MKL1888:Schriftarten
[631] Schriftarten (Schriften, Lettern, Typen), in der Buchdruckerkunst die aus Metall gegossenen Buchstaben, welche zur Herstellung des Typendrucks dienen. Man unterscheidet dieselben 1) nach den Sprachen, 2) nach ihrer Größe und 3) nach Form oder Schnitt. Die verschiedenen Größen können allen Sprachen gemein sein, Form oder Schnitt indes nur innerhalb enger Grenzen. Bedient sich eine Sprache besonderer Schriftzeichen, so werden die S. auch nach jener genannt; für die deutsche unterscheiden wir Fraktur (s. d.) und Antiqua (s. d.). Unterarten der erstern sind die verschiedenen Gattungen der Gotisch, welcher die Mönchsschriften des Mittelalters zu Grunde liegen, und die Schwabacher, eine Frakturschrift mit abgerundetern, der Antiqua sich nähernden Formen, die bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst in Deutschland üblich wurde (um 1467) und lange Zeit für den deutschen Druck diente. Sie ist neuerdings von den Schriftgießereien teils in der ursprünglichen alten, teils in modernisierter Form wieder an den Markt gebracht worden und dient auch zum Druck ganzer Werke. Eine Zwischenart zwischen Schwabacher und Antiqua, in ihren Formen auch der Kanzleischrift (s. Schreibkunst) nahekommend, ist die Middoline, die als Zier- und Auszeichnungsschrift dient, indes durch das Wiederaufleben der Schwabacher fast ganz zurückgedrängt worden ist. Eine Unterart der Antiqua ist die Kursiv (s. d.). Im allgemeinen teilt man die Fraktur- und Antiquaschriften auch noch in verschiedene Klassen, die man mit Werk- oder Brotschriften, Zier-, Accidenz- und Plakat- oder Affichenschriften bezeichnet, von denen erstere die beim Bücherdruck angewandten S. umfassen, während die Zier- und Accidenzschriften bei den feinern Arbeiten (s. Accidenzen), auf Büchertiteln, Umschlägen etc., zur Verwendung kommen und die Plakatschriften schon durch ihren Namen das ihnen zufallende Gebiet andeuten. Die Zier-, Accidenz- und Plakatschriften sind in ihrer Form ebenso verschieden wie in ihren Namen, ja diese Namen selbst sind, wenn sie ganze Gattungen bezeichnen, nicht immer übereinstimmend bei den Produkten der verschiedenen Gießereien und Länder; nur einige derselben, wie Egyptienne (lateinische Schrift mit starken Ausläufern), Gotisch, Kanzlei, Grotesk, auch Steinschrift genannt, sind zu allgemeiner Geltung gelangt; während die früher sehr beliebten Blumenschriften, Schuppenschriften etc. fast ganz aus der Mode gekommen sind, haben andre Zier- und Phantasieschriften, oft von den barocksten Formen und Namen, dem Wunsch nach Wechsel und Neuheiten zu entsprechen. Die einzelnen Gattungen zerfallen dann vielfach noch wieder in fette, halbfette, breite, schmale, magere, enge, Skelett, verzierte, musierte, schattierte etc. Auch die Schreibschriften (deutsche Kurrent, Antiqua und Rundschrift oder Ronde) haben während der beiden letzten Jahrzehnte außerordentliche Bereicherung und Verbesserung erfahren, so daß gegenwärtig vieles, was sonst nur auf dem Weg der Lithographie oder des Kupferstichs herzustellen möglich war, von der Buchdruckerpresse rascher, billiger und in vorzüglicher Ausstattung geliefert zu werden vermag. Die Größe (der sogen. Kegel) der S. wurde in Deutschland bis zur Einführung des französischen Punktsystems nur durch Namen bezeichnet, deren Entstehung nicht immer leicht nachzuweisen ist. Sie lauten (die nächstfolgenden neun sind mit Typen der durch den betreffenden Namen bezeichneten Schriftart selbst gesetzt):
Diamant | 4 | Punkte |
Perl, Perl | 5 | „ |
Nonpareille, Nonpareille | 6 | „ |
Colonel, Colonel | 7 | „ |
Petit, Petit | 8 | „ |
Bourgeois (Borgis), Bourgeois | 9 | „ |
Korpus (Garmond), Korpus | 10 | „ |
Cicero, Cicero | 12 | „ |
Mittel, Mittel | 14 | „ |
Es folgen dann der Größe nach: Tertia (16), Text (20), Doppelcicero (24), Doppelmittel (28), kleine Kanon (32), grobe Kanon (40), kleine Missal (52), grobe Missal (64), kleine Sabon (76), grobe Sabon (84), Real (96) und Imperial (108 Punkte). Die Namen über grobe Kanon hinaus sind teils schwankend in Bezug auf die Größe, teils ganz in Wegfall gekommen; man bezeichnet diese großen S. alsdann nach der Zahl der Cicero, welche dieselben enthalten. In Frankreich bedient man sich fast ausschließlich nur noch der Punktbezeichnung (corps 3, corps 4 etc.); dort waren die hauptsächlichsten Benennungen: Diamant (3), Sédanoise (4), Parisienne (5), Nonpareille (6), Mignonne (7), Petit-texte (7½), Gaillarde (8), Petit-romain (9), Philosophie (10), Cicero (11), Saint-Augustin (12 und 13), Gros-texte (14), Gros-romain (15 und 16) etc. In England ist man dabei, das Punktsystem einzuführen, die Bezeichnung der Schriften geschieht jedoch nur durch Namen: Diamond, Pearl, Ruby, Nonpareil, Emerald, Minion, Brevier, Bourgeois, Long Primer, Small Pica, Pica, English, Great Primer, Paragon etc. Die Namen der Zier- und Titelschriften sind von den in Deutschland üblichen ganz abweichend, indes ebensowenig an Regeln gebunden wie diese. Vgl. „Druckschriften des 15. bis 18. Jahrhunderts in getreuen Nachbildungen“ (Berl. 1884–87).