Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel

Textdaten
Autor: Karl Zeumer
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Titel: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel
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aus: Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Band IV., Heft 2
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Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Hermann Böhlaus Nachfolger
Drucker: Hof-Buchdruckerei Weimar
Erscheinungsort: Weimar
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Quelle: Hathi Trust-US, Kopie auf Commons
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[III]
Heiliges römisches Reich
deutscher Nation.
Eine Studie über den Reichstitel
von
Karl Zeumer.


Weimar
Hermann Böhlaus Nachfolger
1910.

[IV]

[V]
Vorwort.




Die vorliegende Studie ist die bescheidene Frucht langer Vorarbeiten. Die Frage nach der Form und Geschichte des Reichstitels wurde angeregt durch Vorlesungen über die Geschichte der Verfassung des deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, die ich wiederholt an der Berliner Universität vor einer Reihe von Jahren hielt. Es stellte sich heraus, daß die Frage in der neueren Literatur vernachlässigt und eine Antwort auf sie nur aus den Quellen selbst zu gewinnen war. Eine persönliche Mitteilung von Paul Scheffer-Boichorst über die urkundliche Form des Reichstitels unter Kaiser Friedrich I. und eine vorläufige Durchsicht des zunächstliegenden Materials ergab die Notwendigkeit, eigene und fremde Irrtümer zu berichtigen. Um aber zu festen Ergebnissen zu gelangen, wurde eine eingehendere Durchsuchung der Quellen und Literatur erforderlich, für welche mir damals dringendere Aufgaben keine Zeit ließen. Seit einigen Jahren erst konnte ich meine wenigen gelegentlich gesammelten Notizen mittelst einer etwas systematischer betriebenen Durchsicht des wichtigsten Quellenmaterials in größerem Umfange ergänzen. Hierbei erfreute ich mich außer der Hilfe meiner Angehörigen der Unterstützung meines Freundes, des Herrn Archivrat R. Arnold, und meines derzeitigen Hilfsarbeiters Herrn cand. hist. Th. Hirschfeld, der auch aus seinem eigenen Studiengebiete einige Belege für die Bezeichnung Imperium Romanum beisteuerte. Außerdem schulde ich Dank [VI] für Mitteilung wertvollen Materials den Herren Professor H. Breßlau und seinen Mitarbeitern an der von ihm geleiteten Abteilung der Diplomata der Monumenta Germaniae historica Dr. H. Wibel und Dr. A. Hessel in Straßburg, Professor E. von Ottenthal in Wien, Professor H. Simonsfeld in München und Professor R. Smend in Greifswald. In besonders wirksamer Weise hat mich in der Aufsuchung des Materials sowie bei dessen Ordnung und Verarbeitung Herr Referendar F. Salomon unterstützt. Allen genannten Personen spreche ich hiermit meinen wärmsten Dank aus.

Steglitz bei Berlin, Ostern 1910.
Karl Zeumer.

[VII]
Inhaltsübersicht.




Seite
Vorwort V
Einleitung 1–4
Die übliche Anwendung des Namens „Heiliges römisches Reich deutscher Nation“ S. 1–2. Angebliche Gründung des Reiches durch Otto d. Gr. S. 2. Irrtümlichkeit dieser Annahme S. 2–3. Hinweis auf die Ausführungen von Bryce S. 3–4. Werminghoffs Arbeiten über unsern Gegenstand S. 4.
I. Entstehung des Titels „Heiliges römisches Reich" 5–16
Otto d. Gr. imperator augustus S. 5. Das Aufkommen des Namens imperium Romanum seit dem Ende Heinrichs II. a) in der kaiserlichen Kanzlei S. 5-7, b) in sonstigen Schriftstücken S. 7-9. Der Titel Romanorum rex S. 9-10. Der Name sacrum imperium seit Friedrich I. S. 10-12. Sein Aufkommen eine Folge der Reichspolitik Rainalds von Dassel S. 12-14. Sacrum Romanum imperium seit Wilhelm von Holland S. 14-15. Die deutschen Urkunden S. 15-16.
II. Der Zusatz „deutscher Nation“ 17–29
Die „deutschen Lande“ in der Reformation Friedrichs III. von 1442 S. 17. Bedeutung der Bezeichnung „deutsche Nation“ S. 17-18. Die Verbindung „Reich deutscher Nation“ S. 18-19. Das Aufkommen der vollen Formel seit 1512 S. 19-20. Ihre Bedeutung S. 20-22. Die Entstehung der mißverständlichen Auffassung S. 23. Die Auffassung der Staatsrechtslehrer des 17. Jahrhunderts von unserm Gegenstand. a) Limnäus S. 24, b) Carpzov S. 24. c) Pufendorf S. 23. Pufendorfs Gegner: Oldenburger S. 25. Obrecht S. 25-26. Boecler S. 26. Verwendung der Formel im mündlichen Verkehre S. 26-27. Anwendung in der Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts S. 27-28. Verschwinden der Formel S. 28-29.

[VIII]

 
III. Das „heilige römische Reich deutscher Nation" in der neueren Literatur 30–36
Der Name „Deutsches Reich“ S. 30. Das Wiederaufleben und die Deutung der Formel bei Eichhorn S. 30–31. Ihre Verwendung bei Böhmer S. 31–32. Die Befestigung der falschen Auffassung durch Giesebrecht S. 32, Ficker S. 32–34, Sybel S. 34, und Gregorovius S. 34–35.
Schluß 37. 38
Zusammenfassung der Ergebnisse.




[1]
Einleitung.

Seit langer Zeit sind wir gewöhnt, das alte deutsche Reich als das „Heilige römische Reich deutscher Nation“ zu bezeichnen, und zwar glauben wir, damit eine alte offizielle Titulatur des Reiches anzuwenden, die schon dem Mittelalter seit den Tagen der Ottonen angehört habe. Um auf das jüngste mir bekannt gewordene Beispiel dieses Gebrauches hinzuweisen, führe ich hier Worte aus einer politischen Rede an, die der bayrische Thronfolger, Prinz Ludwig von Bayern, am 3. Oktober 1909 zu Helmstadt gehalten hat. Nach einem mir vorliegenden Zeitungsberichte[1] sagte der fürstliche Redner: „So sehen wir in Mitteleuropa den Dreibund, der seit Jahren besteht und jahrelang fortbestehen möge, zur Ehre der Nationen, die in ihm vertreten, und zur Wahrung des Friedens! Es ist eine eigene Erscheinung, daß dieser Dreibund ungefähr das Gebiet umfaßt, das das heilige römische Reich deutscher Nation umfaßte. Freude war letzterem wenig beschieden, um so mehr dem heutigen Bund.“

Für die gleichartige Verwendung der Bezeichnung in der populären Literatur, in Weltgeschichten und Schulbüchern würde sich leicht eine große Zahl von Belegen auffinden lassen; wichtiger aber ist, daß die gleiche Anwendung sich auch in der wissenschaftlichen Literatur, und zwar bei hervorragenden Historikern, findet. Ich führe auch hier zunächst eins der letzten mir bekannten Beispiele an, aus dem gedankenreichen Buche von Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat (Berlin und München 1908), wo der Verfasser S. 329 einen Gedanken wiedergibt, den Pfizer in seinem „Briefwechsel zweier Deutschen“ (1. Auflage 1831, 2. 1832) entwickelt hatte: „Er (Pfizer) holt dann weit aus, um diesen Satz zu begründen, verweist zuerst alle Versuche, das heilige römische Reich deutscher Nation zu [2] restaurieren, in das Reich der romantischen Träume.“ Gerade dieses Beispiel zeigt, wie tief die von Meinecke gebrauchte Formel gegenwärtig eingewurzelt ist; denn Pfizer selbst spricht weder in der ersten noch in der zweiten Auflage seiner Schrift vom „heiligen römischen Reich deutscher Nation“, sondern nur vom „heiligen römischen deutschen Reiche“. Das entspricht der Tatsache, daß, wie wir sehen werden, zu Pfizers Zeiten die fragliche Formel noch nicht so allgemein üblich war wie heute.

In dem zuletzt erwähnten Falle dürfte die Bezeichnung mehr auf das Reich der letzten Jahrhunderte bezogen sein als auf das des Mittelalters. Ganz ausdrücklich aber bezieht sie einer unserer ersten Rechtshistoriker auf die frühere Zeit. Andreas Heusler sagt in seiner Deutschen Verfassungsgeschichte, wo er von der Kaiserkrönung Ottos I. spricht, S. 125: „Deutschland war jetzt an die Spitze der westeuropäischen Christenheit gestellt, auf die deutsche Nation wurde das Kaisertum gegründet, sie war der Träger dieser Macht geworden, die fortan als heiliges römisches Reich deutscher Nation existierte.“ Hier wird mit aller wünschenswerten Deutlichkeit die Meinung ausgesprochen, daß das heilige römische Reich deutscher Nation seit der Zeit Ottos I. unter diesem Namen bestehe; und mit dieser Annahme steht Heusler unter den Vertretern der mittelalterlichen Rechts- und Verfassungsgeschichte keineswegs allein. Vielmehr knüpft er damit nur an eine im 17. Jahrhundert entstandene und seit Karl Friedrich Eichhorn in steigendem Maße in Aufnahme gekommene wissenschaftliche Tradition an, wie wir das später eingehend nachweisen werden.

Und doch ist diese Annahme völlig unhaltbar, historisch in keiner Weise begründet und aus den Quellen leicht als falsch zu erweisen. Das Richtige ist, daß der Titel „Heiliges römisches Reich“ ohne den Zusatz „deutscher Nation“ erst nach der Zeit der Ottonen langsam und allmählich entstanden und bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinaus in Gebrauch geblieben ist. Erst dann tritt jener Zusatz hinzu, der etwa ein Jahrhundert lang sehr häufige Anwendung fand, ursprünglich aber und im offiziellen Gebrauch stets nur bezweckte, den deutschen Teil des Reiches im Gegensatz zu den außerdeutschen Nebenländern, nie aber das Reich als ein von der deutschen Nation abhängiges bezeichnen sollte. Demgemäß ist der Reichstitel mit jenem Zusatze [3] offiziell nie als Bezeichnung für das gesamte Reich in dem Sinne, den gelehrte Umdeutung erst im 17. Jahrhundert hineingelegt hat, gebraucht worden.

Die hier kurz skizzierten Ergebnisse unserer Untersuchung sind nun keineswegs in allen Punkten völlig neu. Vielmehr hätte die Berücksichtigung älterer deutscher und neuerer ausländischer Literatur unsere Gelehrten wohl von der unhistorischen Verwendung und Deutung der in Rede stehenden Bezeichnung zurückhalten sollen.

Übersehen ist von ihnen vor allem der Artikel „Römisches Reich“ im 31. Bande von Zedlers Universal-Lexikon, der im Jahre 1742 erschienen ist. Gründlicher noch als Zedler handelt von den Bezeichnungen des Reichs Johann Jakob Moser in seinem Buche „Von Teutschland und dessen Staatsverfassung“, das auch als erster Band seines Neuen Teutschen Staatsrechts gezählt wird.

Ebensowenig Beachtung gefunden hat das, was der englische Gelehrte und Staatsmann James Bryce in seinem zuerst 1864 erschienenen Buche The holy Roman empire über unseren Gegenstand mitgeteilt hat; trotzdem das Werk nicht nur in England mehr als zwanzigmal neu gedruckt, sondern auch mehrfach, unter anderm ins Deutsche, übersetzt ist.[2] Der Verfasser, der erst in den letzten Jahren in Deutschland mehr Anerkennung gefunden hat, gibt unter dem angeführten Titel eine Geschichte der deutschen Staatsverfassung, die sowohl rückwärts wie vorwärts hinausreicht über das römisch-deutsche Reich des Mittelalters und der Neuzeit. Seiner Anlage gemäß scheint dieses Buch das Werk zu sein, aus welchem der wissenschaftlich gebildete Engländer seine Kenntnis der deutschen Geschichte vorzugsweise schöpft, und diesem Zweck entspricht das Buch gewiß in hohem Grade. Daß dabei die Erörterungen über den Reichstitel nicht den Gegenstand, der für dieses Buch doch nur eine untergeordnete Bedeutung beanspruchen durfte, erschöpfen konnten, versteht sich von selbst. Und doch ist hier eine Frage, die für die deutsche Verfassungsgeschichte von nicht geringer Bedeutung ist, im ganzen gut und richtig beantwortet, während die deutschen Historiker [4] sich um die Sache gar nicht kümmerten und daher in jene groben Irrtümer verfielen. Gewiß entspricht das Werk in dieser Partie wie in manchen andern nicht den höchsten Anforderungen der Kritik, aber mit seinem Takt hat Bryce hier wie meist da, wo er, ohne sich auf Vorarbeiten neuerer Forscher stützen zu können, aus älterer halb vergessener Literatur und den Quellen selbst seine Ergebnisse gewinnt, die wesentlichen Punkte herausgefunden und zur Anschauung gebracht.

Zum Teil auf Bryce beruhen die Ausführungen von Albert Werminghoff, soweit sie sich mit unserm Thema berühren. In Anknüpfung an seine Erörterungen über den Ursprung der Bezeichnung „deutsche Nation“ in Seeligers Historischer Vierteljahrsschrift, 1908, S. 184 ff., hat er auch über die Hinzufügung dieser Bezeichnung zum Reichstitel gehandelt. Zum Teil wiederholt, zum Teil aber auch ergänzt hat Werminghoff diese Ausführungen in dem mit Anmerkungen versehenen Abdruck seiner am 27. Januar 1909 zur Kaisersgeburtstagsfeier der Universität Königsberg gehaltenen Rede „Deutsches Reich und deutsche Nation“. Schon vor der Veröffentlichung dieser Arbeiten hatte sich der Verfasser mit mir in Verbindung gesetzt, und ich glaubte in seinen Studien eine Ergänzung meiner eigenen, schon seit langer Zeit vorbereiteten und seit noch viel längerer Zeit geplanten Arbeit über den Reichstitel zu erblicken. Als dann aber die Ausführungen Werminghoffs im Druck erschienen, hatte ich den Eindruck, als wäre hier alles Nötige schon gesagt, und meine eigenen Ausführungen überflüssig. Ich brach deshalb die Arbeit, von der Anfang 1909 die erste Hälfte fertig war, während das Material für das Ganze bereitlag, vorläufig ab. Später aber überzeugte ich mich davon, daß auch nach Werminghoffs Ausführungen, wenn diese auch vielleicht die am meisten überraschenden Ergebnisse vorweggenommen hatten, meine ausführlicheren Nachweise und namentlich die Geschichte des Reichstitels im Mittelalter nicht ohne Wert sein würden.


[5]
I.
Entstehung des Titels „Heiliges römisches Reich“.

Als Otto I. am 21. Februar 962 sich zu Rom zum Kaiser krönen ließ, nahm er den Titel imperator augustus ohne einen Hinweis auf den römischen Ursprung der Kaiserwürde an. In einer Reihe von Urkunden führte er dann im Jahre 966 den Titel imperator augustus Romanorum ac Francorum; doch verschwand diese Erweiterung noch im selben Jahre wieder und machte dem alten einfachen Titel Platz.[3] Auch Otto II. bediente sich zunächst des gleichen Titels wie sein Vater, führte aber seit 976 zunächst in einzelnen Urkunden der deutschen Kanzlei, später häufiger in Urkunden der italienischen Kanzlei den Titel Romanorum imperator augustus[4], der dann von Otto III. und seinen Nachfolgern dauernd ausschließlich gebraucht wurde.

Längere Zeit aber dauerte es noch, bis man dem Romanorum imperator ein imperium Romanum an die Seite stellte. Wohl bezeichnete man hin und wieder die kaiserliche Gewalt und deren Bereich als imperium, und dieser Ausdruck begegnet auch in Kaiserurkunden[5]; die Bezeichnung dieses Reichs als römisch findet sich aber in den Urkunden der Kaiser des sächsischen Hauses und in denen Heinrichs II. noch nicht. Ebensowenig kommt, soweit bekannt ist, der Ausdruck imperium Romanum in anderen Quellenschriften jener Zeit vor dem Ende der Regierung Kaiser Heinrichs II. vor; unmittelbar aber nach dessen Tode tritt er uns entgegen bei dem Versuch, die Herrschaft in Italien und die Kaiserwürde auf Frankreich zu übertragen.

Die weltlichen Großen Italiens schickten eine Gesandtschaft zunächst an den König Robert von Frankreich, um ihm die [6] italienische Krone anzubieten. Als dieser ablehnte, wandte sich die Gesandtschaft an Herzog Wilhelm von Aquitanien mit dem gleichen Anerbieten. Auch dieser lehnte zwar für sich selbst ab, nahm jedoch das Anerbieten für seinen gleichnamigen Sohn an. Diesem leisteten nun die Gesandten einen Eid, durch welchen sie sich verpflichteten, ihm das Königtum in Italien zu verschaffen und zur Erlangung des imperium Romanum behilflich zu sein.[6]

Natürlich handelt es sich hier nicht um das deutsche Reich mit dem durch das Kaisertum erweiterten Machtbereich der deutschen Könige, sondern um die Kaiserwürde allein. An diese älteste Fundstelle, die auf italienischen Ursprung der Bezeichnung deutet, fügen sich dann bald andere, die einen solchen Ursprung bestätigen.

In vier Kaiserurkunden Konrads II., die sämtlich aus der italienischen Kanzlei stammen, findet sich der Ausdruck wieder[7], bezeichnet aber hier die Gesamtheit des von Konrad II. beherrschten Reiches. Die Urkunden sprechen von der salus Romani imperii und von den fideles sub Romani imperii universitate degentes. Indem hier die Kanzlei Konrads II. den in Italien zur Bezeichnung des weder mit dem deutschen Reiche noch mit dem italienischen Königtum verbundenen, lediglich auf die Stadt Rom und die römische Kirche gegründeten Kaisertums geprägten Ausdruck in den Sprachgebrauch der Kaiserurkunden aufnahm, aber als Bezeichnung für das ganze von dem deutschen Könige als Kaiser beherrschte Reich verwendete, legte sie den Grund zu dem dauernd in offiziellem Gebrauch gebliebenen Titel des Reichs.

In ganz gleicher Bedeutung findet sich in zwei Urkunden Konrads II. auch Romana res publica.[8] Beide in der Kanzlei Konrads gebrauchten Ausdrücke verbindet dann dessen Biograph [7] Wipo in der wohl nicht lange nach 1047 geschriebenen Widmungsepistel, mit der er sein Werk seinem ehemaligen Schüler Kaiser Heinrich III. zueignet; er bezeichnet damit das Reich der beiden Kaiser, indem er es rem publicam, utpote Romanum imperium nennt.[9] Es ist von Interesse zu sehen, wie der erst seit kurzem von der kaiserlichen Kanzlei aufgenommene und zur Bezeichnung des Reiches verwendete Ausdruck Romanum imperium am Kaiserhofe gebraucht wird, um durch ihn die allgemeinere Bezeichnung res publica zu erklären.

Unter Heinrich III. ist dann der Ausdruck vereinzelt auch in der deutschen Kanzlei gebraucht worden[10], und vereinzelt ist sein Gebrauch auch unter den folgenden Kaisern geblieben, bis in die Zeit Friedrichs I., in dessen Kanzlei die Bezeichnung häufiger angewendet, bald aber auch zum Teil durch eine neue ersetzt wurde.

Die Durchsuchung einer großen Zahl von Urkunden und andern offiziellen Schriftstücken der deutschen Herrscher zwischen Heinrich III. und Friedrich I. ergab nur eine geringe Zahl von Belegen für das Vorkommen von Romanum imperium[11], und wenn eine vollständigere Durchsuchung auch die Zahl der Belege nicht unbeträchtlich vermehren wird, so läßt sich doch auf Grund des vorliegenden Ergebnisses behaupten, daß die Bezeichnung offiziell nur sparsam gebraucht wurde.

Häufiger als im offiziellen Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei ist Romanum imperium in anderen Schriftstücken der nächsten Zeit nach Konrads II. Regierung nachzuweisen, wobei natürlich nur solche Stellen in Betracht kommen, an denen der Ausdruck wie in den Kaiserurkunden in bezug auf das römisch-deutsche [8] Reich gebraucht wird. Es mag hier eine Zusammenstellung der wirklich in Betracht kommenden Stellen Platz finden.[12]

Sehen wir von der bereits angeführten Stelle bei Wipo ab, so findet sich die Bezeichnung zunächst in einem Brief des Petrus Damiani an Victor II. (1054–57), in welchem er Christus zum Papst sagen läßt: sublato rege de medio totius Romani imperii vacantis tibi iura permisi.[13] In seiner Disceptatio synodalis (1062) sagt derselbe Verfasser: conspiremus elaborantes, ut summum sacerdotium et Romanum simul confoederetur imperium.[14] Es folgt eine Stelle in der Chronik des Anselm von Lüttich (um 1056): pro imperii Romani fidelitate[15], und eine andere in der Ystoire de li Normant des Aimé (1058–87), der Kaiser Heinrich II. sagen läßt: Lo empère Romain, loquel est subjett à nous entre li autre royalme de la monde.[16] Siegfried von Mainz schreibt an Alexander II. (1066–67): quia regni nostri estis corona et tocius Romani imperii diadema.[17] Gregor VII. richtet 1076 zwei Enzykliken an alle Einwohner des Reichs: omnibus … in Romano imperio habitantibus.[18] Wenig später (um 1077) sagt Arnulf von Mailand von Papst Johann XVII.: quod Romani decus imperii astute in Graecos transferre temptasset.[19]

Weiter folgen bis gegen Ende des 11. Jahrhunderts: 1080/81 Wenrich von Trier in seiner Schrift gegen Gregor VII.: archiepiscopis, episcopis, ducibus, marchionibus, comitibus, principibus Romani imperii[20]; c. 1083 Bernold: totum Romanum imperium civili bello … laboravit[21]; 1084 Petrus [9] Crassus, Defensio Heinrici IV.: hinc imperium Romanum … ornatus sui detrimentum incurrit[22]; Bischof Hugo von Lyon wirft in Briefen an die Gräfin Mathilde von 1086[23] Papst Victor III. vor, dem gebannten Heinrich IV. versprochen zu haben, ut de obtinenda Romani imperii corona fideliter eum adiuvaret, und ein Gebet für den Kaiser eines Reiches gesprochen zu haben, mit welchem nur das römische gemeint sein könne: ad Romanum eam (orationem) specialiter pertinere imperium; 1087 Concilium Beneventanum, wo Victor III. dem Gegenpapst Wibert vorwirft: Commovit adversus eum (Gregor VII.) Romanum imperium[24]; 1088 Iocundus, Translatio S. Servatii Traiectensis: crucem videlicet auream eiusdem et generis turibulum et alia, quibus in Romano imperio nichil erat preciosius[25]; 1090 Liber de unitate ecclesiae: diu enim est, quod in regno Romani imperii bella ubique aguntur[26]; c. 1090 Kardinal Beno in seinen Schriften gegen Gregor VII. und Urban II.: misit (Benedictus IX.) igitur coronam Romani imperii Petro regi Ungarico[27]; 1098 Kardinal Hugo an die Markgräfin Mathilde: Romanum imperium ad defensionem iustitiae animastis.[28]

Die schnelle und weite Verbreitung der Bezeichnung im schriftlichen Sprachgebrauch, welche sich aus diesen Stellen ergibt, kann nicht allein als Wirkung der wenigen Kaiserurkunden, die sie enthielten, angesehen werden. Die Verbreitung erklärt sich vielmehr nur daraus, daß gleichzeitig mit der vereinzelten Aufnahme des Ausdrucks in den Kanzleistil auch seine allgemeinere Aufnahme in den mündlichen Sprachgebrauch des Hofes und von da aus in den immer weiterer Kreise erfolgte. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte sich auch erklären, daß das Aufkommen der Bezeichnung sofort eine Einwirkung auf den Titel des Königs äußerte.

Es scheint nämlich außer Zweifel zu stehen, daß die Entstehung des Titels Romanorum rex eine unmittelbare Folge des Aufkommens der Bezeichnung Romanum imperium war. War das Reich, welches Konrad II. regiert hatte, ein römisches [10] gewesen, so konnte es diesen Charakter durch den Tod des Kaisers nicht sofort einbüßen. Zwar als imperium konnte man dieses Reich nach den Anschauungen der Zeit beim Fehlen eines imperator nicht bezeichnen; aber es lag nahe, dasselbe vor der Kaiserkrönung Heinrichs III. als Romanum regnum zu bezeichnen, und das ist nachweisbar wenigstens einmal in dieser Zeit in einer Königsurkunde geschehen.[29] Dem Romanum regnum aber entsprach ein Romanorum rex, wie dem Romanum imperium der Romanorum imperator, und demgemäß kommt gerade in den ersten Jahren der Regierung Heinrichs III. in dessen Urkunden der Titel Romanorum rex auf. Vier Urkunden aus den Jahren 1040/41 weisen den Titel in der Intitulatio auf[30], und seit 1043 kommt ein Monogramm in der königlichen Kanzlei in Gebrauch, welches den gleichen Titel enthält.[31] Der Titel Romanorum rex ist demnach im Anfang der Regierung Heinrichs III. in offiziellen Gebrauch gekommen, und zwar offenbar infolge des Aufkommens der Bezeichnung Romanum imperium unter Konrad II. Wie schon oben bemerkt, blieb diese Bezeichnung, wenn auch nur selten gebraucht, unverändert bis auf Friedrich I. neben dem einfachen imperium oder regnum allein in Geltung.

In den ersten Jahren der Regierung Friedrichs I. bedient sich die königliche Kanzlei wie bisher zur Bezeichnung des Reichs nebeneinander der Ausdrucke imperium und Romanum imperium; nur daß die letztere Bezeichnung schon seit dem ersten Jahre etwas [11] häufiger vorkommt als unter den Vorgängern[32]. Dann aber tritt seit dem Jahre 1157 als Neuerung die Bezeichnung sacrum imperium neben die älteren.[33] Sie findet sich zuerst in dem Aufgebotschreiben an die Fürsten, betreffend die Heerfahrt gegen Mailand vom März dieses Jahres, wo es heißt: quia divina providente clementia urbis et orbis gubernacula tenemus, iuxta diversos eventus rerum et successiones temporum sacro imperio et divae rei publicae consulere debemus.[34] Ein zweites Mal begegnet dieselbe Bezeichnung in dem gleichen Jahre in einer Urkunde für Walkenried vom 23. Juni.[35] Dann findet sich sacrum imperium wieder in einem andern Aufgebotsschreiben gegen Mailand vom Jahre 1161, und später noch öfter in Urkunden und Erlassen des Kaisers.[36] Daneben erscheint seit 1159 zuweilen auch die gleichbedeutende Bezeichnung sacratissimum imperium.[37] Während aber diese Form nach Friedrich I. wieder verschwindet[38], bleibt die andere dauernd in Gebrauch [12] und wird bald zu einem festen und besonders charakteristischen Bestandteile des offiziellen Reichstitels.

Was aber veranlaßte Friedrich Barbarossa, das Reich heilig zu nennen und diese Benennung in die Firma des Reiches aufzunehmen? Die Bezeichnung von Sachen, die zu der geheiligten Person des Imperator in näherer Beziehung standen, als sacer war im offiziellen Sprachgebrauch der römischen Kaiserzeit fehr gewöhnlich und fand sich auch besonders häufig im Corpus iuris civilis, mit welchem man am Hofe Friedrichs I. seit dessen Besuch in Bologna näher vertraut geworden war. Ausdrücke wie sacrae constitutiones, sacrum palatium, sacrum scrinium begegneten hier sehr häufig und zeigten, daß sacer fast identisch mit imperialis gebraucht wurde. Und wenn sacrum imperium sich hier nicht vorfand, so kannte man doch sacratissimum imperium am deutschen Hofe als ehrende Bezeichnung für das byzantinische Reich und verwendete sie gelegentlich in dorthin gerichteten Schreiben.[39] Auch für das römisch-deutsche Reich solch einen prunkvollen und theokratisch gefärbten Titel anzunehmen, konnte an sich schon das byzantinische Vorbild und die in Friedrich I. durch die Bologneser Juristen wohl erst neuerdings gestärkte Überzeugung, daß er als römischer Kaiser der unmittelbare Rechtsnachfolger der alten Cäsaren sei, genügenden Grund bieten.[40] Doch dürfte noch ein besonderer Anlaß für die Annahme des Titels in den damaligen politischen Verhältnissen gelegen haben.

Seit Mai 1156 war der spätere Kölner Erzbischof Rainald aus dem Geschlecht der Grafen von Dassel, damals Dompropst zu Münster, in das Amt des Hofkanzlers eingetreten und hat in dieser Stellung einen maßgebenden Einfluß auf die kaiserliche Politik gewonnen, den er in einer den Ansprüchen und Übergriffen der Kurie feindseligen und auf die Wahrung der Rechte des Reiches bedachten Richtung geltend machte. Er war es, der im Oktober 1157 auf der Reichsversammlung zu Besançon durch eine kühne Interpretation einer wohl an sich unverfänglichen [13] Wendung in einem dem Kaiser durch zwei Kardinallegaten überbrachten Schreiben Hadrians IV. den Zorn der Reichsfürsten gegen den Papst und seine Boten erregte und damit der Politik des Kaisers für lange Zeit jene scharfe Wendung gegen die Kurie gab. In dem bekannten, offenbar von Rainald verfaßten Rundschreiben teilte der Kaiser den Vorgang den Fürsten mit und benutzte diesen Anlaß zur Verkündigung des Programmes der neuen Richtung. Er legt Verwahrung ein gegen die Auffassung, daß der Kaiser seine Gewalt vom Papste zu Lehen trage, und betont unter Verwendung der sogenannten Zweischwertertheorie in der antipäpstlichen Form den göttlichen Ursprung der kaiserlichen Gewalt, die unmittelbare Einsetzung des regnum wie des sacerdotium durch Gott. Wenn nun nicht lange nach dem Amtsantritt des neuen Kanzlers und wenige Monate vor dem offenen Ausbruch des Konflikts in Schriftstücken aus der kaiserlichen Kanzlei die den göttlichen Ursprung des Reiches stark betonende Bezeichnung sacrum imperium auftaucht, so wird man kaum umhinkönnen, diese Neuerung mit dem neuen Kurse Rainalds von Dassel in Verbindung zu bringen; denn es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß Rainalds politische Richtung nicht erst durch die Vorgänge zu Besançon entstanden ist, sondern diese vielmehr hervorgerufen hat. Somit werden wir in dem Aufkommen des neuen Reichstitels den Ausdruck einer am Kaiserhofe zur Herrschaft gekommenen politischen Überzeugung erblicken dürfen, eines Titels, der sich auch dann erhielt, als diese Richtung wieder zurücktrat.

Daß die Bezeichnung des Reiches als heilig unter Barbarossa in den Reichstitel aufgenommen ist, hat man schon früher erkannt[41]; nur meinte man unrichtig, daß man die neue Bezeichnung dem bisherigen Reichstitel eingefügt habe, so daß seitdem der volle offizielle Titel des Reiches sacrum Romanum imperium gelautet hätte. Das ist aber nicht der Fall gewesen; vielmehr hat man die gleichzeitige Verwendung der Bezeichnungen Romanum und sacrum oder vielmehr ihre Verbindung noch fast ein volles Jahrhundert anscheinend konsequent vermieden. [14] Man schrieb entweder Romanum imperium oder sacrum imperium; während sacrum Romanum imperium nur in offenkundigen Fälschungen[42] und in einem Falle in einer unzweifelfaft echten, aber nur in späterer Abschrift überlieferten Urkunde[43], die also in diesem Punkte vom Abschreiber in gutem Glauben korrigiert sein dürfte, nachweisbar ist.

Völlig sicher belegen können wir die volle Form sacrum Romanum imperium erst in Urkunden Wilhelms von Holland, und zwar in solchen aus seinen letzten Lebensjahren 1254 und 1255.[44] Von da an ist diese Form nicht wieder außer Gebrauch gekommen. Sie findet sich seit dem ersten Jahre König Richards in dessen Urkunden[45] und ebenso in denjenigen König Rudolfs[46] und seiner Nachfolger.

Daneben bleiben die einfacheren Bezeichnungen imperium, Romanum imperium, sacrum imperium fortdauernd in Gebrauch, [15] doch entwickelt sich jene volle Form immer mehr zu der eigentlichen und feierlichen Firma des Reiches.

So blieb es bis tief in das 15. Jahrhundert hinein[47], wo der Reichstitel durch jene später so oft mißverstandenen Zusätze erweitert wurde.

Bevor wir uns dieser Erweiterung des Reichstitels im 15. Jahrhundert zuwenden, müssen wir noch kurz der Einwirkung gedenken, welche auch auf seine Gestalt ein Vorgang ausübte, der einen der bedeutendsten Wendepunkte in dem geistigen Leben unseres Volkes bezeichnet, das Eindringen der deutschen Schriftsprache in den amtlichen Verkehr und insbesondere in den Gebrauch des Reichshofes. Sehen wir ab von der Verwendung der deutschen Sprache für die Aufzeichnung und Publikation von Reichslandfrieden, so begegnen uns Königsurkunden in deutscher Fassung erst nach der Ausbildung und Einbürgerung des vollen Reichstitels in den lateinischen Urkunden aus der Reichskanzlei. Wie nun aber überhaupt das Formular der lateinischen Königsurkunden nicht unverändert auf die deutschen Ausfertigungen übertragen wurde, so ist auch jener Titel nicht sogleich in die deutsche Königsurkunde übernommen worden.[48] Freilich könnte es ein Zufall sein, daß die Formel in keiner der wenigen deutschen Urkunden sich findet, die uns von Rudolf von Habsburg und seinen nächsten Nachfolgern überliefert sind, wobei wir zunächst von einer besonders charakteristischen Ausnahme unter Albrecht I. absehen; aber es ist doch ganz unzweifelhaft, daß die Kanzlei Ludwigs des Bayern, aus der bereits deutsche Urkunden in sehr großer Zahl hervorgingen, die Formel „heiliges römisches Reich“ nur ganz vereinzelt angewendet hat. Während sich beim Durchsuchen einer großen Anzahl solcher Urkunden die kürzere Formel „heiliges Reich“[49] und „römisches Reich“[50] öfter vorfand, gelang es nur einmal, die Anwendung der vollen Form [16] nachzuweisen.[51] In dem einzelnen Falle unter König Albrecht aber handelt es sich um eine Empfängerausfertigung, deren Text von einem des Kanzleistils nur wenig Kundigen verfaßt ist.[52] Während nämlich sonst der Titel, welcher lateinisch einfach semper augustus lautete, in den deutschen Texten in erweiterter Form durch „alle Zeit Mehrer des Reichs“ wiedergegeben wurde, schrieb er unter Anwendung der an dieser Stelle auch später stets vermiedenen vollen Formel: zů allen ziden ein merer des heiligen Romischen riches. Die Urkunde spricht also wohl dafür, daß auch der deutschen Sprache die Wendung geläufig, nicht aber, daß sie in das Formular der deutschen Königsurkunden eingedrungen war. Erst unter Karl IV. wurde die Verwendung des vollen Reichstitels in den deutschen Texten der Königsurkunden häufiger, und zwar bald nicht weniger häufig als in den lateinischen Urkunden.[53] Und wenn vielleicht in manchen Fällen das Vorkommen der deutschen Wendung sich aus der Benutzung einer lateinischen Vorlage erklären mag, so kommt es doch schon unter Karl IV. vor, daß bei Herstellung von lateinischen und deutschen Ausfertigungen derselben Urkunde die Kanzlei im deutschen Texte die Bezeichnung „heiliges römisches Reich“ setzte, wo sie sich an der entsprechenden Stelle des lateinischen Textes mit sacrum imperium begnügte.[54] Der Ausdruck war also damals in dem deutschen Urkundenstil der Reichskanzlei nicht weniger eingebürgert, als in dem lateinischen.

[17]
II.
Der Zusatz „deutscher Nation“.

Zum ersten Male tritt zu dem Titel des Reiches ein Zusatz, der sich auf Deutschland bezieht, im Jahre 1442, und zwar in dem auf dem Frankfurter Reichstag erlassenen Gesetz[55], das auch wegen der darin enthaltenen Reformation der westfälischen Freigerichte als Reformation Friedrichs III. bezeichnet wird. Es heißt dort in § 17: „Item wann auch dem heiligen Romischen Reich und Dewtschen Landen an der guldin und silbrein Munß groß ligt …“ Ähnlich lautet es im Eingang: „Wann wir … vernomen haben, daz in dem heiligen Romischen reich und sonderlich in Deutschen landen vil unrats … bescheen seind …“ Der gleiche Zusatz begegnet auch später noch vereinzelt; sehr bald aber, noch unter Friedrich III., tritt an seine Stelle ein anderer.

A. Werminghoff hat neuerdings darauf hingewiesen[56], wie die Bezeichnung „natio Germanica, deutsche Nation“ auf den Konzilien am Anfang des 15. Jahrhunderts als Name der konziliaren Fraktion entstand, die aus den deutschen Bischöfen und Prälaten und denjenigen der westlichen Nachbarländer sich bildete, aber bald für das von deutschen Fürsten beherrschte und von Deutschen bewohnte Gebiet gebraucht wurde. In dieser Bedeutung begegnet der Ausdruck denn auch in der engen Verbindung mit dem Reichstitel an Stelle der „teutschen Lande“. So finden wir zuerst in dem Anschlag wider die Türken von [18] 1471[57] im Eingange: „Vertilgunge und Schwechung des heiligen Römischen Reiches und der wirdigen Teutschen Nacion“, und in der lateinischen Fassung desselben von 1474[58]: … ipsius sacri Romani imperii diminutio ac pernicies celeberrimae nationis Germanicae. In gleicher Weise heißt es im Reichsanschlage von 1486[59] im Eingange: „Dem heiligen Reiche und Teutscher Nation“, ferner in dem Nürnberger Landfrieden von 1487[60] im Eingange: „Als mir das Heilige Römische Reiche dermasse in Bevelhe angenommen haben, und demselben und Teutscher Nation also gewandt …“ Wiederholt begegnen wir der Wendung in den Wormser Reformgesetzen von 1495, so im Ewigen Landfrieden, Eingang[61]: „… haben Wir durch das hailig Reich und Teutsch Nacion ainen gemainen Friden fürgenomen“, und kurz vorher in umgekehrter Folge: „… das sy ir Macht und Herrschung biß an die Grenitzen Teutscher Nacion und des hailigen Reichs erstreckt“, und im Eingang der Kammergerichtsordnung[62]: „Wir haben … ainen gemainen Landtfriden durch das Römische Reich und Teutsch Nacion auffgericht.“[63]

Aber auch diese Nebeneinanderstellung des römischen Reiches und der deutschen Nation wurde bald nach ihrem Auftauchen vielfach durch die Genitivverbindung „Reich“ oder „heiliges Reich deutscher Nation“ ersetzt. Zum ersten Male finden wir das in dem schon erwähnten Landfrieden Friedrichs III. von 1486[64], wo es gleich im Eingange heißt: „… haben wir … einen … Frieden durch das ganze Römische Reiche Teutscher Nation fürgenommen“, sodann in der Kammergerichtsordnung von 1495, wo Maximilian in § 1[65] verspricht, die 16 Urteiler „auß dem Reich Teutscher Nacion“ zu kiesen. Weiterhin geschieht in dem Reichsabschiede pon Worms, 1497[66], der Stände „des [19] hailigen Reichs teutscher Nation“, und in dem Freiburger Abschied, 1498[67], der „Stende des Reichs teutscher Nation“ Erwähnung.

Neben diese Formen des Reichstitels tritt dann die verhältnismäßig selten gebrauchte vollere Form „Heiliges römisches Reich deutscher Nation“. Diese begegnet zum ersten Mal im Eingange des Kölner Reichsabschiedes von 1512. Es heißt dort: „Gott zu Lob und Erhaltung unseres Heiligen Glaubens, der Heiligen Kirchen, Päbstlicher Heiligkeit und des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation“[68]. Ein weiteres Beispiel hierfür finde ich erst wieder in § 33 der Wahlkapitulation Karls V. vom 3. Juli 1519. Derselbe lautet: „Wir sollen und wollen auch Uns zum schiersten icht möglich und fuglich heraus ins Reich Teutscher Nation persondlich fugen, die Römisch Kuniglich Chron, wie Uns als erwelten Römischen Kunig wohl geziemet, emphahen und anders, so sich deshalben geburt, thun, auch unser Kuniglich Residenz, Anwesen und Hofhaltung in dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, allen Glidern, Stenden und Underthanen desselben zu Eren, Nutzen und Gutem des merern Teils, sovil muglich, haben und halten u. s. w.“ In demselben Zusammenhange erhält sich die volle Formel in fast sämtlichen Wahlkapitulationen der folgenden Zeit bis zum Ende des Reiches.[69] Auch sonst wird sie nach 1519 in offiziellen Reichsakten mehrfach angewendet.[70]

Kommt die volle Formel, die man später vorzugsweise für die eigentliche offizielle Firma des Reiches gehalten hat, verhältnismäßig selten vor, so begegnen die kürzeren Formen: „Reich deutscher Nation, heiliges Reich deutscher Nation und römisches Reich deutscher Nation" auf Schritt und Tritt.[71] Der [20] Brauch, dem Titel des Reichs in der einen oder anderen Form, die Worte „deutscher Nation“ hinzuzufügen, wurde seit dem Beginn der Regierung Karls V. fast zur Regel und blieb es bis zur Mitte des Jahrhunderts. Dann aber wird er bald seltner und verschwindet schon gegen das Ende des Jahrhunderts fast ganz aus den amtlichen Schriftstücken des Reichs. Sehen wir von den Wahlkapitulationen ab, so begegnen wir seitdem dem Zusatz „deutscher Nation“ nur noch ganz vereinzelt.[72]

Nun erhebt sich die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung der Formel. Soll durch den Zusatz „deutscher Nation“ die Herrschaft der deutschen Nation oder ihrer Beherrscher über das römische Reich angedeutet werden? Das ist völlig ausgeschlossen. Schon der Umstand, daß die Bezeichnung „Reich deutscher Nation“ die ältere „Reich und deutsche Nation“ ersetzt und gleichbedeutend mit ihr gebraucht wird, macht es in hohem Grade wahrscheinlich, daß hier wie dort nur der deutsche Teil des Reiches besonders hervorgehoben werden soll. Das „römische Reich deutscher Nation“ ist das römische Reich, soweit und insofern es deutscher Nation, d. h. deutscher Nationalität ist. Die Bezeichnung enthält eine territoriale Einschränkung des Romanum imperium auf dessen damals fast noch allein in Betracht kommenden, stets schon weitaus wesentlichsten Bestandteil, auf Deutschland. Das stellen eine Anzahl von Beispielen ganz außer Zweifel.


[21] So finden wir in dem fürstlichen und kurfürstlichen Entwurf[73] zur Kammergerichtsordnung von 1495 die Bestimmung, daß die Beisitzer „aus deutscher Nation“ zu wählen seien. In dem Gesetze selbst tritt diese Bestimmung in der Fassung auf, die Beisitzer seien zu „kiesen aus dem Reich teutscher Nation“. Es ist klar, daß hier Reich teutscher Nation und teutsche Nation als völlig gleichwertige Ausdrücke verwendet werden, so daß Reich teutscher Nation nichts anderes bedeuten kann, als den deutschen Teil des Reiches. Ebenso ergibt sich aus Kapitel 33 der Wahlkapitulation, dessen Text bereits oben[74] angeführt wurde, daß „das Reich deutscher Nation“, in welches der König sich hinauszuverfügen verspricht, und „das heilige römische Reich deutscher Nation“, in dem er seine Residenz zu halten sich verpflichtet, nichts anderes bedeutet als die deutsche Nation, d. h. Deutschland. Im Abschied des Speyerer Reichstages von 1570 wird im § 4[75] gesagt „wie es im Heil. Reich Teutscher Nation von Alters eine löbliche Gestalt Teutscher Freyheit“. Die deutsche Freiheit konnte natürlich nur in Deutschland herrschen, woraus sich deutlich ergibt, welche Bedeutung auch hier unser Zusatz allein haben kann. In der Vorrede zur Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532[76] heißt es: „Wie im Römischen Reich teutscher Nation altem gebrauch und herkommen nach die meynsten peinlichen gericht mit personen, die unsere Keyserliche recht nit gelert, erfarn oder übung haben, besetzt werden …“; eine Behauptung, die nur dann richtig ist, wenn hier „Römisches Reich teutscher Nation“ für „Deutschland“ steht. Daß dies wirklich gemeint ist, wird deutlich, wenn man eine bald darauf folgende Stelle zur Vergleichung heranzieht. Diese lautet: „… das nach gelegenheyt teutscher land … die peinlichen gericht an manchen orten mit rechtverstendigen … personen nit besetzt werden mögen“. Die Stelle entspricht genau dem Entwurf von 1529, nur daß dort statt „teutsche land“ das gleichwertige „teutsche Nation“ steht.

Unverkennbar tritt die Bedeutung auch hervor in dem Augsburger Abschied von 1555[77], der in seinem § 136 in Anknüpfung [22] an eine Bestimmung der Reformation guter Polizei von 1548 besagt: „Nachdem im Heil. Reich Teutscher Nation gute Wüllen-Tücher gemacht wurden, also daß man fremder Nation Tücher wohl entrathen und das Geld, so für dieselbige fremde Tücher gegeben, in Teutscher Nation behalten möchte …“ und weiterhin: „… setzen, ordnen und wollen, daß … hinfür niemand … einige Wollen … aus dem Heil. Reich Teutscher Nation mit Hauffen verkauffe, verführe, vertreibe oder verhandele, sondern daß solche Wollen im selbigen Reich Teutscher Nation behalten und dem inländischen Handwerck der Geschlachtwander, Wandmächer, Wullnweber oder andern … um ein ziemlichs verkaufft und dardurch dasjenig, so einem grossen Theil Teutscher Nation hochnützlich und ersprießlich, gefördert werde.“ Hier zeigt die Gleichsetzung unseres Ausdrucks mit „Teutscher Nation“ und mit „Inland“ sowie die Gegenüberstellung der „fremden Nation“ schlagend die Richtigkeit unserer Auffassung.

Schließlich noch ein Beispiel: Die Ritterschaft beschwert sich zu Schweinfurt am 29. Dezember 1522 darüber, daß „bäbstliche Heiligkeit … in- und außerhalb Teutscher Nation das Römische reich und dessen underthan vilfeltiglich … beschwere“[78]. Hier wird ganz bestimmt die deutsche Nation als der deutsche Teil des Reiches dem außerdeutschen gegenübergestellt.

Die gleiche, wie ich sie kurz bezeichnen möchte, lokale Bedeutung der Formel tritt auch hervor in ihrer frühesten mir bekannt gewordenen Verwendung in der Literatur. In der sogenannten Reformation Kaiser Friedrichs III., die spätestens um 1525 entstanden ist, begegnet auf Schritt und Tritt die Bezeichnung „heiliges römisches Reich teutscher Nation“. Daß auch hier regelmäßig nur der deutsche Teil des Reiches gemeint ist, geht schon aus dem ganzen Zusammenhange, besonders deutlich aber daraus hervor, daß einmal im Eingang eines Abschnittes, wo man die sonst gebräuchliche Formel erwarten würde, an ihrer Stelle sich findet „heiliges römisches Reich teutscher Lande“[79], [23] und daß ein anderes Mal die Bezeichnung mit den Worten umschrieben wird: „… soweit des heiligen Römischen Reiches Bezwang Teutscher Nation reichet“.

Neben Stellen wie diese, in denen die lokale Bedeutung der Formel deutlich hervortritt, steht nun freilich eine größere Anzahl solcher, die für die Deutung in unserm Sinne keinen Anhalt bieten, die aber natürlich in derselben Weise verstanden werden müssen wie jene, da man doch nicht annehmen darf, daß neben der bezeugten noch eine andere, durch keinen Beleg beglaubigte Bedeutung der gleichen Formel im Schwange gewesen sei.

Nicht ausgeschlossen aber ist, daß man oft die Formel gedankenlos verwendete als herkömmliche Firma des Reiches, deren eigentliche Bedeutung ja um so mehr zurücktreten mußte, je mehr die Erinnerung daran schwand, daß zum römischen Reiche einst auch außerdeutsche Gebiete gehört hatten. Nur so konnte allmählich die falsche Auffassung aufkommen, daß der Zusatz deutscher Nation etwas anderes bedeuten müsse, und was lag da näher, als daß man ihn für eine Charakterisierung des römischen Reiches der neueren Zeit im Gegensatze zu dem römischen Reiche des Altertums auffaßte? Dann aber schien der Zusatz kaum etwas anderes andeuten zu können als die Abhängigkeit des römischen Reiches der Gegenwart von der deutschen Nation.

Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts findet sich in einem offiziellen Aktenstück des Reiches ein Satz, der, wenn auch noch nicht mit voller Deutlichkeit, auf diese Auffassung hinzuweisen scheint. In den auf dem Passauer Reichstag von 1552 übergebenen, 1555 zu Augsburg wiederholten Gravamina der Stände wird im Eingange gesagt: „Nachdem das Heilig Reich Teutscher Nation ein frey Reich ist, das keiner anderen Nation unterworffen“.[80] Dieser Fall blieb aber noch auf lange Zeit hinaus vereinzelt.

Erst die Staatsrechtslehrer des 17. Jahrhunderts haben die falsche Auffassung zum deutlichen Ausdruck gebracht, also zu einer Zeit, wo die in Rede stehende Bezeichnung in den offiziellen Schriften der Reichsverwaltung und Gesetzgebung des Reiches [24] fast ganz außer Gebrauch gekommen war. Den Anfang machte Limnäus in seinem Ius Publicum (1629) lib. I. Cap. 7 § 10 bei der Besprechung der Namen des Reiches. Er sagt dort: Denique idem (imperium) vocatur Romano-Germanicum, vel ut est in Recessu Imperii de anno 1541 in principio: Das Heilige Römische Reich Teutscher Nation, quo significatur, apud Germanos, tanquam superiores Romanum esse Imperium, et arctissimo quasi vinculo his esse connexum. Dementsprechend äußert er sich später in den Capitulationes Imperatorum et Regum (1657, 2. Aufl. 1658 u. öfter) bei der Interpretation des bereits oben zitierten Art. 33 (bei Limnäus 30) der Wahlkapitulation Karls V.: „In das Reich Teutscher Nation: Hoc est in Germaniam. Fortassis etiam potuisset pro faciliori intellectu poni: Herauß in Teutschland vel herauß in die Teutsche Nation. Certum enim est, imperium nationis Germanicae non sola Germania definiri. Debebat autem Carolus venire in Germaniam, non exempli gratia in Langobardiam, quae et ipsa Imperii nationis Germanicae pars est, sed non sita in Germania“. Hatte Limnäus früher ausgesprochen, daß das Reich deshalb das „römische Reich deutscher Nation“ heiße, weil es von der deutschen Nation beherrscht werde, so zieht er hier aus dieser Anschauung die Konsequenz, daß zu dem Reiche deutscher Nation auch die außerdeutschen Teile, Italien und Burgund, gehören.

Zeitlich zwischen die beiden Äußerungen von Limnäus schiebt sich eine die gleiche unrichtige Auffassung vom Sinne der Formel verratende Äußerung des Benedikt Carpzov ein, ohne daß eine Beeinflussung durch Limnäus sich direkt nachweisen ließe. In seinem Commentarius in legem regiam Germanorum, Leipzig 1651, sagt er in cap. I sect. 15 nr. 18 (p. 69): Atque Imperium non semel appellatur Romano-Germanicum, das heilige Römische Reich Teutscher Nation in Recess. Imper. Carpzov weiß hier für die Übersetzung der in den Reichsabschieden gebräuchlichen deutschen Formel keine bessere lateinische Wendung zu finden als Imperium Romano-Germanicum; denn daß er hier lediglich übersetzen will, ergibt die von ihm gewählte Interpunktion deutlich. Die Art der Übersetzung beweist aber, daß für Carpzov unsere Formel eine Bezeichnung des Reiches in seinem vollen Umfange ist.

[25] Die Anschauung von Carpzov und Limnäus liegt auch Pufendorfs Ausführungen im Monzambano (1667)[81] zugrunde: Distinctionem tamen Romani Imperii a regno Germaniae haut obscure arguit distincta, coronatio et inauguratio. Et recentiores Caesares a Maximiliano I. post nomen Imperatoris Romanorum expresse subiungunt Regis Germaniae titulum. Quin et hodie Germanis suam rempublicam solenne est vocare Imperium Romanum Teutonicae nationis. Quae tamen formula contrarium sibi ipsi sensum videtur habere, postquam satis liquet, modernam Germanorum rempublicam cum antiquo Romanorum Imperio unum et idem non esse.

Von den späteren leugnen verschiedene den von Pufendorf behaupteten Widerspruch, teilen aber seine Anschauung über die Bedeutung des Zusatzes „deutscher Nation“. So vor allen Oldenburger, der auch der erste ist, der ausdrücklich die Begründung des römischen Reiches deutscher Nation auf Otto I. zurückführt. Er sagt in seiner pseudonymen Ausgabe des Monzambano, zuerst 1668 erschienen[82], im Discursus VI. der Notae gegen Ende unter der Randnotiz: „Quare Germania dicatur Imperium Romanum“ über unseren Gegenstand folgendes: Hodierni Germani proinde recte vocant imperium Romanorum Teutonicae nationis, das Romische Reich Teutscher Nation, quam formulam Autor (scil. Monzambano) non recte contrarii sensus accusat. Verus enim illius sensus est: quod Teutonica natio imperii Romani dignitatem per Ottonem M. sibi acquisierit regesque silos illa reddat semper Augustos ac venerabiles, ac ita dominos imperii Romani constituat. Unde puto imperium hodiernum rectius Germano-Romanum quam Romano-Germanicum Der Teutschen Nation Romisches Reich appellari.

Auf ihn folgt Obrecht. In den Exercitationes ad Monzambanum, 1684[83], bemerkt er S. 16 zu Kap. I § 14 des Monzambano: Ita, cum Teutonicae Nationi subiectum sit, qualecunque hodie Romanum Imperium superest, a contradictione facile liberabitur formula, qua vel Imperium Romanum [26] vel Imperium Romanorum Teutonicae Nationis nominatur. Endlich äußert sich in demselben Sinne der sich unter dem Namen Titius verbergende Erklärer in der Ausgabe von 1708[84] mit den Worten: Ex hac tamen ratione contrarius aliquis sensus non sequitur; esto enim, quod moderna Germanorum respublica cum antiquo Romanorum Imperio unum et idem non sit, attamen elogium imperii Romani Germaniae quoque fuit applicatum, ei ergo, quo minus explicationis gratia ad praecavendam cavillationem vel iniquiorem interpretationem mentio nationis Teutonicae adjiceretur, nihil omnino obstitit.

Als Vertreter der gleichen Auffassung von der Bedeutung der Worte deutscher Nation mag noch Boecler angeführt werden. In der seiner Notitia S. R. Imperii angehängten Dissertation von 1681, den sogen. Vindiciae Anti-Blondellianae, sagt er S. 424: Neque opus fuerit ad ulteriora ire, sed ea tempora in oculis habere, unde dicitur Romanum Imperium cum adiectione Nationis Teutonicae: Das römische Reich Teutscher Nation. Ab Ottonis certe Magni temporibus sedem eius Imperii, quod Roma quoque agnovit, sive, cui Roma citra controversiam paruit, in Germania in hunc diem fuisse, dubio caret, und ähnlich in der Disputatio Sacri Romani Imperii sub voce Romanum[85]: Et quia Imperatores tria regna habebant, Regnum Germaniae, Regnum Italiae sive Langobardorum, et Imperium Romanum, ab augustiore et per omnen terram celebriore Imperium suum vocare voluerunt Romano-Germanicum, licet Germania Romam vicerit, et non Roma Germaniam, id quod primis quidem temporibus non factum est; sed Maximilianus I. illud vocavit: Das heilige Römische Reich teutscher Nation, et hinc iste titulus in Recessus Imperii transivit.

Pufendorf sagt an der oben angeführten Stelle seines Monzambano: quin et hodie Germanis suam rem publicam solenne est vocare imperium Romanum Teutonicae nationis. Das heißt nicht, wie man wohl übersetzt hat: „Nennt ja doch heute das deutsche Volk seinen Staat feierlich das römische Reich deutscher Nation“, sondern: „Es ist bei den Deutschen [27] üblich[86], es so zu nennen“. Und was Pufendorf über den Sprachgebrauch seiner Zeit berichtet, bezeugt noch nachdrücklicher ein Jahrhundert später J. J. Moser für die seinige, wenn er in seiner Schrift von Teutschland und dessen Staatsverfassung (= Neues Staatsrecht I), 1766, in Kap. I § 13 in bezug auf unsere Formel sagt: „Es ist und bleibet einmal eine angenommene Redensart, welche weder nutzet noch schadet“.

Im Gegensatz zu dem, was Monzambano und Moser über die Anwendung der Formel im mündlichen Verkehr mitteilen, steht deren Gebrauch in der Literatur dieser Zeiten. Zwar findet er sich des öfteren in Büchertiteln, so in Herdens Schrift „des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation Grundfeste“, 1. Aufl. 1660 bis 8. Aufl. 1724, wo er übrigens auch hin und wieder im Text gebraucht wird, sodann 1710 und 1715 im Titel der Übersetzung des Monzambano (Salomon, Literatur Nr. 22, 23); ebenso im Titel von Müllers Reichstagstheatrum unter Friedrich V. von 1713 und desselben Verfassers Reichtagsstaat unter König Max I. von 1709. Außerdem begegnet der Ausdruck 1713 in Lünigs Staatsconsilia Bd. II S. 54: „Bedencken, ob das Heilige Römische Reich Teutscher Nation noch bey freyer Wahl steht, oder ob es bei dem Ertzhertzoglichen Hause Oesterreich erblich worden, de An. 1623".[87][88]

Als eigentlichen Namen des Reiches verwendet Zedlers Universallexikon Bd. 31 (1742) Sp. 7, Artikel Reich, die Form „römisches Reich deutscher Nation“ als gleichbedeutend mit Imperium Romano-Germanicum und Empire d’Allemagne.

Aber das sind doch immer nur wenige Beispiele; und wenn ich auch nicht zweifle, daß sie sich bei weiteren Nachforschungen vermehren lassen, so dürften doch die von mir und anderen in [28] meinem Interesse angestellten Nachforschungen auf jeden Fall schon ergeben haben, daß der fragliche Ausdruck literarisch im ganzen nur sehr vereinzelt gebraucht wurde. Und wo er gebraucht wird, erscheint er mehr wie eine antiquarische Reminiszenz, eine gelehrte Floskel, denn als ein dem amtlichen Sprachgebrauch der Zeit angehöriger Ausdruck. Insbesondere scheinen ihn auch die gelehrten Staatsrechtslehrer und Publizisten des 18. Jahrhunderts zur Bezeichnung des Reiches vermieden zu haben; vielmehr bedienen sie sich in ihren eigenen Ausführungen wie schon ihre Vorgänger im 17. Jahrhundert mit besonderer Vorliebe der Bezeichnung imperium Romano-Germanicum. Moser scheint ihn absichtlich vermieden zu haben, wohl weil er seine ursprüngliche Bedeutung richtig erkannte; das ergeben seine Worte a. a. O. § 21: „Unter diesem Wort (Heil. Reich Teutscher Nation) wird alles begriffen, was jezo zu Teutschland gehöret, und dieses wird denen Italiänischen Reichslanden entgegengesetzt“. Ebensowenig scheint sich die Formel bei dem letzten großen Erforscher und größten Verehrer des Reichsstaatsrechts, bei Pütter, wie auch bei seinem Nachfolger, Gönner, zu finden.

So ist denn die Formel „heiliges Römisches Reich deutscher Nation“ gegen das Ende des Reiches, dessen wahrer Titel sie nie gewesen war, fast in Vergessenheit geraten. Nur in den Wahlkapitulationen, wo ihre eigentliche Bedeutung noch immer deutlich erkennbar blieb, lebte sie noch fort. Selbst die altehrwürdige Form des Reichstitels: „heiliges Römisches Reich“ kam allmählich außer Gebrauch, wenn sie auch in manchen Verbindungen, wie bei der Bezeichnung der Erzämter, sich dauernd erhielt.

Im amtlichen Zeremoniell hat man auf die Bezeichnung „heiliges Reich“ nach wie vor großen Wert gelegt, wie der bei Moser a. a. O. § 12 berichtete Vorfall beweist. Er erzählt, daß im Jahre 1746 in dem Rückberufungsschreiben des russischen Gesandten Grafen Kayserling bei der Bezeichnung des Reiches das Wort sacrum ausgefallen sei, was zu weiteren Verhandlungen Anlaß gab. Graf Kayserling erklärte die Sache für ein Versehen, und der Reichstag beruhigte sich dabei.

Vielleicht war es gerade das starre Festhalten an dem alten Reichstitel im Zeremoniell und in gewissen althergebrachten Formeln, was die Gegner des Reiches veranlaßte, mit dem Titel ihren Spott zu treiben. Bekannt sind ja die Anfangsverse [29] jenes Liedes, welches Goethe im Faust in Auerbachs Keller intonieren läßt: „Das liebe heil’ge Römsche Reich, wie hält’s nur noch zusammen“. Brander protestiert: „Ein garstig Lied, pfui ein politisch Lied, ein leidig Lied!“ Die angeführte Stelle findet sich ebenso, von einer Wortumstellung abgesehen, bereits im sogenannten Urfaust, ist also ums Jahr 1775 entstanden. Ob Goethe den Anfang des Spottliedes damals selbst, vielleicht in Anlehnung an ältere Vorbilder gedichtet[89], oder ob er die Anfangsverse einem damals im Schwange befindlichen Liede entlehnt hat; jedenfalls zeigen diese Verse, daß der altehrwürdige Titel, der einst gedient hatte, die höchsten Ehren und Rechte der kaiserlichen Gewalt zum Ausdruck zu bringen, nunmehr gebraucht werden konnte, um das altersschwache Reich mit bitterem Spott zu verhöhnen.

[30]
III.
Das „heilige römische Reich deutscher Nation“ in der neueren Literatur.

Als das alte Reich zur Rüste ging, nannte man es nicht mehr Römisches Reich, sondern „Deutsches Reich“. Das Reich, das durch den Deputationshauptschluß von 1803 nochmals auf gänzlich neue Grundlagen gestellt werden sollte, war das „Deutsche Reich“. Das Reich, welches nach der von dem französischen Gesandten am Reichstage am 1. August 1806 abgegebenen Erklärung zu bestehen aufgehört hatte, war das Empire Germanique, und das Reich, dessen Krone Franz II. am 6. August desselben Jahres niederlegte, das „Deutsche Reich“!

Da ist es denn merkwürdig zu beobachten, wie der längst abgestorbene Name des toten Reiches nicht lange nach dieser Zeit in der Literatur wieder auflebt, und zwar in der unhistorischen Bedeutung, die ihm die Publizisten des 17. Jahrhunderts, voran Limnäus und Pufendorf beigelegt hatten. Soweit ich sehe, ist es Karl Friedrich Eichhorn gewesen, der im Jahre 1812 im zweiten Bande seiner epochemachenden Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte die Bezeichnung „heiliges römisches Reich deutscher Nation“ wieder zu neuem Leben erweckt hat. Er sagt dort in § 287: „Das deutsche Reich mit seinen Pertinenzen und Nebenländern war unzertrennlich mit dem römischen Reiche verbunden und bildete daher das heilige römische Reich deutscher Nation“. Eichhorn verweist hier auf § 216, dessen erster Satz lautet: „Der römischen Kaiserwürde gab Otto I., zum Kaiser gekrönt 962, den Glanz wieder, den sie seit einem Jahrhundert verloren hatte“. Ferner verweist er auf § 225, wo es heißt: „Deutschland und zwar eigentlich Franken (im damaligen Sinne des Wortes) wurde als das Reich, gewissermaßen als die Hauptsache angesehen, von der alle übrige Länder nur Pertinenzen [31] wären“, und sodann nach weiteren Ausführungen: „Übrigens mochte es freilich ziemlich gleichgültig sein, in welchem rechtlichen Verhältnisse eigentlich jede Provinz zum deutschen oder ostfränkischen Reiche stehe, da ja das Factische der Abhängigkeit von demselben entschieden genug war und das römische Reich auf dem deutschen haftete, mithin die römische Kaiserwürde, der alle christliche Völker und Fürsten unterthan sein sollten, rechtlich leicht alles zu einem Ganzen verband, sofern nur der Kaiser im eigentlichen Deutschland stark genug war, um mit Hülfe desselben die Nebenländer in Abhängigkeit zu erhalten“.

Die angeführten Stellen zeigen, daß Eichhorn einmal die Begründung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation auf die Erwerbung der römischen Kaiserkrone durch Otto I. zurückführt, ferner aber auch, daß er in der wieder aufgegriffenen Bezeichnung den Ausdruck der Tatsache erblickt, daß das damals gegründete Reich auf der deutschen Nation im wesentlichen beruhte und von ihren Kaisern beherrscht wurde.

Eine ganz andere Bedeutung aber legt Johann Friedrich Böhmer dem Titel bei, wenn er in seiner 1834 erschienenen Schrift über das Zollwesen sagt: „Diejenigen Nationen (die Ostfranken, Bayern, Schwaben und Sachsen), die sich zum heiligen römischen Reich deutscher Nation vereinigten, welches durch ein Jahrtausend bis vor 28 Jahren noch bestanden …“[90] Böhmer sah mit seinen Zeitgenossen in der Absonderung der Hauptmasse des deutschen Gebietes vom übrigen Frankenreich durch den Vertrag von Verdun im Jahr 843 die Begründung des selbständigen deutschen Reiches. Für diese Anschauung fehlt es auch keineswegs an guten Gründen, und wenn Böhmer dieses Reich als ein Reich deutscher Nation bezeichnet, so nimmt er damit nur einen Ausdruck vorweg, der erst etwa 600 Jahre später für das deutsche Reichsgebiet aufkommt, verwendet ihn jedoch anders als Eichhorn ganz richtig in seinem ursprünglichen Sinne. Weshalb er aber bereits auf das Reich Ludwigs des Deutschen die Bezeichnung „römisch“ überträgt, ist nicht ersichtlich. Vielleicht geschah es auf eine unmittelbar oder mittelbar von Böhmer ausgehende Anregung, daß der Rat von Frankfurt um das [32] Jahr 1843 bei der Ausmalung des Römers einen Reichsadler an der Decke des Kaisersaales mit der Umschrift „heiliges römisches Reich deutscher Nation" versehen ließ. Jedenfalls war diese Umschrift im Geiste und Sinne Böhmers gewählt und in seinem Geiste hat auch sein treuester und bedeutendster Anhänger und Mitstreber Julius Ficker die gleiche Bezeichnung für das Reich immer wieder gebraucht und stark betont, weil er darin den seiner Auffassung von dem Wesen des Reichs im Mittelalter adäquaten Ausdruck fand.[91]

Aber schon vor ihm hat Wilhelm Giesebrecht, wohl anknüpfend an Karl Friedrich Eichhorn, den Ausdruck in ähnlichem Sinne verwendet, und zwar in dem 1855 geschriebenen Vorwort zu seiner Geschichte der deutschen Kaiserzeit. Er sagt dort: „Das Buch … beginnt von der Gründung des deutschen Königtums und des römischen Kaiserreichs deutscher Nation, stellt … die Glanz- und Blütezeit dieses Reiches dar, indem es von den glorreichen Thaten der Ottonen, der fränkischen Kaiser und Hohenstaufen erzählt“. Auch hier erscheint Otto I. als der Begründer des römischen Kaiserreiches deutscher Nation, und diese Bezeichnung als der Ausdruck der Tatsache der Herrschaft der deutschen Kaiser über das Reich, ganz wie bei Eichhorn und seinen Vorgängern.

Besonders eindringlich aber hat, wie schon angedeutet, Ficker sich der Bezeichnung angenommen und sie in engste Verbindung mit seiner Auffassung der Bedeutung des Kaisertums für den Entwicklungsgang der deutschen Geschichte gebracht. Nach dieser Auffassung konnten die deutschen Herrscher und die deutsche Nation ihre welthistorische Aufgabe, den festen Kern inmitten der europäischen Völker zu bilden, auf die Geschicke Mitteleuropas entscheidend einzuwirken, die universale Kirche in der [33] Lösung ihrer Kulturaufgabe zu stützen und zu schirmen, nur durch die Verbindung mit dem Kaisertum erfüllen, das ihnen den Anspruch auf die Herrschaft über den größeren Teil des alten Kulturgebietes Italien verlieh und auch als Grundlage für die Herrschaft über Burgund galt. Auch die Rückwirkungen der Kaiserpolitik auf die Verhältnisse in Deutschland selbst beurteilt Ficker im wesentlichen günstig. Seine Ansichten zu entwickeln, veranlaßten ihn Ausführungen, welche im November 1859 Heinrich von Sybel in München in einer akademischen Rede gegeben hatte.

Während Ficker von seinem Standpunkte aus die historische Entwicklung, wie sie sich tatsächlich vollzogen hatte, zu begreifen und zu erklären suchte, ging Sybel umgekehrt von der negativen Kritik des Verlaufes der Dinge aus und suchte zu erweisen, daß es besser für Deutschland gewesen wäre, wenn Otto I. und seine Nachfolger nicht die Bahnen der allein auf Deutschland selbst gerichteten Politik seines Vaters verlassen hätten. Gleich zu Anfang des nächsten Jahres[92] erschien ein von Ficker verfaßter Artikel in der Innsbrucker Schützenzeitung, in welchem er gegen Sybel unter anderm ausführte: „Erfreute sich das Mittelalter einer größeren Stetigkeit der politischen Gestaltungen als die neuere Zeit, so war das bedingt durch das Bestehen jenes mächtigen Staatskörpers, welcher die ganze Mitte des Weltteils, von den Mündungen des Rheins und der Oder bis zu denen der Rhone und bis zum Appennin erfüllte, des heiligen römischen Reiches deutscher Nation“.

Aus ähnlichen Ausführungen, die Ficker in der Einleitung zu seinem 1860 vollendeten Buche über den Reichsfürstenstand, S. 1 ff., im Jahre 1861 gab, mag hier nur folgender Satz Raum finden: „Es galt, die staatliche Form zu finden, welche das Werk der Verschmelzung und Weiterentfaltung der ureigenen und der überkommenen Bildungselemente schirmen, weitere allgemeine Umwälzungen fernhalten konnte. Auch dieser Aufgabe entsprach nach manchen, nicht wertlosen, aber auch nicht genügenden Versuchen unser Volk durch die Gründung des heiligen römischen Reiches deutscher Nation“. Am ausführlichsten hat Ficker seine Anschauungen dargelegt in der gegen Sybel gerichteten Schrift: [34] Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen, Innsbruck 1861. Wir führen daraus nur die Stelle, welche uns hier besonders interessiert, an, S. 63: „Das Kaiserreich Karls beruhte auf einer Versetzung römischer und christlicher Anschauungsweisen, es fehlte ihm jeder nationale Charakter; das Kaiserreich Ottos des Großen und seiner Nachfolger, wenn es auch an denselben Ideenkreis anknüpft, nur als eine Fortsetzung des frühern erscheint, zeigt ein wesentlich deutsches, nationales Gepräge. Nur der deutsche Herrscher war zur Kaiserkrone berufen, auf die Kraft der deutschen Nation war das Reich gegründet, nach dem Rate der deutschen Fürsten wurden seine Geschicke geleitet; und vor allem war es die deutsche Auffassung des Staates, welche den ganzen eigentümlichen Bau durchdrang; mochte es nach wie vor den Namen des römischen Reiches führen, seinem Wesen nach war es ein deutsches. Dieses heilige römische Reich deutscher Nation war weder ein Weltreich noch ein Nationalreich, aber es war eine Staatsbildung geeigneter, wie mir scheint, als irgend eine andere, um gleichzeitig der Lösung nationaler wie universaler Aufgaben gerecht werden zu können“.

Wir sehen, wie Ficker immer wieder das heilige römische Reich deutscher Nation nennt und diesen Namen geradezu als Argument für die Richtigkeit seiner Ansicht gebraucht. Man kann sich nur schwer vorstellen, daß ein Mann wie Ficker nicht gewußt haben sollte, wann dieser Titel entstand, und was er ursprünglich bedeutete; und doch müssen wir es annehmen. Ebensowenig aber hatte sein Gegner davon eine Ahnung; denn statt irgendwelche Zweifel über die Zulässigkeit der Anwendung dieses Titels auf das deutsche Reich des Mittelalters auszudrücken, greift er ihn selbst auf und verwertet ihn im gleichen Sinne.[93]

Vielleicht unmittelbar anknüpfend an Eichhorn ist Gregorovius zu ganz ähnlichen Anschauungen und zu einer ganz gleichen Auffassung des Reichstitels gelangt wie Ficker. Er [35] schrieb 1859[94], also jedenfalls noch unbeeinflußt von Fickers Ausführungen, in dem im folgenden Jahre erschienenen dritten Bande seiner Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter S. 362: „Er (Otto der Große) knüpfte nun das römische Reich dauernd an die deutsche Nation, und dieses kraftvolle und intelligente Volk übernahm die gefährliche Aufgabe, der Träger der Weltgeschichte zu sein. Die Verbindung Deutschlands mit Italien hatte denn auch bald die Reform der Kirche und das Wiederaufleben der Wissenschaften zur Folge …“ Nach einer weiteren Würdigung der Wirkung dieser Vereinigung fährt er fort „… und in diesem Sinn darf der Enkel es nicht beklagen, daß jenes römische Reich, der sittliche orbis terrarum, wie ein Schicksal auf unser Vaterland gelegt ward und es zwang, einige Jahrhunderte lang sein Blut in Italien zu verströmen, um den großen geistigen Riesenkampf zu kämpfen, dessen Sieg uns doch geblieben ist“.

Während hier die Formel heiliges römisches Reich deutscher Nation nicht ausdrücklich genannt wird, aber doch die Grundlage der Ausführungen bildet, gibt Gregorovius später an einer anderen Stelle seiner Auffassung des Sinnes der Formel deutlichen Ausdruck. Es handelt sich um einen anonymen[95], bei Gelegenheit des Erscheinens einer neuen Auflage von Bryces Holy Roman Empire entstandenen Aufsatz: „Das Reich, Rom und Deutschland“, der in der wissenschaftlichen Beilage der Augsburger Allgemeinen Zeitung in den Nummern vom 9. Februar 1867 an erschienen ist. Es heißt dort S. 681: „Die Kirche eilte daher nach dem Fall der Karolinger, aus Notwendigkeit der Selbsterhaltung, das Reich, welches italienische Nationalherzoge usurpiert hatten, wieder an die Germanen zu bringen. Otto der Große wurde sein zweiter Erneuerer. Er stellte das Imperium her, indem er es mit dem deutschen Königtum verband. Das Reich kam seitdem an Deutschland. Es entstand das römische Reich deutscher Nation.“

[36] Wenn aber Rechtshistoriker, Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber wie Eichhorn, Böhmer, Giesebrecht, Ficker, Sybel, Gregorovius und, wie wir oben sahen, noch später Heusler den Namen ohne Bedenken für das deutsch-römische Kaiserreich des früheren Mittelalters gebrauchten, so dürfen wir uns nicht wundern, daß der Ausdruck in derselben unhistorischen Anwendung auch in weiteren und weitesten Kreisen Aufnahme und Verbreitung fand.




[37]
Schluß.


Am Ende unserer Untersuchung angelangt, fassen wir deren Ergebnisse noch einmal kurz zusammen. Die Bezeichnung des Reichs als imperium Romanum kommt erst unter Konrad II. in Gebrauch. Neben diese tritt unter Friedrich Barbarossa die andere sacrum imperium. Erst seit Wilhelm von Holland werden beide miteinander verbunden, und diese Verbindung sacrum Romanum imperium sowie das deutsche Äquivalent „heiliges römisches Reich“ wird bald zu der feierlichsten offiziellen Bezeichnung des Reiches für alle folgenden Jahrhunderte, kam aber noch vor dessen Untergange, abgesehen von einzelnen herkömmlichen Anwendungsfällen, außer Gebrauch. Der Zusatz „deutscher Nation“ findet sich zuerst unter Friedrich III., in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und kommt im folgenden Jahrhundert allgemein in Anwendung, hat aber im offiziellen Gebrauch regelmäßig nur die Bedeutung einer lokalen Beschränkung, nicht die einer Charakterisierung des ganzen Reiches. Als „heiliges römisches Reich deutscher Nation“ wurde das deutsche Hauptgebiet des Reiches bezeichnet, nicht das römische Reich als unter deutscher Herrschaft stehend gekennzeichnet. Erst gelehrte Umdeutung legte der Bezeichnung im 17. Jahrhundert diesen Sinn unter und führte demgemäß die Gründung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation auf die Erwerbung der römischen Kaiserkrone durch Otto I. zurück. In der gleichen Umdeutung nahm dann Eichhorn die fast vergessene Bezeichnung wieder auf und führte sie in die neuere historische Literatur ein, in der ihr Ficker zur allgemeinen Anerkennung verhalf.

Diese Resultate sind in den Hauptpunkten völlig gesichert und können durch weitere Forschung nur noch in unwesentlichen Punkten berichtigt werden. Wird aber der Nachweis, daß die Verbindung des deutschen Königtums mit der römischen Kaiserwürde erst nach dem Ausgange des sächsischen Kaiserhauses die [38] Auffassung und Bezeichnung des Reichs als des von den deutschen Kaisern und Königen beherrschten römischen Reichs zur Folge hatte, daß erst viel später die Bezeichnung als heilig aufkam, und endlich, daß der erst an der Schwelle der Neuzeit hinzutretende Zusatz „deutscher Nation“ eine ganz andere Bedeutung hatte, als man ihm beizulegen gewöhnt ist, in Zukunft verhindern, daß man den vermeintlichen Reichstitel schon auf das deutsche Reich seit der Kaiserkrönung Ottos des Großen überträgt? Mancher mag wohl bedauern, daß ein Titel, der so geeignet erschien, das Wesen des deutschen Kaiserreiches des Mittelalters zum Ausdruck zu bringen, als unhistorisch erwiesen ist; doch wird sich kaum jemand der Überzeugung verschließen, daß ernsthafte wissenschaftliche Historiker den Ausdruck in der seit Eichhorn und Ficker hergebrachten Weise nicht mehr verwenden dürfen. Länger freilich wird es dauern, bis man auch in der populären und Schulliteratur auf den Gebrauch der so gelehrt klingenden und voll tönenden Phrase verzichten wird. Vielleicht am schwersten aber wird man sich zum Verzicht auf die Formel in solchen Kreisen entschließen, in denen ihre ironische Verwendung bisher beliebt war, als billiges Mittel um der Verachtung für das alternde Reich Ausdruck zu geben.[96] [39]

[40]
Weimar. – Hof-Buchdruckerei.


Anmerkungen

  1. Leitartikel der „Täglichen Rundschau“ vom 4. Oktober 1909 Nr. 464.
  2. Das heilige römische Reich von James Bryce. Vom Verfasser durchgesehene und vermehrte deutsche Ausgabe von Arthur Winckler. Leipzig 1873.
  3. Vgl. Mon. Germ., Urkunden der deutschen Könige I, Otto I. Nr. 318, Vorbemerkung.
  4. Vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. VI, 2. Aufl. S. 145 Anm. 2.
  5. So z. B. Urkunden Ottos I. Nr. 243, 244. 251. 273. 280. 281.
  6. Vgl. Breßlau, Jahrbücher Konrads II. I, S. 74 ff. Der Inhalt des Eides findet sich am genauesten im Brief Hildegars an Fulbert von Chartres, Bouquet X, 488: facientes ei sacramentum et Italiae regnum concedendi et Romanum imperium acquirendi, per rectam fidem, quantum possunt. Ähnlich auch im Brief des Herzogs Wilhelm an Leo, Bischof von Vercelli, Bouquet X, 483.
  7. Vgl. Mon. Germ., Urkunden Konrads II. Nr. 208 vom 30. April 1034; Nr. 265 vom 31. März 1038; Nr. 271 vom 8. Juni 1038; Nr. 273 vom 23. Juli 1038.
  8. Nr. 210 vom 6. Mai 1034; Nr. 254 vom 29. Dezember 1037.
  9. Gesta Chuonradi II. ed. Bresslau (Scriptores rerum Germanicarum) p. 3.
  10. Stumpf Nr. 2367 vom Mai 1049; Nr. 2439 vom 6. Juni 1053; Nr. 2521 von 1047-1056.
  11. Brief Heinrichs V. an Calixt II. vom 11. November 1122: omnes vires Romani imperii, M. G. Constitutiones I, 109 p. 162; Briefe Konrads III. an die Pisaner; domicilium imperii Romani, und an die Römer: imperii Romani statum reformare, beide von Ende September 1151, ebenda Nr. 131. 132, p. 187; Urkunden: Heinrichs IV. St. 2879 vom 7. Februar 1086; Heinrichs V. St. 3207 vom 24. Februar 1125; Lothars III. St. 3263, 3264 vom 2. Mai 1131.
  12. Die Mehrzahl dieser Stellen ist bereits von Waitz, Verfassungsgesch. V und VI angeführt; doch finden sich dort auch solche, die für uns nicht in Betracht kommen, weil sie die Bezeichnung in anderer Bedeutung gebrauchen; so Rodulfus Glaber I, 1. 5 ed. Prou S. 5. 21. Die bei Waitz VI 2. Aufl. S. 463 Anm. 4 angeführte Urkunde Balduins von Salzburg, in der von einem Treueid sola Romani imperii facta exceptione gesprochen wird, ist von Aug. v. Jaksch, Monumenta historica ducatus Carinthiae I S. 62 Nr. 19 als Fälschung des 13. Jahrhunderts erwiesen.
  13. Epist. I, 5. Migne Bd. 144, S. 210.
  14. M. G. Libelli de lite I, 93.
  15. II, 60, M. G. SS. VII, 225.
  16. I, 28, ed. Champollion-Figeac, Paris 1835, S. 22.
  17. Codex Udalrici 31: Jaffé., Bibl. V, 59.
  18. Registrum IV, 1; Epistola 15: Jaffé, Bibl. II, 238. 540.
  19. M. G. SS. VIII, 1, 11.
  20. Libelli I, 282.
  21. SS. V, 439.
  22. Libelli I, 439.
  23. Mansi, Coll. ampl. conciliorum XX, 632. 634.
  24. Mansi XX, 639.
  25. c. 65, SS. XII, 119.
  26. Libelli II, 185. Vgl. auch S. 193. 212.
  27. Libelli II, 378.
  28. Libelli II, 417.
  29. St. Nr. 2214 vom 3. Juni 1041: Romani regni gubernacula. In der Vorurkunde St. 2185 vom 5. Juni 1040 fehlt Romani.
  30. St. Nr. 2167 vom 18. Januar 1040; St. 2176 vom 3. Mai 1040; St. 2186a vom 16. Juni 1040; St. 2205 vom 13. Februar 1041. — Diese Stellen waren Julius Ficker bei der Abfassung seiner Neuen Beiträge zur Urkundenlehre III: Das Aufkommen des Titels Romanorum Rex (Mitteilungen d. österr. Inst. VI, S. 225 ff.) noch unbekannt. Vgl. besonders S. 250ff., wo er über die Signumzeile: Signum regis invictissimi Henrici tertii, Burgundionum primi, Romanorum secundi St. 2273 von Ende März 1045 handelt. Vgl. auch St. 2371. 2378, beide von 1049. – Über die Bezeichnung von Heinrich III. als Rex Romanus in Urkunden des Kartulars von St. Victor in Marseille vgl. Vigener, Bezeichnungen für Volk und Land der Deutschen, S. 238. Die Urkunden St. Nr. 2167 und 2176 notiert Seeliger in Waitz, Verfassungsgesch. VI, 2. Aufl. S. 147 Anm. 3, die dritte fügt Vigener a. a. O. S. 238 hinzu.
  31. Vgl. hierzu den Nachtrag bei Ficker a. a. O. S. 253.
  32. So z. B. St. 3621 vom 20. April 1152; St. 3646 vom 17. Oktober 1152; St. 3707 vom Mai 1155; St. 3723 vom September 1155; St. 3766 vom 4. April 1157; St. 3821a vom 23. November 1158; St. 3869 vom 23. Oktober 1159; St. 3949 vom 9. Juni 1162.
  33. Schon Zedler, Universallexikon Bd. 31, Art. „Reich“, berichtet über eine Ansicht, daß der Zusatz sacrum unter Friedrich I. entstanden sei.
  34. M. G. Const. I, 161, p. 224. Außer diesem Stück führt Bryce, The holy Roman empire, in der Auflage von 1907 noch ein Schreiben Friedrichs I. an den byzantinischen Kaiser Isaak Angelus an, welches ebenfalls die Bezeichnung „Heiliges Reich“ enthalten soll. Er zitiert dafür: „Ibid. (scil. Pertz) IV p. 99.“ Damit kann nur gemeint sein Monumenta Germaniae, Bd. IV (= Leges II der Folioserie) p. 99. Hier aber findet sich nicht ein solches Schreiben, sondern ebendasselbe Aufgebotsschreiben, welches Bryce kurz vorher richtig nach M. G. Const. I, p. 224 angeführt hat. Der gleiche Irrtum scheint auch in der deutschen Übersetzung des Buches von Winckler vorzuliegen, wo sich das ganz unverständliche Zitat „Pertz, M. G., SS. IV“ findet.
  35. St. 3771.
  36. M. G. Const. I, 199, p. 277 von 1161; St. 4009 vom 13. März 1164; St. 4159 vom 9. Mai 1174; St. 4400 vom 24. November 1184; St. 4436 vom 27. Juli 1185; St. 4445 vom 11. Februar 1186.
  37. St. 3839 vom 29. Januar 1159; St. 4086 vom 30. Juli 1167. Weitere Stellen sind angeführt bei Scheffer-Boichorst, Zur Geschichte des 12. und 13. Jahrhunderts, S. 139 Anm. 1.
  38. Sie kommt später noch vor in Wiederholungen von Urkunden Friedrichs I. durch Friedrich II. und Otto IV.; s. Scheffer-Boichorst a. a. O.
  39. Brief Wibalds von Corvey an Kaiser Manuel von 1153, Jaffé, Bibl. I, 330.
  40. Über den Einfluß des Aufenthaltes Friedrichs I. in Bologna 1155 auf seine Anschauungen vgl. Simonsfeld, Jahrbücher Friedrichs I. Bd. I, 312–315, und besonders Anm. 119.
  41. So Bryce, Auflage von 1907, S. 196 und die deutsche Übersetzung S. 144f. Wegen des von ihm zitierten Schreibens an Isaak Angelus vgl. oben S. 11 Anm. 3.
  42. So in dem sog. Privilegium maius für Österreich vom 17. September 1156, M. G. Const. I, 455, p. 683 und achtmal in dem Geleitsbrief Friedrichs I. für den Reichsgrafen Johann Porcario Porcatio St. 4376 und Stumpf, Acta 161, S. 222 f.
  43. St. 4393a vom 3. November 1184; s. Scheffer-Boichorst a. a. O.
  44. 8. Januar 1254: Winkelmann, Acta I, 551, S. 446; 13. Februar 1254: ebenda 552, S. 446; 3. Januar 1255: Böhmer, Acta 371, S. 304; 31. Januar 1255: Boos, Wormser UB., 257, S. 173 (nach Original); 4. November 1255: Winkelmann, Acta I, 356, S. 448. — Diese Urkunden sind, obwohl sie mit Ausnahme der an vorletzter Stelle genannten nur abschriftlich uberliefert sind, unverdächtig.
  45. 28. August 1257: Winkelmann, Acta I, 558, S. 449; 25. September 1257: Böhmer, Acta 380, S. 309; 29. Oktober 1257: M. G. Const. II, 388, p. 487; 27. Februar 1258: Lacomblet, UB. II, 449, S. 243; 22. August 1258: Böhmer, Acta 382, S. 310 usw. Auch in der Erklärung der Gesandten Richards, die in beiden Fassungen der Bulle „Qui celum“, c. 27. August 1263, enthalten ist, finden sich die Worte: salvis semper in omnibus et per omnia iurisdictione, potestate, officio, auctoritate, dignitate, honore ac libertate sacri Romani imperii eiusque principum, ad quos specialiter spectat Romani regis electio, M. G. Const. II, 405 c. 15, p. 530; Epist. saec. XIII. III, p. 548.
  46. 1. November 1273: Winkelmann, Acta II, 87, S. 77; 5. November 1273: Böhmer, Acta 390, S. 315; 7. Dezember 1273: ebenda 392, S. 317; 22. Dezember 1273: Winkelmann, 88, S. 78; c. 1273: Const. III, 20, p. 23; 22. Februar 1274: Böhmer, 396, S. 319; 17. September 1274: Winkelmann, 93, S. 81; 25. Oktober 1274: ebenda 94, S. 82; 21. November 1274: Const. III, 74, p. 62; 5. Dezember 1274: Böhmer, 401, S. 322 usw.
  47. Auf vereinzelte Varianten kann ich hier nicht eingehen; doch möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß Karl IV. in den nach seiner Königskrönung ausgestellten Urkunden das Reich als sacrum Romanum regnum et imperium bezeichnet; so z. B. M. G. Const. VIII, 112, p. 100, vom Krönungstage selbst, dem 26. November 1346, und ebenda 144, p. 224 vom 9. Dezember 1346.
  48. Vgl. Vancsa, Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden, S. 91 f.
  49. Z. B. Winkelmann, Acta II, 484, S. 203.
  50. Z. B. Böhmer, Acta 738, S. 504.
  51. 1. März 1340; Winkelmann, Acta II, 617, S. 376: von unserm und des heiligen Romischen riches chrieg wegen. Unecht ist Böhmer, Acta 703, S. 488, wo unsere Formel sich findet.
  52. Lehenbrief für Ulrich von Stein vom 12. März 1301; Vancsa a. a. O., Beilagen, Nr. VIII, S. 133.
  53. Z. B. 11. Dezember 1347: Winkelmann, Acta II, 687, S. 424; 13. Dezember 1347: ebenda 689, S. 429; 3. Dezember 1353: Zeumer, Goldene Bulle II, Urkunden Nr. 6, S. 62; 15. Juni 1361: Gutjahr, Urkunden deutscher Sprache in der Kanzlei Karls IV., Nr. 5, S. 411; 23. April 1370: ebenda Nr. 15, S. 425.
  54. Dies ist der Fall in den in deutscher und lateinischer Ausfertigung vorhandenen Urkunden des Herzogs Rudolf von Sachsen vom 11. Dezember 1356, die unzweifelhaft in der kaiserlichen Kanzlei geschrieben sind, bei Zeumer, Goldene Bulle II, Urkunden Nr. 30 A und B, S. 114 und 116, im Titel des Ausstellers.
  55. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, Nr. 145, S. 216ff. Diese „Reformation“ ist nicht zu verwechseln mit der weiter unten S. 22 erwähnten sog. Reformation Kaiser Friedrichs III. aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts.
  56. Vgl. die oben S. 4 zitierten Schriften.
  57. Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede 1747 (N. S.), I. Teil, S. 253.
  58. N. S. I, S. 258.
  59. N. S. I, S. 276.
  60. N. S. I, S. 280.
  61. Quellensammlung Nr. 148, S. 225.
  62. Quellensammlung Nr. 149, S. 228.
  63. So noch öfter: z. B. Wormser Reichsabschied von 1497, N. S. II, S. 37, und Augsburger Reichsabschied von 1500, N. S. II, S. 84, § 46, und mehrfach im Nürnberger Abschied des Reichsregiments von 1501, N. S. II, S. 93ff.
  64. N. S. I, S. 276.
  65. Quellensammlung Nr. 149, S. 228.
  66. N. S. II, S. 37, § 9.
  67. N. S. II, S. 51, § 57.
  68. N. S. II, S. 137.
  69. Sie hat auch in den Entwurf der capitulatio perpetua Art. 23 Eingang gefunden. Sie steht nicht in der Kapitulation Ferdinands I., verkürzt (heiliges Reich deutscher Nation) in der Rudolfs II.
  70. So im Vorschlag zu einer Türkensteuer von 1522, Reichstagsakten j. R. III, 190; Gutachten der Münzmeister von 1522, das. 600 ff.; ferner § 17 des Speyerer Reichsabschiedes von 1526, N. S. II, S. 277; Reichsabschied zu Regensburg von 1532, § 1, N. S. II, S. 353: „… wie … der Türck … der Meinung seyn soll, die Christenheit, und fürnemlich das heilige Römische Reich der Teutschen Nation … wiederum zu überziehen“; (Eingang des Regensburger Abschiedes von 1541, N. S. II, S. 429.
  71. So z. B. Ausschreiben des Reichstags nach Worms 1520, Reichstagsakten j. R. II, S. 136 f.; Proposition zu Worms 1521, das. S. 187; Regimentsordnung von 1521, § 1, das. S. 224 (Quellensamml. Nr. 156, S. 260); Ordnung des Reichszolls von 1523, das. S. 623 ff.; diese Beispiele lassen sich aus den Reichstagsakten und Reichsabschieden leicht vermehren.
  72. Reichsabschied von Regensburg von 1594, § 9: „Bei dieser Rett- und Erhaltung der Christenheit und des Reichs Teutscher Nation“, N. S. III, S. 421; Deputationsabschied von Speyer 1600, § 3: „in das Reich Teutscher Nation“, N. S. III, S. 173; Reichsabschied von Regensburg 1603, § 7: „Vatterland Teutscher Nation“, das. S. 503; ebenso Kaiserliches Patent von 1664, N. S. IV, S. 15; Instruktion für die Kriegsratsdirektoren vom Juli 1664, N. S. IV, S. 20; und schließlich Schreiben des Corpus Evangelicorum an König Friedrich von Schweden und andere Fürsten vom 26. Mai 1736, wo das Westfälische Friedensinstrument als „Grundgesetz des heiligen römischen Reichs teutscher Nation“ bezeichnet wird; so bei Schauroth, Sammlung aller Conclusorum Corporis Evangelicorum 1751/52, III, S. 387. In der lateinischen Fassung an Georg II. von England steht nur sacri Romani imperii; ebenda S. 385.
  73. Beide im Geh. Staatsarchiv zu Berlin Rep. 18 Nr. 20 A.
  74. S. 19.
  75. N. S. III, S. 287.
  76. Hrsg. von Kohler und Scheel 1900, S. 4 und 5.
  77. Quellensammlung Nr. 165 S. 306.
  78. Reichstagsakten j. R. III, S. 725.
  79. So der Druck bei Goldast, Reichssatzungen, 1609, S. 176, während die früheren Einzeldrucke auch an dieser Stelle die gewöhnliche Formel haben.
  80. Limnäus, Capitulationes, 2. Aufl., 1658, S. 384, Mantissa III.
  81. De Statu Imperii Cap. I, § 14, jetzt in der Neuausgabe von F. Salomon (Quellen und Studien III, 4) S. 46, Z. 12 ff.
  82. Bei F. Salomon, Monzambano, Literaturverzeichnis Nr. 7.
  83. Das. Nr. 12.
  84. Das. Nr. 16.
  85. Zitiert bei Pfeffinger, Vitriarius ill., Freiburg 1691, lib. I tit. IV nr. 4 S. 122.
  86. Pufendorf braucht solenne est stets in dieser Bedeutung, z. B. im Cap. 7 § 9 (S. 143 Z. 1) und in der editio posthuma Cap. 7 § 6 (S. 138 Z. 34). – Die irrtümliche Übersetzung geben die modernen Übersetzer Breßlau und Dove (Salomon Nr. 24 und 25); die richtige hat charakteristischerweise der anonyme Übersetzer vom Jahre 1667 (Salomon Nr. 20).
  87. Daß diese Überschrift nicht aus dem Jahre 1623 stammt, lehrt die Vergleichung mit den anderen Überschriften dieser Sammlung. Übrigens sehen wir hier, daß auch Lünig die falsche Auffassung übernommen hat.
  88. Vgl. auch bei Perels, Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Brandenburg-Preußen (Quellen und Studien III, 1) 1908, S. 61 die Erklärung der Halberstädter Stände.
  89. Über einen Anklang unserer Verse an das Lied der Druckergesellschaft bei Uhland, Volkslieder Nr. 265, vgl. die Anmerkung zu Vers 2092 f. des Faust in der Jubiläumsausgabe von Goethes sämtlichen Werken Bd. 13 S. 301.
  90. Angeführt bei Janssen, J. Fr. Böhmers Leben und Anschauungen, Freiburg 1869, S. 292, 100 aus Böhmers Schrift über das Zollwesen, 1834.
  91. Offenbar denkt auch F. Löher, Fürsten und Städte, Halle 1846, an unsere Formel, allerdings ohne sie ausdrücklich zu nennen, und zwar in der ihr von Eichhorn gegebenen Deutung, wenn er in § 10 S. 29 f. sagt: „Diese Idee des deutschen Volkes und Reiches tritt oft genug in der Geschichte hervor, teilweise wurde sie erreicht. In ihr ist zum Teil auch die Verehrung und Heiligkeit des römischen Kaisertums zu fassen, das der Hort für die Welt sein sollte, wie es selbst deren Mark enthielt, und es wäre dem Mittelalter als ein Unsinn erschienen, dieses römische Kaisertum mit einer anderen als der deutschen Nation zu vereinbaren.“
  92. Nach Jung, Julius Ficker, Innsbruck 1907, S. 317.
  93. Vgl. H. v. Sybel, Die deutsche Nation und das Kaiserreich, Düsseldorf 1862, S. 34: „So war das römische Kaiserreich deutscher Nation gegründet. Der Kaiser war König von Deutschland, König von Italien usw.“
  94. Über den Zeitpunkt der Abfassung vergleiche die Notizen in den „Römischen Tagebüchern“ vom 2. April und 31. Dezember 1859, S. 49 u. 68.
  95. Daß Gregorovius der Autor dieser auch sonst wertvollen, in der Literatur anscheinend in Vergessenheit geratenen Schrift ist, ergibt sich aus den Bemerkungen in den genannten Tagebuchern vom 10. Februar und 10. März 1867, S. 236 f.
  96. Beispiele hierfür bietet besonders Artur Brabant, Das Heilige Römische Reich teutscher Nation im Kampf mit Friedrich dem Großen; I. Band: Joseph Friedrich, Herzog zu Sachsen-Hildburghausen, des Heiligen Römischen Reichs teutscher Nation Generalissimus, Berlin 1904. Außer diesen Titelblättern siehe besonders die erste und die letzte Seite des Textes. Die vom Verfasser so gern gebrauchte Bezeichnung des Reiches belegt er aus seinen Quellen nicht.