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Frauen, kurz, eine sehr große Anzahl deutscher Berühmtheiten mit Ausnahme Goethes im Bilde verewigt. Sehr treffend nennt deshalb der Verfasser eines Aufsatzes im Dresdner Anzeiger vom 19. Juni 1913 den Künstler für die Zeit von 1770 bis zu seinem Todesjahre 1813 „den Modemaler der deutschen Welt“. Von den vielen Dresdnern, die ihm gesessen haben, seien nur genannt Adelung, Dietrich, Elise von der Recke, Hagedorn, Kaaz, Gottfried Körner, Naumann, Pahlitzsch, Rabener, Reinhard, Tiedge, Zingg u. a. m. – Nach den eigenen Aufzeichnungen G's. ist festgestellt worden, daß er insgesamt 1655 Bilder gemalt und 322 Zeichnungen gefertigt hat. In Dresden sind von den ersteren 943 Urbilder und 415 Nachschöpfungen entstanden. Im Besitze unserer Galerie befinden sich außer dem erwähnten Bilde des ersten Königs von Sachsen in den Zimmern 52, 53, 55, 56 und 60 drei Selbstbildnisse des Meisters aus verschiedenen Lebensjahren und eine Anzahl anderer von ihm geschaffener Bildnisse.

Als G. 1766 nach Dresden kam, bezog er in dem Hause Altmarkt Nr. 9, jetzt l2 (O.-Nr. 424), eine Wohnung. Die spätere Großherzoglich Weimarische Hofmalerin Louise Seidler, die 1811 bei ihrem mehrmonatigen zweiten Aufenthalte in Dresden bei G's. Tochter, der Witwe des Malers Kaaz, wohnte und jeden Sonntag bei dem berühmten Bildnismaler Tischgast war, berichtet folgendes über dessen Heim: „Der Maler bewohnte auf dem Altmarkt nur ein einziges großes Zimmer mit zwei Fenstern. Das war seiner ganzen Länge nach durch eine spanische Wand geteilt; in der einen Hälfte war des Künstlers Atelier aufgeschlagen; hier hantierte er; hier empfing er den Besuch der Muse. In der anderen Abteilung hielt sich seine Familie auf; dieser Raum war Wohn-, Eß- und Schlafzimmer – alles in Einem. Zuweilen verpflanzte sich auch hierher ein Stück Kunst; Graff rieb nämlich seine Farben selbst und pflegte dies dort zu besorgen.“ (Uhde, Seite 77.)

Im vollen Gegensatz zu diesen Angaben über G's. Wohnung schreibt M. Stübel in seinem Buche Chodowiecki in Dresden und Leipzig, Seite 15: „Die seit Luise Seidler in der ganzen Graff-Literatur verbreitete Angabe, daß Graff ein einziges Zimmer bewohnt habe, beruht auf einem Irrtum der schreiblustigen Malerin. Aus dem Chodowiecki'schen Reisejournal ergibt sich, daß Graff eine geräumige Wohnung innehatte.“ Nun hat ja Chodowiecki, der Direktor der Berliner Akademie der bildenden Künste und „Illustrator unserer Klassiker“ vom Abend des 27. Oktobers bis zum Mittag des 7. Novembers 1773 in Dresden geweilt, um seine dortigen Freunde, vor allem Gr. und Zingg, zu besuchen. Täglich ist er in ihren Wohnungen stundenlang mit ihnen zusammen gewesen und hat stets scharf beobachtet. So konnte er wohl auch von den Wohnungsverhältnissen seiner Dresdner Freunde eine ausreichende Kenntnis besitzen. Nun behauptet Chodowiecki im Gegensatz zur Seidler, G's. Wohnung sei geräumig gewesen. Es stehen sich hier zwei Behauptungen gegenüber. Welche die richtige ist, wage ich nicht zu bestimmen, und muß deshalb die Entscheidung dem Urteil des Lesers überlassen.