Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wasserbau“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 416417
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Wasserbau. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 416–417. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wasserbau (Version vom 26.01.2023)

[416] Wasserbau umfaßt im weitesten Sinn alle Bauten, welche im Wasser herzustellen sind, im engern Sinne nur diejenigen Bauten, welche zur Benutzung des Wassers oder zur Verhütung von Wasserschaden dienen. Hierher gehören alle Fluß- und Strom-, Seehafen-, Kanal- und Schleusenbauten, Wehr- und Stauanlagen, ferner alle Deichbauten, Ent- und Bewässerungsanlagen, Stadtkanalisationen u. Wasserleitungen, welche zum Teil in den Artikeln Hafen, Kanäle, Schleusen, Wehr, Deich, Entwässerung, Bewässerung, Kanalisation und Wasserleitungen abgehandelt sind. Unter Fluß- und Strombau begreift man speziell alle diejenigen Arbeiten, welche die Benutzung des fließenden Wassers zur Schiffahrt befördern sowie zum Schutz der Ufer gegen Überschwemmungen und Abbrüche dienen. Alle Fluß- und Strombauten beziehen sich daher sowohl auf die Verbesserung der Vorflut, also des Wasserzuflusses von den Seitenterrains zu dem Wasserlauf, sowie auf die Regulierung und Erhaltung des Flußbettes als auch auf die Anlage und Befestigung der Ufer und hängen hauptsächlich von der Richtung und Stärke der Strömung sowie von der Beschaffenheit des Flußbettes und der Ufer ab. Zwischen geraden und parallelen Ufern wird die stärkste Strömung (Stromstrich) sowie die tiefste Stelle des Strombettes (Stromrinne) ganz oder fast in der Mitte liegen. Ist daselbst die der Breite des Stroms entsprechende Tiefe hinreichend, um die Geschiebe des Flusses regelmäßig abzuführen, ohne die Ufer nachteilig anzugreifen, und um eine regelmäßige Schiffahrt zu gestatten, so besitzt der Strom sein Normalquerprofil und fließt im Beharrungszustand. Ist jene Tiefe nicht ausreichend, so erreicht man durch Einengung des Stroms eine größere [417] Geschwindigkeit seiner Strömung und damit zugleich eine Vertiefung des Flußbettes. In Flußkrümmungen, wo der Strom vermöge seiner Trägheit das konkave Ufer angreift und austieft, das konvexe Ufer unberührt und allmählich verlanden läßt, verlegen sich infolgedessen die Stromrinne und der Stromstrich mehr und mehr nach dem konkaven Ufer. Um die hierdurch entstehende Unregelmäßigkeit der Stromrinne und Gefahr des Uferabbruchs zu beseitigen, sucht man einen möglichst normalen Stromlauf dadurch zu erreichen, daß man die konkaven Ufer zur Verlandung bringt und die konvexen Ufer womöglich durch die Flußströmung selbst allmählich abtreiben läßt, also den Stromlauf thunlichst rektifiziert. Die hierzu angewandten Mittel sind teils schräge Einbauten (Buhnen), teils Langdämme (Parallelwerke) an der konkaven Uferseite. Buhnen sollen eine raschere Verlandung herbeiführen, aber größere Unregelmäßigkeiten der Strömung und der Stromrinne veranlassen als Parallelwerke. Thatsache ist, daß beide den örtlichen Verhältnissen entsprechend mit Vorteil angewandt werden können. Die verschiedenen Arten und Konstruktionen der erstern sind in dem Artikel „Buhne“ hinreichend erörtert. Die Parallelwerke bestehen aus steinernen Dämmen, welche in der neu herzustellenden Stromrichtung aufgeführt und an ihrem obern Ende durch einen Querdamm mit dem Ufer verbunden werden. Um die Verlandung der durch die Parallelwerke abgeschnittenen Stromteile zu befördern, läßt man sie am untern Ende offen; dagegen ist es unvorteilhaft, in dem Damm oben und unten eine Öffnung anzubringen, da hierdurch weder die Regelmäßigkeit der Strömung noch die Schnelligkeit der Verlandung befördert wird. Um langen Parallelwerken Anschluß an die Ufer zu gewähren, zieht man mitunter noch Querdämme ein, die man jedoch am besten etwas niedriger als die Hauptdämme anlegt, um den von ihnen eingeschlossenen Bassins bei Hochwasser mehr Sinkstoffe zuzuführen. Eine noch raschere Verlandung erreicht man durch deren Bepflanzung mit Weiden. Die Parallelwerke bestehen meist aus Steinwürfen, bisweilen mit Abpflasterung an dem obern und untern Ende. Wo die Flußkrümmungen zu bedeutend sind, um sie einer solchen Korrektion unterwerfen zu können, insbesondere da, wo eine förmliche Halbinsel vorhanden ist, erscheint ein Durchstich angezeigt, um den Wasserweg abzukürzen und die Ufer vor Abbruch zu schützen. Da derselbe ein größeres Gefälle erhält, als es der alte Stromlauf besaß, so genügt die Herstellung eines hinreichend breiten Grabens, welchen man erst nach seiner Vollendung an seinem obern Ende dem Eintritt des Wassers eröffnet, das darin allmählich selbst sein Normalprofil herstellt. Der alte Stromarm wird der allmählichen Verlandung überlassen. Wo Inseln den Strom in zwei Arme teilen, von denen keiner das für die Schiffahrt nötige Fahrwasser enthält, ist der dem direkten Wasserweg zunächst liegende, mit dem bessern Fahrwasser versehene Arm auf Kosten der Inselufer zu rektifizieren und zu vertiefen, was durch Anlage von Buhnen oder Parallelwerken mit Hilfe des Stroms allmählich bewirkt werden kann. Je spitzer der Winkel ist, unter welchem ein Fluß in einen Strom einmündet, je mehr also deren Stromstriche tangential ineinander übergehen, desto vorteilhafter erscheint dies für die Erhaltung der Ufer und eines guten Fahrwassers. Einmündungen von Flüssen in Strömen, wo jener Winkel sich einem rechten Winkel nähert oder selbst zum stumpfen wird, führen Störungen der Schiffahrt durch Verlegung der Stromrinne und Abbrüche der Ufer, gegen welche der einmündende Flußlauf wirkt, unausbleiblich herbei und bedürfen einer Korrektion um so früher, je nachteiliger die Folgen sind, welche sich durch längere Andauer jener fehlerhaften Zustände ergeben. Die Korrektion derartiger fehlerhafter Mündungen besteht in der Herstellung neuer Ufer mit möglichst spitzem Einmündungswinkel durch Abtreiben und Abrunden des untern und Verlängerung des obern Ufers des einmündenden Flusses durch eine Trennungsbuhne oder ein Separationswerk (s. Buhne). Bei richtiger Anlage führt die durch das letztere bewirkte Einengung der Flußmündung die beabsichtigte Verlegung und Vertiefung der Stromrinne sowie den Abbruch des Ufers stromabwärts allmählich herbei, worauf das letztere reguliert und, wo nötig, durch Uferbefestigungen geschützt wird. Unter die Uferschutzbauten gehören: 1) flache, mit Rasen bekleidete Böschungen; 2) mit Strauchwerk bepflanzte Böschungen; 3) Faschinenanlagen (Faschinenbuhnen, Packwerk, s. Buhne); 4) flache Steinwürfe; 5) regelmäßige Steinbekleidungen oder Pflasterungen aus großen, möglichst tief eingreifenden, in den Fugen mit Steinsplittern gedichteten Steinen; 6) verpfähltes Pflaster, dessen Steine durch reihenweise zwischen dessen Fugen eingetriebene Spitzpfähle gegen Abrutschen geschützt werden; 7) Futtermauern mit mehr oder minder starkem Anzug aus Mörtel oder Trockenmauerwerk. Sollen die Ufer zugleich zur Vermittelung des Wasser- und Landverkehrs dienen, so werden dieselben, wenn nur vorübergehende Dauer verlangt wird, 8) mit Bohlwerken (s. d.), wenn möglichst große Dauer verlangt wird, 9) mit Kaimauern (s. Kai) bekleidet. Die vorerwähnten Fluß- und Strombauten erreichen wegen der Kontinuität des Stroms ihren Zweck nur dann, wenn sie mindestens innerhalb eines größern Fluß- oder Strombezirks im Zusammenhang und in solcher Reihenfolge ausgeführt werden, daß die erwähnten Ein- und Anbauten rechtzeitig und ausreichend aufeinander sowie auf das Bett, die Sohle und die Ufer des Stroms einwirken. Man begreift diese in längern und kürzern Zeitabschnitten innerhalb größerer oder kleinerer Stromstrecken auszuführenden Arbeiten unter dem Namen Stromkorrektion oder Stromregulierung und entwirft, unter Berücksichtigung und Beteiligung der verschiedenen Uferstaaten und Interessenten, einen Generalplan derselben, welcher unter Einhaltung der zweckmäßigsten Reihenfolge der Arbeiten allmählich ausgeführt wird. Vgl. Gotth. Hagen (s. d. 3), Handbuch der Wasserbaukunst (Hauptwerk); v. Chiolich-Löwensberg, Anleitung zum W. (Stuttg. 1864 bis 1866); Becker, Der W. in seinem ganzen Umfang (3. Aufl., das. 1873); Storm-Buysing, Handleiding tot de kennis der waterbouwkunde (3. Aufl., Breda 1864, 2 Bde.); Franzius, Sonne u. a., Der W. (im „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, Bd. 3, 2. Aufl., Leipz. 1882–84, 3 Abtlgn.); Perels, Handbuch des landwirtschaftlichen Wasserbaues (2. Aufl., Berl. 1884); Schubert, Landwirtschaftlicher W. (das. 1879); Schrader, Fluß- und Strombau (Weim. 1887).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 818
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[818] Wasserbau. Zunächst haben die in den letzten Jahren eingetretenen Verheerungen durch Hochwasser in Preußen Vorschläge zur Abwehr von Überschwemmungsgefahren besonders durch die schlesischen Gebirgsflüsse hervorgerufen, welche unter anderm in einer dem preußischen Landtag vorgelegten Denkschrift des Ministeriums für Landwirtschaft niedergelegt sind und darin gipfeln, daß künstlich angelegte Sammelbehälter zur Verminderung der Hochwassermenge in den obern Flußgebieten wegen der Schwierigkeit und Kostspieligkeit ihrer Anlage und wegen der Seltenheit hierzu geeigneter Örtlichkeiten weniger zur Beseitigung von Überschwemmungsgefahren dienen können als die durchgeführte Regelung der gefahrbringenden Wasserläufe. Zu einer solchen Regelung, welche die fließenden Gewässer befähigt, gewöhnliche Hochstuten unschädlich abzuführen, gehören die Herstellung eines normalen, d. h. hinreichend geräumigen und zweckmäßig geformten, also angemessen breiten und tiefen, Flußbettes, die Herstellung eines möglichst gleichmäßigen Gefälles zur Vermeidung von zu großen und zu geringen Strömungen, welche bez. Einrisse von Ufern und Sohle oder Ablagerungen von Geschieben bewirken würden, und die Beseitigung zu scharfer Krümmungen, welche bei Hochfluten eine Verlegung der Stromrichtung und dadurch Einreißen von konkaven und Ablagerungen von konvexen Ufern veranlassen könnten. Zu diesen allgemeinen kommen als besondere durch die Bodenbeschaffenheit des Flußbettes, der Oberflächenbildung des Flußthals und durch etwa vorhandene technische Anlagen bedingte Maßregeln, welche in der Befestigung der Ufer und des Bettes durch geeignete Ein- und Anbauten aus Stein und Holz, in der Anlage oder Regelung von Deichen und in der Beseitigung eines durch Wehre oder Brücken herbeigeführten schädlichen Aufstaues des Wassers bestehen. Bei Vornahme dieser Arbeiten ist eine planmäßige, nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführte Regelung erforderlich, wobei die zuvor angeführten Maßregeln sämtlich am rechten Ort und in der geeignetsten Weise zur Anwendung kommen müssen.

Unter den Neuerungen, welche im W. eingeführt wurden, sind einige Wehr- und Schleusenanlagen sowie die Baggerungen u. Felssprengungen in Nordamerika hervorzuheben. Unter den erstern zeichnen sich die im Ohio bei Pittsburg aus. Das dortige Wehr ist nach Art der Chanoinaschen Klappenwehren gebaut und bewährt sich gut, wenn auch sein Betrieb kostspielig ist. Die Thore der benachbarten großartigen Schleuse, welche 33,5 m breit und 180 m lang ist, sind einheitliche Verschlußkasten, die bei Öffnung der Schleuse nach Art der Schiebethüren mittels zweier Dampfmaschinen seitlich in tiefe Schlitze gezogen werden. Beim Bau des neuen Hafens von San Diego in Kalifornien wird ein von Bower konstruierter Bagger angewandt, welcher als Schneide- und Saugebagger zugleich wirkt und selbst schweren Thonboden fördert. Zu den Felsensprengungen in dem reißenden St. Lorenzstrom verwendet der Ingenieur Gilbert Sprengboote mit vier auf das Flußbett aufgesetzten Füßen, welche dem Wasserstoß wenig Angriffsfläche darbieten. Von jenen Booten aus wird das Sprengen mittels Dynamits und Herausheben der Felsentrümmer bewirkt, wodurch die Kosten der Beseitigung des Kubikmeters Felsen von 20–30 auf 2–3 Doll. ermäßigt worden sind. – Zur Litteratur: Franzius, Der W. (im „Handbuch der Baukunde“, 3. Abt., Berl. 1890).