Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hafen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 9981000
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Hafen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 998–1000. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hafen (Version vom 06.05.2024)

[998] Hafen, allgemein (namentlich oberdeutsch) s. v. w. Topf, irdenes Gefäß (daher Hafner oder Häfner, s. v. w. Töpfer); besonders aber Schmelztiegel für das Schmelzen von Glassätzen (s. Glas, S. 385).

Hafen (franz. port, engl. port, früher haven, was jetzt noch in Ortsnamen: New Haven, Grand Haven etc., sich erhalten hat, während in Deutschland diese Form neuern Hafenstädten: Bremerhaven, Wilhelmshaven etc. beigelegt ist), Landungsplatz für Fahrzeuge der See- wie der Binnenschiffahrt, der gegen Wind und Wellen, bez. Eislauf geschützt ist. Für Seeschiffe werden als Häfen meist die Strommündungen, z. B. Havre, New York, oder der Stromlauf selbst, soweit er bergwärts für Seeschiffe passierbar ist, z. B. Hamburg, Montreal, oder Buchten der Seeküste, Föhrden, z. B. Kiel, Christiania, Portsmouth, Smyrna, La Spezia, Sebastopol, benutzt. Schneidet die Bucht nicht tief genug in die Küste, um den H. gegen Seitenwinde und Seegang zu schützen, oder wird die Hafeneinfahrt durch Sandspülungen mit Verflachung bedroht, so werden zu beiden Seiten des Hafens Steindämme oder Molen (franz. jetée, ital. molo) aufgeführt, wie in den meisten deutschen Ostseehäfen, z. B. Danzig, Swinemünde, Rostock, aber auch bei Wilhelmshaven. Ist die Bucht von Stürmen hart bedroht, welche recht in die Öffnung des Busens zu wehen pflegen, so wird durch einen Steindamm (Wellenbrecher, engl. breakwater, franz. digue) Schutz gegen diese Winde geschaffen; der Damm, welcher in See etwa die Sehne des Busenbogens darstellt, ohne an den Enden das Land zu berühren, läßt zwei Einfahrten für den Hafen offen, z. B. Cherbourg, Plymouth. Molen und Wellenbrecher, welche einst sorgfältig aus Steinen mit Zement aufgemauert wurden und welche 1–5 m über den Flutwasserspiegel aufragen, werden in neuerer Zeit aus Steinquadern oder Zementguß formiert und an betreffender Stelle versenkt, wobei es dem Wellenschlag überlassen bleibt, diesen Blöcken ihre dauernde Lage zu besorgen, z. B. Marseille, Triest, Port Said. Vor der Hafeneinfahrt, die durch einen Fluß gebildet ist, zuweilen auch im Stromlauf selbst werden der Schiffahrt Anschwemmungen von Sand und Schlick (die Barre) hinderlich, d. h. flache Stellen, welche durch Baggern nicht immer beseitigt werden können, da sie sich sofort an andrer Stelle neu formieren. Die Weserbarre liegt unterhalb Bremerhaven bei Imsum und wird von den Ozeandampfern des Norddeutschen Lloyd während der Flut passiert. Fortwährend sich anders gestaltend und sehr störend ist die Barre vor dem Delta des Mississippi, welche tiefgehende Schiffe oft tagelang aufhält und nicht selten die Hilfe von Schleppdampfern aus New Orleans erheischt. Bei allen Häfen scheidet sich die Örtlichkeit in die Reede und den Binnenhafen (engl. harbour), welcher entweder aus Docks (franz. bassins) sich zusammensetzt, oder durch den Flußlauf gebildet wird, wie in Hamburg, während Bremerhaven, Southampton Beispiele für Docks sind. Die Reede ist offen, wenn die Küste geradlinig oder nur wenig gebogen ist, so daß sie aus vielen Richtungen einen Schutz gegen Stürme nicht gewähren kann, z. B. Bremerhaven, Havre. Gefährlich heißt die Reede mit schlechtem Ankergrund und bedeutender Tiefe. Reede und Binnenhafen sind nicht selten durch ein den Schiffsverkehr vermittelndes Bassin oder durch einen Kanal (den Vor- oder Außenhafen) verbunden, z. B. Bremerhaven, Wilhelmshaven, Havre, Southampton, Liverpool. Der Binnenhafen hat die Aufgabe, das Lade- und Löschgeschäft und die Ausbesserungen der Schiffe von Wind und Seegang unabhängig zu [999] machen. Seine Lage muß daher gegen die See zu durch natürliche Höhen oder durch Schleusenanlagen geschützt sein. Für Segelschiffe, welche im Binnenhafen der Fähigkeit ermangeln, sich selbständig fortzubewegen, dient die Reede zur Entfaltung ihrer Segelkraft bei günstigem Wind, und die binnen kommenden Schiffe benutzen die Flut oder erwarten die Schleppdampfer vor Anker. Die Reede gilt als sicher, wenn sie guten Ankergrund hat und durch umliegende Höhen Schutz vor den herrschenden Winden bietet.

Nach der Art ihres Verkehrs scheiden sich die Häfen in Handelshäfen, wenn der Verkehr ausschließlich oder vorwiegend auf Handelszwecken beruht, z. B. Hamburg, Bremerhaven, Stettin, London, Liverpool, Havre, Marseille, Triest, Petersburg, Venedig, Odessa, Lissabon, New York, Havana, Boston, Montreal. Kriegshäfen heißen dagegen die vorwiegend oder ausschließlich für den Dienst der Kriegsmarine bestimmten Häfen, wie Wilhelmshaven, Pola, La Spezia, Cherbourg, Toulon, Portsmouth, Karlskrona, Pensacola, Sebastopol. Häfen, welche beiden Zwecken zugleich dienen, besitzen in den meisten Fällen räumlich geschiedene Anlagen, wie Kiel, Danzig, Kronstadt, Kopenhagen, Plymouth, Neapel, Brooklyn, Philadelphia. Auch die innere Einrichtung der Hafenanlagen ist nach dem Zweck verschieden. Die Handelshäfen sind an den Ufermauern, Kajen (Kais), mit Speichern und Schuppen für das Lade- und Löschgeschäft ausgestattet; es sind deshalb zahlreiche Kräne und Aufzüge vorhanden und Schienengeleise, welche den Güterverkehr von Bord in die Speicher und auf die Bahnen leiten. In Häfen mit herrschendem Entrepotsystem sind Magazingruppen durch Zollschranken abgesperrt gegen den Transport unverzollter Güter ins Binnenland; das Entrepot aber, wo Schiffe ihre Güter löschen, kein Einfuhrzoll entrichtet wird und zollfrei wieder ausgeführt werden kann, wird in zollamtlicher Beziehung als Ausland betrachtet. Freihafen (s. d.) heißt der Hafenplatz, wo kein Warenzoll erhoben und nur an der den Ort umschließenden Zollgrenze bei Überschreitung des Binnenlandes Zollgebühren erhoben werden. Handelshäfen bedürfen ferner Anlagen zur Besichtigung des Unterwasserteils und zur Reparatur von Schiffen: Trockendocks, Schwimmdocks und Schlipps, welche auch die in Fahrt eingetauchte Schiffsfläche zugänglich machen, sowie Werften und Maschinenwerkstätten, mit denen sie verbunden sind.

Die Anforderungen der Kriegshäfen sind weit umfassender und mannigfaltiger, da die Marinen außer der Reparatur auch den Neubau von Schiffen bewirken und die Schiffsartillerie in den Bereich ihrer Thätigkeit ziehen, abgesehen von den Anlagen, welche zu Verwaltungszwecken notwendig sind. Sie sind daher außer den Hilfsvorrichtungen für den bequemen Transport schwerster Lasten, wie z. B. den Dampfkesseln, Kurbelwellen und andern Maschinenteilen, mit Hellingen, Schwimmdocks, Trockendocks und Schlipps, Kohlendepots und Materialdepots aller Art und mit Maschinen-, Holzbearbeitungs-Werkstätten etc., mit Raum für Boote, Anker, Schrauben etc. ausgestattet, und alle diese Anlagen, welche nicht selten große Flächen bedecken und zahlreiche Handwerker außer den Seeleuten beschäftigen, sind mit Grenzmauern binnenwärts umschlossen. Auch sind die Kriegshäfen befestigt für den Angriff von der See her sowohl als vom Binnenland. Strandbatterien und Forts an der umgebenden Küste, die früher ihre Kanonen in Etagen übereinander führten, wie in Sebastopol und Kronstadt, in England und in Nordamerika, während sie jetzt meist aus Erdwerken mit Panzertürmen bestehen, sichern die Seeseite; detachierte Forts sind gegen den Angriff von der Landseite errichtet, z. B. Portsmouth, Wilhelmshaven, Kiel, Cherbourg. Der Zugang von der See her wird außerdem im Kriegsfall durch versenkte Schiffe und durch Torpedos gesperrt, während die Seezeichen eingezogen werden.

Die Brauchbarkeit des Hafens ist abhängig von seiner Wassertiefe, welche 60 cm mehr betragen soll als der Tiefgang der größten Schiffe seines Verkehrs. In Ostsee und Mittelmeer ist der Wasserstand nur vom Wind abhängig, in den nicht geschlossenen Meeren dagegen auch von den Gezeiten; die Differenzen des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut betragen an der deutschen Nordküste 3,75 m, sind aber an ozeanischen Küsten und im Ärmelkanal zum Teil viel beträchtlicher. So belegene Häfen heißen Fluthäfen, weil tiefgehende Schiffe meist nur während der Flut einlaufen können; während der Ebbe sind sie durch Schleusenthore gesperrt, so daß der hohe Wasserstand dauernd darin erhalten wird. Die Landungsbrücken sind deshalb beweglich; sie ruhen einerseits auf der Ufermauer, anderseits auf schwimmenden Prahmen (Pontons), die sich dem jeweiligen Wasserstand anpassen, z. B. Liverpool, Bremerhaven. Für Binnenhäfen ist die Art des Ankergrundes von geringerer Wichtigkeit als für Reeden, da in ihnen die Schiffe nicht vor Anker liegen, sondern mit Trossen (starken Tauen) und Ketten an eingerammten Pfählen des Ufers oder Pfahlgruppen im Strom (Duc d’Alben, nach dem Herzog von Alba so benannt) oder an im H. verankerten Bojen (Tonnen, engl. moorings) befestigt werden. Die Ufer des Bassins sind meist gegen den Abrutsch mit Futtermauern bekleidet. Die gepflasterte Uferstraße heißt Kai (altd. Kaje, franz. quai) und, wenn statt der Mauer die Verkleidung aus Holzplanken besteht, Bohlwerk (korrumpiert Bollwerk), z. B. Stettin, teilweise auch Hamburg. Die großartigsten Kaianlagen besitzt Liverpool, wo gegen 60 Bassins den rechten Strand des Mersey einfassen, welche aus riesigen Quadern bestehen und sich eine deutsche Meile entlang erstrecken, während das gegenüber am linken Ufer liegende Birkenhead etwa 40 Bassins besitzt. Von den Kais erstrecken sich oft Steindämme in die See oder das Fahrwasser hinein zur Vermehrung der Fläche behufs Anlegens der Schiffe für das Lade- und Löschgeschäft. In Italien heißen sie Moli, bei uns Molen; in England und Amerika, wo diese Anleger oft auf Eisenpfeilern oder Holz ruhen, heißen sie Piers, in Hamburg auch Stege. Am häufigsten sind die Piers im North und East River zu New York, wo sie durch ihre Menge eine zahnschnittartige Einfassung der Ufer formieren, an denen die Schiffe mit dem Bug dem Land zugekehrt vertaut sind. Überall, wo örtliche Verhältnisse die Benutzung des Fahrwassers verbieten, sind Bassins (Docks) landeinwärts zur Aufnahme der Schiffe ausgegraben. Diese Art der Binnenhäfen ist mit den Außenhäfen (den Vorhäfen) durch Kanäle verbunden, z. B. Bremerhaven, Wilhelmshaven, Havre, Liverpool, Southampton. Unzureichende Tiefe macht in den Häfen das Baggern notwendig. Wo die Örtlichkeit es zuläßt, wird die Entfernung der Senkstoffe billiger durch einen Spülstrom bewirkt. In Fluthäfen füllt sich ein Spülbassin, das keine Senkstoffe besitzt, zur Flutzeit mit reinem Seewasser, welches mit der beginnenden Ebbe als Rückstrom den H. ausspült. Für Wilhelmshaven bildet der Jadebusen das Spülbassin. Die Richtung des Spülstroms wird oft [1000] durch dem Stromlauf aus Stein eingebaute Landzungen (Buhnen) geregelt. Die Flußhäfen dienen vorzugsweise zum Schutz der Binnenschiffe gegen Eisgang. Sie sind meist durch dem Ufer parallele Steindämme aufgeschüttet, die am bergwärts gerichteten Teil sich ans Ufer schließen, während der zu Thal liegende Teil für die Einfahrt offen bleibt. Diese gegen Eisgang sichernden Anlagen heißen Winterhäfen. Anlagen, welche nur kleinen Fahrzeugen für den Fischereibetrieb Schutz gewähren sollen, heißen Fischerhäfen und solche, die in Kriegshäfen einen besondern Teil für die Beiboote der Kriegsschiffe bilden, Bootshäfen. Man spricht außerdem von Holzhäfen für die das Flößholz und von Petroleumhäfen für die die Petroleumfässer aufnehmenden Schiffe, welche der Feuersgefahr halber besondere Bassins oder doch wenigstens eine besondere Abteilung in einem Bassin bilden, z. B. Geestemünde, Bremerhaven. Nothäfen laufen die Schiffe an, um vor Beendigung der Reise Schutz gegen Unwetter zu suchen, oder wegen erlittener Havarien. Nothafen kann daher unter Umständen jeder Hafen sein, im eigentlichen Sinn versteht man aber darunter solche von der Natur oder mit Hilfe der Kunst gebaute Stellen, welche den Schiffen als Zuflucht dienen. Vertragshäfen heißen die chinesischen und japanischen Häfen, welche durch Verträge der fremden Schiffahrt geöffnet sind (für Deutschland seit 1861). Heimatshafen (s. d.) bezeichnet für jedes Schiff den Ort, für welchen es in die amtliche Schiffsliste aufgenommen ist. Vgl. Stevenson, Design and construction of harbours (3. Aufl., Lond. 1886); Harcourt, Harbours and docks, their physical features, history, construction (das. 1885, 2 Bde.); Jülfs und Balleer, Die Seehäfen und Handelsplätze der Erde (Oldenb. 1870–75, 2 Bde. u. Supplement); Turner, Harbours of England (neue Ausg. 1876); Lundgreen, Hafenlexikon (Stockh. 1882); Voisin-Beg, Die Seehäfen Frankreichs (deutsch, Leipz. 1886); Lucy, Manuel alphabétique des ports du monde entier (Par. 1885 ff.); Marcus, Die Seehäfen im heutigen Weltverkehr (Berl. 1886).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 410
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[410] Hafen. Eine Übersicht über den Verkehr in den größten Häfen der Gegenwart und über die Zunahme ihrer Bedeutung in den letzten 15 Jahren zeigt die folgende Tabelle:

Name des Hafens Jahr Netto-Raum­gehalt der Schiffe
in Reg.-Tons
Zunahme des Verkehrs
in Prozenten
London 1887 12165336 etwa 046
New York 1886/87 11866801   094
Liverpool 1887 9944918   016
Hongkong 1886 9080390   143
Malta 1886 8884059   109
Gibraltar 1886 8609730   120
Marseille 1886 8376871   102
Hamburg 1886 7578837   086
Cardiff 1887 7250376   152
Tyne 1886 6995501   046
Antwerpen 1886 6801890   075
Port Said 1886 5767656   396
Genua 1886 5406769   170
Bilbao 1886 5274452   427
Konstantinopel 1886 5195242   000

Bei den Angaben ist die Küstenfahrt ausgeschlossen und nur der Tonnengehalt solcher Schiffe berücksichtigt, welche den Handel zwischen dem betreffenden H. und den auswärtigen Seeplätzen sowie den Kolonien vermitteln.