Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Johann Christoph Friedrich von Schiller

August Friedrich Ernst Langbein Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Johann Christoph Friedrich von Schiller
George Carl von Richter
Wikipedia: Friedrich Schiller
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[134] Nr. 144. v. Schiller, Johann Christoph Friedrich, 1759–1805. Dreimal hat unser großer Dichter in Dresden geweilt. Sein erster hiesiger Aufenthalt war der längste, denn er dauerte fast zwei Jahre. Sch's. Herzensfreund und treuester Berater, der edle Gottfried Körner, der gleich nach der Hochzeit mit seiner jungen Gattin im August 1785 von Leipzig nach Dresden übergesiedelt war, hatte den Dichter eingeladen, ihn hier zunächst auf ein Jahr zu besuchen. Durch diesen Aufenthalt in unserer Stadt sollte ihm nach einer mehrjährigen entbehrungsreichen, trübseligen Zeit ein sorgenfreies Dasein geboten werden. Mit großer Freude folgte Sch. dieser Einladung. In der Nacht zum 12. September 1785 langte er, von Leipzig-Gohlis kommend, in Dresden an und nahm im Gasthofe zum Goldenen Engel, jetzt Wilsdruffer Straße 7 (O.-Nr. 609), sein Absteigequartier. Das Haus trägt deshalb am ersten Obergeschoß eine aus Stein gefertigte Erinnerungstafel unter dem Fenster des Zimmers, in dem der Dichter gewohnt hat. Auf schwarzem Granit liest man die Worte:

Hier wohnte
Schiller
v. 11.–12. Septbr. 1785.

Am nächsten Morgen meldete der Dichter seinem lieben Körner schriftlich seine Ankunft. Groß und herzlich war die Freude des Wiedersehens, als Sch. am Mittage in dem in der Neustadt gelegenen Körner'schen Wohnhause, jetzt Körnerstraße 7, eintraf. Hier hat er nun zunächst bei dem ihm so teuren Freunde sein [135] Heim gehabt; als aber später Huber, ein junger Schriftsteller und Bräutigam von Körners Schwägerin Dora Stock, zu einem längeren Aufenthalte nach Dresden kam, bezog Huber und Sch., die schon von früher her befreundet waren, eine gemeinsame Mietwohnung in dem gegenüberliegenden Hause des Hofgärtners Fleischmann vom Palaisgarten, Kohlmarkt Nr. 16, jetzt Körnerstraße 18 (O.-Nr. 20). Die unmittelbare Nähe beider Gebäude gestattete den Freunden einen täglichen traulichen Verkehr. Als Huber Dresden wieder verließ, ist Sch. erneut zu Körner's gezogen und bei ihnen bis zum 20. Juli 1787 wohnen geblieben. (Mündlich von dem verstorbenen Oberjustizrat L. v. Göphardt.)

Teils in diesem Hause, teils in dem herrlich gelegenen, von Körner 1785 in Loschwitz erkauften Weinbergsgrundstück[WS 1], konnte Sch. ganz seiner Muse leben, da er aller bisher auf ihm lastenden Sorgen ledig war und durch eine Anzahl trefflicher, hochgebildeter Personen vielseitige Anregungen erhielt. Den bedeutendsten Einfluß freilich übte Körner auf den jungen Dichter aus, der durch seinen älteren Freund nicht nur für philosophische, sondern auch für historische Studien eine besonders lebhafte Neigung gewann. Die erneut aufgenommene Beschäftigung mit Quellengeschichte wurde die Veranlassung, daß Sch. zu Adelung und Daßdorf, den beiden Bibliothekaren an der Kurf. Bibliothek, in nähere Beziehungen trat. Von anderen hervorragenden Männern, die der Dichter in dem gastfreien Hause Körners kennen lernte, seien noch genannt der Historiker und Kunstschriftsteller Wilhelm Gottlieb Becker, wahrscheinlich schon damals der Hofkapellmeister Gottlieb Naumann, der einige Gedichte Sch's. vertont hat, dann die beiden an der hiesigen Kunstakademie wirkenden Maler Jakob Creszentius Seydelmann und Anton Graff. Letzterer malte auf Körner's Wunsch im Winter 1785 das allgemein bekannte und wohl beste Bildnis Sch's., noch heute eins der hervorragendsten Schmuckstücke unseres Körnermuseums. Von Graff selbst ist später über seine Arbeit berichtet worden: „Das Porträt Schillers hat mir“ – wegen des Dichters dauernder Unruhe bei den Sitzungen – „die größte Not, zuletzt aber auch die größte Freude gemacht.“

Während Körner's mit ihrem jungen Freunde den Winter in der Stadtwohnung verlebten, brachten sie den Sommer in dem erwähnten lieblichen Loschwitzer Weinberge zu. Das dort auf der Höhe an dem früheren Stadtweg, jetzt Schillerstraße, stehende einfache Gartenhäuschen wurde wegen seiner ebenso schönen als ruhigen Lage vom Dichter besonders gern als Wohnraum benutzt. Hier schrieb er, wie die an der Außenseite des kleinen Baues angebrachte und mit dem Kopfbildnis Sch's. geschmückte Gedenktafel berichtet, in den Jahren 1785, 1786 und 1787 am Don Carlos, den er hier auch vollendete. Während dieses Aufenthalts in Dresden entstand auch des Dichters einzige, aber auf ihrem Höhepunkte abbrechende Erzählung „Der Geisterseher“ und der Entwurf zu dem Schauspiel „Der Menschenfeind“. – So sehr sich Sch. in unserer Stadt wohlfühlte, konnte er doch seit dem Frühjahre 1787 das drückende Gefühl nicht los werden, hier abhängig zu sein; [136] deshalb verließ er Dresden am 20. Juli desselben Jahres und begab sich nach Weimar, blieb aber mit der sächsischen Residenz durch brieflichen Verkehr dauernd in enger Verbindung.

Nach längerer Zeit regte sich im Dichter der lebhafte Wunsch, seine hiesigen Freunde einmal wiederzusehen und hoffte er, das 1791 tun zu können; seine damalige erste schwere Erkrankung an einem Lungenleiden ließ den Plan erst im nächsten Jahre zur Ausführung gelangen, als Sch. sich wesentlich wohler fühlte. So traf er denn Mitte April 1792 zum zweiten Male, aber jetzt mit seiner Gattin Charlotte, in Dresden ein und wohnte wieder im alten Körnerhause, jetzt Körnerstraße 7. Der Loschwitzer Weinberg kam für den diesmaligen Aufenthalt nicht in Frage. Überhaupt lebte der Dichter bei seiner zweiten, nur vier Wochen dauernden Anwesenheit in unserer Stadt sehr zurückgezogen. Köstliche Stunden bereiteten ihm die mit seinem lieben Freunde Körner täglich geführten Gespräche, z. B. über Kant's Philosophie sowie über verschiedene Zukunftspläne. So wurde u. a. auch das Erscheinen einer ästhetisch-historischen Monatsschrift, die Sch. herauszugeben beabsichtigte, gründlich erörtert. Unter dem Namen „Die Horen“ trat sie später wirklich ins Leben, doch brachte sie es trotz der von Schiller, Goethe, Körner und anderen geistig hochstehenden Männern gelieferten Beiträge nur zu drei Jahrgängen (1795–1797). Durch den vierwöchigen Aufenthalt in Körner's trautem Familienkreise geistig und körperlich recht gestärkt, schied Sch. am 13. Mai 1792 von seinen Gastgebern und reiste mit seiner Gattin nach Jena zurück.

Wohl hatte er versprechen müssen, seinen nächsten Besuch in Dresden nicht zu weit hinauszuschieben; trotzdem vergingen neun Jahre, ehe der Dichter mit seiner Lotte den Boden unserer Stadt wieder betrat. Das geschah am 9. August 1801. Bei diesem letzten vierwöchigen Besuche nahm Sch. seinen Aufenthalt nicht in Körner's Stadtwohnung, sondern in dessen Loschwitzer Weinbergshäuschen. Zu dieser Wahl hatte ihn der Umstand veranlaßt, daß Körner gerade damals wegen Überhäufung mit Amtsgeschäften sich dem Freunde nur Sonntags widmen konnte. Bis Ende August blieb Sch. in Loschwitz, wo er auch diesmal eine Reihe köstlicher Tage verlebte. Am 1. September zog er mit seiner Gattin wieder in die Stadt und wohnte in einem an der jetzigen Landhausstraße stehenden Hause[1], das sich trotz angestellter Nachforschungen im hiesigen Körnermuseum bisher noch nicht hat feststellen lassen. Die hier verlebten zwei Wochen benutzte der Dichter dazu, verschiedene Kunstsammlungen, aber auch seine hiesigen Freunde zu besuchen. Als er am 15. September Dresden verließ, um in Begleitung des Körner'schen Ehepaares zunächst nach Leipzig zu reisen und im dortigen Stadttheater der ersten Aufführung seiner Jungfrau von Orleans beizuwohnen, erfüllte ihn tiefe Wehmut, denn er ahnte, er werde Dresden nicht wiedersehen. Und so [137] ist es auch geworden! (Vergl. Bericht im Dresdner Anzeiger vom 25. November 1909 über einen vom Seminaroberlehrer Sigismund am 10. November im Dresdner Geschichtsverein gehaltenen Vortrag über Schiller und Dresden“.)

Zum Schlusse möge noch der erfreulichen Tatsache gedacht sein, daß die Einwohnerschaft unserer Stadt nach langem Säumen eine Dankesschuld gegen unseren großen Nationaldichter abgetragen hat, indem sie ihm zu Ehren durch den Bildhauer Selmar Werner ein herrliches Marmorstandbild ausführen ließ, dessen Einweihung am 9. Mai 1914 stattfand. Zwar besitzen wir in Dresden schon seit Jahrzehnten eine von der Meisterhand Rietschel's in Sandstein ausgeführte sitzende Schillerfigur. Ursprünglich an dem alten Hoftheater aufgestellt, blieb sie bei dessen Brande im Jahre 1869 unversehrt. Einen neuen würdigen Platz fand sie an der rechten Seite des früheren Haupteingangs zum Opernhause. Allerdings ist sie nicht durch die Bewohnerschaft Dresdens errichtet worden, wie im wesentlichen das von Werner geschaffene Standbild. Dieses hat in der am Ausgange der Haupt- und der Königstraße befindlichen Anlage einen ebenso günstigen als bedeutsamen Platz gefunden, da Sch. auf seinen Wegen von Körner's Wohnhause nach dem Loschwitzer Weinberge in der Nähe des jetzigen Denkmalplatzes stets vorübergekommen ist.


  1. S. Seite 111 von Dr. K. Barthels Bericht über die Höhere Bürger- und Mittlere Volksschule zu Blasewitz auf die Schuljahre 1905–1909.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Weinbersgrundstück