Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band/9. Die großen Jahrzehnte/8. Kunst

7. Laienbildung Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band/9. Die großen Jahrzehnte
von Rudolf Wackernagel
9. Die Gesellschaft
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Achtes Kapitel
Kunst




Als mächtige Parallele zum wissenschaftlichen Leben zeigt sich das künstlerische. In diesen beiden erkennen wir die wesentlichen Elemente der damaligen Größe Basels.

Kunst und Gelehrsamkeit sind Äußerungen geistiger Kräfte, die in der Hauptsache nicht ihre Zeit, sondern „das Ewige in der Menschheit“ offenbaren. Aber es bestehen Verschiedenheiten. Gleich den Gelehrten mögen die Künstler überall beheimatet sein; wir sehen sie dennoch mit einem großen Teil ihres Schaffens dem jeweiligen Orte verbunden. Namentlich aber ist die Kunst mehr als die Wissenschaft ein Gemeingut. Sowohl öffentlich als privat angetrieben und benötigt, stellt sie ihre Werke vor Jedermanns Augen und ist Jedem genießbar, wenn auch in verschiedener Stärke und Wahrheit. Sie vermag auch dauernder zu wirken. Wer weiß heute noch von Erasmus? und wer lebt von ihm? Während Holbeins Name in Aller Mund ist und die Kraft seiner Werke unsterblich.

Wir haben nicht nur zu rechnen mit der Fortdauer eines in Basel schon vorhandenen künstlerischen Sinnes und Vermögens, sondern auch mit dessen Steigerung Wandlung und Erneuung. Wie in einer gewaltigen Vision sehen wir die Fülle der Kunstwerke vor uns sich ausbreiten, die seit mehr als einem halben Jahrtausend hier an diesem einen und bevorzugten Orte geschaffen und zusammengebracht worden sind. Zu dieser Masse fügt sich nun das jetzt in großer Zeit hier neu entstehende Kunstgut.

Die starke eingeborne Kultur; die Prunklust des Städters und des mächtigen Gemeinwesens; die oberrheinische Farbenfreude; dazu die mannigfaltigen Gedanken und Vorstellungen, die auf Reisen Heerzügen usw. gewonnen, [268] durch Besucher Gäste Einwanderer gebracht werden; neben den alten heiligen Geboten der Devotion als der Patronin und Gnadenmutter aller Künste, die neuen Forderungen des Buchdrucks, des heftig vorwärts drängenden öffentlichen Lebens, der modernen Anschauungen, der gesteigerten Bedürfnisse und Wünsche — alle diese Mächte vereinigt bewegen und leiten das Kunstleben.


Von den damaligen Künstlern Basels ist schon einmal die Rede gewesen, im Zusammenhange der Gewerbegeschichte.

Zu den einheimischen und den schon ansässig gewordenen Meistern gesellen sich die unaufhörlich zuwandernden: die Angelrot aus Thann, Konrad Schnitt aus Konstanz, Konrad Servatinger aus Überlingen, Martin Hoffmann aus Stolberg usw. Zahlreich wie immer die Schwaben und die Franken: aus Nürnberg der Heiligenmaler Adam Strow, aus Augsburg die Holbein und die Goldschmiede Jörg Schweiger und Ulrich Bissinger, aus Ulm die Goldschmiede Nachbur und Knopf, aus Kirchheim u/T. der Maler Thomas Schick und der Goldschmied Galle Meinrad, aus Reutlingen die Han. Als namhafte Schweizer Hans Dyg aus Zürich und Urs Graf aus Solothurn.

Gleich andern Einwohnern finden wir die Künstler in den Bruderschaften, sowie fest eingefügt in den Zunftorganismus gemäß der städtischen Rechts- und Wirtschaftsordnung, der die Kunst Handwerk ist. Daher auch ihre Heranziehung zu Zunftämtern und ihr Felddienst; es bewegt oft eigentümlich, diese klangvollen Namen, die ganz andern Vorstellungen rufen, in den Listen der Stubenmeister u. dgl. und in Mannschaftsroteln zu finden. An den Zügen und blutigen Schlachten in der Lombardie haben Viele dieser Männer teilgenommen; bei Marignano kämpfen Antoni Glaser, Hans Frank, Urs Graf, Hans Öder u. A. und findet Bernhard Oser den Tod.

Wie dann aus der Zunft der einzelne Künstler etwa zur Magistratur aufsteigen kann, zeigen Caspar Koch und Konrad Schnitt. Der Heiligenmaler Strow versieht neben seinem Berufe das Amt eines Stadtboten, Hans Dyg der Maler ist Zinsmeister, Hans Herbster bewirbt sich um die Kornschreiberstelle u. dgl. m.

Aber was will dies besagen? Zunft- und Bürgerrechtsangelegenheiten haben mit dem wirklich Wissenswerten, dem Künstlerischen so wenig zu tun wie die vielen Nachrichten über Hausbesitz der Künstler und über ihre Schulden Ehesachen Erbschaftssachen. All diese Zeugnisse sind im Grunde belanglos.

[269] Wir suchen die einzelne Künstlergestalt zu erkennen und sehen, mit wenigen Ausnahmen, nur eine Gesamtheit. Die Künstlerschaft tritt als geschlossener Teil der Bevölkerung vor uns. Sie bildet landsmannschaftliche Gruppen. Sie zeigt sich im Verbande nachbarlichen Beisammenwohnens, namentlich im Künstlerquartier des Fischmarktes; sie hält auch zusammen in Bürgschaften und Vogteien und hat durchweg ihre Verschwägerungen und Vervetterungen; sie läßt in manchen ihrer Familien Geist und Geschick sich durch mehrere Generationen erben.

Zahlreich sind die Briefmaler Kartenmaler Heiligenmaler. Sichtlich gedeiht dieses Gewerbe und der Vertrieb seiner in Menge vervielfältigten Werke zusammen mit dem Buchdruck. Aber was ihm überhaupt Förderung bringt, das gesteigerte Leben, hebt alle Künste und Fertigkeiten.

Auch die Tischmacher haben jetzt ihre große Zeit, mit den berühmten Meistern Ulrich Bruder 1494—1515, Jacob Steiner 1510—1539, Michael Dietrich 1517, Hans Stolzenberg 1517, Jos Merker 1517 1518.

Ihnen nahe stehen die Bildschnitzer und die Bildhauer; bald mehr als Steinmetzen arbeitend und dann mächtig durch Bauten wirkend wie Remigius Fäsch der vielbewährte Meister von Basel und Thann, oder wie Konrad Hochberg, der 1509 an den Bauarbeiten im Klingental beteiligt ist und den Chor zu Hohenrodern baut; bald durch Schöpfungen der Holzplastik ausgezeichnet wie Martin Lebzelter 1492—1520 und Martin Hoffmann 1506—1526; bald nur als Steinbildhauer uns bekannt wie Hans Thür 1504-1528, der Meister des St. Georgsbrunnens auf Burg und des Rathauses; vom Größten dieses Faches, dem Künstler des Utenheimgrabmales, fehlt jede Nachricht.

Die Schar der Glasmaler hat ihren Hauptmann und Vertreter in dem ruhmvollen, durch zahlreiche heute noch vorhandene Werke uns erkennbar gemachten Antoni Glaser.

Aus der Menge der Goldschmiede treten hervor die mächtigen Angelrot — Niclaus 1513—1527 mit seinen Söhnen Balthasar 1507—1545 und Caspar 1510—1535 -, Jörg Schweiger 1507—1533, Urs Graf 1509—1527.

Dem überall nach Schmuck und Schönheit verlangenden Geschlechts dienen aber namentlich Malerei und Zeichenkunst; sie verkünden sich in zahlreichen Meisternamen.

Das starke Wollen und Vollbringen der Zeit gestattet, hier wo von Kunst die Rede ist, auch Meister zu beachten wie den Schlosser Jacob Cluster, den Hafner Fingerlin 1511, den Eisengießer Peter Münch 1596, die Zinngießer Zschan und Werlin, den Seidensticker Hans Zysel.

[270] Lebendigere Zeugen als die Künstlernamen sind die Kunstwerke, soweit sie noch erhalten oder durch eine — allerdings lückenhafte und einseitige — Überlieferung erwähnt sind.

So hohen Wert die Inventare von Schatzkammern Hausausstattungen und Nachlässen haben, für ein Erkennen des damals entstandenen Kunstbesitzes reichen sie lange nicht aus. Andre Nachrichten treten neben sie, und das Zeitalter selbst redet laut genug von seinem Begehren und seiner gewaltigen Kraft. So ergibt sich uns, nicht zu schauen, nur zu ahnen, an diesem einen Orte Basel die wunderbare Größe und Fülle einer innerhalb weniger Jahrzehnte, im Wetteifer zahlreicher erlesener Künstlergenien, geschehenen Schöpfung.


Mit imposanter Macht wirkt hiebei noch immer die Kirche. Der Münsterbau ist mit dem Jahrhundert fertig geworden; aber sonst ruht nirgends die Arbeit. Wie eine letzte Verkündung und Verherrlichung der alten Frömmigkeit, des Machtgefühls und der Regenerationsideen erscheint diese umfassende, auf kurze Zeit zusammengedrängte Beanspruchung aller Künste durch die Kirche. Basel erlebt aufs Mal einen Reichtum von zum Teil herrlichen Leistungen: den Umbau des Haupthauses der Karthäuser seit 1499, mit der kostbaren Gastkammer 1509; das neue Refektorium im Klingental 1508; Sakristei Zellen Refektorium im Steinenkloster 1505 und 1520; die allmähliche Vollendung des Langhauses zu St. Leonhard und 1512 die Einwölbung des Chores daselbst; die großen Altarwerke zu Predigern 1505 und im Steinenkloster 1518; die Bemalung der Lettner zu Augustinern 1512 und zu Barfüßern 1519; zu St. Peter eine lange Reihe neuer Zierden 1514—1523; den Bau der Aller Heiligen-Kapelle 1514 und der neuen Elisabethenkapelle 1516; die Dekoration der Brückenkapelle 1512, der Margarethenkapelle ebenfalls 1512, der Chrischonakapelle 1519; die Ausmalung des Kreuzganges im Klingental 1517; die Errichtung eines Sakramentshauses zu St. Theodor 1521, der Grabmäler Utenheim im Münsterkreuzgang 1501 und Kilchman auf dem Theodorskirchhofe 1521.


Während so die kirchlichen Körperschaften in Aufträgen an Künstler wetteifern, rührt sich auch die Stadt. Es ist diejenige Pflege der Kunst, die ein demokratisches Gemeinwesen zu gewähren vermag.

Wir vernehmen mancherlei. Am Salzhause bekommt Hans Frank Löwen und Wappen zu malen, 1516; auch im Werkhofe arbeitet er und [271] streicht Büchsen u. dgl. an; 1511 hilft er bei der Ausrüstung des Winterfeldzuges; 1518 dekoriert er den Spalenschwibogen. Andre offiziell bestellte Werke sind die neue St. Georgsstatue des Brunnens auf Burg 1507 von Hans Thür, und die Herrichtung des St. Jacobsbrunnens durch den Steinmetzmeister Balthasar Ysaak von Offenburg 1516. Andres, die Anschaffung reichgeschmückter Läuferbüchsen und mächtiger Prachtgeschütze, die Stiftung großer Glasgemälde usw., ist schon erwähnt worden. Über dies Alles erhebt sich die städtische Leistung im Rathausbau.

Der Entschluß zu diesem großen Unternehmen war Ausdruck einer politischen Stimmung. Er kam zu Stande nach dem Eintritte Basels in die Eidgenossenschaft und war durch diesen unmittelbar veranlaßt. Im Jahre 1503, nach dem Bellenzer Zuge, geschah seine Bestätigung und der Auftrag an die Bauherren, das Werk zu fördern und dabei kein Geld zu sparen.

Im Sommer 1504 wurde das alte Vorderhaus niedergelegt. Aber seine, offenbar italiänischen Vorbildern nachgeformte Anlage — die Auflösung des Erdgeschosses in eine unter dem ganzen Gebäude durchgehende offene Pfeilerhalle — blieb auch für den Neubau bestimmend. Wie die intensiven Beziehungen Basels zu Oberitalien im vierzehnten Jahrhundert auf den damaligen Rathausbau gewirkt hatten, so erscheint jetzt diese Anwendung südlicher Bauweise, wohl unter Steigerung der Großräumigkeit gegen früher, noch viel stärker begründet.

Im Jahre 1508 war das Vorderhaus im Rohbau vollendet, und die folgenden Arbeiten galten dem Ausbau und der Dekoration. Wir erwähnen hiebei die ausgedehnten Malerarbeiten des Hans Frank 1510 und 1511, die Anbringung eines schmuckreichen Uhrgehäuses und der Statue des Baselwäppners an der Fassade, die mit ungewöhnlichem Aufwande durchgeführte Herrichtung und Auszierung des Saales im ersten Stocke des Vorderhauses, bis 1514.

Die alte Ratsstube im Hinterhause bestand noch immer und diente in bisheriger Art den Sitzungen. Auch erhielt sie in eben diesen Jahren noch einen erlesenen Schmuck durch Glasgemälde: 1509 eine „Rose“ mit den Wappen der eidgenössischen Orte und 1514 vier Baselschilde mit Engeln Löwen wilden Männern und Basilisken als Schildhaltern.

Das neue Gegenstück zu dieser Ratsstube, der Saal im Vorderhause, war wohl als Fest- und Repräsentationsraum bestimmt. In dessen Fenster erbat sich jetzt 1513, im Jahre von Novara, der Rat als Schmuck die Wappenscheiben der Eidgenossen; ihre Anfertigung geschah 1519 durch Antoni Glaser.

[272] Der solchermaßen im Jahrzehnt 1504—1514 zu Stande gebrachte Rathausbau hat die Bedeutung eines Denkmals munizipalen Stolzes in großer Zeit. Eine goldene Weihinschrift widmete ihn Deo virtutique.

Voll Bewegung und Glanz ist wie die tüchtigsten Vertreter aller Gewerbe Basels, in der Spanne weniger Jahre an dem einen Unternehmen vereinigt, diesem ihr Bestes geben. Wir lernen sie Alle kennen. Nur der hochbefähigte Meister der allgemeinen architektonischen Disposition ist uns unbekannt.

Das Hinterhaus mit Ratsstube Gerichtsstube usw. wurde dabei in seinem alten Zustande belassen. Bis die neuen Bedürfnisse auch hier einzugreifen zwangen. Die Steigerung der Macht des Großen Rates führte zum Bau eines Großratssaales. Der moderne Staat war zu stolz und zu weltlich, um länger bei den Mönchen Gast sein zu wollen. Die Refektorien zu Predigern und Augustinern, die bisher den Sechsern gedient hatten, wurden ersetzt durch einen Saal im Rathause selbst, den man auf dem Hinterhaus aufbaute.

Gleichzeitig mit diesem Bau ist wohl die bis dahin fehlende Verbindung zwischen dem Hinterhaus und dem neuen Vorderhause gebaut worden. In der Form der Loggia und der zu dieser hinaufführenden großen Freitreppe lebte wiederum die Anregung Italiens.

Im Jahre 1517 waren diese Arbeiten begonnen worden. Ihre Beendigung wird uns dadurch gezeigt, daß 1519 Hans Dyg an der Hoffassade und in der Loggia Wandgemälde ausführte und daß am 12. März 1521 der Große Rat seine erste Sitzung im neuen Saale hielt.

Wir sind berechtigt, innerhalb der Basler Kunst bei der Jahrhundertwende das Vorhandensein großer Qualitäten anzunehmen. In dieser Zeit gesteigerten politischen und geistigen Lebens war Raum für ein starkes Gedeihen auch der Kunst.

Wenn schon Müdes und Ueberreiztes unter den Werken dieser Epoche sein mochte, ihr Bild im Ganzen ist doch bestimmt durch ein allgemeines Emporgehen. Bei dessen Betrachtung wir uns an den allgemeinen Verlauf zu erinnern haben. An das Dasein eines Geistes, unter dessen Herrschaft sich Gesinnung und Leben neu formten. Dieser frische Geist, auf jedem Gebiete wirksam, brachte auch das der Kunst in Erregung. Er führte die Kunst zur Entdeckung der Natur. Er lehrte sie reale Werte an die Stelle herkömmlicher Begriffe setzen. „In Klarheit und Kraft war ein neues Wollen auf dem Plan.“

[273] An diesem Leben war auch Basel beteiligt. Wie es in seiner Nähe die Isenheimer Herrlichkeiten vor Augen hatte, so schuf es selbst Werke von der Art der Laurentiusstatue zu St. Andreas und des Utenheimgrabes beim Münster. In Italien sprach man von einer scuola Basiliensis, deren Angehörige dort Arbeiten ausführten. Auch denken wir an den Meister der Offizin Vergman und an den Meister D S. Und keineswegs gewöhnlich war der Geist, der damals den Rathausbauplan erdachte.

In diese allgemeine Entwickelung griff nun eine neue Macht. Wie der deutsche Humanismus nicht nur aus der Antike und dem modernen Italien erwuchs, aber des Beistandes dieser fremden Kräfte sich bediente, so auch die deutsche Kunst der Zeit. Sie bewahrte ihren „selbstbewußt und lebenskräftig emporsteigenden neuen Stil“; aber sie nahm hinzu, was ihr paßte. Sie blieb bis hinauf in ihre größten Schöpfungen eine deutsche Kunst, wenn sie auch die italiänische Kunst kannte und das ihr Gefallende sich anfügte. Diese italiänische Kunst war das Naheliegende. Die im Norden waltende eigene Kraft in der Hauptsache unberührt lassend, wurde sie angenommen und erhielt Geltung „nicht wie eine Notwendigkeit, sondern wie eine Mode“.

Für Basel handelte es sich bei diesem Vorgange wesentlich um lombardische Kunst. Rom und Florenz kamen weniger in Frage, während Oberitalien, seit jeher den Baslern vertraut, jetzt auf neue Weise und in mächtig gehobener Stimmung auf Heerzügen kennen gelernt wurde. Zu den altgewohnten und allgemeinen Beziehungen fügten diese Kriege bei den vielen durch sie über die Alpen geführten Künstlern eine besondere lebendige Teilnahme. Außerdem ist noch an die neuerdings durch den Buchhandel geschaffenen Verbindungen, namentlich mit Venedig, zu denken.

Die frühesten Zeugnisse des Ergriffenseins durch italiänische Vorbilder begegnen uns in Basel zu Ende unseres ersten Jahrzehnts. Es sind Arbeiten des Urs Graf 1510 f. Ihnen gesellen sich sofort Werke Anderer, und rasch kommt die Zeit, da beinahe jeder Künstler modern sein will und die neuen Formen auch in seine Schöpfungen einfügt. Da auch im Edelschmiedwerk die „uf welsch“ gemachten Stücke und in der Tracht die „lampartische Arbeit“, die „mailändische Kunst“ Mode werden.


Im Jahre 1514, spätestens im Frühling 1515, kam Hans Holbein nach Basel. In einem Momente, dessen Bedeutung uns klar wird durch einfache Nennung einiger Tatsachen: seit Kurzem waren Glarean und Erasmus hier anwesend; Johann Froben führte als neuer Herr die amerbachische [274] Druckerei zum Sessel; der Bau des Rathauses war soeben fertig geworden; die Eidgenossenschaft stand vor dem Kampfe mit Frankreich, und in ihrem Heere zogen im Mai 1515 auch die Basler nach Mailand.

Mitten in diese Erregungen hinein kam der junge Augsburger. Überdies empfing ihn überall, wo Künstler und Kunstfreunde waren, die vom Eindringen italiänischer Formen geweckte Unruhe, die Parteiung von Alten und Modernen; er selbst konnte diese Konflikte noch mehren durch Geltendmachen seines heimatlichen Stiles.

Schon frühe erscheint hier Holbein in Berührungen sowohl mit der humanistischen als mit der politisch mächtigen Gesellschaft.

Auf der Gesellenwanderung kam er nach Basel, und sein Vater der Maler hat ihn wohl auf diese Kunststadt aufmerksam gemacht. Auch dürfen wir für möglich halten, daß er durch den Augsburger Stadtschreiber Peutinger nach Basel gewiesen und hier an Rhenan und Gerster empfohlen worden ist, mit welchen Beiden Peutinger gerade damals im Verkehre stand. Auch mag Holbein unterwegs am Bodensee mit Johann Fabri und Botzheim bekannt geworden sein, die viele Beziehungen zu den gelehrten Kreisen Basels hatten. Daß dann der interessante junge Künstler bald Einzelnen der Sodalität näher gekommen ist, darauf deuten die Zeichnungen, mit denen er im Dezember 1515 das dem Myconius gehörende Exemplar des erasmischen Narrheitbüchleins schmückte.

Nach einer andern Seite hin weist eine gleichfalls diesem Jahre 1515 angehörende Arbeit Holbeins, die Bemalung einer Tischplatte für Hans Bär. Wichtiger und für das rasch gewonnene Ansehen des jungen Künstlers noch bezeichnender ist, daß er zur Porträtierung Jacob Meyers zum Hasen berufen wurde, in dem historischen Jahre 1516 selbst, das durch die Erhebung Meyers zum Bürgermeister diesem Manne die Erfüllung ehrgeizigen Verlangens und der Zunftpartei überhaupt einen Triumph brachte.

Aber zum Bilde dieser ersten Basler Zeit Holbeins gehört auch, daß seinem Vater damals im nahen Isenheim die Ausführung eines großen Altarwerkes übertragen war, daß er selbst gelegentlich dorthin ging und die Bilder Grünewalds kennen lernte, daß er auf diesen Elsässer Fahrten auch Ottmarsheim besuchte und Beziehungen zu den Herren von Andlau und zum Abte Georg von Murbach gewann.

So lebte er schon früh über das Lokale hinaus. Bald kam ein noch weiteres Ausgreifen: die große Arbeit am Hertensteiner Palast in Luzern. Einzelne persönliche Berührungen dieser Familie mit Basel mögen den Auftrag eingeleitet haben; seine Voraussetzung war das Jedem fühlbare Genie des [275] jungen Fremden. Zu Beginn des Jahres 1517 scheint Holbein nach Luzern gegangen zu sein; von dort aus kam es im Frühjahre 1518 zur Reise über den Gotthard nach Oberitalien. Es war eine Reise, die ihm eine Fülle wichtigster künstlerischer Erlebnisse gab.

Nach Basel kehrte Holbein im Herbste 1519 zurück; am 25. September wurde er in die Himmelzunft ausgenommen. Er hatte jetzt festen Boden unter sich. Nicht nur in seiner Kunst; auch rechtlich. Im Jahre darauf, am 3. Juli 1520, wurde er Bürger der Stadt. Um dieselbe Zeit verheiratete er sich mit Elisabeth, der Witwe des Gerbers Ulrich Schmid.

Seine ökonomische Lage scheint bedrückt gewesen zu sein. Er war nicht Hauseigentümer wie so Viele der damaligen Künstler Basels; und daß er keinen Weinvorrat besaß, sondern sich den Tagesbedarf beim Weinschenk kaufte, war ein Zeichen von Dürftigkeit, an das man sich später, in der Zeit seines Glanzes, erinnerte. Auch die vielen Arbeiten für Verleger deuten gewiß auf Beschränktheit der Mittel. Aber das waren Äußerlichkeiten Vergänglichkeiten. In ihm selbst lebte Freiheit und das Glück einer übermächtigen und zugleich besonnenen Schöpferkraft.

Das denkwürdige Jahr 1519 ist auch die Schwelle zum zweiten Aufenthalte Holbeins in Basel, die Schwelle der sieben Jahre, innerhalb deren er, der noch nicht Dreißigjährige, unter ruheloser Arbeit an sich selbst, in nie stille haltender Entwickelung immer reichere Kraft erwies und eine Reihe hoher Kunstwerke schuf.

Dabei empfinden wir, von dem Künstlerischen absehend, schon die rein persönliche Art dieses Menschen. Mit seinem freien Blicke, seinem „schneidend scharfen Geiste“ steht er im Gewühle stark und unabhängig da. Aber, wenn wir recht sehen, auch isoliert. Wir wissen kaum etwas von seinem Alltagsleben. In den Gerichtsbüchern Urfehdeverzeichnissen usw. findet sich nirgends sein Name; nichts verlautet von Geldsachen, von Ausgelassenheiten wie bei den Kunstgenossen. Er beherrscht sich durchaus, aber er tritt auch Niemandem näher. Er malt den Amerbach, den Erasmus, den Froben; er schmückt die Bücher der Humanisten; er wird durch Diese beraten und mit Stoffen für seine Illustrationen und Dekorationen versehen; namentlich Rhenan, der Holbeins eminente Fähigkeit jedenfalls erkennt und sie für die Zwecke des frobenischen Verlages nützt, vermittelt ihm dabei die Kenntnis der Antike. Aber dies Alles verträgt sich mit einem innern Fernbleiben Holbeins von der Humanistenwelt. In den vielen Äußerungen dieser Welt ist nie die Rede von Holbein. Ein andrer Geist lebt in ihm, ein andrer in diesen Gelehrten und Pädagogen. Holbein ist viel mehr als nur ein Genosse dieser [276] Zirkel. Auch viel mehr als nur ein Socius der Zunft und der Lucasbruderschaft neben den Koch Dyg und Consorten. Er ist eine große Gestalt im Leben der Stadt überhaupt, aber umhüllt und ferne gerückt durch die Einsamkeit solcher Größe.


Während kurzer Zeit erscheint hier neben Hans Holbein auch sein älterer Bruder Ambrosius. Die Beiden waren vielleicht zusammen nach Basel gekommen. Ambrosius, dessen Andenken als Künstler durch zahlreiche bedeutende Werke gesichert ist, wurde am 24. Februar 1517 in die Malerzunft ausgenommen, am 6. Juni 1518 in das Bürgerrecht. Dann verschwindet er. Wahrscheinlich ist er der damals wütenden Epidemie erlegen.


Die Brüder Holbein hatten ohne Zweifel Beziehungen zum Goldschmied Jörg Schweiger, der ein Augsburger Stadtkind war gleich ihnen.

Außerdem ist an Beziehungen zu Hans Herbster zu denken, in dessen Werkstatt die Brüder anfangs gearbeitet haben mögen. Herbster war unter den damaligen Basler Malern der Senior (geboren 1470); er hat sie auch beinah Alle überlebt. Ein sicher bezeugtes Kunstwerk seiner Hand kennen wir nicht. Aber im Gerichtsbuch erscheint er oft bei Geldsachen Nachbarschaftsstreitigkeiten usw. Er hat den Ruf, ein Spieler zu sein und mehr zu schulden als er besitze. So zeigt auch sein durch Ambrosius Holbein gemaltes Porträt von 1516 einen rauhen unguten Mann mit struppigem Haare tief in der Stirn und finstern Brauen.

Wir sehen uns um nach den übrigen Malern, zwischen denen sich Holbein hier zu bewegen hatte.

Die nationalen Unterschiede in ihren Reihen konnten gerade damals, in politisch hocherregter Zeit, schroffe Gegensätze sein. Stärker noch und persönlicher wirkten Verschiedenheiten des Talentes und der Art. Zumal im Momente, da ein neuer Stil mit seinen Geboten und Lockungen sich glänzend erhob. Kämpfe innerhalb heutiger Künstlerschaften, mir ihrem Neid, ihrer Gehässigkeit, ihrer Herrschsucht Einzelner, geben eine Ahnung davon, wie es damals in der Basler Künstlerschaft zugehen mochte, im Kreise dieser Herbster Dyg Koch Graf Zeller usw. mit ihren Schongauerweisen Dürerweisen Baldungweisen usw. und den Anbequemungen an die neuen italiänischen Manieren. Unaufhörlich war Anlaß vorhanden zu Parteiung und Streit, bis dieser junge Augsburger kam und rasch der Besieger Aller wurde, aber wohl auch der von Allen zusammen gleichmäßig Gehaßte.

[277] Näheres Erkennen dieser Zustände ist uns freilich unmöglich. Die neben Holbein wirkenden Meister sind meist nur durch Äußerlichkeiten bezeugt. Einzig Urs Graf wird uns auch in seinen Werken lebendig.

Urs Graf, von Solothurn stammend, faßt nach einem Jahrzehnt unruhigen Wanderlebens als Goldschmied und Glasmaler im Jahre 1509 Fuß in Basel.

Zu den Daten der Heirat (1511 mit Sibylla von Brunn), der Zunftannahme zu Hausgenossen und des Bürgerrechts 1512, des Todes 1527/28, fügt sich die reiche Dokumentierung einer merkwürdig starken und mannigfaltigen Künstlerkraft, aber auch die Kunde einer trotzigen Ausgelassenheit, die weit über jugendlichen Übermut hinaus noch dem mehr als Vierzigjährigen eigen ist. Das Temperament, das ihn so in Unfug und Roheiten aller Art leben heißt, wirkt natürlich auch auf seine künstlerischen Leistungen, auf sein ungewöhnlich langes Beharren im Gesellenstande, auf das unruhige Wechseln der Tätigkeit, auf das frühe Stehenbleiben der Entwickelung.

Urs Graf zieht wiederholt in den Krieg, auch als Reisläufer wider des Rates Verbot; er ficht bei Marignano und Bicocca. Seine Erscheinung gewinnt dadurch eine Zugabe an Mut und Männlichkeit und großem Erlebnis, hinter der die bürgerlichen Untugenden zurücktreten.

Es ist dieselbe Kraft, die diesen wilden rothaarigen Kriegsmann auch überall da erfüllt, wo er Künstler ist. Sie macht sein Künstlertum zu einem eigenartig vortretenden. Stets zum raschen frischesten Erfassen der Umgebung bereit, geistreich und aus nie versagender phantastischer Fülle der Eingebung heraus gestaltend, gibt uns Graf Bilder, die oft große Kunstwerke sind, oft auch Geschichtszeugnisse ohne Gleichen.

In Urs Graf begrüßen wir die stärkste Gestalt neben Holbein. Aber wir verkennen auch nicht die Weite des Abstandes dieser genialen Landsknechtnatur von der Kultur Holbeins. Was bei Diesem an sich schon exceptionelle Begabung ist, steigt noch an Macht durch seine Fähigkeit des Maßhaltens. Alle andern treten hinter ihm zurück.


Von Wichtigkeit ist die oft bis zur eigentlichen Leitung wachsende Einwirkung der Basler Kunst auf gewisse Techniken. Es kommen dabei die besondern Kräfte und Zustände der inclyta Basilea zur Geltung.

Vor Allem beim Buchgewerbe.

Wie nach dem Tode Amerbachs 1513 und dem Aufrücken Frobens zur Vorherrschaft das ganze Buchwesen sich neu gestaltet, so tut im Einzelnen auch die Buchdekoration einen großen Schritt vorwärts.

[278] Illustrationen gedruckter Bücher sind schon bisher üblich gewesen, und in den 1490er Jahren hat diese Kunst hier frischen Aufschwung genommen. Jetzt, zur selben Zeit, da die alte Herrlichkeit der Buchmalerei hier noch einmal schöne Tage erlebt, wächst auch die neue Fertigkeit mächtig empor. Die künstlerische Einfassung des Titels wird allgemeiner Brauch; einzelne Textseiten erhalten ornamentale Leisten; geschmückte Initialen bei den Anfängen der Abschnitte vollenden die Ausstattung. Auch das Signet des Druckers ist schon im fünfzehnten Jahrhundert vielfach zum Bild erhoben worden; was jetzt in großer Zeit daraus werden kann, zeigen die mächtigen Basilisken-Bilder der amerbachischen Societät, dann die vielen reichgestalteten Signete Frobens, zumal jenes herrliche von 1517 ff., bei dem Alles Schönheit Wohlklang und rauschender Jubel ist, Engelchöre und grandiose Palastarchitekturen um den einen Schild mit dem Schlangenstabe versammelt sind.

Daß die Literatur im Gewande so reicher Zierden auftritt, ist charakteristisch für die Zeit. Eine zu Allem fähige Kunst und eine verbreitete Formenfreude können das Buch nicht unberührt lassen. Dazu kommt das Hochgefühl jeder Art — von der technischen kommerziellen wissenschaftlichen Seite her —, das die Bücherproduktion Basels durchdringt. Die stete Bereitschaft von Künstlern ermutigt die Verleger zu beständigen Aufträgen. Die hohe Ausbildung des Typographischen reißt auch die Dekoration mit.

Es handelt sich bei dieser nicht allein um rein formale Schmuckstücke, sondern vielfach um inhaltlich starke Darstellungen. Es ist eine schimmernde, reichbewegte Stoffmasse, die, meist aus der antiken Welt kommend, sich zur Zier bereitstellt. Von Bild zu Bild sehen wir die Autoren, die Verleger, die Literaten ihre Wünsche haben und Ideen geben, die Künstler mit dieser Fülle schaltend sich in glanzvollen Phantasien ergehen. Es ist eine Dekoration, die das Textbild nicht unterbricht und stört, sondern begleitet, die überhaupt meist ohne Beziehung zum Buchinhalt ist und in ihren Historienbildern, ihren Allegorien und Fabeleien, ihren Säulen Guirlanden Kinderspielen ein ausgebildetes Leben in sich selbst hat. Mit Festlichkeit und Anmut umgibt sie auch den ernsthaftesten Text. Wie viel Klang aus jener einzigen Zeit Basels uns gerade durch sie vermittelt wird, ist gar nicht auszusprechen.

Verschiedene Interessen treffen zusammen. Der Verleger ist bedacht auf schöne Gestaltung der Bücher, und die Konkurrenz treibt Stolz und Eifer jeder Offizin immer höher. Der Künstler aber sieht sich hier eine eigenartige Tätigkeit zugewiesen; er hat auch die Aussicht auf massenhaftes und weites Herumkommen seiner Schöpfungen. Allgemein wichtig aber ist, [279] daß, so viel wir sehen, namentlich diese Buchdekoration den neuen Stil aufzieht, daß die Künstler zuerst bei ihr und am reinsten bei ihr die italiänischen Formen anwenden. Und schließlich beachten wir die hiebei gegebene Möglichkeit von Ausbildung der Techniken des Holz- und Metallschnittes.

Der diesen Schnitt besorgende, aus dem Karten- und Briefmalergewerbe erwachsene Formschneider kann zum Kopisten oder Kompilator werden, ja zu eigenen Entwürfen gelangen; im Wesentlichen ist er kein selbständiger Künstler, sondern ein auf Reproduktion beschränkter Handwerker, dessen Können aber von höchster Wichtigkeit ist für die seinem Messer sich anvertrauende künstlerische Vorzeichnung.

Aus der Reihe der Basler Formschneider dieser und der folgenden Zeit nennen wir vorerst den Heinrich Kupferwurm, Verfertiger von Holzschnitten für den Theuerdank Kaiser Maximilians 1517. Sodann die für Basler Verleger arbeitenden: Jacob Faber (Verier) aus Lothringen, der bis 1525 hauptsächlich im Dienste Frobens tätig ist und zahlreiche Zeichnungen Holbeins im Metallschnitte wiedergibt; Hans Herman 1521 f., der als Holzschneider für Cratander Wolf Curio u. A. arbeitet und vielleicht Hauptvertreter der damaligen Basler Tiefschnittechnik ist; Hans Lützelburger 1522—1526, unter den Formschneidern Holbeins der bedeutendste, durch höchste Feinheit und Klarheit des Schnittes ausgezeichnet.


Unter den Künstlern, denen die Formschneider dienen, sind einige in der Hauptsache nur Künstler gerade dieses Faches, Zeichner für den Formschnitt, sowohl in der gebundenen Form des Buchschmuckes als frei in der Erschaffung von Einzelblättern. Nebenbei kann es sich bei ihnen auch um andre Werke, um Gemälde, handeln. Ihr voller Name und ihr Leben sind uns meist unbekannt; aber ihre Werke zeigen die künstlerische Persönlichkeit.

Voran steht der Meister D S, während der Jahre c. 1500—c. 1512 uns nahegebracht durch die Illustrationen der Etterlinchronik, der Missale Jacob Wolfs und andrer Basler Drucke, ferner durch die Basiliskensignete, den großen Holzschnitt mit der Dornacherschlacht und andre Einzelblätter, lauter Werke von persönlicher und bedeutender Art. Sodann der Meister H F, 1516—1524, als dessen Arbeiten allerhand Zeichnungen sowie ein gemaltes Porträt bekannt geworden sind. Ihm gleichzeitig, 1517—1521, ist der in ähnlicher Weise dokumentierte Meister G Z. Endlich der Meister C S, dessen graphisches Werk (Illustrationen der Notitia dignitatum, Holzschnittfolge von Fahnenschwingern u. a. m.) vorwiegend den 1530er Jahren anzugehören scheint, und der möglicherweise identisch ist mit dem [280] seit 1519 in Basel tätigen Maler Chronist und Staatsmann Konrad Schnitt aus Konstanz.

Alles dies wird weit übertroffen durch das Werk des uns schon bekannten Urs Graf. Was er an Titelumrahmungen Leisten Signeten Initialen Illustrationen geschaffen hat, ist eine reiche und eigenartige Ergänzung des in den berühmten Einzelblättern Geleisteten. Auch ist Urs Graf wohl der Erste, der die Formen der italiänischen Renaissance in die Basler Buchdekoration einführt.

Ambrosius Holbein hat sich während seiner kurzen Basler Jahre gleichfalls nicht dem lockenden Dienste der Verleger entziehen mögen und hauptsächlich für Froben und Gengenbach gearbeitet.

Im Jahre 1516 bemächtigt sich Hans Holbein auch dieses Gebietes; die Erstlinge seiner erstaunlichen Buchkunst sind die Titeleinfassungen mit dem Scaevola und mit den Putten und Tritonen. Zunächst beschäftigt ihn vor Allen Froben. Nach seiner Rückkehr von Italien aber, Ende 1519, „wird er von allen Offizinen als Zeichner verwendet, sofern man seiner nur habhaft werden kann“. Die ungewöhnlich starke künstlerische Bedeutung des Basler Buchschmuckes ist von da an wesentlich das Werk Holbeins. Dieser „entwickelt sich an einer unbegrenzten Fülle von Aufträgen zum tonangebenden Meister der deutschen Bücherdekoration“.


Der alte Ruhm der Basler Glasmalerei ist jetzt einer Reihe tüchtiger Meister befohlen, unter denen namentlich Antoni Glaser Beachtung heischt. Gerade diese Zeit technischer Vollendung ist aber auch die Zeit einer Renaissance für das Glasbild. Wir sehen die neuen italiänischen Formen zuerst durch Urs Graf aufgenommen; aber er kommt über die lockeren, malerisch ornamentalen Einfassungen nicht hinaus. Holbein ist auch hier der Neuerer. Er „durchbricht als Erster das Prinzip der Umrahmung völlig und schafft daraus ganze ideale Architekturen und Interieurs“. Wie stark er durch seine Kunst, die uns in zahlreichen Visierungen entgegentritt, auf die Basler Glasmalerei gewirkt hat, zeigen deren Schöpfungen in der folgenden Zeit deutlich. Aber die Kraft des Einen reicht noch über Basel hinaus und ist mächtig in den Bernern Lukas Schwarz und Hans Funk, in den Zürchern Niklaus Bluntschli und Karl von Aegeri.

Stärker als die Glasmalerei scheint das Edelschmiedwerk für Basler Lebensformen und Bedürfnisse zu sprechen. Zahlreiche Goldschmiede dienen ihm. Auch ihnen wird jetzt Anreiz und Handreichung durch Vorzeichnungen [281] von Künstlern geboten. Wobei das Herrlichste wiederum holbeinisch ist: Zeichnungen für Becher und Dolchscheiden. In größerer Zahl allerdings haben sich solche Entwürfe des Meisters erst aus seiner spätern, englischen Zeit erhalten. Diese Spangen Agraffen Spiegelrahmen Tafelaufsätze usw. weisen in die Kreise derselben großen Gesellschaft, die den Holbein auch als Bildnismaler in Anspruch nimmt. Dürfen wir sagen, daß Holbeins Arbeiten für Glasmaler mit der Buchkunst zusammen gegangen sind, diejenigen für Goldschmiede mit dem Porträt der vornehmen Welt? Waren die Basler Goldschmiede Angelrot Schweiger Öder usw. einer solchen Hilfe überhaupt weniger bedürftig? Oder haben wir es nur mit einem Zufalle der Überlieferung zu tun?


Auf allen Gebieten steht Hans Holbein zunächst im Gegensätze zur vorhandenen Basler Kunst. Aber er wird ihr Führer und ihr Umgestalter. An eigentliche Werkstatt- oder Schulverhältnisse zu einzelnen Künstlern ist kaum zu denken, umsomehr an die unwiderstehlich bezwingende Macht des Stärkern.

Zu Vielen gesprochen hat Holbein in seiner Zeit namentlich durch die Buchdekoration sowie durch Wandmalereien; heute geht seine Wirkung von den wenigen Einzelbildern aus.

Nach den Gemälden der Kreuztragung, 1515, dann des Abendmahls, der Geißelung und anderer Passionsszenen treten namentlich die Bildnisse des Jacob Meyer und seiner Frau 1516 und des Bonifaz Amerbach 1519 hervor. Sodann das Gemälde an der Hausfassade zum Tanz mit seinem gewaltigen und festlichen, alle enge Gassenart weit überfliegenden Tempo.

Den Aufträgen des Jacob Meyer, des Bonifaz Amerbach, des Bischofs Christoph, des Goldschmieds Angelrot als Eigentümers des Hauses zum Tanz werden bald diejenigen der Oberriet Gerster Erasmus folgen. Aber schon im Jahre 1521 stellt der Rat der Stadt selbst dem Künstler eine Aufgabe ohne Gleichen: die Bemalung der Wände im neuen Großratssaale.

Im Sommer 1521, dann im Jahre 1522 vom Februar bis zum Dezember, malte Holbein zwei Wände des Saales, die gegen den hintern Hof der Fensterwand gegenüber liegende und die an das Nachbarhaus Windeck grenzende. Wir dürfen wohl auch an eine dazu passende Dekoration der Fensterwand und der Fenster selbst denken, überdies vielleicht an ein Mitreden Holbeins bei der sonstigen Gestaltung des Saales an Decke Tragepfeilern Stuhlwerk. Seine Gemälde bestanden aus Einzelfiguren — Gerechtigkeit Weisheit Verschwiegenheit usw. — und breiteren figurenreichen [282] Historienbildern: Sapor und Valerian, Zaleucus, Charondas, Curius Dentatus. Diese den Saal umziehende reichgestaltete Fülle war durch die Rahmungen der Einzelfiguren und die tiefen architektonischen Prospekte der Historien in eine einheitlich grandiose Raumgliederung eingeschlossen.

In der Geschichte Holbeins ist die Rathausmalerei denkwürdig. Er erhielt diesen offiziellen monumentalen Auftrag über alle andern, zum Teil schon lange hier wirkenden Maler hinweg. Der Vierundzwanzigjährige hatte die Geltung des ersten Künstlers von Basel gewonnen.

Denkwürdig war das Unternehmen, das in der ungefähr gleichzeitigen Ausmalung der Ratssäle von Florenz und Nürnberg seine Parallelen hatte, auch für die Stadt und ihre höchsten Behörden. Nicht nur als Zeugnis derselben großen Denkweise, die sich den ganzen Neubau des Rathauses hindurch dokumentierte. Mit einem, jede allgemein moralisierende Tendenz weit hinter sich lassenden Ernste waren in diesen Bildern die Ereignisse verewigt, die im Jahre 1521 das Gemeinwesen erschütterten, unter Verklärung alles häßlich Persönlichen und Bittern durch die Wahl der Bilderthemen und durch die vom Künstler über den ganzen Raum ausgegossene heitre Pracht.