gestrigen Tages leider ein groß Unglück unter uns zugetragen, nämlich daß unversehens Euer Vogt ist zu Tode gekommen.“ – Aber ehe der Bauer noch fortfahren können, ist der Burgemeister ihm in die Rede gefallen und spricht: „Wo ist der Thäter? krieg’ ich den hie in die Stadt, so soll er wieder sterben, wär’ es auch mein einiger Sohn.“
Hierauf haben die Bauern geantwortet: „Ach nein, Herre, nicht also; wir bitten ganz unterthänig, Ihr wollet doch Euren Zorn sinken lassen, da es leider Euer eigner Sohn gethan, aber unversehens und ungern.“
Ob nun wohl, wie man erachten kann, der Burgemeister nicht wenig erschrocken, hat er sein Wort dennoch nicht widerrufen wollen; sondern er hat dem Sohn durch die Bauern gebieten lassen, daß er sich von Stund an hinwegmachen und keinerweise in die Stadt kommen sollte; oder er müßte sein Leben lassen. Danach hat er ihm sein Vatergut abgeschieden, und nachgeschickt in die Mark, wo er noch ein Gut gehabt, dieweil er von Adel gewesen. Da ist der Sohn auch verblieben und gestorben.
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)