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Titel: Joseph und Asenath
Untertitel:
aus: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel S. 497–538, S. 1303–1304
Herausgeber: Paul Rießler
Auflage:
Entstehungsdatum: 1. Jahrhundert n. Chr.
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Dr. B. Filser
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Erscheinungsort: Augsburg
Übersetzer: Paul Rießler
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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Einführung

Die Schrift Joseph und Asenath ist eine zu den Pseudepigraphen zu rechnende jüdische Doppelnovelle aus dem 1. Jh.n.Chr. Hauptperson ist die Ägyperin Asenath. Die Erzählung handelt von ihrer Bekehrung zum Gott Israels, der Hochzeit mit dem Erzvater Joseph sowie ihre Bewahrung in einer Verschwörung des erstgeborenen Sohn des Pharaos.

[497]
35. Joseph und Asenath

1. Kapitel: Asenath
1
Am fünften Tag des zweiten Monats,

im ersten Jahr der sieben fetten Jahre
bestellte Pharao den Joseph
zu einem Rundgang durch Ägyptens Lande insgesamt.

2
So kam er denn am achtzehnten des vierten Mondes

des ersten Jahrs in das Gebiet von Heliopolis
und sammelte das Korn der Gegend ein,
dem Sand am Meere gleich.

3
Da war ein Mann in jener Stadt

mit Namen Pentephres;
der war ein Priester zu Heliopolis
und ein Satrap des Pharao
und Oberhaupt all der Satrapen und der Fürsten Pharaos.
Und dieser Mann war unermeßlich reich,
klug, milde,
des Pharao Berater,
als Klügster aller Fürsten Pharaos.

4
Er hatte eine Tochter Asenath mit Namen,

Jungfrau von achtzehn Jahren,
schlank, blühend,
viel schöner als des Landes Jungfrauen all.

5
Ja, Asenath glich keinesfalls ägyptischen Jungfrauen;

sie glich vielmehr den Töchtern der Hebräer allenthalben;
sie war so schlank wie Sara,
so blühend wie Rebekka,
so schön wie Rachel.

6
Und ihrer Schönheit Ruf erging ins ganze Land,

ja bis zum End der Welt;
der Großen und Satrapen Söhne alle
begehrten sie deshalb zu freien,
ja selbst die Königssöhne,
die jungen und die kräftigen,
und ihretwegen war ein großer Streit bei ihnen
und sie versuchten, gegenseitig sich schon zu bekämpfen.

7
Des Pharao Erstgeborener hörte auch von ihr.

er bat den Vater, diese ihm zum Weib zu geben.

[498]

Er sprach zu ihm:
Mein Vater! Gib zum Weib mir Asenath,
die Tochter Pentephres,
des ersten Mannes zu Heliopolis!

8
Da sprach sein Vater Pharao zu ihm:

Warum suchst du ein Weib dir aus,
das tiefer steht als du,
zumal du König dieses ganzen Landes wirst?

9
Ist nicht des Moabkönigs Joakim Tochter dir verlobt?

Ja, die gibt eine Königin,
ist sie doch über alle Maßen schön.
Die nimm dir doch zum Weib!


2. Kapitel: Asenaths Schmuck und Wohnung
1
Doch Asenath war jeder Mann zum Ekel und zuwider

in ihrem unnahbaren Stolz;
kein Mann bekam sie je zu sehen;
denn Pentephres besaß an seinem Hause einen Turm,
gar groß und hoch,
und oben auf dem Turme war ein Söller mit zehn Zimmern.

2
Das erste Zimmer war gar groß und prächtig,

mit Purpursteinen ausgelegt;
aus edlen, bunten Steinen waren seine Wände;
des Zimmers Decke war aus Gold.

3
Zahllose Götter der Ägypter, goldene und silberne,

befanden sich in diesem Zimmer
und Asenath verehrte diese alle voller Furcht
und brachte ihnen täglich Opfer dar.

4
Im zweiten Zimmer war der ganze Schmuck der Asenath

samt den Behältern;
drin war viel Gold und Silber,
unzählig goldgewirkte Kleider
und auserlesene, kostbare Steine
und feine leinene Gewänder;
auch aller andre Jungfrauenschmuck war hier.

5
Die Vorratskammer Asenaths war in dem dritten Zimmer,

das alle Güter dieser Welt enthielt.

6
und in den andern sieben Zimmern wohnten sieben Jungfrauen,

die Asenath bedienten,
und jede hatte ein besonderes Zimmer;
sie aber waren gleichen Alters,
mit Asenath in einer Nacht geboren;
sie liebte sie gar sehr;
sie waren wunderschön,
den Himmelssternen gleich;
nie sprach ein Mann mit ihnen, noch ein Knabe.

7
Drei Fenster waren in dem großen Zimmer Asenaths,

wo ihre Jungfrauschaft gehegt ward und gepflegt;

[499]

das erste Fenster war sehr groß
und schaute auf den Hof nach Osten,
das zweite nach dem Süden,
das dritte auf die Straße.

8
Ein golden Bett stand in dem Zimmer gegen Osten;

das Lager war mit goldgewirktem Purpur ausgelegt,
aus Scharlach und aus feinem Linnenstoff gewoben.

9
In diesem Bett schlief Asenath allein;

nie lag ein Mann darin,
noch je ein andres Weib,
als Asenath allein.

10
Ein großer Hof lief um das Haus herum

und um den Hof ging eine hohe Mauer,
erbaut aus großen Quadersteinen.

11
Vier Pforten waren in dem Hof,

mit Eisen wohl beschlagen;
an diesen wachten achtzehn junge, kräftige Bewaffnete
und in dem Hofe an der Mauer wuchsen Bäume,
kostbare aller Art
und alle früchtereich,
zur Erntezeit mit reifen Früchten.

12
Zur Rechten in dem Hof war eine reiche Wasserquelle

und unter diesem Quell war ein Behälter, gar nicht klein,
der dieser Quelle Wasser in sich nahm,
von wo er, einem Flusse gleich,
durch jenes Hofes Mitte floß
und jenes Hofes Früchte all bewässerte.


3. Kapitel: Josephs Ankunft
1
Am achtundzwanzigsten des vierten Mondes

im ersten Jahr der sieben fetten Jahre
kam Joseph ins Gebiet von Heliopolis
und sammelte das Korn der Gegend ein.

2
Als Joseph dieser Stadt sich näherte,

entsandte er zwölf Männer vor sich her
zu Pentephres, dem Priester von Heliopolis,
und ließ ihm sagen:
Ich kehre heute bei dir ein,
dieweil es Mittag ist und Zeit zum Speisen;
auch ist die Sonnenhitze groß;
drum möcht ich unter deines Hauses Dache mich erquicken.

3
Als Pentephres dies hörte,

freut er sich sehr und spricht:
Gepriesen sei der Herr, der Gott des Joseph!
Mein Herr! Für würdig hält mich Joseph.

4
Und Pentephres berief den Aufseher des Hauses

und sprach zu ihm:

[500]

Setz schnell mein Haus instand
und richt ein Gastmahl her,
weil Joseph, Gottes Held, heut zu uns kommt!

5
Als Asenath vernahm,

der Vater und die Mutter kämen von dem Erbgut heim,
sprach sie voll Freude:
Ich gehe
und will den Vater und die Mutter sehen,
weil sie von unserm Erbgut kommen;
es war zur Erntezeit.

6
Dann eilte Asenath ins Zimmer,

wo ihre Kleider lagen,
und zog ein feines Linnenkleid,
aus Scharlach und aus Gold gewirkt, sich an,
mit einem goldnen Gürtel,
und an den Armen trug sie Spangen,
und an den Beinen goldne Binden
und um den Hals wertvollen Schmuck und seltene Steine.
die allseitig geschliffen waren,
dazu die Namen der ägyptischen Götter trugen,
die allenthalben eingegraben waren
auf Spangen und auf Steinen.
Sie setzte einen Turban sich aufs Haupt,
band um die Schläfen sich ein Diadem,
verhüllte ihren Kopf mit einem Schleier.


4. Kapitel: Asenath und ihre Eltern
1
So ging sie aus dem Söller auf der Treppe schnell hinab

und kam zu Vater und zu Mutter
und grüßte sie;
da freute Pentephres mit seinem Weibe
sich über ihre Tochter Asenath gar sehr,
weil sie sie sahen so geschmückt und so geziert,
wie eine Gottesbraut.

2
Da holten sie hervor,

was sie aus ihrem Erbgut Gutes eingeheimst,
und schenkten dieses ihrer Tochter,
und Asenath erfreute sich an all dem Guten,
am Obst, an Trauben, Datteln,
an Tauben, an Granaten und an Feigen;
sie waren alle reif und wohlschmeckend.

3
Alsdann sprach Pentephres zu seiner Tochter Asenath:

„O Kind!“
Sie sprach: Ja, Herr!

4
Er sprach zu ihr:

Setz dich hier zwischen uns!
Ich will dir sagen, was ich denke.

5
Sie setzt sich zwischen ihren Vater und die Mutter;
[501]

ihr Vater Pentephres ergreift mit seiner Rechten ihre Rechte,
küßt sie und spricht:
O liebes Kind!

6
Sie sprach zu ihm:

Ja, Herr und Vater!

7
Darauf sprach Pentephres zu ihr:

Sieh, Joseph, Gottes Held, kommt heut zu uns;
er ist der Herrscher über ganz Ägyptenland.
Der König Pharao bestellte ihn zum Herrscher über unser ganzes Land
und diesem ganzen Lande gibt er Nahrung
und rettet dieses vor der künftigen Hungersnot.
Ein gottesfürchtiger Mann ist Joseph,
jungfräulich, wie du’s heute bist, und klug,
ein Mann, an Weisheit und an Wissen stark;
in ihm ist Gottes Geist;
des Herren Gnade ist in ihm.

8
Komm, teures Kind!

Ich geb dich ihm zum Weib
und du wirst seine Braut;
für alle Zeit wird er dein Bräutigam.

9
Als Asenath von ihrem Vater diese Worte hörte,

bedeckte sich ihr Angesicht mit vielem Schweiß
und sie geriet in großen Zorn,
schaut von der Seite hin zu ihrem Vater
und spricht:
Was redest du, mein Herr und Vater, solche Dinge?
Willst du mich einem fremden Mann gefangen übergeben,
der flüchtig war
und den man gar verkaufte?

10
Ist er nicht eines Hirten Sohn aus Kanaan?

Ist er denn nicht von ihm verlassen worden?
Ist er nicht der, der bei der Herrin ruhte
und den sein Herr in dunklen Kerker werfen ließ
und den aus seinem Kerker Pharao entließ,
weil er ihm seinen Traum erklärte,
so wie’s die alten Weiber der Ägypter machen?

11
Nein! Lieber heirat ich den erstgeborenen Sohn des Königs,

weil dieser König in dem ganzen Lande wird.

12
Als dieses Pentephres vernahm,

verging ihm alle Lust,
mit seiner Tochter Asenath
noch weiter über Joseph sich zu unterhalten,
weil sie mit stolzem Zorne ihm erwidert hatte.


5. Kapitel: Josephs Besuch
1
Da sprang ein Jüngling aus der Dienerschaft des Pentephres herbei

und sprach zu ihm:
Schon steht vor unseres Hofes Pforten Joseph.

[502]
2
Als Asenath dies hörte,

floh sie von ihrem Vater und der Mutter weg,
stieg auf den Söller,
betrat ihr Zimmer,
stellt sich ans große Fenster,
das gegen Morgen schaut,
um Joseph sehen zu können,
wenn er das väterliche Haus beträte.

3
Da gingen Pentephres und seine Frau hinaus,

um Joseph zu begrüßen,
mit allen den Verwandten und der Dienerschaft.

4
Wie sich des Hofes Pforten, die gen Osten schauten, öffneten,

fuhr Joseph auf des Pharao zweitem Wagen ein;
es zogen ihn vier Pferde, weiß wie Schnee,
mit goldnen Zügeln;
der Wagen aber war aus reinem Gold gefertigt.

5
Und Joseph war mit einem weißen, seltnen Rock bekleidet

und seines Umhangs Kleid war purpurn,
aus feinem golddurchwirktem Linnen.
Auf seinem Haupt ein goldner Kranz,
zwölf auserlesene Steine um den Kranz
und goldne Strahlen auf den Steinen;
in seiner Rechten trug er einen Königsstab
und einen Ölzweig, der viel Früchte trug.

6
Als Joseph in den Hof getreten

und sich die Pforten schlossen,
da mußte jeder Mann
und alle fremden Weiber außerhalb des Hofes bleiben;
der Pforten Wächter schlossen diese ab.

7
Da kamen Pentephres und seine Frau

und die Verwandten alle,
nur Asenath, die Tochter, nicht,
und warfen sich vor Joseph auf die Erde nieder.
Und Joseph stieg von seinem Wagen;
mit Handschlag grüßt er sie.


6. Kapitel: Josephs Eindruck auf Asenath
1
Wie Asenath den Joseph sah,

ward sie in ihrer Seele stark bewegt;
es ward ihr Herz erschüttert
und ihre Kniee wankten;
sie zitterte am ganzen Leib
und hatte große Angst,

2
Sie seufzt und spricht in ihrem Herzen:

Weh mir Unseligen!
Wohin soll ich, Unglückliche, jetzt fliehen?
Wo mich vor seinem Angesicht verbergen?

[503]

Wie wird doch Joseph, dieser Gottessohn, mich anschauen,
da ich so schlimm von ihm gesprochen?

3
Weh mir Unseligen!

Wo soll ich hingehen und mich bergen?
Er sieht ja jegliches Versteck,
weiß alles
und nichts Verborgenes entgehet ihm
des großen Lichtes wegen, das er in sich trägt.

4
Nun sei des Joseph Gott mir gnädig,

daß ich unwissentlich so Schlimmes wider ihn geredet!
Was soll ich tun, ich Elende?

5
Hab ich denn nicht gesagt,

daß Joseph, eines Hirten Sohn, aus Kanaan gekommen sei?
Nun kommt er gleich der Himmelssonne
zu uns auf seinem Wagen
und heut betritt er unser Haus,
erhellt es, wie das Licht die Erde.

6
Ich aber war so töricht und so dreist,

daß ich ihn so verachtete
und Schlimmes von ihm sprach
und wußte nicht,
daß Joseph ist ein Gottessohn.

7
Denn welcher Mensch auf Erden zeugt je solche Schönheit

und welches Weibes Schoß gebiert ein solches Licht?
Ich war so unselig und töricht,
daß ich so schlimme Worte meinem Vater gab.

8
Gib mich zur Magd dem Joseph, Vater,

zur Sklavin noch viel lieber!
Ich will ihm ewig Sklavin sein.


7. Kapitel: Josephs Eintritt ins Haus ihrer Eltern
1
Und Joseph ging ins Haus des Pentephres

und setzte sich auf einen Thron;
sie wuschen ihm die Füße,
bereiteten ihm eine eigene Tafel,
weil Joseph nicht zusammen mit Ägyptern speiste;
denn dies war ihm ein Greuel.

2
Da blickte Joseph auf

und sah die Asenath,
wie sie verstohlen blickte,
und sprach zu Pentephres:
Wer ist dies Weib,
das an des Söllers Fenster steht?
Sie geh aus diesem Hause fort!
Denn Joseph dachte voller Furcht:
Sie möchte mich behelligen!

3
Denn alle Weiber und die Töchter
[504]

von den ägyptischen Fürsten und Satrapen
behelligten ihn mit dem Wunsche des Zusammenseins;
jedoch auch viele andere Weiber der Ägypter
und deren Töchter,
die Joseph sahen, litten schwer durch seine Schönheit.

4
Die Boten aber, die die Weiber zu ihm sandten

mit Gold und Silber, wertvollen Geschenken,
verjagte Joseph voller Zorn mit Drohungen,
indem er sprach:
Ich werde nimmer sündigen vor Gott dem Herrn
und vor dem Angesichte meines Vaters Israel.

5
Es hatte nämlich Joseph immerdar vor Augen Gott

und dachte immerfort an seines Vaters Mahnungen;
es hatte Jakob oft gesagt
und seinem Sohne Joseph
und allen seinen anderen Söhnen es ans Herz gelegt:
Kinder! Hütet euch vor fremden Weibern!
Laßt euch doch nicht mit ihnen ein!
Ihr Umgang ist Verderben und Vernichtung.

6
Deshalb sprach Joseph:

Es geh doch jenes Weib aus diesem Hause fort!

7
Darauf erwiderte ihm Pentephres:

Mein Herr!
Die dort, die du im Söller stehen siehst,
ist keine Fremde;
es ist dies unsere Tochter,
die jeden Mann verschmäht;
sie hat kein anderer Mann,
als du allein, bis heut gesehen;
doch willst du, Herr,
wird sie erscheinen und dich anreden;
denn unsere Tochter ist wie deine Schwester.

8
Da freute Joseph sich gar herzlich,

weil Pentephres gesagt,
sie sei ja eine Jungfrau,
die jeden Mann verschmäht,
und Joseph sprach zu Pentephres und seinem Weib:
Wenn diese eure Tochter ist und Jungfrau,
dann soll sie kommen!
Dann ist sie meine Schwester;
ich liebe sie von heute an als meine Schwester.


8. Kapitel: Josephs Begegnung mit Asenath
1
Darauf stieg ihre Mutter in den Söller

und führte Asenath zu Joseph,
und Pentephres sprach dann zu ihr:
Begrüße deinen Bruder!

[505]

Er ist jungfräulich wie auch du bis heute,
und er verschmäht ein jedes fremde Weib,
wie du die fremden Männer all.

2
Darauf sprach Asenath zu Joseph:

Willkommen, Herr, Gesegneter des höchsten Gottes!

3
Und Joseph sprach zu ihr:

Jungfrau! Dich segne Gott,
der alles in das Leben ruft!

4
Darauf sprach Pentephres zu seiner eignen Tochter Asenath:

Komm! Küsse deinen Bruder!

5
Als Asenath den Joseph küssen wollte,

legt Joseph seine rechte Hand auf ihre Brust
und Joseph spricht:
Nicht ziemt es sich für einen gottesfürchtigen Mann,
der mit dem Munde den lebendigen Gott verherrlicht
und der geweihtes Lebensbrot genießt
und der Unsterblichkeit geweihten Trank einnimmt
und mit der Unverweslichkeit geweihtem Salböl wird gesalbt,
daß einen Kuß er einem fremden Weibe gebe,
das mit dem Munde tote, stumme Götzen preist,
von ihrem Tisch erwürgte Speis genießt,
von ihrem Opfertrank den Kelch des Truges nimmt
und sich mit des Verderbens Salbe salbt.

6
Der gottesfürchtige Mann vielmehr

küßt seine Mutter
und seine Schwester, seiner Mutter Kind,
und seine Schwester aus dem gleichen Stamm
und seine Gattin, die sein Lager teilt,
die mit dem Munde den lebendigen Gott verherrlichen.

7
Dergleichen ziemt es einem gottesfürchtigen Weibe nicht,

dem fremden Manne einen Kuß zu geben;
denn dieses ist vor Gott, dem Herrn, ein Greuel.

8
Als Asenath von Joseph solche Worte hörte,

ward sie gar sehr betrübt und seufzte,
und wie sie offnen Auges Joseph fest betrachtet,
füllt sich ihr Aug mit Tränen.
Als Joseph sie so weinen sah,
bedauert er sie sehr,
weil sie so sanft und gütig
und gottesfürchtig war.

9
Er legte seine Rechte ihr aufs Haupt und sprach:

Herr, Gott des Vaters Israel!
Du höchster, starker Gott,
der du das All belebst
und aus dem Dunkel es ins Licht berufst
und aus dem Irrtum zu der Wahrheit
und aus dem Tod zum Leben,
ach, segne du auch diese Jungfrau!

[506]

Belebe sie;
erneure sie durch deinen heiligen Geist;
laß sie dein Lebensbrot genießen
und trinken aus dem Kelche deiner Segnung
und zähl sie deinem Volke bei,
das du erwählt, bevor das All geworden!
Führ sie zu deiner Ruhestatt,
die deinen Auserwählten du bereitet!
Laß sie in deinem ewigen Leben ewig leben!


9. Kapitel: Josephs Abreise
1
Da ward durch Josephs Segen Asenath gar hoch erfreut

und eilends geht sie in den Söller
und fällt hier kraftlos auf ihr Lager nieder;
denn in ihr herrschten Freude, Trauer und viel Angst.
Viel Schweiß ergoß sich über sie,
als sie von Joseph diese Worte hörte
und wie er in des höchsten Gottes Namen zu ihr sprach.

2
Dann brach sie in ein lautes, bitterliches Weinen aus

und wandte sich voll Reue
von ihren Göttern ab, die sie verehrte,
und von den Götzenbildern, die sie schmähte,
und blieb dort, bis es Abend ward.

3
Und Joseph aß und trank;

dann hieß er seine Knechte ihre Pferde an die Wagen spannen,
die ganze Gegend zu befahren.

4
Da sprach zu Joseph Pentephres:

Mein Herr, bleib heute hier!
Zieh morgen deines Weges weiter!

5
Doch Joseph sprach:

Nein, heute will ich gehen;
denn dieses ist der Tag,
an dem mit der Erschaffung aller Dinge Gott begonnen.
Am achten Tag kehr ich zu euch zurück
und bleib dann hier.


10. Kapitel: Asenaths Reue
1
Wie Joseph nun das Haus verließ,

ging Pentephres mit allen den Verwandten in ihr Erbgut.
Nur Asenath blieb ganz allein
mit sieben Jungfrauen zurück,
ganz teilnahmslos, in Tränen aufgelöst,
bis zu der Sonne Untergang.
Sie aß kein Brot und trank kein Wasser,
und während alles schlief, blieb sie allein noch wach
und schlug in Tränen häufig ihre Brust.

2
Hernach erhob sich Asenath von ihrem Lager

und stieg die Treppe von dem Söller ganz gefaßt hinunter,

[507]

und wie sie zu der Pforte kam,
traf sie die Hüterin mit ihren Kindern schlafend an;
Da nimmt sie von der Türe schnell das Vorhangsfell,
füllt es mit Asche,
trägt diese in den Söller
und streut sie auf den Boden.

3
Dann schloß sie fest die Türe ab

und schob den Eisenriegel von der Seite her
und seufzte unter vielem Stöhnen,
mit vielen starken Tränengüssen.

4
Die Jungfrau, die da Asenath vor allen anderen Jungfrauen liebte,

vernahm ihr Seufzen.
Schnell steht sie auf und geht zur Türe,
nachdem sie auch die anderen Jungfrauen geweckt;
sie fand sie fest verschlossen.

5
Sie hört das Seufzen Asenaths und ihren Jammer;

da sagte sie, die außen stand, zu ihr:
Was gibt es, meine Herrin?
Was macht dich so betrübt?
Was ist, das dich bedrückt?
Schließ auf, daß wir dich sehen!

6
Darauf sprach Asenath, die innen eingeschlossen war:

Gar großes, schweres Leid ist auf mein Haupt gekommen;
ich ruhe nun auf meinem Lager;
doch kann ich nimmer mich erheben und euch öffnen,
weil ich an allen meinen Gliedern leide.

7
Geht nun, in ihre Kammer jegliche von euch, und ruhet;

mich aber laßt allein!

8
Wie nun die Jungfrauen in ihre Kammern gingen,

erhob sich Asenath
und öffnete die Türe ihres Schlafgemachs ganz ruhig,
ging in ihr zweites Zimmer,
wo die Behälter ihres Schmuckes waren,
und öffnete die Truhe.
Und sie entnahm ein Kleid, ganz schwarz und düster,
worin sie sich gekleidet, als ihr erstgeborener Bruder starb.

9
Sie nimmt dies Unterkleid,

trägt’s auf ihr Zimmer,
verschließt dann wieder fest die Türe
und schiebt den Riegel von der Seite vor.

10
Dann legte Asenath die königlichen Kleider ab

und zog das Trauerkleid sich an,
löst ihren goldnen Gürtel,
mit einem Stricke sich umgürtend,
legt ihren Turban oder ihre Mütze ab,
sowie das Diadem;
die Spangen von den Armen und den Füßen,
all das wird auf den Boden hingelegt.

[508]
11
Dann nimmt sie ihr erlesen Kleid,

den goldnen Gürtel,
den Turban und ihr Diadem
und wirft sie durch das Fenster, das gen Norden sah,
den Armen zu.

12
Dann nimmt sie alle ihre Götter,

die sich in ihrem Zimmer fanden,
die goldenen und silbernen, gar nicht zu zählen,
zerbricht in kleine Stücke sie
und wirft sie durch das Fenster
den Bettlern und Bedürftigen zu.

13
Alsdann nimmt Asenath ihr königliches Mahl,

gemästet Fleisch und Fisch und Kälberbraten
und alle Opfer ihrer Götter,
sowie die Sachen für die Weintrankspende
und wirft dies alles durch das Fenster, das gen Norden sah
zum Fraß den Hunden vor.

14
Hernach nahm sie das Fell mit Asche

und schüttete sie auf den Boden aus;
alsdann nahm sie ein Bußgewand
und gürtete es um die Hüften;
sie löste auch ihr Haargeflecht
und streute Asche auf ihr Haupt.

15
Sie streut auch Asche auf den Boden,

setzt sich so in die Asche
und schlägt sich häufig ihre Brust mit Fäusten,
weint bitterlich die ganze Nacht
mit Seufzen bis zum Morgen.

16
Als Asenath am Morgen sich erhob,

da sah sie, daß die Asche unter ihr
von ihren Tränen war zu Schmutz geworden;
da fiel sie wiederum mit ihrem Antlitz in die Asche,
bis daß die Sonne unterging.

17
So tat nun sieben Tage Asenath

und aß nicht das Geringste.


11. Kapitel: Asenaths Bekehrung
1
Am achten Tage, als das Frührot kam

und schon die Vögel sangen
und Hunde Wandernde anbellten,
erhob sich Asenath ein wenig von dem Boden
und aus dem Aschenstaub, worin sie saß;
sie war erschöpft
und ihrer Glieder nimmer mächtig ob des vielen Fastens;
denn Asenath war kraftlos und war schwach geworden
und ihre Kraft dahingeschwunden.
So lehnte sie sich an die Wand,

[509]

indem sie unter dem der Fenster saß,
das da gen Osten sah.

2
Ihr Haupt ließ sie in ihren Busen sinken,

die Finger ihrer rechten Hand ums rechte Knie gelegt;
geschlossen war ihr Mund;
sie hatte ihn in sieben Tagen,
sowie in sieben Nächten ihres Fastens nimmer aufgetan.

3
Sie sprach in ihrem Herzen, ohne ihren Mund zu öffnen:

Was soll ich Arme tun?
Wo soll ich hingehen?
Zu wem mich flüchten?
Mit wem soll ich nur sprechen,
ich hilflose, vereinsamte,
von allen ganz verlassene, mißachtete Jungfrau?

4
Sie alle achten mich nunmehr gering,

mit ihnen auch der Vater und die Mutter,
weil ihre Götter ich verabscheute
und sie zerstörte
und sie den Armen gab, um sie durch Menschen zu vernichten.

5
Es sagten ja der Vater und die Mutter:

Das ist nicht unsere Tochter Asenath;
auch alle die Verwandten hassen mich
und alle anderen Menschen;
denn ihre Götter habe ich vernichtet.

6
Hab ich doch gleichfalls jeden Mann gehaßt

und alle meine Freier;
so werd ich auch in dieser meiner Schwäche jetzt
von allen wohl mißachtet;
sie freuen sich an meiner Trübsal.

7
Der Herr und Gott des Helden Joseph aber

haßt all die Götzenbildanbeter,
ist er ja doch ein eifersüchtiger, fürchterlicher Gott,
wie ich gehört, für alle, die da fremde Gottheiten verehren.

8
So hat er denn auch mich gehaßt,

weil tote, stumme Götzenbilder ich verehrte und sie pries.

9
Nun aber meid ich ihre Opfer:

mein Mund ward ihrem Tisch entfremdet;
doch hab ich keinen Mut,
den Herrn, den Gott des Himmels, anzurufen,
den Höchsten und den Mächtigen des Helden Joseph;
es wurde ja mein Mund befleckt von Götzenopfern.

10
Ich habe aber viele sagen hören,

ein wahrer Gott sei der Hebräer Gott
und ein lebendiger Gott
und ein barmherziger Gott,
mitleidig, nachsichtig, erbarmungsvoll und milde,
der nicht die Sünde eines Armen anrechnet
der sich zumeist unwissentlich verging,

[510]

und der nicht rechtet ob der Schuld
zur Zeit der Trübsal eines Menschen, der in Nöten.

11
Nun wag’s auch ich, ich Arme,

und kehr zu ihm zurück
und flüchte mich zu ihm,
bekenn ihm alle meine Sünden
und gieß mein Flehen vor ihm aus
und er wird meines Elends sich erbarmen.

12
Wer weiß, ob er nicht meiner sich erbarmt,

sieht er mich jetzt verdemütigt
und meine Seele so vereinsamt?

13
Und sieht er, wie ich, Jungfrau, bin in meiner Not verlassen,

dann schützt er mich,
weil, wie ich höre, er der Waisen Vater ist,
der Tröster der Betrübten,
der Helfer der Verfolgten.

14
So wag ich’s denn, ich Arme,

und ruf zu ihm.

15
Und Asenath erhob sich von der Wand, woran sie saß,

und richtete sich auf die Kniee gegen Osten
und schaut zum Himmel auf
und öffnet ihren Mund
und spricht zu Gott.


12. Kapitel: Asenaths Gebet
1
— Gebet und Bekenntnis der Asenath: —

O Herr, Gott der Gerechten,
der du die Welten schufst
und allem Leben gabst,
der du den Geist des Lebens jeglichem Geschöpf verliehest,
der du das Unsichtbare in das Licht gebracht,

2
der du das All geschaffen,

das Unsichtbare sichtbar hast gemacht,
der du den hohen Himmel schufest,
die Erde auf die Wasser gründetest,
der du die großen Steine auf der Wassertiefe festigtest,
die nicht versinken können,
die vielmehr bis zum Ende deinen Willen tun,
weil du, o Herr, befahlst und alles ward.
Dein Wort, o Herr, ist Leben ja für alle deine Schöpfungen

3
Zu dir nun flieh ich, Herr, mein Gott:

von jetzt an ruf ich, Herr, zu dir
und dir bekenn ich meine Sünden;
vor dir schütt ich mein Flehen aus, o Herr;
vor dir enthüll ich meine Sündenschulden.

4
Schon meiner, Herr! Verschone!

Denn viel hab ich an dir gesündigt und gefrevelt,

[511]

gottlos gehandelt,
Abscheuliches, was schlecht in deinen Augen, ausgesprochen.

5
Befleckt ist, Herr, mein Mund

von Götzenopfern der Ägypter,
von ihren Göttermahlen.
Ich hab gesündigt, Herr,
ich hab vor dir gesündigt;
ich habe wissentlich wie auch unwissentlich gottlos gehandelt;
ich hab ja tote, stumme Götzenbilder angebetet.
Ich bin nicht würdig, meinen Mund, o Herr, zu dir zu öffnen,
ich arme Asenath,
die Tochter Pentephres, des Priesters,
Jungfrau und Königin,
ich, die ich einstmals stolz und übermütig,
durch meinen elterlichen Reichtum glücklicher als alle Menschen war,
ich, die ich nunmehr einsam und verwaist,
von allen Menschen ganz verlassen bin.

6
Zu dir, Herr, fliehe ich;

dir trag ich meine Bitte vor;
ich ruf zu dir:

7
Errette mich von den Verfolgern, Herr,

eh’ ich von ihnen werd ergriffen!

8
So wie ein kleines Kind, das jemand fürchtet,

zum Vater und zur Mutter flieht,
der Vater aber seine Hand ausstreckt
und es an seiner Brust hinreißt,
so streck auch du, mein Herr,
die reinen und die furchtbaren Hände nach mir aus,
gleichwie ein Vater, der die Kinder liebt,
und reiß mich aus der Hand des geistigen Feindes!

9
Denn sieh: der alte, wilde, rohe Löwe

verfolgt mich,
weil er der Vater der ägyptischen Götter ist,
und seine Kinder sind die Götter der vom Götzendienst Besessenen;
ich aber haßte und zerstörte sie,
weil sie des Löwen Kinder sind.
So warf ich alle Götter der Ägypter von mir fort,
zerstörte sie.

10
Der Löwe aber,

der Teufel ist’s, ihr Vater,
versucht, voll Wut auf mich, mich zu verschlingen.

11
Du aber, Herr, befreie mich aus seinen Händen,

dann bleib ich seinem Mund entrissen,
daß er mich nicht zerfleische,
nicht in die Feuerglut mich werfe
und dann das Feuer mich dem Sturme überlasse
und mich der Sturm in Finsternis versenke
und mich gar in des Meeres Tiefe schleudre

[512]

und mich das große, alte Ungeheuer hier verschlinge
und ich für alle Zeit verloren sei!

12
Errett mich, Herr, eh’ mich dies alles trifft!

Errette, Herr, die Einsame und Schutzlose,
weil mich der Vater und die Mutter schon verleugneten:
Sie sprachen:
„Das ist nicht unsere Tochter Asenath“,
dieweil ich ihre Götter hab zerbrochen und vernichtet,
da ich sie gänzlich haßte.

13
Nun bin ich ganz verwaist und einsam:

ich habe keine andere Hoffnung mehr als dich, mein Herr,
und keine andere Zuflucht mehr als dein Erbarmen,
du Menschenfreund.
Nur du bist ja der Waisen Vater,
der Schützer der Verfolgten,
der Helfer der Bedrückten.

14
Erbarm dich meiner, Herr!

Schütz mich, die reine Jungfrau,
die so verwaist, verlassen ist!
Nur du, Herr, bist ein süßer, guter, milder Vater.

15
Wer wäre sonst ein Vater, Herr, so süß und gut, wie du?

Sieh: alle die Geschenke meines Vaters Pentephres,
die er mir zum Besitze gab,
sind zeitlich und vergänglich;
doch deines Erbes Gaben, Herr,
sind unvergänglich, ewiglich.


13. Kapitel: Asenaths Gebet
1
Sieh, Herr, mein Elend an!

Erbarm dich meiner, der Verwaisten!
Hab Mitleid doch mit mir, der Tiefgebeugten!
Sieh, Herr, ich floh vor allen
und flüchtete zu dir, dem einzigen Menschenfreund.

2
Die Erde Güter all hab ich verlassen

und bin zu dir geflüchtet, Herr,
in Sack und Asche, nackt und bloß.

3
Ich hab mein königlich Gewand

aus feinstem Linnen und aus Scharlach, goldgewirkt,
von mir getan
und hab ein schwarzes Trauerkleid mir angelegt.

4
Ich löste meinen goldenen Gürtel, warf ihn weg

und nahm zum Gürtel einen Strick, ein Bußgewand.

5
Mein Diadem und meinen Turban riß ich mir vom Haupt,

bestreute mich mit Asche.

6
Der Boden meines Zimmers,

mit bunten und mit Purpursteinen ausgelegt,
der einst mit Ölen war befeuchtet,
mit feinen Linnen abgerieben,

[513]

ist feucht von meinen Tränen,
mit Asche überstreut, befleckt.

7
Mein Herr!

Aus Asche und aus meinen Tränen
entstand ein großer Schmutz in meinem Zimmer,
gleichwie auf breiter Straße.

8
Mein Herr!

Mein königliches Mahl und die Gerichte
gab ich den Hunden.

9
O Herr!

Ich bin jetzt sieben Tag und sieben Nächte nüchtern;
ich aß kein Brot und trank kein Wasser;
mein Mund ist trocken so wie eine Trommel,
und meine Zunge wie ein Horn
und meine Lippen gleichen einer Scherbe;
mein Antlitz ist ganz eingefallen
und meine Augen konnten nimmer weinen.

10
Du, Herr, mein Gott,

erlöse mich von meinen vielen Schulden!
Verzeih mir unerfahrnen Jungfrau, daß ich so geirrt!

11
Nun habe ich erkannt, daß alle diese Götter,

die ich unwissend ehedem verehrte,
nur stumme, tote Götzenbilder waren.
So schlug ich sie zusammen
und ließ sie von der Menschen Fuß zertreten;
es konnten Diebe sie ja stehlen,
sie, die aus Silber und aus Gold bestanden.

12
Zu dir, Herr Gott, bin ich geflohen,

dem einzigen, mitleidsvollen Menschenfreund.

13
Verzeih mir, Herr,

daß ich unwissentlich an dir soviel gesündigt
und Frevelhaftes gegen Joseph, meinen Herrn, geredet!
Ich Arme wußte nicht,
daß er dein Sohn, Herr, ist;
denn schlechte Menschen sagten mir in ihrem Neid,
ein Hirtensohn aus Kanaan sei Joseph.
Ich Arme glaubt es ihnen:
ich ließ mich täuschen;
ich schätzte ihn gering,
und sprach von ihm gar schlecht,
wußt ich doch nicht, daß er dein Sohn.

14
Wer von den Menschen brachte solche Schönheit je zur Welt?

Wer könnte sie je bringen?
Wer sonst ist also weise und so mächtig,
wie dieser wunderschöne Joseph?

15
Doch dir, mein Herr, vertrau ich’s an,

daß ich ihn mehr als meine Seele liebe.
Erhalte ihn in deiner Gnade Weisheit

[514]

und gib mich ihm zur Dienerin und Sklavin,
damit ich seine Füße wasche
und ihm sein Lager richte
und ihn bediene und ihm Sklavendienste tue
und so ihm Sklavin alle Tage meines Lebens sei!


14. Kapitel: Des Erzengels Michael Besuch
1
Als Asenath mit ihrer Beichte vor dem Herrn zu Ende war,

ging auch der Morgenstern am Himmel gegen Osten auf;
es sah ihn Asenath und freute sich und sprach:
Hat wohl mein Flehen Gott, der Herr, erhört,
weil dieser Stern ein Bote und ein Herold
des Lichts des großen Tages ist?

2
So spaltete sich bei dem Morgenstern der Himmel,

und es erschien ein unaussprechlich großes Licht.

3
Wie Asenath dies sah,

fiel sie aufs Antlitz in die Asche;
da kam zu ihr gar schnell ein Mensch vom Himmel,
der Lichtstrahlen entsandte,
und stellte sich zu ihren Häupten.

4
Da sie noch auf dem Antlitz lag,

sprach sie der Gottesbote an:
Erheb dich, Asenath!

5
Sie aber sprach:

Wer ist es, der mir ruft,
ist meines Zimmers Tür doch fest verschlossen,
der Turm so hoch?
Wie kann man in mein Zimmer kommen?

6
Er rief zum andern Mal ihr zu:

Asenath, Asenath!

7
Sie sprach:

Ja, Herr, vermeld mir, wer du bist!

8
Er sprach:

Ich bin des Herr-Gotts Oberführer,
des Heers des Höchsten Führer.
Steh auf! Stell dich auf deine Füße,
damit ich meine Worte an dich richten kann!

9
Sie hob darauf ihr Angesicht empor und schaute;

da stand ein Mann, in allem Joseph ähnlich
an Tracht und Kranz und königlichem Stab;
nur glich sein Antlitz einem Blitz
und seine Augen waren wie der Sonnenglanz,
sein Haupthaar wie ein Fackelfeuerbrand
und seine Hände samt den Füßen glichen glühendem Eisen,
wie denn auch Funken von den Händen und den Füßen fuhren.

10
Als Asenath dies sah,

fiel sie voll Furcht auf das Gesicht,

[515]

sie konnte nimmer auf den Füßen stehen;
denn all ihre Glieder zitterten vor übergroßer Angst.

11
Da sprach zu ihr der Mann:

Sei guten Mutes, Asenath, hab keine Angst!
Steh auf! Stell dich auf deine Füße,
damit ich meine Worte an dich richten kann!

12
Darauf erhob sich Asenath

und stellte sich auf ihre Füße;
dann sprach zu ihr der Engel:
Geh in dein zweites Zimmer ungesäumt!
Leg ab das schwarze Kleid, worin du dich gehüllt,
und tu das Bußgewand von deiner Hüfte!
Entfern von deinem Haupt die Asche!
Wasch dir die Hände und das Angesicht mit reinem Wasser
und leg ein weißes, unberührtes Kleid dir an!
Gürt deine Hüfte mit dem reinen Gürtel der Jungfräulichkeit,
dem doppelten!

13
Alsdann komm wiederum zu mir,

damit ich meinen Auftrag dir ausrichte,
weswegen mich zu dir der Herr gesandt!

14
Darauf ging Asenath voll Eile in ihr zweites Zimmer,

worin sich die Behälter ihres Schmucks befanden.
Sie öffnet ihre Truhe,
entnimmt ein weißes, feines, unberührtes Kleid
und zieht es an;
zuvor zieht sie das schwarze Kleid sich aus,
nimmt auch den Strick
sowie das Bußgewand von ihrer Hüfte
und gürtet sich mit feinem Doppelgürtel der Jungfräulichkeit;
den einen legt sie an die Hüfte,
den anderen an die Brust.

15
Alsdann entfernt sie von dem Haupt die Asche,

wäscht ihre Hände und das Angesicht mit reinem Wasser,
sie nimmt auch einen feinen, äußerst schönen Schleier,
ihr Haupt damit verhüllend.


15. Kapitel: Michaels Aussprache
1
Dann geht sie zu dem Gottesführer, vor ihn tretend.

Da spricht zu ihr des Herren Engel:
Entfern von deinem Haupt den Schleier,
weil eine reine Jungfrau du heut bist;
es gleicht dein Haupt dem eines Jünglings.

2
Da nahm ihn Asenath von ihrem Haupt

und wieder spricht zu ihr der Gottesbote:
Sei guten Mutes, reine Jungfrau Asenath!
Es hat ja Gott der Herr vernommen,
was du bekannt, was du erfleht.

[516]
3
Er sah auch die Erniedrigung und Not der sieben Tage deines Fastens,

dieweil durch deine Tränen hier auf dieser Asche
ein großer Schmutz vor dir entstand.

4
Hab nunmehr guten Mut,

du reine Jungfrau Asenath!
Dein Name ward ja in das Buch des Lebens eingetragen
und wird in Ewigkeit nicht mehr daraus getilgt.

5
Von heut an wirst du neu geschaffen und gebildet

und neu belebt;
du issest ein gesegnet Brot des Lebens
und trinkst den Becher, mit Unsterblichkeit gefüllt,
wirst mit geweihtem Salböle der Unverweslichkeit gesalbt.

6
Sei guten Muts,

du reine Jungfrau Asenath!
Heut gab dich Gott der Herr zur Braut dem Joseph;
er wird dein Bräutigam für ewig sein.

7
Auch heißt du nicht mehr Asenath von heute ab;

dein Name ist jetzt Zufluchtsstadt;
denn viele Völker fliehen zu dir
und rasten unter deinen Flügeln,
und viele Völker finden durch dich Schutz.
In deinen Mauern fühlen sich gesichert,
die sich dem höchsten Gott in Reue hingegeben;
denn Reue ist des Höchsten Tochter,
und sie erweicht den höchsten Gott
zu jeder Zeit für dich und alle anderen Bereuenden,
ist er ja doch der Reue Vater
und sie der Schlußstein und der Hort der Jungfrauen allen.
Sie liebt euch recht
und bittet stets für euch den Höchsten
und allen den Bereuenden
gewährt sie einen Ruhort in den Himmeln,
und sie erneuert jeglichen Bereuenden.

8
Es ist die Reue wunderschön,

jungfräulich, rein und milde, sanft;
drum liebt sie auch der höchste Gott,
und alle Engel ehren sie.
Auch ich lieb sie gar sehr,
dieweil sie meine Schwester ist,
und wie sie euch, die Jungfrauen, liebt,
so lieb ich euch.

9
Ich gehe jetzt zu Joseph

und sage über dich ihm alles das.
Er kommt noch heut zu dir
und freut sich über deinen Anblick
und wird von Lieb zu dir erfüllt.
Er wird dein Bräutigam
und du wirst seine liebe Braut für alle Zeiten.

[517]
10
Nun hör mich, Asenath, an!

Bekleide dich mit deinem Hochzeitskleid,
dem ältesten und ersten,
das schon seit langer Zeit in deiner Kammer liegt!
Leg allen deinen auserlesnen Schmuck dir an!
Schmück dich wie eine rechte Braut
und sei bereit, ihm zu begegnen!
Er kommt ja selber heut zu dir
und wird sich über deinen Anblick freuen.

11
Wie nun des Herren Engel in der menschlichen Gestalt

bei Asenath mit diesen Reden fertig war,
wird sie voll Freude über alle seine Worte
und fällt zur Erde auf ihr Angesicht,
küßt seine Füße mit den Worten:

12
Gepriesen sei der Herr, dein Gott,

der dich gesandt, mich aus der Finsternis zu retten
und mich aus tiefstem Abgrund an das Licht zu führen!
Dein Name auch sei ewiglich gepriesen!

13
Fand ich, mein Herr, vor deinem Antlitz Gnade,

soll ich erfahren,
daß all deine Worte wirklich sich erfüllten,
von denen du vor mir gesprochen,
sie würden in Erfüllung gehen,
dann möchte deine Sklavin mit dir sprechen.

14
Der Engel sprach zu ihr:

So sprich!
Sie sprach:
Ich bitte, Herr.
Setz dich ein wenig hier auf dieses Lager!
Es ist dies Lager rein und unbefleckt,
dieweil noch nie ein andrer Mann,
noch eine andre Frau darauf gesessen.
Ich setz dir einen Tisch mit Broten vor;
dann magst du essen,
Ich bring dir alten guten Wein,
des Duft zum Himmel steigt.
Trink auch davon!
Hernach zieh deines Wegs!

15
Er sprach zu ihr:

Mach schnell
und bring es unverweilt!


16. Kapitel: Die wunderbare Speise
1
Da stellte Asenath schnell einen leeren Tisch vor ihn;

doch wie sie ging, das Brot zu holen,
da sprach zu ihr der Gottesengel:
Bring mir auch eine Honigwabe!

[518]
2
Da stand sie still

und ward verlegen und betrübt,
weil sie in ihrer Vorratskammer keine Honigwabe hatte.

3
Da sprach zu ihr der Gottesengel:

Was stehst du still?

4
Sie sprach: Mein Herr!

Ich will ein Mädchen in die Vorstadt schicken;
mein Erbgrundstück ist in der Nähe.
Sie kommt damit schnell wieder her;
dann setz ich dir es vor.

5
Da sprach zu ihr der Gottesengel:

Geh nur in deine Vorratskammer!
Du findest auf dem Tisch dort eine Honigwabe.
Die nimm und bring sie her!

6
Sie sprach:

In meiner Vorratskammer gibt es keine Honigwaben, Herr!

7
Er sprach:

Geh nur!
Du findest schon.

8
Und Asenath ging in die Vorratskammer

und fand hier auf dem Tische eine Honigwabe;
die Wabe aber war groß
und weiß wie Schnee,
voll Honig,
und dieser Honig war wie Himmelstau,
sein Duft wie Lebensduft.

9
Darauf sprach Asenath erstaunt bei sich:

Stammt diese Wabe aus dem Munde dieses Mannes selbst?

10
Und Asenath nimmt diese Wabe mit

und legt sie auf den Tisch.
Da sprach zu ihr der Engel:
Was sagtest du:
In meinem Haus gibt’s keine Honigwaben?
Du bringst mir hier ja eine solche.

11
Sie sprach:

Herr! Niemals hab ich eine Honigwabe in mein Haus gebracht;
doch wie du davon sprachst, ist sie entstanden.
Ging sie denn nicht aus deinem Mund hervor,
dieweil ihr Duft dem Duft des Balsams gleicht?

12
Da lächelte der Mann ob des Verstands des Weibes.
13
Er rief sie zu sich her

und streckte, als sie kam, die Rechte aus,
erfaßte sie am Haupt,
bewegte mit der Rechten ihren Kopf.
Doch vor der Hand des Engels fürchtete sich Asenath;
denn Strahlen gingen von den Händen aus
wie von geschmolznem Eisen.

[519]

So schaute sie die ganze Zeit mit vieler Angst
und zitternd auf die Engelshand.

14
Er aber lächelte und sprach:

O selig bist du, Asenath.
Denn Gottes unaussprechliche Geheimnisse sind dir enthüllt.
Und selig sind,
die Gott dem Herrn in Reue anhängen,
weil sie von dieser Wabe essen werden!
Denn diese Wabe ist der Geist des Lebens,
und diese fertigten des Wonneparadieses Bienen
und Tau der Lebensrosen in dem Paradiese Gottes
und jeder andern Blüte.
Von ihr genießen auch die Engel
und all die Auserwählten Gottes,
sowie des Höchsten Söhne all.
Wer davon ißt,
stirbt nicht in Ewigkeit.

15
Der Gottesengel streckte seine Rechte aus,

nahm von der Wabe einen kleinen Teil und aß.
Dann legte er der Asenath mit eigner Hand
das andere in den Mund
und sprach zu ihr:
So iß!
Sie aß.

16
Da spricht zu ihr der Engel:

Jetzt hast du Lebensbrot gegessen,
sowie den Becher der Unsterblichkeit getrunken,
bist auch mit Öl der Unverweslichkeit gesalbt.
Dein Fleisch läßt aus des Höchsten Born
jetzt Lebensblumen sprießen
und dein Gebein gedeiht den Zedern
im Wonneparadiese Gottes gleich
und frische Kräfte werden dich erfüllen.
Alsdann wird deine Jugend nimmermehr das Alter schauen
und deine Schönheit nie erlöschen.
Du wirst für alle eine Stadt, gar wohlbefestigt.

17
Da rieb der Engel an der Wabe,

und viele Bienen kamen aus den Zellen dieser Wabe;
die Zellen aber waren ohne Zahl,
zehntausende und hunderttausende.

18
Die Bienen waren weiß wie Schnee

und ihre Flügel purpurfarbig, Scharlach,
wie Karmesin;
sie hatten scharfe Stacheln;
doch taten sie kein Leid.

19
Die Bienen setzten alle sich an Asenath,

vom Kopf bis zu den Füßen
und andere große Bienen, ihren Königinnen gleich,

[520]

erschienen aus den Waben
und setzten ihr sich ins Gesicht
und auf die Lippen
und fertigten in ihrem Munde eine Wabe,
auch auf den Lippen eine solche,
die jener Wabe glich, die vor dem Engel lag.

20
Und alle jene Bienen zehrten von der Wabe,

die sich im Munde Asenaths befand.
Dann sprach der Engel zu den Bienen:
Geht jetzt an euren Platz!

21
Alsdann erhoben sich die Bienen alle

und flogen fort
und gingen in den Himmel.

22
Die aber Asenath gar wehtun wollten,

sie fielen alle leblos auf den Boden.
Der Engel streckte über diese toten Bienen seinen Stab
und sprach zu ihnen:
Erhebet euch und geht auch ihr an euren Platz!

23
Da standen alle toten Bienen auf

und flogen in den Hof am Haus der Asenath
und blieben in den Fruchtbäumen.

24
Dann streckt der Engel seine Hand mit seinem Zeigefinger aus,

rührt damit an der Wabe Ecke gegen Osten;
da wird des Fingers Bahn zu Blut.

25
Er streckt die Hand zum zweiten Male aus,

rührt an der Wabe Ecke gegen Norden;
da wird des Fingers Bahn zu Blut.
Und Asenath stand da zu seiner Linken,
sah alles, was der Engel tat.


17. Kapitel: Michaels Segen
1
Dann sprach zu Asenath der Engel:

Hast du dies jetzt gesehen?
Sie sagte: Ja, mein Herr.
Ich hab all gut gesehen.

2
Da spricht zu ihr der Gottesengel:

So wird’s mit allen meinen Reden sein,
die ich an dich schon heut gerichtet habe.

3
Zum dritten Male streckt des Herren Engel seine Rechte aus,

rührt an der Wabe eine Ecke an.
Da flammte aus dem Tisch geschwind ein Feuer auf
und dieses fraß die Wabe auf;
dem Tische aber tat es nichts.

4
Dem Wabenbrand entstieg ein süßer Wohlgeruch,

erfüllte ganz das Zimmer.
Da sprach zum Gottesengel Asenath:
Ich habe sieben Jungfrauen, Herr,

[521]

mit mir von meiner Kindheit an gemeinsam aufgezogen,
in Einer Nacht mit mir geboren,
die mich bedienen
und die ich alle lieb wie meine Schwestern.
Ich möchte sie jetzt rufen,
damit du diese segnest,
so, wie du mich gesegnet hast.

5
Da sprach zu ihr der Engel:

Ja, rufe sie!

6
Und Asenath rief diese sieben Jungfrauen

und stellte sie dem Engel vor;
der Engel sprach zu ihnen:
Es segne euch der Herr, der höchste Gott,
und ihr sollt sieben Zufluchtssäulen sein in sieben Städten
und die in jener Stadt der Auserlesenen zusammenwohnen,
sie sollen auf euch ruhen in alle Ewigkeit!

7
Der Gottesengel sprach hiernach zu Asenath:

Nimm diesen Tisch hinweg!

8
Und wie sich Asenath umwandte,

den Tisch hinwegzunehmen,
verschwand er schnell aus ihren Augen.
Und Asenath bemerkte,
daß etwas wie ein Wagen mit vier Pferden gegen Himmel fuhr;
der Wagen aber war wie eine Feuerflamme,
die Pferde glichen einem Blitz;
der Engel aber stand auf jenem Wagen.

9
Das sagte Asenath:

Wie töricht und wie albern bin ich Arme,
daß ich geredet,
als etwas wie ein Mensch vom Himmel in mein Zimmer kam.
Ich wußte nicht,
daß hier ein göttlich Wesen kam.
Nun geht es in den Himmel wiederum an seinen Ort.

10
Sie sprach bei sich:

Sei deiner Sklavin gnädig, Herr!
Schone deiner Dienerin,
daß ich vor dir unwissentlich Vermessenes gesprochen!


18. Kapitel: Josephs und Asenaths Verlobung
1
Als solches Asenath bei sich bedachte,

kommt schon ein Jüngling von der Dienerschaft des Joseph
und meldete:
Zu euch kommt heute Joseph, Gottes Held.

2
Und Asenath rief schnell den Hausverwalter

und sprach zu ihm:
Schmück schnell mein Haus
und richt ein schönes Gastmahl her!
Denn Joseph, Gottes Held, kommt heut zu uns

[522]
3
Da sah sie der Verwalter an –

ihr Angesicht war nämlich eingefallen
vor Not und Weinen und dem siebentägigen Fasten. –
Da seufzte er betrübt,
nahm ihre rechte Hand
und küßte sie und sprach:
Was ist dir, meine Herrin?
Dein Antlitz ist so eingefallen.

4
Sie sprach:

Es kam viel Kummer auf mein Haupt
und meine Augen floh der Schlaf.

5
Darauf entfernte sich der Hausverwalter

und schmückte Haus und Tafel.
Doch Asenath denkt an des Engels Worte
und seine Weisungen,
geht eilends in ihr zweites Zimmer,
worin sich die Behälter ihres Schmucks befanden,
und macht die große Truhe auf.
Daraus nahm sie ihr erstes Kleid, das einem Blitze glich,
und zog es an.

6
Sie legte einen reinen, königlichen Gürtel um;

der war aus Gold und Edelsteinen.
Und goldne Spangen legte sie an ihre Arme
und an die Beine goldne Binden,
an ihren Hals wertvollen Schmuck
und setzte einen goldnen Kranz sich auf das Haupt.
Und in dem Kranze über ihrer Stirne war ein großer Sapphir,
rund um den großen Stein sechs seltne Steine;
ihr Haupt verhüllte sie mit einem wunderbaren Schleier.

7
Dann dachte Asenath an des Verwalters Worte,

daß er gesagt,
ihr Angesicht sei eingefallen.
Da seufzte sie betrübt und sprach:
O weh mir Armen, daß mein Angesicht so eingefallen!
Sieht mich so Joseph,
werd ich von ihm verschmäht.

8
Sie sprach zu ihrer Dienerin:

Bring reines Wasser aus dem Brunnen!

9
Sie brachte es.

Sie gießt es in ein Becken
und beugt sich drüber, um ihr Angesicht zu waschen.
Da sah sie sonnengleich ihr eigen Antlitz leuchten
und ihre Augen wie den Morgenstern bei seinem Aufgang
und ihre Wangen wie des Himmels Sterne.
Und ihre Lippen glichen roten Rosen;
ihr Haupthaar glich dem Weinstock,
der in dem Paradiese Gottes reich an Früchten wuchs;
ihr Hals glich einer wohlbehauenen Zypresse.

[523]
10
Wie Asenath das sieht,

erstaunt sie bei sich selber über die Erscheinung
und wird von großer Freud erfüllt,
Sie wusch nicht mehr ihr Angesicht;
sie sagte:
Ich könnte sonst die große, blühende Schönheit abwaschen.

11
Da kommt der Hausverwalter wieder, ihr zu sagen:

Wie du befohlen, ist geschehen.
Als er sie sah, ward er von großer Furcht erfüllt
und zitterte gar heftig
und fiel zu ihren Füßen nieder mit den Worten:
Was ist dies, meine Herrin?
Was ist das doch für eine Schönheit,
die dich umfängt, so groß und wunderbar?
Hat dich der Herr, der Gott des Himmels,
für Joseph, seinen Sohn, zur Braut gar auserwählt?


19. Kapitel: Josephs zweiter Besuch
1
Als sie noch drüber sprachen,

kam schon ein Knabe,
der Asenath vermeldete:
„Sieh, Joseph steht schon vor den Pforten unsres Hofes!“

2
Darauf stieg Asenath die Treppe von dem Söller

mit ihren sieben Jungfrauen hinab,
um Joseph zu begegnen,
und stellte sich in ihres Hauses Halle auf.

3
Als Joseph in den Hof getreten,

schloß man die Tore ab
und alle Fremden mußten draußen bleiben.

4
Und Asenath ging Joseph aus der Halle entgegen;

er staunt bei ihrem Anblick ob der Schönheit
und spricht zu ihr:
Wer bist du, Jungfrau? Sag’s mir schnell!

5
Sie sprach zu ihm:

Ich bin, Herr, deine Sklavin Asenath;
die Götzenbilder all hab ich von mir entfernt:
sie sind nicht mehr.
Da kam vom Himmel heut zu mir ein Mensch
und reichte mir das Lebensbrot;
ich aß und trank auch den geweihten Kelch.
Er sprach zu mir:
Ich habe Joseph dich zur Braut gegeben:
er wird dein Bräutigam für alle Zeiten sein.
Auch heißt du nicht mehr Asenath,
vielmehr „die Stadt der Zuflucht“
und Gott der Herr wird über viele Völker herrschen;
durch dich ja nehmen ihre Zuflucht sie zum höchsten Herrn.

[524]
6
Es sagte auch der Mensch:

Ich geh zu Joseph,
ihm in die Ohren meine Worte über dich zu sagen.

7
Nun weißt du, Herr,

ob jener Mensch zu dir gekommen,
ob er von mir bei dir gesprochen hat.

8
Und Joseph spricht zu Asenath:

Du bist gesegnet, Weib, vom höchsten Gott.
Gepriesen ist dein Name ewiglich.
Denn Gott der Herr hat deine Mauern wohl gegründet.
Die Söhne des lebendigen Gottes
bewohnen deine Zufluchtsstadt,
und Gott der Herr wird über sie in alle Zukunft herrschen.

9
Ja, jener Mensch kam heut zu mir vom Himmel;

er sagte jene Worte über dich zu mir.
So komm denn her zu mir,
du reine Jungfrau!
Was bleibst du in der Ferne stehen?

10
Dann streckte Joseph seine Arme aus,

umarmte Asenath
und Asenath den Joseph,
und beide küssen sich gar lang.
Und beide lebten wiederum in ihrem Geiste auf.

11
Und Joseph küßte Asenath

und er verlieh ihr Lebensgeist.
Dann gab er ihr zum zweiten auch der Weisheit Geist.
Zum dritten küßte er sie zärtlich
und schenkte ihr den Geist der Wahrheit.


20. Kapitel: Das Gastmahl
1
Und wie sie sich so lang umarmt

und ihre Hände fest verschlungen hatten,
sprach Asenath zu Joseph:
Wohlan, Herr, geh in unser Haus!
Ich ließ dir unser Haus mit einem großen Mahle herrichten.

2
Sie faßt ihn an der rechten Hand,

führt ihn ins Haus
und heißt ihn auf dem Throne ihres Vaters Pentephres
sich niedersetzen.
Zum Waschen seiner Füße läßt sie Wasser bringen.

3
Und Joseph sprach:

Es komm doch eine von den Jungfrauen
und wasche mir die Füße!

4
Darauf sprach Asenath zu ihm:

Nein, Herr!
Denn jetzt bist du mein Herr,
ich deine Dienerin.

[525]

Was suchest du zum Waschen deiner Füße eine andere Jungfrau aus?
Denn deine Füße sind ja meine Füße
und deine Hände meine Hände
und deine Seele meine Seele.
Keine andre wasche dir die Füße!

5
So wusch ihm Asenath, ihn nötigend, die Füße;

dann faßte Joseph sie bei ihrer rechten Hand
und küßte sie gar minniglich.
Dann küßte Asenath sein Haupt;
er setzte sie darauf zu seiner Rechten.

6
Da kam ihr Vater und die Mutter

und alle die Verwandten von dem Erbgrundstücke heim
und sahen sie bei Joseph sitzen
im Hochzeitskleid.

7
Sie wunderten sich über ihre Schönheit;

sie freuten sich, und priesen Gott,
der Tote wiederum lebendig macht.

8
So aßen sie und tranken

und alle freuten sich.
Da sprach zu Joseph Pentephres:
Ich rufe morgen alle Großen und Satrapen
aus ganz Ägypterland
und richt für euch die Hochzeit her.
Dann nimmst du meine Tochter Asenath zum Weib.

9
Darauf sprach Joseph:

Ich gehe morgen zu dem König Pharao,
weil er mein Vater ist
und mich zum Fürsten über dieses ganze Land bestellt.
Ich sprech mit ihm von Asenath;
er soll sie mir zum Weibe geben.

10
Darauf sprach Pentephres zu ihm:

Zieh hin im Frieden!


21. Kapitel: Josephs und Asenaths Hochzeit
1
Und Joseph blieb an jenem Tag bei Pentephres;

doch ging er nicht zu Asenath;
er sagte sich:
Es schickt sich nicht für einen gottesfürchtigen Mann,
vor seinem Hochzeitstag bei seinem Weib zu sein.

2
Und Joseph stand am anderen Morgen auf

und ging zu Pharao
und sprach zu ihm:
Gib mir die Asenath, die Tochter Pentephres,
des Priesters von Heliopolis, zum Weib!

3
Da freute sich der Pharao

und sprach zu Joseph:
Ist sie dir nicht von Ewigkeit zum Weib schon anverlobt?

[526]

Nun sei sie jetzt dein Weib
von nun an bis in Ewigkeit!

4
Da sandte Pharao

und ließ den Pentephres herbeirufen.
Und Pentephres erschien mit Asenath,
um Pharao sie vorzustellen
und wie sie Pharao erblickt,
erstaunt er über ihre Schönheit.
Er spricht:
Es segne dich der Herr und Josephs Gott, mein Kind,
und diese deine Schönheit währ für immer!
Der Herr und Josephs Gott hat dich zur Braut ihm auserwählt
Denn Joseph gleichet einem Sohn des Höchsten
und du heißt seine Braut
von nun an bis in Ewigkeit.

5
Hernach nahm Pharao den Joseph und die Asenath

und setzte ihnen goldne Kränze auf ihr Haupt,
die in dem Haus seit alters und seit langem waren.
Und Pharao stellt Asenath zur rechten Seite Josephs.

6
Dann legte Pharao die Hände ihnen auf das Haupt und sprach:

Es segne euch der Herr, der höchste Gott!
Er mehre und erhöhe und verherrliche euch in Ewigkeit!

7
Dann wandte Pharao sie mit dem Angesicht einander zu

und brachte ihren Mund einander näher;
da küßten sie einander.

8
Dann richtete für Joseph Pharao die Hochzeit her,

ein großes Mahl
und viel Getränk für sieben Tage
und lud dazu Ägyptens Fürsten alle ein
und alle Könige der Völker;
er ließ in dem Ägypterland verkünden:
„Wer immer an den sieben Tagen
der Hochzeit Josephs und der Asenath arbeitet,
der soll des Todes sterben!“

9
Nach dieser Hochzeitsfeier

und nach Beendigung des Mahles
ging Joseph zu der Asenath,
und Asenath empfing von Joseph
und sie gebar Manasses
und seinen Bruder Ephraim in Josephs Haus.


22. Kapitel: Asenath bei Jakob
1
Als nun die sieben fetten Jahr zu Ende gingen,

begannen sieben Hungerjahre.

2
Und da erhielt von seinem Sohne Joseph Jakob Kunde.

So zog er mit der ganzen Sippe nach Ägypten
im zweiten Hungerjahr,

[527]

am einundzwanzigsten des zweiten Monats,
und wohnte in dem Lande Gesem.

3
Da sprach zu Joseph Asenath:

Ich möchte deinen Vater sehen,
dieweil dein Vater Israel
mir wie mein Vater ist und Gott.

4
Und Joseph sprach zu ihr:

Du ziehst mit mir,
dann siehst du meinen Vater.

5
Und Joseph kam mit Asenath

zu Jakob in das Land von Gesem.
Und Josephs Brüder gingen ihnen hier entgegen,
vor ihnen auf den Boden niederfallend.

6
Und beide gingen hin zu Jakob,

und Jakob saß auf seinem Lager;
er aber war ein Greis in gutem Alter.

7
Als Asenath ihn sah,

erstaunt sie über seine Schönheit;
denn Jakobs Aussehen war gar schön;
sein Alter glich der Jugend eines reifen Mannes;
sein Haupt jedoch war völlig weiß wie Schnee.
Die Haare seines Hauptes waren alle dicht und stark:
sein Bart war weiß und reichte bis zur Brust;
die Augen waren froh und funkelnd;
die Sehnen und die Schultern,
die Arme glichen denen eines Engels,
die Schenkel und die Beine
und seine Füße glichen denen eines Riesen.

8
Wie Asenath ihn sieht, wird sie erstaunt

und fällt vor ihm auf ihr Gesicht zur Erde nieder.
Und Jakob spricht zu Joseph:
Ist diese meine Tochter, deine Frau?
Gesegnet sei sie von dem höchsten Gott!

9
Dann rief sie Jakob zu sich her,

gab ihr den Segen, küßte sie.
Und Asenath streckt ihre Arme aus,
umfaßt den Nacken Jakobs,
hängt sich an seinen Hals
und küßt ihn zärtlich.

10
Dann aßen sie und tranken;

hernach ging Joseph mit der Asenath nach Haus.

11
Und Simeon und Levi, Lias Söhne,

sie gaben ihnen einzig das Geleite,
die Söhne Ballas und der Zelpha,
der Mägde Lias und der Rachel, aber nicht,
dieweil sie sie beneideten und haßten.

12
Und Levi ging zur Rechten Asenaths

und Simeon zur Linken.

[528]
13
Da faßte Asenath den Levi an der Hand,

weil sie ihn mehr als alle Brüder Josephs liebte,
als einen Seher,
als gottesfürchtig und den Herren fürchtend,
war er ja doch ein kluger Mann
und ein Prophet des Höchsten;
er sah auch selbst am Himmel Schreibezeichen;
er las sie und enthüllte diese insgeheim der Asenath.
Deswegen liebte Levi auch die Asenath gar innig
und schaute ihren Ruheort in Himmelshöhen.


23. Kapitel: Asenaths Bedrohung
1
Als Joseph mit der Asenath vorüberzog,

wie sie zu Jakob reisten,
sah sie der erstgeborene Sohn des Pharao von der Mauer aus
und wie er Asenath erblickte,
ward er durch ihre wundersame Schönheit ihretwegen toll.

2
Es schickte Boten Pharaos Sohn

und ließ den Simeon und Levi zu sich rufen,
und als sie kamen und vor ihn sich stellten,
spricht so der erstgeborene Sohn des Pharao zu ihnen:
Ich weiß:
Ihr seid noch heute starke Männer,
mehr als die Menschen dieses Landes all.
Durch diese eure rechte Hand
ward einst der Sichemiten Stadt zerstört;
durch eure beiden Schwerter wurden
an 30 000 Krieger hingemetzelt.

3
Auch ich möcht euch mir heute zu Genossen nehmen;

ich würd euch Gold und vieles Silber geben
und Knechte, Mägde, Häuser
und großen Grundbesitz,
wollt ihr auf meine Seite treten
und mir Gefälligkeit erweisen.
Von eurem Bruder Joseph ward ich schnöd behandelt,
da er die Asenath zum Weib sich nahm,
die mir doch längst versprochen war.

4
Nun kommt mit mir!

Ich will mit Joseph kämpfen,
ihn mit dem Schwerte töten
und Asenath zum Weibe nehmen.
Ihr sollt mir dann zu Brüdern und zu treuen Freunden sein.

5
Doch stimmt ihr mir nicht zu,

dann töt ich euch mit meinem Schwert.

6
Kaum hat er dies gesagt,

entblößt er schon sein Schwert
und zeigt es ihnen.

[529]
7
Doch Simeon war ein kühner und verwegener Mann;

er dachte schon daran,
die Rechte an den Griff des Schwerts zu legen
und aus der Scheide es zu ziehen
und dann den Sohn des Pharaos zu erschlagen,
dieweil er Unerträgliches zu ihnen sprach.

8
Doch seines Herzens Sinnen merkte Levi,

war er doch ein Prophet.
So stieß er denn mit seinem Fuß den rechten Simeons
und drängte ihn,
ihm zu verstehen gebend,
er soll von seinem Zorne lassen.

9
Und Levi sprach zu Simeon in Ruhe:

Was zürnst du diesem Mann?
Wir sind doch gottesfürchtige Männer;
uns ziemt es nicht, mit Bösem Böses zu vergelten.

10
Darauf sprach Levi zu dem Sohn des Pharao

mit Freimut, doch mit Herzensmilde:
Was redet unser Herr nur solche Sachen?
Wir sind doch gottesfürchtige Männer,
und unser Vater ist ein Freund des höchsten Gottes
und unser Bruder gleichet einem Gottessohn.

11
Wie könnten wir da solche Schlechtigkeit begehen,

zu sündigen vor unserm Gott
und unserm Vater Israel
und unserm Bruder Joseph?

12
Hör meine Worte:

Nicht ziemt es einem gottesfürchtigen Mann,
auf irgendeine Weise einem Menschen wehzutun.
Will aber jemand einem gottesfürchtigen Manne wehe tun,
so schützt sich jener Gottesfürchtige doch nicht vor ihm,
dieweil kein Schwert in seinen Händen ist.

13
Nimm dich in acht,

von unserm Bruder Joseph dies zu reden!
Bleibst du jedoch bei deinem schlimmen Plan,
dann werden unsere Schwerter gegen dich gezogen.

14
Und Simeon und Levi zogen ihre Schwerter

aus ihren Scheiden mit den Worten:
Siehst du hier diese Schwerter?
Mit diesen beiden Schwertern hat der Herr
den Übermut der Sichemiten schwer gerächt.
Denn Sichem, Emmors Sohn, befleckte unsre Schwester Dina
und damit hatten sie die Söhne Israels beleidigt.

15
Als nun der Sohn des Pharao die gezogenen Schwerter sah,

erschrak er sehr
und zitterte am ganzen Leib,
weil sie wie Feuerflammen blitzten,
und seine Augen wurden dunkel;

[530]

dann fiel er aufs Gesicht zur Erde nieder
vor ihre Füße.

16
Da streckte Levi seine Rechte aus

und faßt ihn mit den Worten:
Steh auf, sei ohne Furcht!
Nur hüte dich,
von unserm Bruder Joseph noch ein schlimmes Wort zu reden!

17
Und also gingen Simeon und Levi von ihm weg.


24. Kapitel: Verschwörung gegen das junge Paar
1
Da blieb nun Pharaos Sohn voll Furcht und Trauer,

weil er die Brüder Josephs fürchtete;
doch wieder war er toll,
weil Asenath so schön;
so härmt er sich darum noch mehr.

2
Da flüstern seine Knechte ihm ins Ohr:

„Die Söhne Ballas und die Söhne Zelphas,
der Mägde Lias und der Rachel,
der Weiber Jakobs,
sie hassen Joseph und die Asenath
und sie verabscheuen sie;
die werden dir in allem wohl zu Willen sein.“

3
Auf dieshin sandte Pharaos Sohn

gar eilig Boten an sie ab
und ließ sie rufen.
Und in der ersten Stunde in der Nacht erschienen sie vor ihm
und traten vor ihn hin;
er sprach zu ihnen:
Von vielen habe ich erfahren, daß ihr tapfre Männer seid.

4
Darauf erwiderten ihm Dan und Gad, die ältern Brüder:

Es rede unser Herr mit seinen Knechten, was er wünscht,
damit es deine Knechte hören
und wir nach deinem Wunsche tun!

5
Da freute sich des Pharao Sohn

und sprach zu seinen Dienern:
Entfernet euch auf kurze Zeit von mir!
Ich möcht mit diesen Männern ein geheimes Wörtlein reden.

6
Darauf entfernen sie sich alle.
7
Dann lügt der Sohn des Pharao

und spricht zu ihnen:
Seht, Segen oder Fluch liegt hier vor eurem Angesicht!
Wählt lieber Segen als den Tod!
Ihr seid ja tapfre Männer
und wollt nicht wie die Weiber sterben.
Seid vielmehr tapfer!
Rächt euch an euren Feinden!

[531]
8
Ich hab auch selbst gehört,

wie Joseph, euer Bruder, einst zu meinem Vater Pharao sprach:
Dan, Gad und Nephthalim
und Aser sind nicht meine Brüder;
sie sind vielmehr die Mägdekinder meines Vaters;
Ich warte nur den Hingang meines Vaters ab,
dann tilg ich von der Erde sie und ihre ganze Sippe.
Sie sollen nimmer mit uns erben,
dieweil sie Mägdekinder sind!

9
Auch haben sie mich an die Ismaeliten einst verkauft,

und so vergelt ich ihnen ihren Übermut,
womit sie gegen mich gefrevelt.
Nur soll mein Vater vorher sterben.

10
Da lobte ihn mein Vater Pharao darob

und sprach zu ihm:
Gar gut gesprochen, Kind!
Nun nimm von mir doch starke Männer!
Alsdann belange sie
nach dem, was sie dir angetan!
Ich will dabei dein Helfer sein.

11
Als dieses Dan und Gad vom Sohne Pharaos vernahmen,

da wurden sie betrübt und ängstlich;
sie sagten ihm:
Wir bitten, Herr, dich: Leist uns Hilfe!
Von jetzt an sind wir deine Diener, deine Sklaven,
und wollen mit dir sterben.

12
Da sprach der Sohn des Pharao:

Ich werde euer Helfer sein,
wenn ihr auf meine Worte hört.

13
Da sprachen sie zu ihm:

Befiehl uns, was du willst!
Wir tun nach deinem Willen.

14
Da sprach der Sohn des Pharao zu ihnen:

Ich werde meinen Vater Pharao in dieser Nacht noch töten,
weil Pharao zu Joseph wie ein Vater ist
und weil er ihm versprochen, gegen euch zu helfen.
Ihr aber tötet Joseph;
dann nehme ich mir Asenath zum Weib.
Ihr werdet meine Brüder sein,
Miterben all des Meinen.
Nur tuet so!

15
Da sprachen Dan und Gad zu ihm:

Wir sind heute deine Knechte
und wir tun alles, was du uns befiehlst.
Wir hörten aber Joseph so zu Asenath sprechen:
Geh morgen doch in unser Erbgut;
es ist ja Erntezeit!

[532]

Er sandte auch sechshundert Krieger mit ihr aus
und fünfzig leicht Bewaffnete.

16
Nun hör uns an!

Wir möchten jetzt mit unserm Herren reden!

17
Da redeten mit ihm sie alles insgeheim.
18
Und den vier Brüdern gab der Sohn des Pharao

fünfhundert Mann
und machte sie zu ihren Obersten und Führern.

19
Da sprachen Dan und Gad zu ihm:

Wir sind heut deine Knechte
und wir tun alles, was du uns befiehlst;
wir ziehen in der Nacht noch fort
und legen in der Schlucht uns in den Hinterhalt
und bergen uns im Röhrendickicht.
Nun nimm auch du mit dir berittene Bogenschützen,
so fünfzig an der Zahl!
Zieh lange vor uns her!
Und kommt dann Asenath,
fällt sie in unsere Hände.
Wir hauen dann die Männer bei ihr all zusammen.
Flieht sie nach vorn auf ihrem Wagen,
so fällt sie dir in deine Hände.
Dann kannst du mit ihr tun,
was nur dein Herz begehrt.
Nach diesem töten wir auch Joseph,
der Asenath betrauern wird.
Auf gleiche Weise töten wir vor seinen Augen seine Kinder.
Als dies der erstgeborne Sohn des Pharao vernahm,
ward er mit großer Freud erfüllt
und er entließ sie mit 2000 Kriegern.

20
Sie kamen zu der Schlucht

und bargen sich im Röhrendickicht;
sie teilten sich auch in vier Teile
und lagerten sich vorne an der Schlucht,
auf jeder Seit des Weges je fünfhundert Mann.
Die andern blieben ebenso hier an der Schlucht
und lagerten sich in dem Röhrenwald;
auf jeder Seit des Weges je fünfhundert Mann;
doch zwischen ihnen blieb ein breiter und bequemer Weg.


25. Kapitel: Attentat auf Pharao
1
Alsdann erhob sich in der gleichen Nacht der Sohn des Pharao

und ging zu seines Vaters Schlafgemach;
er wollte diesen mit dem Schwerte töten.
Doch seines Vaters Wächter ließen ihn nicht zu dem Vater gehen;
sie fragten ihn:
Was ist, Herr, dein Befehl?

[533]
2
Es sprach der Sohn des Pharao zu ihnen:

Ich will nur meinen Vater sehen,
dieweil ich gehe,
um meinen neugepflanzten Weinberg abzuernten.

3
Die Wächter aber sagten ihm:

Dein Vater leidet Schmerzen;
der Schlaf floh ihn die ganze Nacht.
Nun kann er ruhen;
drum sagte er zu uns,
wir sollten niemand bei ihm einlassen,
selbst nicht den erstgebornen Sohn.

4
Als er dies hörte, ging er zornig fort

und nahm geschwind berittne Bogenschützen mit,
so fünfzig an der Zahl
und zog vor ihnen her,
wie Dan und Gad es ihn geheißen.

5
Die jüngern Brüder Nephthalim und Aser sprachen

zu ihren ältern, Dan und Gad:
Warum nur handelt ihr an eurem Vater Israel,
sowie an eurem Bruder Joseph abermals so schlecht?
Und diesen hütet Gott doch wie des Auges Apfel.
Habt ihr nicht Joseph schon einmal verkauft,
und heute ist er König über ganz Ägypterland,
ein Heiland und ein Nahrungsspender?

6
Wollt ihr an ihm jetzt wieder schnöde handeln,

wird er zum Höchsten rufen,
und dieser sendet Feuer aus dem Himmel,
das euch verzehren wird,
und Gottes Engel werden mit euch kämpfen.

7
Da wurden ihre ältern Brüder auf sie zornig;

sie sprachen:
Wir sollen wohl wie Weiber sterben? Das sei ferne!

8
Sie zogen also fort,

den Joseph und die Asenath zu treffen.


26. Kapitel: Asenaths Rettung
1
Und Asenath stand in der Frühe auf

und sprach zu Joseph:
Ich will auf unser Erbgut gehen, wie du gesagt;
doch meine Seel ist voller Angst,
weil du nicht bei mir bist.

2
Und Joseph sprach zu ihr:

Sei guten Muts, hab keine Angst!
Geh vielmehr freudig hin!
Hab doch vor niemand Angst!
Der Herr ist ja mit dir
und er behütet dich
wie einen Augapfel vor allem Ungemach.

[534]
3
Auch ich geh jetzt zu meiner Kornverteilung

und geb dort allen Leuten in der Stadt Getreide,
daß niemand im Ägypterlande Hungers sterben muß.

4
Alsdann begab sich Asenath auf ihren Weg,

und Joseph ging zu seiner Kornverteilung.

5
Und Asenath kam an die Schlucht mit den 600 Männern;

da sprangen plötzlich die beim Sohne Pharaos aus ihrem Hinterhalt
und kämpften mit den Männern bei der Asenath
und hieben sie mit ihren Schwertern all zusammen
und töteten all ihre Leichtbewaffneten
und Asenath ergriff die Flucht auf ihrem Wagen.

6
Doch da erkannte Levi, Lias Sohn,

all das im Geist, wie ein Prophet,
und meldet seinen Brüdern die Gefahr der Asenath.
Schnell nimmt ein jeglicher sein Schwert an seine Hüfte
und ihre Schilde an die Arme
und Lanzen in die rechte Hand
und laufen hinter Asenath in schnellem Laufe her.

7
Und wie nun Asenath nach vornen floh,

zog ihr der Sohn des Pharao
mit seinen fünfzig Reitern schon entgegen.

8
Als Asenath ihn sah,

ward sie von Furcht erfüllt
und zitternd rief sie ihres Gottes und Herren Namen an.


27. Kapitel: Der Kampf
1
Und Benjamin saß ihr zur Rechten auf dem Wagen

und Benjamin war ein gar kräftiger Bursch von neunzehn Jahren;
er war von einer wunderbaren Schönheit
und einer Stärke, wie ein Löwenjunges;
er war sehr gottesfürchtig.

2
Da sprang vom Wagen Benjamin herab,

nahm aus dem Bache einen runden Stein,
legt ihn in seine Hand
und schleudert ihn gen Pharaos Sohn
und trifft ihn an die linke Schläfe
und schlägt ihm eine schwere Wunde.

3
Halbtot fällt er vom Pferd zu Boden.
4
Und gleich darauf läuft Benjamin auf einen Felsen

und ruft dem Wagenlenker Asenaths zu:
Hol aus dem Bach mir Steine!

5
Er gab ihm fünfzig Steine;

so tötete nun Benjamin mit Steinwürfen
die fünfzig Männer bei dem Sohn des Pharao.
die Steine drangen all durch ihre Schläfen.

6
Alsdann verfolgten Lias Söhne, Ruben, Simeon

und Levi, Juda,

[535]

und Issachar mit Zabulon
die Männer, die der Asenath aufgelauert,
und überfielen sie ganz unversehens;
sie hieben allesamt sie nieder,
und die sechs Männer töteten 2706.

7
Die Söhne Ballas und der Zelpha flohen

vor ihnen mit den Worten:
„Zugrunde gehen wir durch unsere Brüder,
und Pharaos Sohn starb durch die Hand des jungen Benjamin,
und all die Seinen fielen durch die Hand des Knaben Benjamin.

8
Nun also kommt!

Wir wollen Asenath und Benjamin erschlagen
und dann in diesen Rohrwald fliehen!“

9
Sie gingen mit gezückten Schwertern voller Blut zu Asenath.
10
Als Asenath sie sah,

ward sie von Furcht erfüllt und rief:
Herr, Gott! Du hast das Leben mir geschenkt
und mich befreit von Götzenbildern,
von tödlichem Verderben,
hast mir verheißen,
es werde meine Seele ewig leben.
Befrei mich jetzt von diesen bösen Männern!

11
Und Gott der Herr erhört die Stimme Asenaths,

und augenblicklich fielen ihrer Feinde Schwerter
aus ihrer Hand zu Boden
und wurden Staub.


28. Kapitel: Asenaths Großmut
1
Als Ballas und der Zelpha Söhne dieses seltsam Wunder sahen,

da sprachen sie voll Furcht:
„Es kämpft der Herr zugunsten Asenaths jetzt gegen uns.“

2
Da fielen sie auf ihr Gesicht zur Erde

und warfen sich der Asenath zu Füßen mit den Worten:
„Erbarm dich unser, deiner Sklaven,
dieweil du unsere Herrin bist und unsere Königin!

3
Wir handelten an dir gar schlimm,

sowie an unserem Bruder Joseph;
der Herr jedoch vergalt uns schon nach unseren Werken.

4
Deswegen flehen wir dich an, wir deine Sklaven:

Hab Mitleid mit uns Armen, Elenden!
Schütz uns vor unserer Brüder Hand!
Sie mögen nicht als Rächer auftreten,
daß wir dich unterdrücken wollten!
Nicht mögen ihre Schwerter gegen uns sich wenden!

5
Wir wissen ja,

daß unsre Brüder gottesfürchtige Männer sind
und keinem Menschen Böses tun für Böses.

[536]
6
Schütz deine Sklaven

vor jenen, ach du unsre Herrin!“

7
Da sprach zu ihnen Asenath:

„Seid guten Muts;
habt keine Furcht vor euren Brüdern!
Sie sind ja gottesfürchtige Männer
und voller Furcht des Herrn.
Geht aber in den Rohrwald dort,
bis ich zu euren Gunsten sie hab umgestimmt
und ihren Zorn beschwichtigt
für das, was ihr so schrecklich gegen sie gewagt!
Indessen sieht’s der Herr
und richtet zwischen mir und euch.“

8
Da flohen in den Rohrwald Dan und Gad;

doch ihre Brüder, Lias Söhne, eilten, wie die Hirsche,
gar eifrig gegen sie heran.

9
Da stieg von ihrem überdachten Wagen Asenath herab

und reichte unter Tränen ihnen ihre Rechte;
sie aber warfen huldigend vor ihr sich hin
und brachen in ein lautes Weinen aus
und fragten nach den Brüdern, nach den Mägdesöhnen,
um sie zu töten.

10
Da sprach zu ihnen Asenath:

„Ich bitt euch: Schonet eure Brüder!
Vergeltet ihnen nimmer für das Böse Böses!
Der Herr hat mich vor ihnen ja gerettet.
Denn er zerbrach in ihren Händen ihre Degen, ihre Schwerter;
sie schmolzen hin und wurden Asche,
wie Wachs vorm Feuer,
und dies ist uns genug
daß selbst der Herr mit ihnen kämpft zu unsern Gunsten.

11
Nun schonet eure Brüder!

Sie sind ja eure Brüder,
von eures Vaters Israel Blut.“

12
Darauf erwiderte ihr Simeon:

„Warum spricht unsere Herrin gute Worte
zugunsten ihrer Feinde?

13
Nein! Lieber wollen wir sie Glied um Glied

mit unsern Schwertern jetzt zusammenhauen.
Sie planten Schlimmes gegen unsern Bruder Joseph
und unsern Vater Israel
und gegen dich heut, unsere Herrin.“

14
Da streckte Asenath die Rechte aus,

berührte Simeons Bart
und küßte ihn und sprach:
„In keiner Weise, Bruder, darfst du deinem Nächsten
für Böses Böses auch vergelten.
Der Herr würd eine solche Überhebung rächen.

[537]

Sie sind nun einmal eure Brüder
und eures Vaters Israel Geschlecht;
sie flohen ja auch weit von euch hinweg.
Verzeihet ihnen doch!“

15
Da trat nun Levi auf sie zu

und küßte ihr die rechte Hand;
er sah, daß sie vor ihrer Brüder Zorn die Männer retten wollte,
daß diese sie nicht töteten.

16
Und diese selber waren in der Nähe in dem Röhrendickicht:
17
Obgleich ihr Bruder Levi dieses wußte,

verriet er es den Brüdern nicht;
er fürchtete,
in ihrem Zorne würden sie die Brüder niederschlagen.


29. Kapitel: Ende
1
Der Sohn des Pharao erhebt sich von dem Boden

und setzt sich hin
und speit das Blut aus seinem Mund;
denn von der Schläfe lief ihm in den Mund das Blut.

2
Und Benjamin lief zu ihm hin,

ergriff sein Schwert
und zog’s dem Pharaosohne aus der Scheide;
denn Benjamin trug keine Wehr an seiner Seite.
Er wollte Pharaos Sohn die Brust durchbohren.

3
Auf ihn lief Levi zu,

ergriff ihn bei der Hand und sprach:
„In keiner Weise, Bruder, darfst du dieses tun;
wir sind ja gottesfürchtige Männer,
und einem gottesfürchtigen Manne ziemt es nicht,
für Böses Böses zu vergelten,
noch einen Hingestürzten vollends zu zertreten,
noch seinen Feind zum Tode zu zermalmen.

4
Bring wiederum dein Schwert an seinen Platz!

Komm mir zu helfen!
Wir wollen ihn von dieser Wunde heilen,
und bleibt er leben, wird er unser Freund
und Pharao, sein Vater, unser Vater.“

5
Alsdann hob Levi Pharaos Sohn vom Boden auf

und wusch das Blut ihm vom Gesicht,
verband die Wunde, setzt ihn auf sein Pferd
und brachte ihn zu seinem Vater Pharao,
und er erzählte alles das Geschehene und Vorgefallene.

6
Darauf stand Pharao von seinem Throne auf

und fiel vor Levi auf den Boden, ihn lobpreisend.

7
Am dritten Tage starb der Sohn des Pharao

am Steinwurf Benjamins.

[538]
8
Und Pharao betrauerte den erstgeborenen Sohn so sehr,

daß durch die Trauer Pharao in eine Krankheit fiel
und 109 Jahr alt verstarb.
Er hinterließ sein Diadem dem wunderschönen Joseph.

9
So war denn Joseph in Ägypten

alleinig Herrscher 48 Jahre lang.
Hernach gab Joseph Pharaos jüngstem Sprößlinge das Diadem;
er war beim Tod des alten Pharao ein Säugling noch gewesen.
Und Joseph war von da an wie ein Vater zu dem jüngsten Sohn
des Pharao im Ägypterland.
Er lobte Gott und pries ihn bis zum seinem Ende.

Erläuterungen

[1303]
35. Zu Joseph und Asenath

Das Buch stammt aus jüdischen Kreisen; die griechische Übersetzung zeigt unverkennbar hebräische Färbung. Es ist ein Versuch, die nichtjüdische Welt durch Darstellung der jüdischen Ahnen als physische und sittliche Helden zu gewinnen. Näherhin auf essenische Kreise weist die Bezeichnung der „Gottesfürchtigen“ als Männer, die „nie Böses mit Bösem vergelten und sich hüten, jemand wehe zu tun“ 28, 5. Auch die besondere Hervorhebung der Jungfräulichkeit und der Keuschheit bei den Gottesfürchtigen weist auf Essener hin, ebenso der Gebrauch der weißen Kleidung und der Siebenzahl. Der Name der Heldin Asenath dürfte einem hebräischen, mit assyrischem asinnatu identischen Wort „Dienerin, Essenerin“ entsprechen. Jedenfalls trägt auch Asenath ausgesprochen essenische Züge an sich, Jungfräulichkeit und großmütige Feindesliebe. Stammt das Büchlein aus Essenerkreisen, dann darf man darin auch die Verwendung der bei ihnen beliebten Allegorie erwarten. Als Allegorie wurde es schon von dem syrischen Mönch Moses bezeichnet (s. Studia partistica ed. P. Batiffol 1889, 1 ff., E. W. Brooks, Joseph and Asenath 1918. Th. Q. 1922, 1 ff.).

  • 1: 1 Der Pharao Menephtah 1225–1215 v. Chr. s. Gen 41, 1 ff. 3 Potiphera Gen 41, 45 LXX Petephre. Nach rabbinischer Überlieferung war sie eine Tochter der Jakobstochter Dina und nur Adoptivtochter des ägyptischen Priesters Potiphera.
  • 2: 1 Asenath stellt allegorisch die Seele dar. Der Turm ist der Körper, worin sich nach essenischer Anschauung die Seele wie in einem Kerker befindet. (s. Jos. B. J. II 8, 11). Die zehn Zimmer erinnern an die zehn Sephirot. 2 Die drei Zimmer deuten die alte Dreiteilung der Seele in „Vernunft, Geist und Seele“ an. Das erste Zimmer hängt mit dem Gotteskult zusammen; nach alter Anschauung bekommt der Mensch Anteil an Gottes Geist durch das Medium der Idee der Vernunft. 4 Vom Geist hängen die Gedanken, Stimmungen und Gefühle ab. 5 Die Seele regelt die niedern Seelen- und Körperfunktionen. 6 Die sieben Tugenden in den sieben Seelenkräften. 11 Die vier Pforten sind Augen, Ohren, Nase und Mund (s. Philo, Weltschöpfung 119). Die 18 Wächter erinnern an die 18 Bitten des täglichen Gebetes. Die Abgeschlossenheit erinnert an den ägyptischen Gebrauch des Eingeschlossenseins an[1304] den Serapisheiligtümern. 12 Die Quelle ist die Weisheit, woraus sich das Wasser des Wissens über die Seelen ergießt.
  • 4: 7 Joseph vertritt den Messias; in ihm ist Gottes Geist, wie in letzterem. Er heißt auch Gottes Sohn 6, 6. Sein Vater ist ein jugendlicher Greis, wie der Hochbetagte bei Daniel 7, 9. Er besitzt königliche Würde wie der Messias. Der Ölzweig in seiner Rechten bezeichnet ihn als Friedensfürsten, wie ein solcher auch der Messias ist 5, 5.
  • 8: 5 s. Ps 23, 5. Die geheimnisvolle Speise erinnert an die essenischen Liebesmahle (Jos B. J. II 8, 5).
  • 14: 8 Michael.
  • 16: 1 Honigwabe = Gesetz, das nach Ps 19, 11 „süßer als Honig“ ist. 16 s. Ps 23, 5. 18 Die Bienen sind ein beliebtes Sinnbild der Jungfrauen. Die gottgeweihten Jungfrauen trugen purpurfarbige Schleier. Die Essener übten besonders gerne die Bienenzucht (Euseb. Praep. ev. VIII 11).
  • 19: 11 Joseph hat hier die Rolle des Messias, der gleichfalls den Geist des Lebens, der Weisheit und der Wahrheit spendet.
  • 20: 8 Die Hochzeit entspricht der heiligen Hochzeit zwischen Gott oder dem Logos und der Seele bei Philo.
  • 21: 9 Manasses = Verzicht auf die irdischen Freuden, Ephraim = Fruchtbarkeit an guten Werken (Philo, Beschauliches Leben II p. 471) „die leiblichen Freuden gering achtend, verlangen sie nach unsterblichen Früchten“.
  • 24: 4 Die drei Feinde „der heiligen Verbindung“ sind Pharaos Sohn = die Welt, Dan, „die Schlange“ (Gen 49, 17) oder der Dämon und Gad „das Glück“ = das leibliche Wohlbehagen oder das Fleisch. Dan „die Schlange“ erinnert an die vorchristlichen Ophiten oder Naassener „Schlangenbrüder“ und Gad „Glück“ an die Entychiten.
  • 29: 7 Menephtahs Nachfolger Seti II. 1212 v. Chr. verlor gleichfalls durch innere Wirren sein Leben. 8 Der Pharao Menephtah starb gleichfalls hochbetagt, war er doch einst, selber in vorgerücktem Alter, seinem neunzigjährigen Vater Ramses II. nachgefolgt. 9 Nach Seti übte die Hauptgewalt ein Syrer, Arisu, aus, der, „als andere Zeiten mit Jahren der Teuerung kamen, sich zum Anführer machte. Einer verband sich mit dem andern, um die Besitzungen der Ägypter zu plündern. Man behandelte die Götter wie Menschen und brachte kein Opfer mehr in den Tempeln dar.“ Dies alles erinnert an die biblische Josephsgeschichte Gen 41, 1 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

Siehe auch folgende Artikel aus Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft zu dem hier dargebotenen Text: