Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Anton Graff
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[106] Nr. 122. Graff, Anton, 1736–1813. Dieser berühmte Bildnismaler hat, wie sein Freund und Landsmann, der Schweizer Zingg, den größten Teil seines Lebens in Dresden zugebracht, das ihm denn auch zur zweiten Heimat geworden ist. Eigentlich für den väterlichen Beruf des Zinngießers bestimmt, durfte er doch Maler werden, weil er schon als Kind stets eine besondere Freude an Bildern gezeigt hatte. Seine Ausbildung erhielt er in Winterthur, Augsburg und Ansbach. 1759 ließ er sich in Augsburg nieder und malte hier ausschließlich Bildnisse, die viel begehrt wurden. Sieben Jahre später folgte er dem ehrenvollen Rufe als Hofmaler und Lehrer an die Dresdner Kunstakademie, der er treugeblieben ist, obgleich man sich 1788 sehr bemühte, den gefeierten Bildnismaler für Berlin zu gewinnen. An Ehren hat es ihm nicht gefehlt. So wurde ihm 1789 der Professortitel verliehen. Zu vielen hervorragenden Männern und Frauen, namentlich in Dresden und Leipzig, stand er in nahen Beziehungen, und die Kaiserliche Akademie der Malerkunst in Wien, sowie die Akademie der bildenden Künste in München wählten ihn zu ihrem Mitgliede. – Bis ins hohe Alter war es dem Künstler vergönnt, in seinem Berufe unermüdlich tätig zu sein, wer irgend eine angesehene Stelle bekleidete, ließ sich von G. malen, und so hat er nicht nur zahlreiche Fürstlichkeiten, unter ihnen den König Friedrich August von Sachsen, sondern auch viele Personen aus den verschiedensten Berufen und Ständen, sowie adelige und bürgerliche [107] Frauen, kurz, eine sehr große Anzahl deutscher Berühmtheiten mit Ausnahme Goethes im Bilde verewigt. Sehr treffend nennt deshalb der Verfasser eines Aufsatzes im Dresdner Anzeiger vom 19. Juni 1913 den Künstler für die Zeit von 1770 bis zu seinem Todesjahre 1813 „den Modemaler der deutschen Welt“. Von den vielen Dresdnern, die ihm gesessen haben, seien nur genannt Adelung, Dietrich, Elise von der Recke, Hagedorn, Kaaz, Gottfried Körner, Naumann, Pahlitzsch, Rabener, Reinhard, Tiedge, Zingg u. a. m. – Nach den eigenen Aufzeichnungen G's. ist festgestellt worden, daß er insgesamt 1655 Bilder gemalt und 322 Zeichnungen gefertigt hat. In Dresden sind von den ersteren 943 Urbilder und 415 Nachschöpfungen entstanden. Im Besitze unserer Galerie befinden sich außer dem erwähnten Bilde des ersten Königs von Sachsen in den Zimmern 52, 53, 55, 56 und 60 drei Selbstbildnisse des Meisters aus verschiedenen Lebensjahren und eine Anzahl anderer von ihm geschaffener Bildnisse.
Als G. 1766 nach Dresden kam, bezog er in dem Hause Altmarkt Nr. 9, jetzt l2 (O.-Nr. 424), eine Wohnung. Die spätere Großherzoglich Weimarische Hofmalerin Louise Seidler, die 1811 bei ihrem mehrmonatigen zweiten Aufenthalte in Dresden bei G's. Tochter, der Witwe des Malers Kaaz, wohnte und jeden Sonntag bei dem berühmten Bildnismaler Tischgast war, berichtet folgendes über dessen Heim: „Der Maler bewohnte auf dem Altmarkt nur ein einziges großes Zimmer mit zwei Fenstern. Das war seiner ganzen Länge nach durch eine spanische Wand geteilt; in der einen Hälfte war des Künstlers Atelier aufgeschlagen; hier hantierte er; hier empfing er den Besuch der Muse. In der anderen Abteilung hielt sich seine Familie auf; dieser Raum war Wohn-, Eß- und Schlafzimmer – alles in Einem. Zuweilen verpflanzte sich auch hierher ein Stück Kunst; Graff rieb nämlich seine Farben selbst und pflegte dies dort zu besorgen.“ (Uhde, Seite 77.)
Im vollen Gegensatz zu diesen Angaben über G's. Wohnung schreibt M. Stübel in seinem Buche Chodowiecki in Dresden und Leipzig, Seite 15: „Die seit Luise Seidler in der ganzen Graff-Literatur verbreitete Angabe, daß Graff ein einziges Zimmer bewohnt habe, beruht auf einem Irrtum der schreiblustigen Malerin. Aus dem Chodowiecki'schen Reisejournal ergibt sich, daß Graff eine geräumige Wohnung innehatte.“ Nun hat ja Chodowiecki, der Direktor der Berliner Akademie der bildenden Künste und „Illustrator unserer Klassiker“ vom Abend des 27. Oktobers bis zum Mittag des 7. Novembers 1773 in Dresden geweilt, um seine dortigen Freunde, vor allem Gr. und Zingg, zu besuchen. Täglich ist er in ihren Wohnungen stundenlang mit ihnen zusammen gewesen und hat stets scharf beobachtet. So konnte er wohl auch von den Wohnungsverhältnissen seiner Dresdner Freunde eine ausreichende Kenntnis besitzen. Nun behauptet Chodowiecki im Gegensatz zur Seidler, G's. Wohnung sei geräumig gewesen. Es stehen sich hier zwei Behauptungen gegenüber. Welche die richtige ist, wage ich nicht zu bestimmen, und muß deshalb die Entscheidung dem Urteil des Lesers überlassen.
[108] Freilich hat sich das Wohnhaus G's. seit 1888 sowohl in seinem Äußeren, als namentlich auch in seinem Inneren ganz wesentlich verändert. Es wurde mit dem Nachbargebäude, bis zu dem erwähnten Jahre Altmarkt 19, seitdem 12, unter der O.-Nr. 424 vereinigt. Die in beiden Häusern bisher vorhandenen Wohnungen beseitigte man und verwendete den dadurch gewonnenen Raum ausschließlich zu Geschäftszwecken. – In der oben beschriebenen Wohnung wäre G. jedenfalls auch gestorben, wenn ihn nicht die kriegerischen, zuletzt aber auch seine ungünstigen gesundheitlichen Verhältnisse genötigt hätten, zu seiner Tochter, der Witwe des Malers Kaaz, zu ziehen, die im Hause Rampische Gasse Nr. 668, jetzt Rampische Straße 14 (O.-Nr. 134) wohnte. Einige Monate vor seinem Tode schrieb der Meister einem Freunde in der Heimat u. a.: „Unsere Lage hier ist traurig, unaufhörlich Einquartierungen, Unruhe und Angst mit Gefahr, alles zu verlieren.“ Bei der größeren Zahl von Soldaten, die ihm zugeteilt worden waren, hatte er auch seine Künstlerwerkstatt hergeben und außer dem Hause schlafen müssen. Als der infolge seines hohen Alters sehr geschwächte und dem Erblinden nahe Meister im Mai 1813 ernstlich erkrankte, siedelte er zu seiner Tochter über, in deren Wohnung er einen Monat später starb.