Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hamburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 3847
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Hamburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 38–47. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hamburg (Version vom 21.08.2023)

[38] Hamburg (hierzu die „Karte der Umgebung von Hamburg“), deutscher Freistaat im Gebiet der Elbe, unter 53°33′57″ nördl. Br. und 9°58′25″ östl. L. v. Gr. (Lage der Sternwarte) gelegen, besteht aus der Stadt H., aus dem in der Umgebung der Stadt liegenden Festland nebst mehreren Elbinseln und 6 Enklaven (5 im Holstein-Lauenburgischen, eine im Lüneburgischen) sowie dem Amt Ritzebüttel am Ausfluß der Elbe. Der Flächeninhalt beträgt etwa 410 qkm (7,44 QM.) mit (1885) 518,468 Einw. Von der Bevölkerung waren 1880: Evangelische 92,5 Proz., Katholische 2,7 Proz., Israeliten 3,5 Proz., 1,3 Proz. Bekenner andrer Religionen oder ohne Religionsbekenntnis. Die Bevölkerung verteilt sich auf 3 Städte (H., Bergedorf, Kuxhaven), 15 Vororte und 37 Landgemeinden. Die jährliche Zunahme derselben betrug 1880–85: 2,67 Proz., etwas weniger als im vorhergehenden Jahrzehnt. Im J. 1884 fanden 4424 Eheschließungen (8,86 pro Mille) statt; die Zahl der Geburten belief sich auf 18,413 (36,87 pro Mille), die der Gestorbenen auf 13,244 (26,52 pro Mille). Von den Gebornen waren 10,63 Proz. unehelich, 3,62 Proz. totgeboren. Dem deutschen Zollgebiet sind 335 qkm (6 QM.) mit 43,000 Bewohnern angeschlossen. Administrativ zerfällt der Freistaat in die Stadt, die Vorstadt und die Vororte (471,275 Einw.) und den Landbezirk (47,193 Einw.), eingeteilt in vier sogen. Landherrenschaften. Das Landgebiet nordwärts der Stadt (Geestlande) wird vom Alsterthal durchschnitten, ist wellenförmig und hat durchschnittlich guten Boden und mehrere Wälder. Das längs der Elbe sich erstreckende Marschgebiet ist flach, von unzähligen Entwässerungsgräben durchschnitten, hat einen Boden von großer Fruchtbarkeit und ist reich an Korn, Gemüse, Obst und Gras. Temperatur- und Witterungsverhältnisse sind denen des ganzen nordwestlichen Deutschland gleich. Die mittlere Jahrestemperatur ist +8,17° C., die Windrichtung vorherrschend westlich.

Der Staat H. ist ein Bundesstaat des Deutschen Reichs und hat im Bundesrat einen Bevollmächtigten und im Reichstag drei Vertreter. Mit den übrigen Freien Städten besitzt H. ein gemeinschaftliches Oberlandesgericht zu H.; für den Hamburger Staat bestehen außerdem ein Landgericht zu H. und drei Amtsgerichte zu H., Bergedorf und Ritzebüttel. Die alte, bis 1860 gültig gewesene Verfassung von H., deren Entstehung von der Einführung der Reformation datierte, kannte als gesetzgebende Faktoren den Rat und die Bürgerschaft. Letztere hatte keine Initiative und beruhte wesentlich auf dem Prinzip des persönlichen Stimmrechts der Grundeigentümer in der Stadt; doch waren auch die Mitglieder der kirchlichen Kollegien, welche zugleich bürgerliche Obliegenheiten ausübten, die Richter, die Vorsteher der Zünfte u. a. stimmberechtigt. Das sehr komplizierte Verfassungsverhältnis hatte sich überlebt, und es ward 1860 eine neue Verfassung eingeführt, welche auf dem Repräsentativsystem begründet ist. Nach derselben steht die höchste Staatsgewalt dem Senat und der Bürgerschaft gemeinsam zu. Die gesetzgebende Gewalt üben Senat und Bürgerschaft, die vollziehende der Senat. Dieser besteht aus 18 Mitgliedern, von denen 9 Rechts- und Kameralwissenschaft studiert haben; von den übrigen müssen wenigstens 7 dem Kaufmannsstand angehören. Dem Senat sind beigegeben 2 Syndici und 4 Sekretäre. Die Wahl der Senatsmitglieder geschieht nach einem komplizierten Verfahren unter Konkurrenz des Senats und der Bürgerschaft, und der Gewählte muß, bei Verlust der hamburgischen staatsbürgerlichen Rechte, das Amt annehmen; doch kann nach sechsjähriger Amtsverwaltung jeder Senator seine Entlassung verlangen. Der Senat wählt aus seiner Mitte einen ersten und zweiten Bürgermeister auf die Dauer eines Jahrs. Länger als zwei Jahre nacheinander

[Ξ]

UMGEBUNG VON HAMBURG.
Maßstab = 1 : 85.000

[39] darf kein Bürgermeister im Amt bleiben. Die Bürgerschaft besteht seit 1879 aus 160 Mitgliedern, davon werden 80 durch allgemeine, direkte Wahlen erwählt, wahlberechtigt sind jedoch nur diejenigen, welche den Bürgereid geleistet haben; unter den übrigen 80 Mitgliedern werden 40 von den Grundeigentümern und 40 von denen erwählt, die Richter oder Mitglieder von Verwaltungsbehörden sind oder gewesen sind. Die Mitglieder der Bürgerschaft werden auf 6 Jahre erwählt, und zwar scheidet alle 3 Jahre die Hälfte derselben in jeder Klasse aus. Die Sitzungen der Bürgerschaft sind in der Regel öffentlich. Neben der Bürgerschaft besteht zur Überwachung der Verwaltung und Erledigung geringerer Angelegenheiten der Bürgerausschuß, welchem der Präsident der Bürgerschaft und 19 von letzterer aus ihrer Mitte gewählte Mitglieder angehören, worunter nur 5 Rechtsgelehrte sein dürfen. Gesetze werden durch übereinstimmenden Beschluß des Senats und der Bürgerschaft angenommen, das Vorschlagsrecht besitzen beide Körper. Für jeden Zweig der Staatsverwaltung ernennt der Senat eins seiner Mitglieder zum Vorstand. Die Verwaltungsbehörden sind in der Regel aus einigen Senatsmitgliedern und von der Bürgerschaft gewählten Bürgern zusammengesetzt. Die Angelegenheiten der Stadtgemeinde leiten der Senat und die Bürgerschaft. Die Landgemeinden haben eine besondere Landgemeindeordnung. Das Staatsbudget ist für 1886 mit Einnahmen von 38,310,228 Mk. veranschlagt, der reichlich bemessene Anschlag der Ausgaben ist 38,402,661 Mk. Hamburgs Matrikularbeitrag an das Reich ist einschließlich des Zollaversums auf 5 Mill. Mk. normiert. Die Staatsschuld belief sich Ende 1884 auf 152,566,480 Mk. Das Wappen des Staats ist eine silberne dreitürmige Burg mit einem (geschlossenen) Thor in rotem Felde, der Schild von zwei Löwen gehalten. Oben befindet sich ein Helm mit einem Wulst und sechs Fahnen inmitten dreier Pfauenfedern. Das Visier ist gegittert. Hamburgs Flagge s. Tafel „Flaggen II“, mit Text.

Die Stadt Hamburg. (Hierzu der Stadtplan.)

Die freie Hansestadt H., einer der bedeutendsten Handelsplätze Europas, liegt in Gestalt eines Halbkreises am rechten Ufer der Norderelbe, 120 km von der Nordsee. An der Ostseite tritt ein Elbarm in die Stadt

Stadtwappen von Hamburg.

und durchfließt, in mehrere Kanäle geteilt, einen Teil derselben, um weiter unten (am Binnenhafen) sich wieder mit dem Hauptstrom zu vereinigen. Von N. fließt der Elbe aus dem Holsteinischen die Alster zu, die vor dem Eintritt in die Stadt, an der Nordseite derselben, infolge von Aufstauung einen von Gärten u. Landhäusern umgebenen See bildet, die Große Alster oder Außenalster genannt, welche bis an den ehemaligen Wall der Stadt tritt. Unmittelbar nach dem Eintritt in die Stadt (unter der Lombardsbrücke hindurch) erweitert sie sich nochmals zu einem schönen viereckigen Bassin von 2300 Schritt Umfang, der Binnenalster. Nach dem Austritt aus diesem Becken nimmt der Fluß seinen Lauf durch die Stadt. Die mit der Elbe in Verbindung stehenden Fleete liegen zur Zeit der niedrigsten Ebbe halb trocken, beim Steigen der Flut aber füllen sie sich rasch mit dem aufsteigenden Wasser der Elbe. Seit dem großen Brand von 1842 führen unterirdische, kürzlich großartig erweiterte Abzugskanäle (Siele) aus der Stadt und den meisten Vororten den Unrat in die Elbe.

[Stadtteile, Hafen.] Die Stadt zerfällt in die Altstadt, welche sich am linken Ufer der Alster ausbreitet, und die Neustadt, rechts vom Fluß oder im W. auf etwas höherm Terrain gelegen. Größtenteils im westlichen Teil der Altstadt liegt das Revier des großen Brandes, auf dem sich der Neubau erhoben hat. Im O. liegt die ehemalige Vorstadt St. Georg, im W. die Vorstadt St. Pauli; erstere ist seit 1868 völlig, letztere seit 1. Jan. 1876 bis auf geringe Verwaltungszweige der Stadt einverleibt; St. Pauli grenzt unmittelbar an Altona. Der Anblick der Stadt ist am schönsten von der Elbseite her. Am Ostende der Stadt bildet ein mit der Bille vereinigter Elbarm zwischen dem Berlin-Hamburger und dem Venlooer Bahnhof den Oberhafen, welcher für die stromabwärts nach H. kommenden Schiffe bestimmt ist, am Nordostende die eigentliche Norderelbe den gegen den Eisgang sichern Niederhafen; doch erscheint der Elbstrom fast als ein einziger großer Hafen. Die neuen Hafenbassins am Grasbrook mit ausgedehnten Kaianlagen und geräumigen, am tiefen Wasser gelegenen Speichern sind vorzugsweise für Dampfschiffe bestimmt. Die Hafen- und Kaianlagen gehen infolge des im J. 1888 stattfindenden Anschlusses Hamburgs an das Zollgebiet einer großen Umgestaltung entgegen; sie werden größtenteils zu einem ausgedehnten Freihafendistrikt ausgebaut werden. Was die Bauart der Häuser Hamburgs betrifft, so ist dieselbe in den vom großen Brand verschont gebliebenen Teilen der Stadt meistens unansehnlich. Die Mehrzahl der ältern Häuser ist von mit Ziegelsteinen ausgesetztem Fachwerk aufgeführt. Nur einzelne Straßen sind besser gebaut. Viele Wohnungen befinden sich in den Kellerräumen, obschon dieselben in den niedrigen Gegenden wiederholt im Jahr der Gefahr ausgesetzt sind, bei besonders hohen Fluten mit Wasser angefüllt zu werden. Doch ist in den letzten Jahren durch Erhöhung mancher Straßen der Umfang der Überschwemmung verringert worden. Nicht viel besser ist die Neustadt gebaut, in welcher jedoch das alte Gängeviertel, so benannt wegen seiner zahlreichen, jetzt allmählich verschwindenden engen Gänge, durch Anlegung von neuen Straßen (Wexstraße etc.) mehr und mehr beseitigt wird. In dem nach 1842 entstandenen Neubau hat die Mehrzahl der Häuser 3–4 Stockwerke und meistens platte Dächer. Im Lauf der letzten Jahre sind auch in den ältern Stadtteilen an Stelle früherer kleinerer Häuser große Wohngebäude entstanden, und infolge des bevorstehenden Zollanschlusses mußte fast der ganze südliche am Wasser gelegene Teil der Altstadt zum Abbruch bestimmt werden, um neuen Kais, Wasserstraßen und Lagerhäusern Platz zu machen. Den Glanzpunkt Hamburgs bildet das Alsterbassin, welches auf drei Seiten von den langen Häuserreihen des Neuen und Alten Jungfernstiegs und des Alsterdammes eingerahmt ist, während es auf der vierten Seite durch den die Anlagen östlich und westlich von der Stadt verbindenden Wall von der Außenalster geschieden ist. Baumreihen umgeben das Wasserbassin, und große Kaufläden, Hotels und Restaurationen finden sich in seiner Nähe. Besonders verdienen die langgestreckten Wallanlagen mit ihrer garten- und parkartigen Ausstattung Erwähnung. Als der interessanteste Punkt innerhalb der Stadt ist aber die Elbhöhe oder der Stintfang (am Hafenthor) zu nennen wegen des charakteristischen Blicks auf den Hafen. Der eigentliche Sitz des Großhandels ist im

[Ξ]

HAMBURG-ALTONA
Maßstab 1 : 17 500

[40] allgemeinen die Altstadt und das Zentrum desselben der Neubau Hamburgs. Ein besonderes Interesse gewährt die Vorstadt St. Pauli mit ihren Volkstheatern, Zirkussen, Karussellen etc.

[Bauwerke.] H. besitzt 13 Kirchen und mehrere Kapellen. Die älteste Kirche, der schon zu Karls d. Gr. Zeit gegründete, öfters zerstörte, im 12. Jahrh. neu aufgeführte Dom, wurde 1805 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Die Katharinenkirche (mit 122 m hohem Turm) und die Jakobikirche (mit 114 m hohem Turm), beide vom Brand verschont, sind jetzt die einzigen aus dem Mittelalter stammenden Kirchen Hamburgs. Sie sind im gotischen Stil zu Ende des 14. und im 15. Jahrh. erbaut worden; nur die Türme sind neuern Ursprungs, da die alten durch Blitz und Sturm zerstört worden sind. St. Jakobi war die erste Kirche in Deutschland, welche durch einen Blitzableiter geschützt wurde (1782 von Reimarus). An derselben war bis 1661 der Humorist und Satiriker Schuppius Pastor, an St. Katharinen der gelehrte Dichter Ph. Nicolai und der durch den Streit mit Lessing bekannte Hauptpastor Goeze angestellt. Die größte Kirche Hamburgs ist die Michaeliskirche, welche 1751–62 durch Ernst Georg Sonnin erbaut ward, nachdem die frühere, erst 1661 eingeweihte Kirche gleiches Namens 1750 durch einen Blitzstrahl eingeäschert worden. Ihre Länge beträgt 70, ihre Breite 52 m. Sie liegt auf dem höchsten Punkte der Stadt, ruht auf vier kolossalen Tragepfeilern und ist eine Kreuzkirche. Der 1778–86 aufgeführte Turm, 143 m hoch, im obern Teil Holzkonstruktion, ist oft zu physikalischen Beobachtungen benutzt worden. Den prächtigsten Kirchenbau hat Neuhamburg aufzuweisen: die neue St. Nikolaikirche, die an Stelle der alten, 1842 mit abgebrannten errichtet ist. Sie ist im rein gotischen Stil erbaut und zwar von Backsteinen mit reichen Verzierungen von Sandstein, welcher zum obern Teil des Turms ausschließlich verwendet ward, so daß diese Kirche dadurch alle Bauten der frühern Jahrhunderte im nördlichen Deutschland übertrifft. Das Innere zieren Marmorstufen, ein Fußboden von schwarz und weißem Marmor, Marmorsäulen über dem Chor, Altar und Kanzel von farbigem Marmor, über dem Altar ein Christus am Kreuz in kolossaler Größe sowie unter dem Kreuz ein Relief, Christus am Ölberg, beides in weißem Marmor ausgeführt. Der Plan zur Kirche, welche im September 1863 dem Gebrauch übergeben ward, ist von dem Engländer George Gilbert Scott. Die Länge derselben beträgt 84, die Breite 31, die Höhe 36 m. Der 1874 vollendete Turm hat eine Höhe von 147 m. Auch die St. Petrikirche, die 1842 ebenfalls ein Raub der Flammen ward, ist im gotischen Stil des 14. Jahrh. neu erbaut und bereits 1849 eingeweiht worden. Der im J. 1878 vollendete Turm ist ganz in der Form des frühern, jedoch mit etwas höherer Spitze errichtet worden; seine Höhe vom Straßenpflaster aus beträgt 113,16 m. Neben diesen fünf Hauptkirchen sind noch zu erwähnen: die Georgskirche (Dreifaltigkeitskirche) in der ehemaligen Vorstadt St. Georg, die St. Paulskirche in der Vorstadt St. Pauli, die kleine Michaeliskirche (seit 1824 im Besitz der Katholiken), die englisch-bischöfliche Kirche am Zeughausmarkt und die englische Reformkirche sowie die deutsch-reformierte Kirche (seit 1854).

Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden steht die Börse im neuen H. (auf dem Adolfsplatz) obenan. Sie wurde an der Stelle des ehemaligen Maria-Magdalenenklosters 1836–41 aufgeführt und blieb mitten im Brand von 1842 stehen. Sie ist 71 m lang und 51 m breit. Der für das Börsenpublikum bestimmte innere Raum wird durch große Fenster von oben erleuchtet und ist auf allen vier Seiten von Bogengängen umgeben; in einem Seitengebäude befinden sich die 50,000 Bände starke Kommerzbibliothek, reich an neuern Werken der Geographie, Statistik und der Geschichte, die Lesezimmer der Börsenhalle etc. Unweit der Börse ist die Bank, seit 1876 Eigentum der Reichsbank. Das ehemalige Rathaus, dem alten Börsenplatz gegenüber, mußte beim Brand von 1842 durch Sprengen geopfert werden; mit dem Bau des neuen (zwischen der Börse und dem Alsterbassin) ist begonnen worden. Vorläufig dient als solches das ehemalige Waisenhaus in der Admiralitätsstraße (1785 erbaut). Ansehnliche Gebäude sind ferner das neue Schulhaus (1837–40 an der Stelle des alten Doms erbaut), welches das Gymnasium und Johanneum nebst der etwa 400,000 Bände und 5000 Manuskripte zählenden Stadtbibliothek (in fünf großen Sälen) und das naturhistorische Museum enthält, und die neue Kunsthalle (nach den Plänen Schirrmachers) auf der Alsterhöhe, der gegenüber auf der sogen. Ferdinandshöhe das Schillerdenkmal (von Lippelt modelliert) steht. Ein sehenswertes Kriegerdenkmal (modelliert von Schilling) steht an der Esplanade, ein Lessingdenkmal (modelliert von Schaper) auf dem Gänsemarkt, und auf der Trostbrücke in der Altstadt befinden sich die von Peiffer hergestellten Statuen des Apostels des Nordens, Ansgar (gest. 863), und des Grafen Adolf II. von Holstein und Schauenburg (gest. 1225); die des Reformators Bugenhagen befindet sich vor dem Gymnasium. Das große und geschmackvolle Stadthaus ist von Baron Görtz, dem später enthaupteten Finanzminister Karls XII. von Schweden, erbaut und 1722 von der Stadt angekauft worden. Ein neues großartiges Postgebäude wird beim Dammthor errichtet, während das jetzige Postgebäude der Sitz andrer Behörden werden wird. Vor dem Holstenthor befindet sich das ausgedehnte neue Justizgebäude (nur für die Strafgerichte bestimmt). Mit Wasser wird die Stadt durch die großartige Stadtwasserkunst versorgt, welche dasselbe 2 km weit von Rothenburgsort an der Oberelbe herleitet. Sie entstand 1844 und wurde seitdem stetig erweitert; ihre Röhren haben eine Gesamtlänge von etwa 322 km.

[Bevölkerung.] Die Zahl der ortsanwesenden Bewohner der Stadt betrug 1885 für die Stadt H. mit St. Georg 237,191, für St. Pauli 64,397, für die Vororte 165,411, in Summa für ganz H. mit Einschluß der Schiffsbevölkerung (3959 Mann) und des Militärs (2 Bataillone Infanterie) 471,275. Die Lutheraner haben in Stadt und Vororten 19 Kirchen und Kapellen, die Reformierten 3 Kirchen, die Anglikaner 1 Kirche; außerdem bestehen Kapellen und Bethäuser für verschiedene Religionsgemeinschaften. Die früher nur geduldeten Katholiken (erst 1784 konzessioniert) und die Reformierten (1785 konzessioniert) haben seit 1814 und 1819 mit den Lutheranern gleiche bürgerliche Rechte. Die katholische Gemeinde hat außer einer Kirche (s. oben) noch eine Kapelle in einem kath. Waisenhaus in St. Georg; der Bischof von Osnabrück fungiert als apostolischer Vikar in H. Für die deutsch-israelitische Gemeinde bestehen drei Gotteshäuser, darunter die neue Synagoge an den Kohlhöfen, für die portugiesisch-israelitische Gemeinde ein Bethaus. Die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten mit der christlichen Bewohnerschaft erfolgte vollständig im J. 1848. Was den Charakter des Hamburger Lebens betrifft, so hat dasselbe in der neuern Zeit viel von seinen alten Eigentümlichkeiten eingebüßt, [41] wozu teils ein großer Zufluß von Leuten, die im Ausland, meist in Amerika, reich geworden sind und sich in H. niedergelassen haben, teils der sehr starke Zuzug von Arbeitern, zumeist aus Norddeutschland, das Seinige beigetragen hat. Deshalb unterscheidet sich der Hamburger jetzt kaum bemerkbar von den Bewohnern der übrigen großen Städte Norddeutschlands.

[Handel und Industrie.] Dasjenige, was H. seinen eigentlichen Charakter gibt, ist der Handel; alle andern Interessen stehen hinter den kaufmännischen zurück. In der That ist H. nicht nur der erste Seehafen des europäischen Festlandes, sondern rangiert auch den englischen Häfen gegenüber unmittelbar nach London und Liverpool als dritte Handelsstadt und übertrifft in seinem Gesamthandelsverkehr weit alle übrigen Seeplätze, ja sogar die Aus- und Einfuhr von ganz Holland, ebenso die von ganz Belgien und ganz Spanien. Zu Ende des Jahrs 1885 besaß die hamburgische Reederei 481 registrierte Seeschiffe (darunter 189 Seedampfschiffe), welche zusammen 322,135 Registertons Laderaum haben. Die regelmäßige Besatzung der Schiffe besteht aus 8893 Köpfen. Die größten Dampfschiffe gehören der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktiengesellschaft. Im J. 1836 besaß H. nur 146 Schiffe (Segler) von 25,722 Registertons. Die Zahl der Flußschiffe betrug zu Ende des Jahrs 1885: 3820 von 139,233 Ton., darunter 180 Dampfer. Was den Seeschiffahrtsverkehr betrifft, so kamen 1885 in H. an: 6790 Seeschiffe von 3,704,112 Registertons. Unter diesen kamen 5856 mit Ladung (3,443,645 Registertons) und 934 (von 260,467 Registertons) leer und in Ballast; unter den Schiffen waren 4478 Dampfschiffe. In See gegangen sind von H. im J. 1885 mit Ladung 5142, leer und in Ballast 1656, zusammen 6798 (von 3,712,394 Registertons). Von den 6790 angekommenen Schiffen fuhren:

unter deutscher Flagge 3189 Schiffe
großbritannischer Flagge 2508
niederländischer Flagge 299
norwegischer Flagge 283
schwedischer Flagge 128
französischer Flagge 107

Es kamen an:

aus deutschen Häfen 1338 Schiffe, darunter 288 Dampfschiffe
dem übrigen Europa 4388 3787
  darunter aus Großbritannien 7761 749
20762 1924
aus außereurop. Ländern 1064 403
  darunter aus den Verein.
Staaten von Nordam.
362 136
  aus dem übr. Amerika 524 186
  Asien 84 47
  Afrika 71 50
  Australien 23 4
1 Kohlenschiffe. – 2 Schiffe mit andrer Ladung.

Die Bemannung der 6790 angekommenen Schiffe betrug 106,478 Köpfe. Die Zahl der ein- und ausgelaufenen Schiffe betrug:

Jahr Ein­gelaufene Schiffe 1000 Register­tons Aus­gelaufene Schiffe 1000 Register­tons
1865 5186 1223 5186 1216
1875 5260 2118 5209 2085
1885 6790 3704 6798 3712

Besonders mächtig hat sich der Dampfschiffsverkehr entwickelt. Bis 1860 war noch der Anteil der Segelschiffe ein überwiegender, 1861–65 partizipierten Dampf- und Segelschiffahrt etwa gleichmäßig an dem Verkehr, während seit 1866 der Anteil der Dampfschiffe so sehr gestiegen ist, daß er gegenwärtig von dem ganzen Verkehr mehr als zwei Drittel beansprucht. Der Dampfschiffsverkehr besteht hauptsächlich mit Großbritannien, sodann mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika und mit Schweden und Norwegen. Regelmäßige Dampfschiffahrten finden statt nach Amerikas Westküste, Amsterdam, Antwerpen, Bergen, Bordeaux, Brasilien, Buenos Ayres, Cadiz, Christiania, Drontheim, Dünkirchen, Genua, Gibraltar, Gotenburg, Grimsby, Hartlepool, Havre, Hull, Leith, Lissabon, Livorno, Liverpool, London, Malaga, Messina, Montevideo, Neapel, Newcastle, New York, New Orleans, Rotterdam, durch den Suezkanal nach Ostindien und China, nach Westindien; ferner elbaufwärts Passagierfahrten nach allen Plätzen bis Dömitz und Schleppschiffahrt bis nach Magdeburg, Sachsen und Böhmen, flußabwärts nach allen Stationen der Niederelbe bis Kuxhaven und nach Helgoland, nach dem gegenüberliegenden Harburg und den benachbarten Elbinseln. Flußwärts, auf der Oberelbe, liefen in H.-Altona 1885 ein 9073 beladene Schiffe, 2026 leere, 126 Flöße, Gesamtladung 12,3 Mill. Doppelzentner; es gingen ab 8958 beladene (mit 11,8 Mill. Doppelzentner), 2259 leere Flößschiffe.

Die gesamte Einfuhr (einschließlich von und über Altona) betrug exkl. Münzen und Edelmetalle:

Im Durchschnitt Doppelzentner netto
in Tausenden
Davon direkt see­wärts Doppelztr.
in Tausenden
Gesamtwert
in Mill. Mark
1851–55 14232 8092 587
1856–60 17723 10219 753
1861–65 20967 11331 895
1866–70 26120 13748 1098
1871–75 35867 21455 1670
1876–80 47893 23530 1785
1881–85 63529 31203 2121
1885 67813 33504 2046

Im letztgenannten Jahr kamen auf die direkte Einfuhr seewärts 991,5 Mill., darunter von und über Altona 58,5 Mill., aus den außereuropäischen Häfen 356,4 Mill. Mk., auf die Einfuhr land- und flußwärts 1054,3 Mill. Mk. Der Wert der nicht mit inbegriffenen Kontanten war 101 Mill. Mk. Von den einzelnen Ländern waren an der Einfuhr seewärts 1885 beteiligt:

Großbritannien und Irland mit 394,1 Mill. Mk.
Vereinigte Staaten (atlantische Seite) 123,4
Brasilien 55,8
Frankreich 48,1
Amerikas Westküste (ohne Zentralam.) 44,8
Niederlande 28,9
Mexiko und Zentralamerika 24,0
Bremen und die Weser 22,6
Rußland 19,7
Schweden und Norwegen 14,7
Britisch-Ostindien 12,6
Westindien 12,2
Belgien 11,2
China und Japan 6,9

Es kamen mit der Berlin-Hamburger Eisenbahn Waren an für 290 Mill., mit der Venloo-Hamburger Eisenbahn für 251 Mill., mit der Altona-Kieler Eisenbahn für 96 Mill., von der Oberelbe für 240 Mill., von und über Harburg für 20 Mill., von der Niederelbe für 12 Mill. Mk. Nach allgemeiner Schätzung der Warengattungen belief sich der Wert der Einfuhr im J. 1885:

für Verzehrungsgegenstände auf 706,5 Mill. Mk.
Rohstoffe und Halbfabrikate 775,4
Kunst- und Industrieerzeugnisse etc. 318,8
Manufakturwaren 245,1

[42] Die dem Wert nach hauptsächlichsten Einfuhrartikel waren:

  Mill. Mk.
Rohzucker 102,4
Woll- u. Halbwollwaren 98,0
Kaffee 97,6
Schafwolle 69,6
Baumwollwaren 60,0
Woll- und Halbwollgarn 49,0
Butter und Schmalz 48,3
Baumwolle 45,8
Twist und Baumwollgarn 44,3
Rohtabak 36,9
Spirituosen aller Art 34,4
Raffinaden und Kandis 32,8
Trockne u. gesalzene Rindshäute 32,2
Maschinen 30,2
Nähmaschinen 10,9
Roher Salpeter 28,2
Leder 26,9
Mehl aller Art 23,3
Felle und Pelzwerk 23,3
Leinen, Halbleinen, Segeltuch 23,2
Weine 22,2
Petroleum 21,3
Steinkohlen 19,7
Strumpfwaren 16,9
Zigarren und Zigarretten 16,5
Seiden- und Halbseidenwaren 13,7

Der geschätzte Wert der Ausfuhr betrug 1885:

  seewärts mit Eisenbahn und nach der Oberelbe
in Millionen Mark
Verzehrungsgegenstände 351,0 205,7
Kunst- und Industrieerzeugnisse 208,4 74,5
Rohstoffe und Halbfabrikate 165,9 452,8
Manufaktur- und Modewaren 132,8 56,2
Bau- und Brennmaterial 3,9 4,9

Die Auswanderung über H. liefert folgende Zahlen: es wurden 1885 auf 906 Dampfern und 26 Segelschiffen zusammen 69,403 Personen befördert, darunter 31,351 einzelne Leute und 11072 Familien mit zusammen 38,052 Köpfen (1875 wurden 31,810 Auswanderer befördert).

Zur Förderung des Handels wurden neben der alten weltbekannten Hamburger Bank in der Neuzeit noch andre Banken errichtet, von denen die drei bedeutendern auch Giroverkehr haben, nämlich die Norddeutsche Bank (seit 1856), die Vereinsbank (seit 1856) und die 1870 gegründete Kommerz- u. Diskontobank. Die alte, 1619 gegründete Hamburger Bank (vgl. Banken, S. 323), deren Geschäftsumsatz 1875: 3492,1 Mill. Mk. betrug, hat als solche mit dem 1. Jan. 1876 aufgehört; an ihrer Statt besteht in H. jetzt eine Reichsbankhauptstelle, deren Geschäftsumsatz sich 1884 auf 7220,6 Mill. Mk. belief. Neben dem Warenhandel, verbunden mit dem Schiffahrtsverkehr, besteht in H. als ein eigentümliches und naturgemäßes Nebengeschäft das Seeversicherungswesen. In H. wurde 1765 die erste deutsche Assekuranzkompanie gegründet; 1885 zählte man deren 8, bei denen 905,3 Mill. Mk. versichert waren (außerdem 727,4 Mill. Mk. bei Privaten und Agenturen). Die Speditionsgeschäfte Hamburgs haben in neuerer Zeit eine immer größere Ausdehnung gewonnen, freilich auf Kosten des Platzverkehrs. Während noch vor einigen Jahrzehnten der Kaufmann des Binnenlandes mit überseeischen Plätzen selten oder gar nicht in direkter Verbindung stand, sondern seinen Bedarf durch Vermittelung der Hansestädte erhielt, haben gegenwärtig die direkten Warenbezüge der Binnenländer in dem Maß überhandgenommen, daß viele der von England, Holland und dem Mittelländischen Meer, ja selbst aus außereuropäischen Häfen kommenden Gegenstände für H. fast nur Transitgut geworden sind. Der sehr bedeutende Wechselverkehr Hamburgs ergibt sich annähernd aus dem Verkauf der Wechselstempelmarken bei den Postanstalten im hamburgischen Staatsgebiet; er brachte 1885 ein 638,300 Mk., was einem Wechselumsatz von 1276,6 Mill. Mk. entspricht. Bei der starken Bevölkerung Hamburgs und dem im allgemeinen dort herrschenden Wohlstand ist der Detailhandel daselbst von großer Wichtigkeit. Am stärksten besetzt sind die Fächer der Manufaktur-, Modewaren-, Tuch-, Kolonial- und Materialwarenhandlungen. Gegenüber der außerordentlichen Ausdehnung des Handelsverkehrs tritt die Industrie Hamburgs allerdings in den Hintergrund, doch ist auch sie von nicht geringer Bedeutung und steht größtenteils mit dem Handel in unmittelbarer Verbindung. In lebhaftem Betrieb sind Branntweinbrennereien und Spiritusraffinerien, Zigarrenfabriken, Eisengießereien, Maschinenfabriken, Fabriken von Chemikalien, Bierbrauereien, Fabriken von Gummiwaren, Fischbein und Stöcken, von Wagen, Mobilien etc. und die verschiedensten Zweige der Gewerbthätigkeit. Auf den in den letzten 40 Jahren erhöhten Elbinseln Steinwärder und Kleiner Grasbrook sind Schiffswerften, Docks, Maschinenwerkstätten, Guanolager, Sprit- und andre Fabriken. Garten- und namentlich Obstbau sind bedeutende Erwerbszweige der Umgegend.

[Volkswohlstand und Armenwesen.] Durchschnittlich ist H. eine wohlhabende Stadt. Die Zahl der Personen, welche Einkommensteuer zahlen (das Einkommen von 600 Mk. aufwärts ist steuerpflichtig), war im ganzen Staatsgebiet 1883: 107,740, welche ein Einkommen von 270,15 Mill. mit fast 6,3 Mill. Mk. versteuerten. Ein Einkommen von 10–25,000 Mk. versteuerten 2231 Personen, von 25–50,000: 766, von 50–100,000: 349, über 100,000: 164. Von milden Stiftungen und sonstigen Anstalten der Wohlthätigkeit sind hervorzuheben: das St. Johanniskloster (vor der Reformation Nonnenkloster, jetzt Rentenanstalt für Töchter Hamburger Bürger, in einem neuen Gebäude am Wall); das St. Maria-Magdalenenkloster (1230 gestiftet), eine der vorigen ähnliche Anstalt für Bürgerstöchter und Witwen der Stadt; das Hospital zum Heiligen Geist (für 156 Hospitanten beiderlei Geschlechts); das allgemeine Krankenhaus in der ehemaligen Vorstadt St. Georg und neuen Gebäuden in Eggendorf; die Irrenheilanstalt Friedrichsberg; das neuerbaute Krankenhaus der Freimaurerlogen; das Gast- und Krankenhaus (seit 1609), ehemals für arme Reisende, gegenwärtig Versorgungsanstalt für 147 Personen beiderlei Geschlechts vom 60. Lebensjahr an u. a.; das Waisenhaus auf der Uhlenhorst; die Taubstummenanstalt; die Blindenanstalt; das israelitische Waisenhausinstitut (1766 gestiftet); das von Salomon Heine 1841 gegründete allgemeine israelitische Krankenhaus; Anstalten für invalide Seeleute und deren Witwen und Waisen; das Magdalenenstift für gefallene Mädchen (1822 errichtet); die Rettungsanstalt für sittlich verwahrloste Kinder (das „Rauhe Haus“) zu Horn, 3 km von der Stadt (1833 eröffnet); die Rettungsanstalt für Ertrunkene und Erstickte (1768 von der Patriotischen Gesellschaft gestiftet); das mehrmals erweiterte großartige Schröderstift mit fast 200 Freiwohnungen und viele andre ältere und neuere Stiftungen. Auch bestehen mehrere Spar- und Vorschußkassen, Vereine für Armen- und Krankenpflege, Versorgungsanstalten etc. Unter den Straf- und Besserungsanstalten sind hervorzuheben: das Werk- und Armenhaus zur Besserung arbeitsscheuer Armen und zur Aufnahme siecher Personen sowie die verschiedenen Gefängnisse, hauptsächlich das große Zentralgefängnis in Fuhlsbüttel.

[Bildung und Unterricht.] Die Anstalten für Wissenschaften und Künste sind zahlreich und mannigfaltig. Von höhern Bildungsanstalten sind folgende zu nennen: Die älteste Bildungsanstalt Hamburgs [43] ist das Johanneum, ursprünglich die von Bugenhagen 1529 in dem von Adolf IV. gestifteten Johanniskloster eingeweihte lateinische Schule, jetzt aus einem Gymnasium und einer Realschule bestehend (das früher mit dem Johanneum verbundene akademische Gymnasium, eine Vorstufe für die Universität, ist aufgehoben); das Wilhelmsgymnasium; die Gewerbeschule und Schule für Bauhandwerker; die höhere Bürgerschule; zahlreiche Privat- und Volksschulen; die St. Johannisklosterschule für Mädchen mit einem Lehrerinnenseminar. Ferner sind vorhanden eine Navigationsschule, verbunden mit einem astronomischen Observatorium; Lehranstalten für Chirurgie und Pharmazie; ansehnliche Bibliotheken und wissenschaftliche Sammlungen; ein botanischer und ein zoologischer Garten (1863 von Alfr. Brehm eingerichtet); eine bedeutende Gemäldegalerie (meist Bilder neuerer Zeit) und Sammlung von Skulpturen, ein Kupferstichkabinett etc. in der Kunsthalle; das Kunst- und Gewerbemuseum; das Museum für Völkerkunde; die anthropologische und prähistorische Sammlung nebst Sammlung für hamburgische Altertümer; das naturhistorische Museum, für welches ein eignes Gebäude jetzt im Bau begriffen ist. Viele in der deutschen Litteratur- und Kunstgeschichte berühmte Namen stehen mit H. in enger Verbindung. Wir erinnern nur an Fleming, der seine letzten Lebenstage in H. verlebte, an Ph. Zesen, der 1643 daselbst die Deutschgesinnte Genossenschaft gründete, an die Dichter Brockes, Hagedorn und Neumeister, besonders aber an Lessing, der dort seine „Dramaturgie“ schrieb (wie denn das Hamburger Theater der damaligen Zeit unter der Direktion von Ackermann und Schröder eine für die Entwickelung des deutschen Schauspielwesens bedeutende Stellung einnimmt); ferner an Klopstock, der 1774–1803 in H. wohnte, und dessen Wohnhaus in der Königsstraße durch eine Inschrift kenntlich ist, endlich an Reimarus, Voß, Gerstenberg, Claudius u. a. Die bedeutendsten Gesellschaften und Vereine für wissenschaftliche, künstlerische und andre Zwecke sind: die Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens (1805 gegründet, mit Bibliothek und Lesezirkel); der Schulwissenschaftliche Bildungsverein (1825 gegründet); die Gesellschaft zur Verbreitung mathematischer Kenntnisse (schon 1690 gegründet); der Kunstverein; der Verein für Kunst und Wissenschaft (seit 1868); der Anthropologische Verein (seit 1871); die Geographische Gesellschaft (seit 1873); die Hamburg-Altonaische Bibelgesellschaft; der Naturwissenschaftliche Verein (1837 gegründet); der Ärztliche Verein (1816 gegründet) mit einer 12,000 Bände starken Bibliothek und einer anatomischen Sammlung; die Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe, Patriotische Gesellschaft genannt (1765 gegründet), die eine Menge andrer nützlicher Institute (außer den oben genannten die Navigationsschule, die Kreditkasse, die Zeichenschule für Handwerker, welche später zu einer großen städtischen Gewerbeschule erweitert wurde, u. a.) ins Leben rief; der Architekten- und Ingenieurverein; der Garten- und Blumenbauverein für H., Altona und deren Umgegend (1836 gestiftet, 1875 reorganisiert), der jährlich eine Blumen- und Früchteausstellung veranstaltet; der Verein für hamburgische Geschichte (seit 1839).

[Umgebungen.] Die Umgebung Hamburgs verschönert sich mehr und mehr und bietet große Annehmlichkeiten, besonders reizende Gartenanlagen und Erholungsorte, dar. Seit 1860 hat auch die Ausdehnung des von den Städtern bewohnten Gebiets in der Nähe der Stadt ungemein zugenommen. Fast nach allen Richtungen hin sind dort Häusermassen neu aufgeführt worden, so daß nur der Name von Vorstädten fehlt. Vom W. Altonas und Ottensens her bis nach Eppendorf, Barmbek, Wandsbek und Horn (3 km östlich von St. Georg) zieht sich eine beinahe ununterbrochene Häuserreihe hin, welche sich in der Mitte dieser Strecke von der Elbe aus fast 4 km landeinwärts erstreckt. Immer mehr wird es Sitte, daß die Geschäftsleute außerhalb der Stadt und zwar Winter und Sommer hindurch wohnen und nur zu den Geschäftsstunden (etwa 10–5 Uhr) in der Stadt sind. Einzelne Gegenden in der Altstadt werden immer mehr von Bewohnern verlassen und dienen hauptsächlich zu Speichern (Warenmagazinen) und Kontoren. Die ganze riesige Häusermasse wird nach allen Richtungen von Omnibussen durchfahren; auch für Pferdeeisenbahnen bestehen in der Stadt und Umgegend mehrere Linien. Die besuchtesten Orte in der Nachbarschaft auf hamburgischem und holsteinischem Gebiet sind Wandsbek, Eppendorf, Horn, Harvestehude, Uhlenhorst, Bergedorf, Reinbek, Friedrichsruh und Blankenese. Vgl. beifolgende Karte.

Geschichte der Stadt und des Staats Hamburg.

Wahrscheinlich ist H. aus einem der beiden von Karl d. Gr. um 808 an der Alster gegen die Slawen angelegten Blockhäuser oder Kastelle entstanden und zwar unter dem Namen Hammaburg. Zwar wurde die Hammaburg von den Wilzen bald wieder zerstört, jedoch 810 neu aufgebaut, und 811 erhielt sie eine Kirche, welche der Mittelpunkt der Verbreitung der Kultur nicht nur für Nordalbingien und die Cimbrische Halbinsel, sondern auch für die dänischen Inseln und selbst für Schweden und Norwegen ward. Im J. 831 ward H. zum Bistum, 834 zum Erzbistum erhoben; dem Bischof und nachherigen Erzbischof Ansgar (s. d.) wurden in der betreffenden Fundationsurkunde auch die Länder Grönlandia, Islandia und Scandinavia als Sprengel angewiesen. Ansgar gründete zwar eine Klosterschule und wirkte unermüdlich für die Ausbreitung des Christentums, allein dieselbe schritt nur sehr langsam fort. Fischerei blieb geraume Zeit fast der einzige Nahrungszweig der Bewohner. Nachdem die Stadt, die Domkirche und das Kloster 845 von den Normannen eingeäschert worden waren, wurde 848 das Erzbistum H. mit dem Bistum Bremen vereinigt und der Sitz des erstern nach Bremen verlegt. Wieder aufgebaut, wurde die Stadt noch mehrmals von Verwüstungszügen der Dänen und Slawen heimgesucht. Hermann Billung, der seit 936 die Nord- und Ostgrenze Sachsens tapfer verteidigte und 959 dies Herzogtum erhielt, schützte H. gegen dessen Feinde. Bei der großen Erhebung der Slawen nach Ottos II. Tod (983) fiel es aber wieder in deren Gewalt und wurde ihnen erst 987 wieder abgenommen. Erzbischof Unwan (1013–29) gründete an Stelle des Klosters ein Domkapitel, und Alebrand (Bezelin, 1035–43) erbaute 1037 den Dom. Erzbischof Adalbert (1043–72) errichtete in H. eine Burg. Gegen 1072 wurde die Stadt von den Slawen abermals verbrannt, erholte sich jedoch so schnell wieder, daß schon 1126 ein neuer Dom dastand.

Im J. 1110 gelangten die Grafen von Schauenburg zum Besitz Holsteins und Hamburgs. Graf Adolf III. gründete 1188 neben der bisherigen Altstadt (Petrikirchspiel) auf der Stelle der Neuen Burg die Neustadt (Nikolaikirchspiel), die von kaufmännischen Ansiedlern bevölkert wurde, und wirkte H. gegen [44] eine bedeutende Geldunterstützung zu einem Kreuzzug bei dem Kaiser 7. Mai 1189 verschiedene Freiheiten aus, namentlich das Weichbildrecht, eigne Gerichtsbarkeit, Zollfreiheit und das Fischfangrecht auf der Elbe bis zum Meer. Die holsteinischen Grafen beanspruchten fortan in H. kein andres Recht als das der Einsetzung eines Landvogts, und so lag die Regierung der Stadt seit 1190 in der Hand eines Rats. Die durch eine große Flut verursachte Zerstörung der Insel Helgoland gab die Elbe frei und dem Handel einen weiten Spielraum. Niederländische Kaufleute legten nun in H. ihre Waren, normännische Korsaren daselbst ihren Raub nieder, während die Stadt durch die Zerstörung Bardowieks durch Heinrich den Löwen 1189 einen trefflichen Zuwachs an handelskundigen Einwohnern erhielt. Auch Gilden oder Zünfte hatten sich bereits hier gebildet. Nachdem sich die Stadt 1201 an Waldemar von Schleswig nach dessen Sieg über den Grafen Adolf von Holstein ergeben, stand sie unter der Herrschaft des dänischen Statthalters Albrecht von Orlamünde. 1223 erfolgte die definitive Verlegung des erzbischöflichen Sitzes nach Bremen, doch behielt H. sein Domkapitel. Nach der Gefangennahme König Waldemars durch Heinrich von Schwerin 1223 geriet H. 1225 wieder in die Gewalt des Grafen Adolf IV. von Schauenburg und mußte an Lösegeld und Hilfsgeldern bedeutende Summen zahlen. Die Schauenburger setzten sich nun immer mehr in H. fest und legten 1231 oberhalb der Stadt ein befestigtes Schloß an; die Stadt wurde für sie eine reiche Geldquelle. Doch erlangte sie 1254 das Münzrecht und 1256 ansehnliche Steuererleichterungen.

Inzwischen hob sich auch wieder die Handelsthätigkeit, obwohl H. noch ein kleiner Ort war und 1311 erst 7000 Einw. zählte; Viehzucht und Fischerei waren noch wichtige Erwerbszweige. Einem Vertrag mit Lübeck vom Jahr 1241, wonach keine Stadt den aus der andern Verwiesenen Schutz gewähren solle und beide sich zur Vertilgung der Räuber und Friedensbrecher vereinigten (1285 wurde auch ein gemeinschaftlicher Zug gegen sie unternommen), folgte 1255 ein Schutz- und Trutzbündnis; 1259 wurde auch mit Bremen ein freundschaftliches Verhältnis angeknüpft. Beide Städte suchten ihre Schiffahrt durch Verträge gegen das Strandrecht der Nachbarn zu schützen, erlangten auch in Holland, Flandern und Lothringen Schutzbriefe und Zollerleichterungen. Besonders lebhaft war der Handel mit den rheinischen Städten sowie mit Braunschweig und Lüneburg (vgl. Hansa). 1270 gaben sich die Bürger auch ein neues Statut, welches die Verfassung und die Rechtsverhältnisse ordnete. Zwar stand an der Spitze der Stadt ein gräflich schauenburgischer Vogt, aber ihre Selbständigkeit wurde namentlich 1292 durch das Zugeständnis der Autonomie in innern Angelegenheiten von seiten der Grafen und 1302 durch Verleihung der Zollfreiheit gefördert. Der Bann, in welchen H. wegen eines Streits mit dem Domkapitel 1334 geraten war, ward 1355 wieder aufgehoben; auch wurde mit Hilfe des Kaisers eine Fehde mit Holstein 1342 glücklich beseitigt und durch den Ankauf mehrerer Besitzungen, z. B. Eppendorfs, des Billwerders und des Amtes Ritzebüttel, das städtische Gebiet vergrößert. Um seinen Handel zu schützen, sah sich H. zum Kampf gegen Seeräuberei genötigt. Klaus Störtebeker, der berüchtigte Pirat, wurde 1401 gefangen genommen, die ostfriesischen Häuptlinge, welche die Elbe blockierten, 1402 auf der Sandbank bei Helgoland völlig geschlagen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem aristokratischen Stadtregiment nahm inzwischen wegen der hohen Abgaben immer mehr zu, und 1410 hatte eine Erhebung der Ämter (Zünfte) die Errichtung des Instituts der Sechziger und den zwischen diesen Repräsentanten der Bürgerschaft und dem Senat abgeschlossenen sogen. ersten Rezeß zur Folge; doch stellte erst ein neuer Rezeß von 1458 die Ruhe vorläufig her, bis 1483 ein Böttcher, Heinrich von Lo, einen neuen Aufstand erregte, welcher wieder durch einen Rezeß beendigt wurde. 1420 hatte H., das überhaupt an allen Fehden der Hansa teilnahm, im Verein mit Lübeck die Vierlande erobert. König Christian I. von Dänemark als Erbe der Schauenburger forderte von H. 1461 zwar die Erbhuldigung, mußte sich aber mit dem vom Bürgermeister geleisteten Handschlag begnügen; gegen weitere Prätensionen von seiten Dänemarks ward H. dadurch geschützt, daß Kaiser Maximilian I. 1510 H. zur Reichsstadt erklärte, was nach langen Verhandlungen 1618 auch vom Reichskammergericht anerkannt wurde.

[Innere Kämpfe.] Der Fall der Hansa erweiterte nur Hamburgs Verkehr, indem die strengen Zunftgesetze des Bundes seinen merkantilischen Geschäften mehr hinderlich als förderlich gewesen waren. Indes war H. damals immer nur als eine Handelsstadt zweiten Ranges anzusehen, deren Geschäfte sich mehr in Spedition und Kommission als im Großhandel bewegten. Die Reformation fand schon 1521 Eingang; nachdem Bugenhagen Kirchen- und Schulwesen geordnet hatte, ward durch den langen Rezeß vom 19. Febr. 1529 die Reformation definitiv eingeführt, eine Kirchenordnung erlassen und dem Rat sowie den Kollegien der Oberalten, der Achtundvierziger (seit 1685 Sechziger) und der Hundertvierundvierziger (seit 1685 Hundertundachtziger) das Regiment der Stadt übertragen; die gemeine Bürgerschaft zerfiel in die erbgesessene Bürgerschaft (Grundeigentümer) und die Älterleute (Werkmeister der Ämter). 1536 trat H. dem Schmalkaldischen Bund bei, wofür es 1547 nach Besiegung des Bundes 60,000 Gulden zahlen und Abbitte thun mußte; trotzdem verwarf es 1548 das kaiserliche Interim. Der Dreißigjährige Krieg verlief, ohne daß H. eine Belagerung zu erleiden oder nur fremde Truppen in seine Ringmauern aufgenommen hatte. Dagegen vertrieb religiöse Unduldsamkeit viele fleißige Bürger aus Hamburgs Mauern, namentlich Mennoniten und andre dissentierende Protestanten, die sich nun auf holsteinischem Boden ansiedelten und so den Grund zu Altona legten. Schon 1603 erhielt H. ein Wechselrecht; 1605 wurde das Stadtbuch verbessert und das Gemeindewesen vollständiger ausgebildet. 1611 siedelte von England eine Anzahl Kaufleute, die sogen. Adventurers, nach H. über. 1615 erhielt H. die erste Reichspost, und bald legten alle Mächte in H. Posten an; auch ward in diesem Jahr die Neustadt mit in die Umwallung der Stadt gezogen. Zunächst der Umstand, daß Hamburgs Nachbarn geringeres Geld prägten als jenes, veranlaßte 1619 die Gründung der Bank, eins der solidesten Institute seiner Gattung. Viele der aus Spanien und Portugal um jene Zeit vertriebenen Juden wendeten sich nach dem aufblühenden H. und brachten Verbindungen zu großen Geld- und Wechselgeschäften sowie den Handel mit ostindischen Kattunen mit. Neue Streitigkeiten zwischen den Bürgern und dem Senat seit 1672 wurden zwar für den Augenblick vergessen, als die Dänen 1685 aufs neue vor der Stadt erschienen und die Erbhuldigung verlangten; als man aber den Feind zurückgewiesen [45] und zwei Häupter der Bürgerschaft, Schnitger und Jastram, welche gegen die Herrschaftsgelüste des sich auf den Kaiser stützenden Bürgermeisters Meurer bei Dänemark Hilfe gesucht und dadurch dessen Einschreiten veranlaßt hatten, hatte hinrichten lassen, entbrannte der Streit von neuem. Seit dem Westfälischen Frieden war nämlich der Handel Hamburgs fast ganz in die Hände der Holländer übergegangen, und nur nach dem nördlichen Spanien und nach Portugal betrieb H. Geschäfte von einiger Wichtigkeit. Während so die Bürger Hamburgs zum Teil geschäftslos waren, blieben die Staatslasten fortwährend die alten. Umtriebe der calvinistischen Geistlichkeit fachten die Gärung noch an, und so brach im November 1693 ein offener Aufstand aus, in welchem die Partei der niedern Klasse (Mayerianer, nach ihrem Führer Mayer, dem Hauptpastor zu St. Jakobi, genannt) den Sieg davontrug. Eine kaiserliche Kommission brachte zwar 1699 einen neuen Rezeß zu stande; die Proletarier, den Prediger Krumbholz an der Spitze, riefen jedoch ihren Anführer Mayer, den die kaiserlichen Kommissare aus der Stadt verwiesen hatten, zurück und setzten 1708 den Rat ab. Der Herzog von Braunschweig und die Direktoren des niedersächsischen Kreises schickten nun Kreistruppen mit kaiserlichen Kommissaren nach H., wobei jedoch der britische und holländische Gesandte Garantie leisteten, daß nichts an den Grundgesetzen geändert werden solle, und so kam nach mehrjährigen Verhandlungen endlich der große Hauptrezeß von 1712 zu stande, welcher ein Einverständnis zwischen Rat und Bürgerschaft herstellte, das seitdem nicht wesentlich getrübt ward. Noch einmal rückte König Friedrich IV. von Dänemark 1712 vor die Stadt, ließ sich jedoch mit einer Summe von 250,000 Reichsthalern abfinden.

Der Handel blühte nun von neuem auf und erlangte besonders während des Siebenjährigen Kriegs große Bedeutung. Hamburgs Schiffe gingen nach Holland, England, Spanien und Portugal und nahmen teil am Herings-, Stockfisch- und Walfischfang. Am 22. Mai 1762 ward zu H. der Friede zwischen Preußen und Schweden abgeschlossen. Die durch den Krieg herbeigeführte Kornteurung veranlaßte in H. einen schwunghaften Getreidehandel; aber die Nachwehen des Kriegs und die Spekulationswut, die endlich in einer beispiellosen Wechselreiterei Nahrung suchte, führten zur Katastrophe von 1763. Fast 100 der angesehensten Häuser fielen, und Hamburgs Kredit und Wohlstand wurden tief erschüttert. Doch erholte es sich bald wieder. Der Gottorpsche Vertrag von 1768 sicherte endlich Hamburgs Unabhängigkeit für immer gegen holsteinische Angriffe, und 1770 erhielt die Stadt Sitz und Stimme auf dem Reichstag. Der Umstand, daß während des nordamerikanischen Befreiungskriegs die kriegführenden Mächte allen neutralen Schiffen die freie Fahrt nach ihren Kolonien erlaubten, erhob Hamburgs Handel zum Welthandel. Nach geendigtem Krieg blühte der Handel mit dem neuen Freistaat auf; verfehlte Spekulationen hatten zwar für H. große Verluste zur Folge, aber auch das Gute, daß die Unverkäuflichkeit vieler hingesendeter Lager zur Errichtung von hamburgischen Agenturen in allen großen Plätzen der Union Veranlassung gab, die sich später in bleibende Kommanditen, in förmliche Etablissements verwandelten.

[Revolutionszeit.] Infolge der französischen Revolution wurde H. von Emigranten überschwemmt, welche zwar auf die Verfeinerung der äußern Bildung einwirkten und Geld mitbrachten, aber auch die Löhne und Preise steigerten und die Sitten verderbten. Die Eroberung Hollands durch die Franzosen (1795) brachte fast den ganzen holländischen Handel nach H., dessen Geschäfte sich außerordentlich mehrten. Aber bald ward H. direkt von den kriegerischen Verwickelungen betroffen. Die Besitznahme der Stadt H. durch die Dänen unter dem Prinzen Karl von Hessen 1801 ward schon durch Nelsons Sieg vor Kopenhagen wieder aufgehoben. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erhielt die Stadt das nicht unbedeutende Domgebiet; der Dom wurde abgebrochen. Durch die Besetzung Hannovers von seiten der Franzosen 1803 und 1804 ward aber nicht nur Hamburgs Verkehr mit Deutschland fast ganz vernichtet, sondern die Stadt auch gezwungen, den hannöverschen Ständen 1,060,000 Thlr. vorzuschießen. Nachdem 1806 das Amt Ritzebüttel von den Franzosen besetzt worden war, um so die Elbe zu sichern, erfolgte 19. Nov. auch die Besetzung der Stadt H. selbst unter Mortier, infolgedessen die Briten die Elbe blockierten. Am 13. Dez. 1810 wurde H. mit Nordwestdeutschland dem französischen Reich einverleibt und zur Hauptstadt des Departements der Elbmündungen gemacht sowie für eine der bonnes villes de l’Empire erklärt. Von diesem Augenblick an lagen Hamburgs Handel und Schiffahrt danieder. Mit Begeisterung ward daher der russische General Tettenborn bei seinem Einzug 18. März 1813 empfangen, nachdem der französische Kommandant Cara Saint-Cyr H. am 12. verlassen hatte. Indes weder die Streitkräfte Tettenborns noch die Geldopfer und Rüstungen, zu denen der bedächtige Hamburger Senat sich entschloß, waren ausreichend, die Stadt gegen einen ernsten Angriff des Feindes zu verteidigen, und schon 30. Mai rückten die Franzosen wieder ein. Die Stadt wurde von Davoût als Rebellin behandelt, ihr 48 Mill. Mark Banko Kontribution auferlegt und, da sie nicht bezahlt werden konnten, alle Kassen sowie die Geldvorräte der Bank (71/2 Mill. Mark Bko.) konfisziert; die angesehensten Bürger wurden verbannt oder verhaftet, die Befestigungen erneuert und erweitert, wobei die Einwohner selbst mitarbeiten mußten, und bei Beginn des Winters 20,000 ärmere Bewohner aus der Stadt vertrieben. Die lange, hartnäckige Verteidigung Davoûts gegen Bennigsen legte der Bürgerschaft noch härtere Leiden auf. Im Mai 1814 endlich sah sich Davoût genötigt, die Stadt zu übergeben. Die halbe Million Frank Renten, welche die französische Regierung 1818 H. überließ, war nur eine geringe Entschädigung, da die Verluste der Stadt durch die Franzosen allein 1813, die geraubten Bankgelder ungerechnet, auf 57 Mill. Mark Bko. und von 1806 bis 1814 im ganzen auf 140 Mill. Mark Bko. geschätzt wurden. Die Bevölkerung war von 100,000 auf 55,000 Einw. heruntergegangen. Die alte Verfassung wurde nun im wesentlichen wiederhergestellt, aber 27. Mai 1814 auf Antrag des Senats von der Bürgerschaft eine Deputation von 20 Männern gewählt, die mit jenem zur Reorganisation des Staats in beschleunigtem Geschäftsgang wirken sollte.

[Verfassungsreform.] Durch die Bundesakte vom 8. Juni 1815 trat H. als souveräner Staat dem Deutschen Bund bei und bildete mit Bremen, Lübeck und Frankfurt die Kurie der Freien Städte. Die Handelskrisen von 1825 und 1826 blieben zwar auch auf H. nicht ohne nachteiligen Einfluß; doch blühte es nachher um so mehr wieder auf, und auch die Krisis von 1837 ging ohne nachhaltige Folgen [46] vorüber. Nach der Julirevolution von 1830 hatte auch H. revolutionäre Zuckungen, allein es kam nur zu einem „Pöbelkrawall“. Im Herbst 1831 raffte die Cholera binnen 15 Wochen 500 Opfer in der Stadt hinweg. Vom 5. bis 8. Mai 1842 legte eine Feuersbrunst 4219 Gebäude in 75 Straßen, darunter drei Kirchen und mehrere andre öffentliche Gebäude, in Asche; der Gesamtwert derselben samt ihrem Inhalt ward auf 40,851,500 Mk. Kur. geschätzt. 19,995 Personen wurden obdachlos. Aus allen Teilen Deutschlands, ja sogar aus den fernen Weltteilen trafen großartige Unterstützungen bis zum Belauf von 21/2 Mill. Thlr. in H. ein, und hierdurch wie durch eine Staatsanleihe von 34 Mill. Mark Bko. ward es möglich, die augenblickliche Not zu lindern und sofort zum Wiederaufbau zu schreiten.

Gleich nach dem Brand ward dem Rat von der Patriotischen Gesellschaft eine Petition um Einsetzung einer Reformdeputation übergeben; eine aus Juristen und andern Bürgern bestehende Deputation, welche im November 1843 zur Begutachtung der nötigen Reformen eingesetzt wurde, arbeitete jedoch ohne Erfolg. Doch wuchs infolge der Maßregeln, welche die zur Leitung des Neubaues niedergesetzte Rats- und Bürgerdeputation traf, im Schoß der Bürgerschaft allmählich eine Opposition heran, die, vom Grundeigentümerverein ausgehend, immer von neuem auf Niedersetzung einer Reformdeputation drang. Infolge der Februarrevolution von 1848 kam es 3. März zu bedeutenden Exzessen, welche sich 27. Mai und besonders 9. Juni wiederholten. Die Zähigkeit des Senats in der Bewilligung von Konzessionen, die unfruchtbare Thätigkeit der vom Senat berufenen Reformdeputation und der Gang der deutschen Verhältnisse überhaupt hatten auch hier bald eine schärfere Scheidung der Parteien zur Folge; namentlich trat das demokratische Element als politische Macht in verschiedenen Vereinen hervor. Eine Versammlung dieser demokratischen Vereine vom 17. Aug. beschloß, beim Senat den Antrag auf Berufung einer nach den freiesten Grundsätzen gebildeten Konstituierenden Versammlung zu stellen, welche auch 7. Sept. bewilligt wurde. Durch allgemeines Stimmrecht gewählt, trat 14. Dez. 1848 diese Konstituante, 192 Mitglieder stark, zusammen, und im Februar 1849 begann sie die Beratung des nach schweizerischen und amerikanischen Mustern abgefaßten Verfassungsentwurfs, wobei die demokratischen Tendenzen der Mehrzahl ihrer Mitglieder mit aller Schärfe hervortraten. So wollte sie das Recht der Gesetzgebung ausschließlich der Bürgerschaft von 300 Mitgliedern, welche alle 2 Jahre sich gänzlich erneuern sollte, vorbehalten und den Rat von 9 gewählten Mitgliedern, von denen alle 2 Jahre 3 austreten sollten, zum bloßen Vollstrecker der Bürgerschaftsbeschlüsse machen. Ende Mai erklärte sich die Konstituante einstimmig für Anerkennung der Reichsverfassung. Erst der Umschlag der allgemeinen politischen Verhältnisse gab auch in H. der Reaktion den Mut, entschiedener hervorzutreten. Ein Aufruf des Patriotischen Vereins forderte die Bevölkerung Hamburgs auf, vereint zu wirken für die Aufrechthaltung der von der Konstituante verworfenen Lebenslänglichkeit der Senatorenwürde, für Beschränkung des Bürger- und Wahlrechts und Teilnahme des Senats an der Gesetzgebung, und Ende Juni erließ der Senat selbst die Erklärung, daß die Konstituierende Versammlung die Grenzen ihrer Vollmacht überschritten habe. Die Folge hiervon war ein längerer Kompetenzstreit, in welchem die Bürgerschaft zu dem Senat hielt. Gleichwohl nahm die Konstituante 11. Juli die ganze Verfassungsurkunde an. Der Senat legte jedoch 5. Aug. gegen die neue Verfassung als eine unmögliche feierlich Verwahrung ein, beantragte hingegen eine Revision der Verfassung durch die Konstituante selbst, welche diese ablehnte. Doch vertagte sie sich 31. Aug., trat nicht wieder in Thätigkeit und ward im Juni 1850 aufgelöst.

Im August 1849 entschloß sich der Senat zum Anschluß an das Dreikönigsbündnis unter der Voraussetzung von Zugeständnissen für den Handel, wogegen die großdeutsche wie die demokratische Partei alle Hebel in Bewegung setzten. Dessenungeachtet entschieden sich bis 25. Aug. alle bürgerlichen Kollegien für den Beitritt, ebenso am 27. die Bürgerschaft mit großer Majorität, und Ende Dezember wurde die Vornahme der Wahlen zum Erfurter Parlament genehmigt. Am 27. Sept. 1849 trat eine aus vier Senatoren und fünf Mitgliedern der Bürgerschaft bestehende Kommission, der Neunerausschuß, zusammen, um den neuen Verfassungsentwurf der Konstituante den Umständen gemäß abzuändern und ausführbar zu machen. Die 29. Okt. von ihm beim Senat eingereichten Vorschläge hinsichtlich der Verfassungsänderungen bezogen sich hauptsächlich auf das Wahlsystem, die Lebenslänglichkeit des Senats, die Zusammensetzung der Bürgerschaft und die Teilung der Gewalt zwischen Rat und Bürgerschaft. Der Senat beschloß Anfang Dezember, den so umgestalteten Verfassungsentwurf gutzuheißen und an die Bürgerschaft zu bringen. Am 8. Mai 1850 ward der revidierte Entwurf der Verfassung von dem Sechziger-Kollegium, am 15. von dem Hundertundachtziger-Kollegium und am 23. endlich auch von der Bürgerschaft samt dem transitorischen Wahlgesetz angenommen. Die Neunerkommission legte bis zum Schluß des Jahrs dem Senat eine große Reihe organischer Gesetze (Organisation des Senats, der Verwaltung und Justiz, Kriminalgesetzbuch, Kriminalprozeßordnung, Zivilprozeßordnung) vor, die im Juni 1851 auch von der Bürgerschaft angenommen wurden. Nur das Kollegium der Oberalten, in welchem die althamburgische Partei die Mehrheit hatte, weigerte sich hartnäckig, die neue Verfassung anzuerkennen, und veranlaßte sogar eine Einmischung des Bundestags, der am 27. April 1852 mehrere Punkte in der neuen Verfassung als unvereinbar mit den Bundesprinzipien bezeichnete. Die Bürgerschaft gab 22. Juli auf Antrag des Senats zu der Revision ihre Zustimmung. Nachdem der revidierte Entwurf vom Senat und 16. Febr. 1855 auch vom Sechziger-Kollegium genehmigt worden, erging von seiten der Oberalten ein neuer Protest an den Senat und zugleich eine abermalige Beschwerde an den Bundestag. Zwar ließ sich ersterer dadurch in der Veröffentlichung der organischen Gesetze zu der neuen Verfassung nicht hindern. Doch erfolgte nun 7. Juni von seiten der erbgesessenen Bürgerschaft, welche Ausführung ihres Beschlusses vom 23. Mai 1850 verlangte, die Ablehnung des Verfassungsentwurfs und der übrigen Senatspropositionen, des Wahlgesetzes, der Geschäftsordnung der Bürgerschaft etc. Der abgelehnte Entwurf wurde von der Neunerkommission nochmals umgearbeitet und namentlich mit Zusätzen versehen, die auf Repräsentation der Zünfte und Gewerbe in der künftigen Bürgerschaft abzweckten. Erst 1859 genehmigten die Oberalten und die Bürgerschaft die Umwandlung der erbgesessenen Bürgerschaft in eine Volksvertretung. Im November fanden die allgemeinen, direkten Wahlen statt, und 6. Dez. trat die neue Bürgerschaft [47] zur ersten Sitzung zusammen. Diese stimmte 28. Sept. 1860 der neuen Verfassung zu, welche 1. Jan. 1861 ins Leben trat.

Der Ausgang des Jahrs 1858 ward für H. durch eine große Handelskrisis bezeichnet, welche, zum Teil durch amerikanische Fallimente, zum Teil durch übertriebene Spekulationssucht verursacht, den Sturz vieler, darunter sehr angesehener, Häuser herbeiführte; aber binnen einem halben Jahr waren 15 Mill. Mark Banko, die man von Österreich geborgt hatte, zurückbezahlt, 5 Mill. in der Bank deponierte Eisenbahnaktien und für 8 Mill. versetzte Waren und Wertpapiere eingelöst worden, und zugleich wurden Anleihen im Gesamtbetrag von etwa 28 Mill. geschlossen. Im Sommer 1858 tagte in H. eine Elbschiffahrtskommission; der Senat legte derselben einen Entwurf zur Ablösung der Elbzölle vor, welchem Hannover wegen des Stader Zolles beistimmte. 1861 führte H. Gewerbefreiheit ein, hob alle Realgerechtsame auf, gab den Erwerb von Grundeigentum durch Fremde frei, erleichterte die Bedingungen zur Niederlassung, erweiterte die Linie der städtischen Accise bedeutend, setzte die Gebühren und Zölle auf 1/4 Proz. vom Werte der Einfuhr herab etc. Die militärische Verfassung bildete längere Zeit Gegenstand der Verhandlung; der Bürgerausschuß befürwortete ein Milizsystem nach Art des schweizerischen mit dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht. Doch die Bürgerschaft stimmte damit nicht überein. Ebensowenig mochte man sich schließlich zu der in Aussicht genommenen Militär- und Flottenkonvention mit Preußen verstehen; vielmehr beschloß die Bürgerschaft im Januar 1862, das frühere Rekrutierungssystem beizubehalten. Der mehr und mehr überwiegende Einfluß der demokratischen Partei, welchen namentlich die Bürgerschaftswahlen im Oktober 1862 kenntlich machten, und dem die von 1865 zum Sieg verhalfen, ließ preußische Sympathien nicht aufkommen. Dennoch nahm H. in der Krisis von 1866 sehr schnell seine Stellung, erklärte schon 29. Juni seinen Austritt aus dem alten Bund und stellte sein Kontingent fertig, so daß die hanseatische Brigade nebst den Oldenburgern bereits 17. Juli auf dem westdeutschen Kriegsschauplatz eintraf. So rettete H. seine Unabhängigkeit, trat natürlich in den neuen Norddeutschen Bund ein, und 15. Mai 1867 genehmigte die Bürgerschaft mit 136 Stimmen gegen eine die Verfassung desselben. Das Militärwesen ging infolge der Konvention vom 23. Juli 1867 an Preußen über. Gemäß einem Vertrag mit Lübeck kam 1. Jan. 1868 Bergedorf in den Alleinbesitz Hamburgs. Auch das Verhältnis Hamburgs zum Zollverein wurde so geregelt, daß H. mit einem Teil seines Gebiets Freihafen blieb, ihm aber ein Zollaversum auferlegt ward. Außerdem mußte H. auf seine Kosten ein Hauptzollamt errichten, desgleichen Zollabfertigungsstellen bei der Fahrpost, auf den Eisenbahnhöfen und für die oberelbische Schiffahrt sowie endlich Zollämter an der Grenze des Freihafengebiets. Auch als Glied des Deutschen Reichs behauptete H. zunächst seine Stellung außerhalb des Zollvereins. Als aber 1879 die neue Zoll- und Wirtschaftspolitik des Deutschen Reichs beschlossen wurde, richtete der Reichskanzler an H. die Aufforderung, in den Zollverein einzutreten. Der Senat lehnte das ab, erklärte sich aber zu Verhandlungen bereit. Nachdem hierauf 19. Mai 1880 Altona in den Zollverein aufgenommen und 14. Juni die Zollgrenze von Bergedorf an die Elbmündung verlegt worden war, schloß der Reichskanzler 26. Mai 1881 mit H. einen Vertrag, nach welchem dasselbe 1888 in den Zollverein eintreten, aber ein Freihafengebiet behalten und für die Kosten der neuen Hafen- und Speicheranlagen einen Beitrag von 40 Mill. vom Reich erhalten sollte. Die Bürgerschaft genehmigte den Vertrag 15. Juni 1881, der Reichstag 21. Jan. 1882.

[Litteratur.] Vgl. außer den Lokalführern von Friederichsen, Seelig-Ohmann u. a.: Heß, H., topographisch, politisch und historisch beschrieben (2. Aufl., Hamb. 1810, 3 Tle.); Wichmann, Heimatskunde von H. (das. 1863); „H. Historisch-topographische und baugeschichtliche Mitteilungen“ (das. 1868); „H. in naturhistorischer und medizinischer Beziehung“ (das. 1876); die Publikationen des Statistischen Büreaus: „Statistik des hamburgischen Staats“ (1867–83, Heft 1–12), „Statistisches Handbuch für den hamburgischen Staat“ (3. Ausg. 1885), „Hamburgs Handel und Schiffahrt 1847–73“ und „H., die Stadt, die Vororte, Gemeinden, Ortschaften etc. des hamburgischen Staats, topographisch und historisch dargestellt“ (1875); „Hamburgs Handel und Verkehr. Exporthandbuch der Hamburgischen Börsenhalle“ (Hamb. 1886) und die jährlichen Veröffentlichungen der Hamburger Handelskammer.

Über Hamburgs Geschichte vgl. „Zeitschrift für hamburgische Geschichte“ (Hamb. 1841–83, 7 Bde.); „Mitteilungen für Hamburgs Geschichte“ (1878–1886, 8 Hefte); Dehio, Geschichte des Erzbistums H.-Bremen (Berl. 1877, 2 Bde.); Lappenberg, Hamburger Urkundenbuch (Hamb. 1842, Bd. 1); Derselbe, Hamburgische Chroniken (das. 1861); Derselbe, Adam Tratzigers hamburgische Chronik (das. 1865); Koppmann, Kämmereirechnungen der Stadt H. (das. 1869–83, 5 Bde.); Zimmermann, Neue Chronik von H. (das. 1820); Gallois, Geschichte der Stadt H. (das. 1856–57, 3 Bde.); Derselbe, Hamburgische Chronik (das. 1861–65, 5 Bde.); Mönckeberg, Geschichte der Freien und Hansestadt H. (das. 1885); Derselbe, H. unter dem Druck der Franzosen 1806–14 (das. 1864); Schleiden, Versuch einer Geschichte des großen Brandes in H. (das. 1843); Koppmann, Kleine Beiträge zur Geschichte der Stadt H. (das. 1867–68); Derselbe, Aus Hamburgs Vergangenheit (das. 1885); Mayer, Geschichte des hamburgischen Kontingents 1814–67 (Berl. 1874); Gaedechens, Historische Topographie der Freien und Hansestadt H. (das. 1880); Uhde, Das Stadttheater in H. 1827–77 (Stuttg. 1879).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 411412
korrigiert
Indexseite

[411] Hamburg. Der Flächeninhalt des Staatsgebiets beträgt 409,78 qkm (7,14 QM.), die Zahl der Einwohner (definitives Ergebnis der Zählung von 1885) 518,620 Seelen (1266 auf 1 qkm), darunter 477,936 evangelische, 15,553 katholische, 2505 andre Christen und 16,848 Juden. Im J. 1886 fanden 4592 Eheschließungen statt, die Zahl der Gebornen belief sich auf 18,707, der Gestorbenen auf 15,879, so daß 2828 Personen mehr geboren wurden als starben. Von den Gebornen waren 1966 (10,51 Proz.) unehelich, 632 (3,38 Proz.) tot geboren. Seit Herbst 1888 ist das ganze Gebiet mit Ausnahme des Freihafengebiets der Stadt H. (10,3 qkm mit 1308 Einw.) und ebenso das von Kuxhaven (0,3 qkm mit 152 Einw.) dem Zollverein angeschlossen. Das Budget für 1889 war in den Einnahmen auf 46,857,100 Mk., in den Ausgaben auf 49,213,800 Mk. veranschlagt. Die Staatsichuld belief sich 1889 auf 236,8 Mill. Mk.

Die Stadt H. Infolge des Zollanschlusses (1888) ist das Vereinshauptzollamt in H. aufgehoben und die Verwaltung der Zölle im hamburgischen Staatsgebiet auf den Hamburger Senat übergegangen. Derselbe hat eine Generalzolldirektion und fünf Hauptzollämter (Jonas, Kehrwieder, St. Annen, Ericus und Entenwärder) eingerichtet. Am 1. Jan. 1889 besaß die hamburgische Reederei 493 Seeschiffe zu 382,007 Registertonnen, darunter 227 Dampfschiffe. 1888 sind angekommen und abgegangen 14,345 Schiffe von 8,605,344 Ton., darunter 10,309 Dampfschiffe von 7,411,251 T. Von dem Raumgehalt der ein- und ausgelaufenen Schiffe entfallen auf den Verkehr mit deutschen Häfen 304,578 Registertonnen, auf den Verkehr mit dem europäischen Ausland 5,835,833 T., auf den Verkehr mit Außereuropa 2,464,833 T. Seit 1884 hat sich der Tonnengehalt der in H. verkehrenden Schiffe im Mittel um 17,1 Proz., bei den Dampfern um 22,3 Proz. gehoben. Bedeutend ist auch die Flußschiffahrt. Aus der Oberelbe gingen durch zu Berg: 13,604 Schiffe mit 1,301,000 T. Ladung (außer 2383 unbeladenen Schiffen) und gingen durch zu Thal: 13,389 Schiffe mit 1,377,000 T. Ladung (außer 1396 unbeladenen Schiffen). Die Gesamteinfuhr betrug 1888 zur See: 38,844,224 [412] Doppelzentner (netto) im Wert von 1,114,906,790 Mk., land- und flußwärts: 30,570,139 Doppelzentner im Wert von 955,034,000 Mk., im ganzen an Gewicht 69,414,364 Doppelzentner (netto), an Wert mit Ausschluß der Kontanten 2,069,940,800 Mk., außerdem Kontanten 55,554,740 Mk. An der Einfuhr waren besonders beteiligt: Großbritannien (421 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (exklusive Kalifornien 104,5 Mill. Mk.), Brasilien (83 Mill.), Chile (66,3 Mill.), Frankreich (58,5 Mill.), Argentinien (38,8 Mill.), die deutschen Häfen (36,8 Mill. Mk.). Die Ausfuhr zur See belief sich 1888 auf 21,442,926 Doppelzentner im Wert von 1,021,581,000 Mk., außerdem 36,3 Mill. Mk. an Kontanten. Nach ihrem Wert wurden geschätzt:

Verzehrungsgegenstände auf 394100000 Mk.
Bau- und Brennmaterial 5014000
Rohstoffe und Halbfabrikate 205245000
Manufaktur- und Modewaren 172988000
Industrieerzeugnisse 244174000

An Auswanderern wurden 1888 von H. aus befördert: 88,483 Personen, darunter 25,402 Deutsche. Der Geschäftsumsatz der Reichsbankhauptstelle in H. belief sich 1888 auf 8,455,017,800 Mk. Die Zahl der Seeversicherungsgesellschaften betrug 10. Die Gesamtsumme der Versicherung gegen Seegefahr betrug 2,029,416,600 Mk. Der an die Stelle des hamburgischen Wechselstempels getretene deutsche Reichswechselstempel ergab für verkaufte Wechselstempelmarken und Wechselblankette 657,078 Mk.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 421422
korrigiert
Indexseite

[421] Hamburg. Die Bevölkerung des Gebiets der freien Hansestadt H. betrug nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1890: 622,530 Seelen (gegen 518,620 im J. 1885) und hat seit 1885 um 103,910 (20 Proz.) [422] zugenommen. Von jener Einwohnerzahl kommen auf das Stadtgebiet 569,260 (Zunahme seit 1885: 97,833 Einw. oder 20,8 Proz.), auf das Landgebiet 53,270 (Zunahme seit 1885: 6077 Einw. oder 12,9 Proz.). Die Zunahme der Bevölkerung im Zeitraum 1885–90 mit jährlich 3,64 Proz. war nicht allein stärker als in den vorhergehenden Zählungsperioden seit 1871, sondern auch die stärkste innerhalb des Deutschen Reiches. Sie wird vornehmlich durch das starke Wachstum der Vororte veranlaßt; denn während die Bevölkerung der innern Stadt um 1,8 Proz. abnahm und diejenige der Vorstädte nur um 5,8 Proz. wuchs, hat sich die Bevölkerung der Vororte um 48 Proz. vermehrt. Unter ihnen haben besonders Eimsbüttel und Barmbek zugenommen, die jetzt 46,154, bez. 32,827 Einw. zählen. Das Zahlenverhältnis beider Geschlechter ist in der Stadt und den Vororten sehr verschieden; in der Stadt kamen auf 100 männliche nur 97 weibliche Personen, in den Vororten aber 113 weibliche, wodurch das Verhältnis beider Geschlechter im ganzen Staate so beeinflußt wird, daß auf 100 männliche 101,8 weibliche Personen entfallen. Unter den 36,561 Wohnstätten waren 33,783 Wohngebäude, 1600 andre Gebäude und 1178 Schiffe, Wagen etc.

Der Handel hat sich seit dem Anschluß Hamburgs an den deutschen Zollverein bedeutend gehoben, wie folgende Übersicht über den Warenhandel zeigt:

Jahr Einfuhr (in Mill. Mark) Ausfuhr (in Mill. Mark)
see­wärts per Eisenbahn von der Oberelbe see­wärts per Eisenbahn nach der Oberelbe
1888 1114,9 687,3 267,7 1021,6 ? ?
1889 1245,6 788,5 328,9 1206,4 601,4 409,8
1890 1376,9 818,5 386,7 1260,5 625,0 420,5

Die gesamte Wareneinfuhr betrug 1890: 82,5 Mill. Doppelzentner im Werte von 2582,1 Mill. Mark (229,1 Mill. Mk., d. h. 9,74 Proz. mehr als im Vorjahr). Außerdem wurden an Kontanten 56,9 Mill. Mk. (42,7 Mill. Mk. mehr als im Vorjahr) eingeführt. An der Einfuhr waren besonders beteiligt: Großbritannien (402,7 Mill. Mk.), die Vereinigten Staaten von Nordamerika ausschl. Kalifornien (163,2 Mill.), Brasilien (115 Mill.), Britisch-Ostindien (78,3 Mill.), Chile (63,9 Mill.), Frankreich (52,4 Mill. Mk.). Die gesamte Warenausfuhr betrug 1890: 50 Mill. Doppelzentner im Werte von 2305,9 Mill. Mk. (88,4 Mill. Mk., d. h. 3,8 Proz. mehr als im Vorjahr), außerdem an Kontanten 19,6 Mill. Mk. (8,8 Mill. Mk. mehr als im Vorjahr). Von der Ausfuhr zur See entfallen auf die einzelnen Warengruppen:

  1890 im Vergleich mit 1889
Verzehrungsgegenstände 506182760 Mk. +22052660 Mk.
Bau- und Brennmaterial 8041620 −112520
Rohstoffe und Halbfabrikate 263056060 +26483390
Manufaktur- u. Modewaren 194219890 +11132790
Kunst- u. Industrieerzeugnisse 288975160 −5496160

Am 1. Jan. 1891 besaß die hamburgische Reederei 565 Seeschiffe (darunter 297 Dampfer) von 521,405 Ton. gegen 537 Seeschiffe von 464,782 T. am Beginn des Vorjahres. Im J. 1890 sind 8176 Seeschiffe von 5,202,825 T. eingelaufen gegen 8079 von 4,809,892 T. im Vorjahr. Auf der Oberelbe gingen 1890 durch auf der Bergfahrt 17,564 Frachtschiffe von 2,178,000 T. Tragfähigkeit, darunter 12,951 mit 1,683,000 T. Ladung, auf der Thalfahrt 16,740 Frachtschiffe von 2,099,000 T. Tragfähigkeit, darunter 14,166 mit 1,543,000 T. Ladung. Der Schiffsverkehr Hamburgs hat sich im J. 1891 trotz der ungünstigen Eisverhältnisse des Winters 1890/91 wiederum gesteigert, da der Raumgehalt der angekommenen Schiffe eine Zunahme von ca. 500,000 T. gegenüber dem Vorjahr zeigte. Doch ist der Warenverkehr infolge der schlechten Ernte und der unsichern Geschäftslage allem Anschein nach etwas zurückgegangen. Der Finanzvoranschlag für 1891 bezifferte die Einnahmen auf 55,341,453 Mk., die Ausgaben auf 55,889,634 Mk., so daß ein Defizit von 548,181 Mk. in Aussicht stand. Die Staatsschuld betrug 1. Jan. 1891: 234 Mill. Mk. und erforderte einen jährlichen Aufwand von 10,095,000 Mk.