Herr Reiner von Calven
1388. Der Lübsche Burgemeister, Herr Reiner von Calven, hat nur einen einigen Sohn gehabt: ein feiner, geschickter junger Gesell, Warner genannt. Der ist auf eine Zeit aus der Stadt auf des Vaters Landgut zur Kirmeß gewesen, und hat unter den Bauern gesessen. Indem erhebt sich ein Unwille mit dem Vogt; dem will der Junker zu Hülfe kommen; wie er aber sonst keine Wehr oder Waffen vor der Hand gehabt, ergreift er in solcher Eil einen kleinen Schweinetrog, und will die Bauern damit von dem Vogt abtreiben; trifft aber unrecht, und schlägt den Vogt zu Tode.
Den andern Tag gar früh kommen die ältesten Bauern in die Stadt, gehn zum Herrn Burgemeister und sprechen also: „Herr Burgemeister, es hat sich [159] gestrigen Tages leider ein groß Unglück unter uns zugetragen, nämlich daß unversehens Euer Vogt ist zu Tode gekommen.“ – Aber ehe der Bauer noch fortfahren können, ist der Burgemeister ihm in die Rede gefallen und spricht: „Wo ist der Thäter? krieg’ ich den hie in die Stadt, so soll er wieder sterben, wär’ es auch mein einiger Sohn.“
Hierauf haben die Bauern geantwortet: „Ach nein, Herre, nicht also; wir bitten ganz unterthänig, Ihr wollet doch Euren Zorn sinken lassen, da es leider Euer eigner Sohn gethan, aber unversehens und ungern.“
Ob nun wohl, wie man erachten kann, der Burgemeister nicht wenig erschrocken, hat er sein Wort dennoch nicht widerrufen wollen; sondern er hat dem Sohn durch die Bauern gebieten lassen, daß er sich von Stund an hinwegmachen und keinerweise in die Stadt kommen sollte; oder er müßte sein Leben lassen. Danach hat er ihm sein Vatergut abgeschieden, und nachgeschickt in die Mark, wo er noch ein Gut gehabt, dieweil er von Adel gewesen. Da ist der Sohn auch verblieben und gestorben.
Bemerkungen
[393] Es gab hier zwei Familien v. Calven. Dieser Reiner kam aus der Mark, bewohnte 1388 ein Haus in der Breitenstraße, erscheint 1396 im Rath, und † 1421. Seine Frau brachte ihm Schenkenberg und halb Stockelsdorf zu.