1y und das Rad 3, also das Arbeitsstück A, nach rechts oder links herum, je nachdem 1 oder 2 festgeschraubt wird. Eine neben 3 sitzende Teilscheibe gestattet die Wendung des Arbeitsstückes, nachdem eine Nute oder Fläche gefräst ist, um einen bestimmten Teil des Kreises (ein Halb, ein Viertel, ein Sechstel etc.), während der dreieckige Mitnehmer i eine Wendung um ein drittel Kreis ermöglicht, so daß eine große Anzahl von Teilungen vorgesehen ist. Da sich die Steigung der Nute nach der Geschwindigkeit der Drehung, also nach der Größe des Rädchens bei y1 richtet, so braucht man zur Veränderung der Steigung nur das Stirnrädchen auszuwechseln. Durch Einsetzen einer Kopffräse in die Spindel S und Aufschieben einer Anzahl sechseckiger Muttern auf eine Stange, die zwischen s und i eingespannt wird, lassen sich Muttern abfräsen etc.